Das Ende einiger Träume von Wohlstand und Prosperität

DER IWF, TEIL 7: KREDITSTÜTZUNGSPAKETE FÜR UNGARN, RUMÄNIEN, LETTLAND

Am 1. Mai – provokanterweise am „Tag der Arbeit“, dem großen sozialistischen Feiertag – 2004 waren 10 neue Staaten in die EU aufgenommen worden: 8 davon waren postsozialistische Staaten. Anfang 2007 folgten auch noch Rumänien und Bulgarien.
Für zwei Staaten aus der 2004-er Runde und einen aus der 2007-er gab es 2008 eine herbe Enttäuschung – ihr Go-West-Programm lief auf Grund, und die internationale Zahlungsunfähigkeit drohte.

Über Ungarn las man im Oktober 2008:

„Die Schulden sind riesig, das Haushaltsloch ebenso – und der ungarischen Währung ging es auch schon einmal besser. Nun wollen IWF, EU und Weltbank die Sorgen des Landes lindern – mit knapp 20 Milliarden Euro.“ (Focus, 29.10.)

Seltsam. Was ist denn da los? Viereinhalb Jahre in der EU und dann das.

Dann las man über Lettland Hiobsbotschaften:

„Nach Jahren mit zum Teil zweistelligen Wachstumsraten und bis zu 30-prozentigen Lohnerhöhungen brach die Wirtschaft infolge der globalen Finanzkrise völlig zusammen.“ (HB, 12.12. 2008)

Am Wachstum kann es nicht gelegen haben, weil das ist ja heilig. Es müssen also die Lohnerhöhungen sein, die das Land in den Ruin getrieben haben. Weil „solides“ Wachstum geht anscheinend nur, wenn die, die es hervorbringen, zu Hungerlöhnen arbeiten.

Rumänien hingegen hatte eigentlich gar nichts falsch gemacht:

„Die internationale Finanzkrise hat die Nachfrage auf Rumäniens wichtigsten Auslandsmärkten Deutschland, Frankreich und Italien wegbrechen lassen und die in Rumänien starke Automobil- und Zulieferindustrie in Bedrängnis gebracht. Allein in den vergangenen fünf Monaten haben 120 000 Rumänen ihren Arbeitsplatz verloren, die Arbeitslosenrate könnte in diesem Jahr von 5,3 auf sieben Prozent steigen.“ (Tagesspiegel, 11.3. 2009)

In Rumänien sind offenbar die Löhne so niedrig, daß ein nennenswerter innerer Markt gar nicht entstehen konnte und das Land völlig vom Export abhängig ist.
(Wer genauer über die Gründe für Mißerfolge in den neuen EU-Ländern Bescheid wissen will, findet das hier.)

Obwohl die Gründe für die Zahlungsschwierigkeiten der drei Länder von den Medien unterschiedlich angegeben wurden – bei Ungarn eine hohe Staatsschuld (woher eigentlich? erfährt man nie), bei Lettland zu großzügige Lohnerhöhungen, bei Rumänien wegbrechende Exportmärkte, war das Rezept recht einheitlich:

„Das erste Rettungspaket wurde im Oktober 2008 Ungarn zugesagt. Es folgten im Dezember 2008 Lettland, im März 2009 Rumänien. … Die Auflagen, die die EU macht, seien »ähnlich wie die des IWF, aber nicht gleich«, sagt der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn. Für alle drei Länder lauten sie recht ähnlich: Der Staatshaushalt muss konsolidiert, Finanzverwaltung und Finanzaufsicht müssen verbessert, andere Strukturreformen vorangetrieben werden. Die vierteljährliche Überwachung dieser Auflagen erfolgt mit dem IWF. In Brüssel ist zu hören, dass die EU-Behörde in der Überprüfung der Reformfortschritte wegen ihrer relativ geringen Erfahrung mit den Programmen fast komplett vom Fonds abhängt.“ (FAZ, 30.3. 2010)

Man halte sich hier vor Augen: Die EU als eine Staatengemeinschaft, die durch Zusammenschluß ihr Gewicht in der Welt stärken und anderen imperialistischen Nationen damit den Rang ablaufen wollte, nimmt Staaten auf, die einige Jahre später zahlungsunfähig sind. Das legt die Vermutung nahe, daß die EU-Mitgliedschaft den Staatshaushalten dieser Länder nicht gut getan hat. Und sei es nur dadurch, daß sich unmittelbar vor und nach dem Beitritt jede Menge Kapital dorthin auf den Weg gemacht hat, das mit dem Ausbruch der Finanzkrise erschrocken wieder davongelaufen ist.

Die EU war offenbar für so einen Fall gar nicht vorbereitet. Sie hatte keinen Plan B in der Schublade für den Fall, daß eines ihrer Mitglieder ins Schleudern geraten könnte, und besaß deshalb auch kein Instrumentarium, um damit umzugehen. Daß sie sich für die Stützung ihrer ins Straucheln geratenen neuen Mitglieder um Hilfe an den IWF wenden mußte, war ein weiteres Kapitel in der an Niederlagen reichen neueren Geschichte der EU.

Erstens gestand sie damit ein, daß sie sich mit ihrer Erweiterung übernommen hatte, also die Vorstellung – je mehr, desto besser! – vom Standpunkt der ökonomischen Durchschlagskraft falsch war.

Zweitens stand der ganze Gedanke der „Integration“ einmal mehr in Frage: Es deutete sich bereits an, daß der Zusammenschluß von Staaten mit unterschiedlicher Wirtschaftsleistung das „Gefälle“ zwischen ihnen erhöhte statt ausglich und die Konkurrenz innerhalb der EU verschärfte.

Drittens mußte die EU damit auch zulassen, daß gegen ihre eigenen Mitglieder genau diejenigen Methoden in Anschlag gebracht wurden, die ein paar Jahre zuvor Argentinien ruiniert hatten. Daß sie diese 3 Staaten, nachdem sie sie ins Boot geholt hatte, wieder den Klauen des IWF überließ, warf kein gutes Licht auf die Zukunft des Staatenbundes.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert