Pressespiegel El País, 17.8., kommentiert – „Verschuldungsrekord“


SPANIENS ÖFFENTLICHE SCHULD WÄCHST UND ERREICHT IHREN HÖCHSTEN STAND SEIT MEHR ALS EINEM JAHRHUNDERT

Bei den Verwaltungen sammeln sich Passiva im Wert von 100,9 % des BIP, nachdem im Juni weitere 18,549 Milliarden dazugekommen sind.
Die öffentliche Verschuldung stieg im Juni um 18.5 Milliarden, auf insgesamt 1,107 Billionen €, die höchste Schuld der Geschichte in absoluten Zahlen. In Prozent des BIP erreichte sie 100,9 %, eine Rekordzahl, die auch die im März erreichten 100,5 % übertrifft, als erstmals die 100 %-Grenze überschritten wurde. Seit dem Jahr 1909, als sich die Schuld nach historischen Aufzeichnungen auf 102 % belief, wurde kein höherer Stand als der des heurigen Juni erreicht.
Aus dem Wirtschaftsministerium wird darauf hingewiesen, daß diese Verschuldugsspitze auch saisonal bedingt ist, weil im Laufe des Jahres Wellenberge und -täler im Schuldenkalender durch die Ungleichzeitigkeit von Emissionen und Tilgungen entstehen. Die Tilgungsmonate sind Jänner, April, Juli und Oktober.
In Anbetracht dieser Faktoren beharrt das Wirtschaftsministerium darauf, daß das Anwachsen der Schuld sich im Rahmen der 2013 eingeleiteten Verlangsamung hält“ (!) „und bis Jahresende auf die im Stabilisierungsprogramm vorgesehenen 99,1 % sinken wird. Mit anderen Worten, der Prozentsatz sinkt bereits seit dem Vorjahr, vor allem dank der Steigerung des BIP, wodurch die Schuldenlast erleichtert wird.“
Das steht im Widerspruch dazu, daß im März die 100 %-Marke erreicht wurde. Auch sonst merkt man diesem Schönwetterabsatz an, daß hier mit aller Gewalt eine Niederlage in einen Sieg verwandelt werden soll.
Das sehen offenbar auch andere so:

„Zweifel bei der Kommission
Die Europäische Kommission stimmt dem nicht zu und glaubt nicht, daß die Regierung dieses Jahr die Schuldenquote um 3 Hundertstel senken kann. Ihren Berechnungen zufolge wird sie zu Jahresende bei 100,3 % stehen. Selbst in diesem Fall meint das Wirtschaftsministerium, daß die historisch niedrigen Finanzierungskosten die Schuld tragbar machen. Was darauf hinausläuft, daß die Interventionen der EZB auf den Finanzmärkten diese Passiva tragen, da dadurch die Rentabilität der Schuldverschreibungen in bisher unbekannte Minima gedrückt wurde. Bei kurzfristigen Titeln kommt es sogar zu Nullzinsen.
Die öffentliche Schuld Spaniens steigt seit 2009 unaufhaltsam an, um die 80 Milliarden pro Jahr. Damals erreichte sie 52,7 % des BIP, gegenüber den 39,4 des Vorjahres. Von da an ging es steil aufwärts, bis 2013 die 90 %-Marke überschritten wurde. Und heuer im März wurde erstmals die 100 %-Marke durchbrochen. Im April ging die Verschuldungsquote leicht zurück, um im Mai und Juni wieder kräftig anzusteigen.
Die Serie der Aufzeichnungen der spanischen NB beginnt 1994.“ (!) „Offizielle Statistiken von anderen Institutionen gibt es erst seit 1964.“ (!) „Wirtschaftswissenschaftler wie Francisco Comín haben jedoch Rekonstruktionsarbeit bezüglich der Verschuldung der öffentlichen Hand seit 1850 geleistet. Auf dieser Grundlage wird geschätzt, daß 1902 das letzte Jahr war, in dem die Verschuldung die 100 %-Marke überschritt. Bis jetzt.“
Die Gleichgültigkeit der spanischen Eliten gegenüber ihrer Wirtschaft, so wie sie sich in diesem Mangel an statistischen Daten ausdrückt, ist beachtlich. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß, scheint die Devise zu sein.
„Im Gang der Geschichte Spaniens gab es 4 Möglichkeiten, die Verschuldung gegenüber dem PIB zu reduzieren. Erstens, mittels Privatisierungen, wie es die Regierungen von Gonzalez und Aznar gemacht haben. Inzwischen gibt es aber nicht mehr viel, was der Staat verkaufen könnte. Zweitens, durch Erhöhung der Privatverschuldung, die das BIP erhöhte und das Gewicht der Schuld verringerte, wie es während der Amtszeit von Aznar und Zapatero geschah.“
Das berühmte spanische „Modell“, sehr gerühmt und von vielen Experten studiert. Inzwischen ist diese Blase geplatzt:
„Derzeit ist jedoch die Privatverschuldung so hoch, daß es keinen Spielraum für diese Option gibt.
Die dritte Möglichkeit besteht darin, Banknoten zu drucken und Inflation zu verursachen, was von Madrid aus nicht mehr geht, da sich die diesbezügliche Macht in Frankfurt befindet, in den Händen der EZB. Die 4 Möglichkeit wäre, die Schuld nicht zu bezahlen, wie es z.B. Philipp II. machte. Eine Praxis, die die Zinsen in die Höhe treibt, sobald man sich wieder verschulden will, und die auch nicht von Spaniens Regierung abhängt, da wir zum Euroklub gehören. Hier gilt die Doktrin Deutschlands, die vom Süden Europas eine steuerliche Konsolidierung und innere Abwertung“ (?) „verlangt, um die Bilanzen ins Gleichgewicht zu bringen und die Wettbewerbsfähigkeit wiederzuerlangen, was dann eine schrittweise Tilgung der Schuld ermöglichen soll. Ein Prozeß, der natürlich viel mühsamer und länger ist.“
Und auch nicht zur Reduktion von Schuld führt, wie die Entwicklung zeigt.
Ganz wohl ist dem Verfasser bei der Aufzählung dieser Formen der Schuldenbewältigung nicht, denn sie zeigen sowohl die Ohnmacht Spaniens als auch die Nutzlosigkeit der Austeritätspolitik vom Standpunkt der Schuldenreduktion.

„Während der letzten 12 Monate hat sich die Summe der Passiva der Öffentlichen Hand um mehr als 50 Mrd. erhöht, was einem jährlichen Anstieg von 4,7 % entspricht. Was die Arten von Schulden angeht, so schuldet die Staatskasse 80,43 Mrd. in kurzfristigen und 823,89 Mrd. in mittel- und langfristigen Anleihen, und 202,96 Mrd. in nichtkommerziellen und anderen Krediten.“
Hierunter fallen wahrscheinlich diverse Stützungskredite der EZB oder der Eurostaaten.
„Nach den Ziffern von Eurostat hat Spanien die zweifelhafte Ehre, den 6. Platz in der EU einzunehmen, was die Schuldenhöhe im Verhältnis zum BIP angeht, nach Griechenland (176,3 %), Italien (135,4 %), Portugal (128,9). Zypern (109,3) und Belgien (109,2 %).“
Worum sich der ganze Artikel nicht herumdrücken kann, ist die völlige Aussichtslosigkeit Spaniens, aus dieser Schuldenfalle wieder herauszukommen, gepaart mit blassen Hoffnungen, daß sich doch wieder Wachstum einstellen möge.

2 Gedanken zu “Pressespiegel El País, 17.8., kommentiert – „Verschuldungsrekord“

  1. Laut diesem Artikel
    http://economia.elpais.com/economia/2016/09/22/actualidad/1474539120_550768.html
    müßte jeder Spanier ein Jahr arbeiten, damit die öffentliche Schuld Spaniens abgezahlt werden könnte.
    Eine idiotische Berechnung.
    Jeder erwachsene oder die Neugeborenen auch?
    Für wen eigentlich?
    Nach dieser verantwortungsbewußten Einschätzung werden unter dem Schein, hier wäre etwas objektiv nberechnet worden, Jubelmeldungen in die Welt gesetzt:
    “… die Entwicklung der Schuld ist nachhaltig und abnehmend, vor allem ab 2018. … Die von der EU geforderten 60% des BIP werden allerdings erst 2036 erreicht werden, in manchen Provinzen erst um 2040.”
    Es ist zu idiotisch, um wahr zu sein.

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