BITTERE TRÄNEN AUF DER SICHERHEITSKONFERENZ
Gerade ist die Münchner Sicherheitskonferenz zu Ende gegangen, indem der Vorsitzende bittere Tränen über die Rede des US-Vizepräsidenten vergossen hat. Er sah die gemeinsamen Werte gefährdet und begann zu weinen.
Man muß sich die Absurdität des Ganzen einmal vergegenwärtigen: Diese Konferenz, die inmitten eines veritablen Krieges in nicht zu weiter Entfernung gehalten wird, wo bereits Hunderttausende gestorben oder zu Krüppeln geworden sind, und wo die Haupt-Themen Krieg und Militär und Bewaffnung sind, wird durch eine Rede erschüttert, wo der Redner mehr oder weniger sagt, man sollte aufhören, sich vor den Wählern zu fürchten, gültige Wahlen zu annullieren und der freien Meinungsäußerung Zügel anzulegen.
Was ist eigentlich diese Sicherheitskonferenz?
Sie wurde in den 60-er Jahren ins Leben gerufen, mehr oder weniger deshalb, um Deutschland daran zu hindern, wieder einen Krieg vom Zaun zu brechen, den es verlieren wird, so wie die beiden vorhergegangenen.
Von einer innerdeutschen Einrichtung gegen unbedachtes Säbelrasseln wandelte sich diese Veranstaltung in den 90-er Jahren zu einem Forum, auf dem Deutschland versuchte, seine Vormachtsstellung innerhalb der EU anzumelden und zu befestigen.
Gleichzeitig wurde auch groß auf den Tisch gehaut: Wir, die EU, eine Weltmacht!
Als solches zog diese Schwatzbude immer mehr Politiker aus der EU an, die gewichtige Wörter zu Sicherheitsfragen von sich gaben – immer mit der Gewißheit, daß ihr Verbündeter USA diesem ganzen Geschwätz durch seine militärische Macht sozusagen Substanz und Glaubwürdigkeit verleihen würde.
2007 bemühte sich Vladimir Putin nach München, um die Europäer darauf aufmerksam zu machen, daß diese Einordnung als Vorhut der USA nicht mit den russischen Vorstellungen von Souveränität übereinstimmt. Er wies darauf hin, daß die Erweiterung der NATO um praktisch alle ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten und sogar ehemalige Sowjetrepubliken den strategischen Interessen Rußlands widerspräche. Und daß Rußland es nicht hinnehmen würde, so ohne weiteres eingekreist zu werden.
Das wurde als Ungehörigkeit Rußlands kommentiert, – so auf die Art, Rußland habe sich daneben benommen. Der im folgenden Jahr abgewickelte Ossetienkrieg zeigte, daß Putin es ernst gemeint hatte.
Der Tonfall der europäischen Politik wurde schriller. Nach dem Maidan 2013/14 forderte der damalige deutsche Präsident Gauck auf dieser Konferenz eine aktivere Politik Deutschlands in der Welt – kurz bevor die damalige Mitarbeiterin des US-Außenministeriums Nuland mit „Fuck the EU!“ klarstellte, was die USA von dergleichen Vorstellungen hielten. Weder vor Deutschland noch vor der EU hatten die US-Politiker großen Respekt – unter dem Präsidenten Obama, dem diese öffentlich gewordene Sichtweise etwas unangenehm war.
Seit Beginn des Ukrainekrieges ist diese Sicherheitskonferenz ohnehin nur mehr ein schlecht verpacktes Gejammer über die eigene Bedeutungslosigkeit – 2023 gegenüber dem Globalen Süden, in dem die EU nix zu melden hat, 2024 angesichts der Tatsache, daß der Krieg in der Ukraine praktisch verloren, Rußland also stärker ist – und 2025 gegenüber der Macht, in deren Windschatten die Möchtegern-Weltmacht EU bisher gesegelt ist.
Was hat Vance eigentlich gesagt, was den Sicherheitskonferenz-Häuptling in Tränen ausbrechen ließ? Die Rede ist in vollem Wortlaut hier nachzulesen.
Um einige Punkte herauszugreifen:
Vance stieß sich daran, daß die Wahlen in Rumänien im November 2024 auf Zuruf aus Brüssel vom rumänischen Verfassungsgericht annulliert wurden, weil der Kandidat der EU nicht recht war. Zum Vorwurf der russischen Einmischung sagte er:
„Wie ich es verstehe, lautete die Begründung, dass russische Desinformation die rumänischen Wahlen infiziert habe. Doch ich würde meine europäischen Freunde bitten, ein wenig Perspektive zu bewahren. Man kann es für falsch halten, dass Russland Social-Media-Anzeigen kauft, um Wahlen zu beeinflussen – das tun wir jedenfalls. Man kann es sogar auf der Weltbühne verurteilen. Aber wenn eure Demokratie durch ein paar Hunderttausend Dollar an digitaler Werbung aus einem fremden Land zerstört werden kann, dann war sie von Anfang an nicht besonders stabil.“
Das Bemerkenswerte ist hier, daß ein US-Vizepräsident die EU darauf aufmerksam machen muß, daß sie einen Widerspruch praktiziert, wenn sie einerseits überall freie Wahlen fordert, sie bei sich zu Hause aber immer mehr manipuliert.
Diese Erkenntnis hatten Brüsseler Politiker und europäische Medien bisher nicht.
Vance brachte die zunehmende Zensur in der EU zur Sprache:
„Für viele von uns auf der anderen Seite des Atlantiks sieht es zunehmend so aus, als würden alte, etablierte Interessen sich hinter hässlichen, sowjetisch anmutenden Begriffen wie »Fehlinformation« und »Desinformation« verstecken, weil sie einfach nicht ertragen können, dass jemand mit einer alternativen Sichtweise eine andere Meinung äußert, geschweige denn anders wählt oder – Gott bewahre – eine Wahl gewinnt.“
Vance kritisierte weiters die „Einwanderungspolitik“ der EU.
Man fragt sich, ob es eine solche überhaupt gibt. Eher ist die kaum verborgene Ratlosigkeit gegenüber der Zuwanderung zu beobachten, wo viele Staaten versuchen, das Problem auf andere Staaten abzuwälzen, ob in der der EU oder außerhalb derselben.
Gerade angesichts dieses aufgeregten Flügelschlagens mit wenigen Ergebnissen ist es aber um so unangenehmer, wenn jemand von jenseits des Ozeans gerade in diese Wunde den Finger legt, während vor den Toren dieser komischen Veranstaltung zur „Sicherheit“ gerade ein Zuwanderer ein Autoattentat verübt hat.
Vance weist darauf hin, daß die Grundlage der Demokratie die freien Wahlen sind, bei denen sich das Volk seine Herrschaft selbst bestellt:
„Und ich glaube zutiefst, dass es keine Sicherheit gibt, wenn Sie Angst vor den Stimmen, Meinungen und dem Gewissen haben, die Ihr eigenes Volk leiten. … Wenn Sie vor Ihren eigenen Wählern davonlaufen, kann Amerika nichts für Sie tun. Und ebenso wenig können Sie etwas für das amerikanische Volk tun, das mich und Präsident Trump gewählt hat. Sie brauchen demokratische Mandate, um in den kommenden Jahren irgendetwas von Wert zu erreichen.“
So eine Aufforderung ist wirklich zum Weinen! In Worten des Vorsitzenden Heusgen ein „europäischer Albtraum“:
„Diese Konferenz begann als transatlantische Konferenz. Nach der Rede von Vizepräsident Vance am Freitag sollten wir uns darüber Sorgen machen, dass unsere gemeinsame Wertebasis nicht mehr so verbreitet ist“, sagte Heusgen.
In Rußland macht man sich über dieses ganze Theater zu Recht lustig:
„Später wurde Heusgens Rede von der offiziellen Vertreterin des russischen Außenministeriums, Maria Zacharowa, kommentiert. Ihrer Ansicht nach habe der Konferenzvorsitzende ein unangemessenes Verhalten an den Tag gelegt.
»Er sagte, dass Putin ‚nur auf Gewalt reagiert‘, und dann … fing er an zu weinen. Entweder wollte er angesichts der Stärke Schwäche zeigen. Ein sehr weibisches Verhalten. Oder es ist eine weitere seiner eigenen Lügen«, betonte Zacharowa auf ihrem Telegram-Kanal.
Sie fügte hinzu, dass es der russische Präsident Wladimir Putin war, der im Jahr 2007 in diesem selben Saal die westlichen Länder dazu aufrief, weltweit zusammenzuarbeiten und das Völkerrecht zu respektieren.“
Man fragt sich, was als nächstes kommt, falls die USA und Rußland wirklich diesen unglückseligen Krieg in der Ukraine beenden, ohne die EU.
Man will sich das gar nicht ausmalen.
Frau von der Leyen fällt womöglich vor laufender Kamera in Ohnmacht und alle rufen nach dem Riechfläschchen …
„Die Rolle Europas
Lawrow lehnte eine Beteiligung der EU an den Gesprächen über die Zukunft der Ukraine rundweg ab. »Ich weiß nicht, warum sie am Verhandlungstisch sitzen sollten. Wenn sie hinterhältig auf Ideen zum Einfrieren des Konflikts hinweisen, während sie selbst aufgrund ihrer Sitten, ihres Charakters und ihrer Gewohnheiten an eine Fortsetzung des Krieges denken, warum sollte man sie dann einladen?«, sagte der Leiter der russischen Delegation am Montag nach einem Treffen mit dem serbischen Außenminister Marko Duric.“
(El País, 18.2.)
Auch die ukrainische Seite ist entbehrlich:
„Trump macht Ukraine für Dauer des Kriegs verantwortlich
US-Präsident Trump bewertet das Treffen zwischen den USA und Russland als Erfolg. Auf den Vorwurf, dass die Ukraine nicht eingeladen war, reagiert er mit Spott – und teilt gegen Präsident Selenskyj aus.
Zufrieden trat US-Präsident Donald Trump in seinem Anwesen Mar-a-Lago vor die Mikrofone: "Ich denke, ich habe die Macht, diesen Krieg zu beenden. Ich finde, es läuft sehr gut", erklärte Trump.
Kritik von ukrainischer und europäischer Seite, dass die ersten Gespräche ohne die Ukraine stattgefunden haben, lässt Trump nicht gelten. Im Gegenteil, Trump teilt gegen den ukrainischen Präsidenten Wolodomyr Selenskyj aus: »Und dann höre ich 'Ohhhh, wir sind nicht eingeladen worden.' Ihr seid seit drei Jahren dabei. Ihr hättet nie damit anfangen sollen. Ihr hättet einen Deal machen können«, so Trump. (…)
(Tagesschau, 19.2.)
Wahre Worte …
Zelenskij kann jetzt auch nicht sagen: Ich durfte ja nicht, euer Vorgänger hat mich ja nicht gelassen!
Dann wäre er endgültig eine Lachnummer.
Der Mann, der eine Zeitlang Europa vor sich hertrieb – man erinnere sich an Botschafter Melniks Auftritte in Deutschland, der jetzt in Brasilien vor sich hinkümmert – steht jetzt völlig im Eck und stellt fest, daß seine Verbündeten in Europa auch nichts wert sind.
„Macrons Mini-Gipfel enthüllt Meinungsverschiedenheiten innerhalb der EU über Trumps Erschütterung der Ukraine“
Bereits in der Überschrift „Mini-Gipfel“ drückt El País aus, daß die Sache erstens nichts war und zweitens ein Versuch Macrons war, sich wichtig zu machen.
Er wollte einen „Gipfel“, also was Wichtiges, er fiel aber „mini“ aus …
„Das Unbehagen Melonis, der seine Nähe zu den USA deutlich machte, verdeutlicht die Schwierigkeit der Gemeinschaftspartner, eine gemeinsame Strategie zu finden. Der französische Präsident will heute per Videokonferenz mit weiteren Ländern sprechen. (…)“
Orbán, der gar nicht anreiste, und Meloni, die es ungern tat, sind Trumps Verbündete in der EU, was noch einiges an Sprengkraft in sich hat.
Oder aber, alle versammeln sich wieder hinter Trump und demonstrieren Einigkeit …
„Nach Aussage einiger Teilnehmer kam es zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten, insbesondere hinsichtlich der Frage der Entsendung von Friedenstruppen nach der Unterzeichnung eines hypothetischen Abkommens. Großbritannien und Frankreich sind die Vorreiter dieser Initiative. Italien und Spanien sowie Polen (mit der größten Landarmee der EU) haben ihre Vorbehalte geäußert, sowohl intern als auch bei Erklärungen vor der Presse.
Am schärfsten reagierte der deutsche Bundeskanzler. Scholz war verblüfft darüber, dass überhaupt jemand die Entsendung von Friedenstruppen in ein Gebiet in Erwägung zog, wo noch immer Krieg herrschte. Er verließ das Meeting eine Stunde vor Ende.“
Die Position von Scholz hat was. Er erklärte auch, daß ein Einsatz deutscher Truppen ausgeschlossen sei, wenn die USA nicht mitmachen.
Trump hingegen hat schon klargestellt, daß es nach einem Friedensschluß keine US-Soldaten in der Ukraine geben wird. (Was natürlich impliziert, daß die, die jetzt dort sind, abgezogen werden. Das dürfte hinter den Türen des Pentagon für einige Aufregung sorgen, die Ukraine war ja seit dem Majdan eine Art auswärtiger Stützpunkt.)
Von Seiten GBs und Frankreichs ist es ein verzweifelter Versuch, sich doch noch als Akteure ins Spiel zu bringen, nachdem die USA die EU praktisch ausgemischt hat.
„Die Debatte zu diesem Thema schien jedoch notwendig. Die USA schickten den europäischen NATO-Staaten einen Fragebogen, in dem sie detailliert darlegen sollten, was sie bereit wären anzubieten, um ein Friedensabkommen durchzusetzen, und was sie von den USA erwarten würden. Doch es gab keinen Konsens.“
D.h., die Liste wurde nicht ausgefüllt.
Beleidigt waren die nicht Eingeladenen:
„Auch außerhalb des Élysée-Palastes wuchs der Unmut. Die Tschechische Republik und Rumänien (das eine 600 Kilometer lange Grenze mit der Ukraine teilt) sind als Länder direkt von der russischen Invasion betroffen“
Tschechien warum??
Der Autor des Artikels hat offenbar nicht auf die Landkarte geschaut …
„und fühlten sich an den Rand gedrängt. Obwohl Tschechien über eine bescheidene Armee verfügt, versteht es nicht, warum der Élysée-Palast unter den Nachbarländern der Ukraine nur Polen eingeladen hat,“
Der Autor des Artikels verwechselt Tschechien anscheinend mit der Slowakei und die tschechische Regierung selbst läßt die verstorbene Tschechoslowakei noch einmal auferstehen, um sich wichtig zu machen. (Von der Slowakei kam übrigens nichts, Fico hält offenbar genausowenig von diesem Gipfel wie Orbán.)
„»wo doch niemand pro Kopf mehr ukrainische Flüchtlinge aufgenommen hat als wir«, kritisierte ein enger Mitarbeiter des tschechischen Premierministers, Petr Fiala, in Le Monde und bezeichnete die Haltung des französischen Präsidenten als »arrogant«. Prag wiederum fühlt sich von Europa genauso behandelt wie von Trump: Es ignoriert Tschechien und behandelt es als Leichtgewicht.“
Was es ja auch ist, trotz aller Aufregung.
Fiala und Pavel haben sich zwar sehr laut gegen Rußland geäußert und auch eine Initiative zum Kauf von Munition gestartet, aber sonst wenig beigetragen zu der Versorgung der Ukraine mit Kriegsgerät.
„In letzter Minute bestätigte der Elysée-Palast, dass es ein persönliches Treffen zwischen Macron und dem Interimspräsidenten Rumäniens, Ilie Bolojan, geben werde und dass der französische Präsident anschließend per Videokonferenz mit den anderen Staats- und Regierungschefs sprechen werde, (…) und zwar Norwegen, Kanada, der Tschechischen Republik, Griechenland, Finnland, Schweden, Belgien und den baltischen Ländern.“
Man sieht, daß das „Mini“ des Gipfels sehr gründlich war, weil Macron klarstellte, wen er für bedeutungslos hält.
Es ist ihm offenbar gelungen, alle zu verärgern: Die Anwesenden ebenso wie die Abwesenden.
Angesichts dessen ist – abgesehen von der Grandeur der Weltmacht – durchaus begreiflich, daß Trump mit diesen Hampelmännern nicht verhandeln will – es wäre sowieso sinnlos.
(El País, 19.2.)
PS: „»Die Nato beruht darauf, dass wir immer gemeinsam handeln und gemeinsam im Risiko sind und darüber unsere Sicherheit gewährleisten. Das darf nicht infrage gestellt werden«, sagte Scholz nach dem Gipfel in Paris.“
( Zeit, 17.2.)
Das ist von den USA bereits aufgekündigt worden.