Pressespiegel El País, 22.10.: Balanceakt für einige arabische Regierungen

„DIE GAZA-KRISE ERSCHÜTTERT DAS SCHACHBRETT DES NAHEN OSTENS

Der Angriff der Hamas und die Offensive im Gazastreifen verändern die Spielregeln in der Region, bringen einige ihrer Regime in Schwierigkeiten und stoppen die Normalisierung Israels

Ende September betrat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Bühne der UN-Generalversammlung mit der Absicht, vor den Teilnehmern in New York eine weitere seiner einzigartigen Reden zu halten. Zu diesem Anlass brachte Netanjahu ein Plakat mit zwei Karten des Nahen Ostens mit, eine auf jeder Seite.
Das erste Bild mit dem Titel »Israel 1948« zeigte sein Land allein und in blauer Farbe, das das gesamte Gebiet des historischen Palästina einnahm. Auf der anderen Seite wurden auch die Länder der Region, zu denen sie inzwischen Beziehungen aufgenommen haben oder gerade dabei sind, in Grün angezeigt. Diese zweite Karte trug den Titel »Der Neue Nahe Osten«.“


Die Karte hat es in sich.
Israel ist nämlich als Ganzes in Blau eingezeichnet, – das Westjordanland, der Gaza-Streifen und die Golanhöhen erstrahlen in dem gleichen Dunkelblau – ein palästinenserfreies befriedetes Israel wird hier abgebildet, und 5 Staaten in der Umgebung, die offenbar diesen Status und dieses Israel akzeptieren.

Das ist natürlich rundherum verlogen.

Selbst diejenigen Staaten, die Israel bereits anerkannt haben – das auf dieser Karte nicht abgebildete Marokko, Bahrain und die VAE – haben es in dem heutigen Zustand anerkannt, in dem seine Grenzen nicht definiert sind und die Palästinenser nach wie vor in den 3 Bereichen leben, die nicht als Teil Israels anerkannt sind.
Dieser unbescheidene Wunsch wurde der Welt vor nicht allzulanger Zeit präsentiert – Netanyahu machte sich offenbar daran, ihn auch zu verwirklichen. Der HAMAS-Aufstand war ein höchst willkommener Anlaß.
Nur so viel zur Frage: Why didn’t they see it coming?

„Nur einen Monat nach dieser Rede erscheint die von Netanjahu dargestellte Realität in der Region viel verschwommener und fließender. Seit dem überraschenden“

– überraschend vielleicht für die Leser der Zeitung –

„Angriff der Hamas auf israelisches Territorium am 7. Oktober und insbesondere infolge der israelischen Militärkampagne und Belagerung des Gazastreifens wurde dieses Spielbrett stark erschüttert. Und die Krise droht weitreichende Auswirkungen auf den gesamten Nahen Osten zu haben.

Neue Spielregeln

Obwohl die iranischen Behörden eine besonders kriegerische und sehr energische Rhetorik bezüglich der israelischen Offensive gegen Gaza an den Tag legten, waren sie in der Praxis vorsichtiger, was viele auf ihre innenpolitische Legitimitätskrise, ihre wirtschaftlichen Probleme und ihre Abneigung gegen eine direkte Konfrontation mit den USA zurückführen.
Mitte September hatten sich Teheran und Washington sogar auf einen Gefangenenaustausch und die Freigabe von rund sechs Milliarden Dollars im Besitz des Irangeeinigt, die in Südkorea beschlagnahmt worden waren, in einer seltenen Demonstration der Diplomatie, obwohl der zweite Teil des Abkommens nach den Ereignissen in Israel nun auf Eis liegt.“

Welch ein Glück für die USA, die derzeit ohnehin gerade Finanzierungsprobleme haben!
Obwohl das Geld vielleicht in Südkorea doch relativ sperrig geparkt ist …

„Trotz dieser relativen Vorsicht sind der Iran und Israel seit Jahren in einen Schattenkrieg verwickelt, von dem beide glauben, dass sie ihn bewältigen können, ohne dass er ihrer Kontrolle entgeht. Aber die aktuelle Spirale der Gewalt und die damit verbundene Volatilität erhöhen das Risiko einer Fehleinschätzung und eines Fehltritts, wie es in Gaza passiert ist, insbesondere wenn Teheran beschließt, die Verwundbarkeit Israels auszunutzen, um zu versuchen, die Spielregeln neu zu definieren und zu einer weiteren Schädigung seines Images und seiner Abschreckungswirkung beizutragen.“

Das ist relativ kompliziert gedacht und formuliert. Der Iran wird wie eine Art Tretmine dargestellt, die jederzeit hochgehen kann, und Israel als geschwächt und verletzlich, und das alles mit einem doppelten Konjunktiv.
Es ist klar, wer hier in dieser komischen Logik der Akteur und wer das Opfer wäre.

„In diesem Sinne testen die israelische Armee und die libanesische Miliz Hisbollah seit mehreren Tagen ihre jeweiligen roten Linien mit einem Hin und Her begrenzter Angriffe relativ geringer Intensität, die an der Grenze zwischen beiden Ländern maßvoll zugenommen haben. Im Moment scheint die Hisbollah nicht offen in den Kampf eintreten zu wollen, aber Israels Fehler bei der Einschätzung der Absichten der HAMAS vor ihrem unerwarteten Angriff am 7. Oktober, der sie völlig überraschte, verstärkt ihre Zweifel.“

Wessen Überraschung?
Was für Zweifel, und bei wem?

„In den letzten Tagen wurden US-Streitkräfte außerdem an mindestens zwei Punkten in Syrien und auf zwei Militärstützpunkten, auf denen US-Truppen und -Personal im Irak stationiert sind, mit Drohnen angegriffen.“

Da man seit Jahren über den Irak nichts mehr erfährt, so weiß man auch nicht, ob das etwas Übliches oder Unübliches ist.

„Am Donnerstag teilte die US-Marine mit, sie habe eine Raketen- und Drohnensalve abgefangen, die von der jemenitischen Huthi-Bewegung gegen Israel abgefeuert worden sei.“

Wers glaubt, wird selig.
Die Huthis haben andere Sorgen und auch keine Drohnen, die so weit fliegen.
Man fragt sich, warum eine seriöse Zeitung diesen Schmarrn überhaupt druckt.

„Der Zusammenhang zwischen diesen Angriffen und der Krise in Gaza ist jedoch nicht ganz klar.“

Es gibt keinen. Was immer im Jemen losgelassen wurde, galt sicher nicht Israel.

„»Dieser Konflikt wird nur eingedämmt werden können, wenn alle Parteien ein Interesse daran haben, einen regionalen Krieg zu vermeiden.“

Man fragt sich, was ein „regionaler Krieg“ wäre?
Das Bombardement von Gaza offenbar nicht.

„Im Moment scheint dieser Zustand zu gelten. Es gibt jedoch keine Garantie dafür, daß dies auch in Zukunft der Fall sein wird«, schrieb Dalia Dassa, Forscherin für internationale Beziehungen an der University of California, in einer aktuellen Analyse für das Magazin Foreign Policy. »Die Situation vor Ort ist unbeständig, und Änderungen im strategischen Kalkül Israels, Irans oder beider Länder könnten ihre Führer zu der Annahme verleiten, dass die Vermeidung eines größeren Konflikts eine größere Gefahr für ihr Überleben darstellt als der Beginn eines Krieges«, schloss sie.

Getrübte Normalisierungsaussichten

Der intensive Militäreinsatz gegen Gaza und die zunehmende regionale Instabilität stellen auch einen großen Rückschlag für die arabischen Golfmächte dar, die sich in den letzten Jahren für eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel entschieden haben. Diese Länder setzten darauf, daran zu arbeiten, die Spannungen in der Region abzubauen, diplomatischen Kanälen Priorität einzuräumen und die palästinensische Sache in die Enge zu treiben,“

– man fragt sich, wie das aussehen sollte: Alle Palästinenser ins Meer werfen? –

„um sich auf ihre interne wirtschaftliche Entwicklung konzentrieren zu können.“

Mit einem Wort, Handel mit Israel treiben zu können und israelische Investitionen an Land zu ziehen. Und um möglicherweise in Israel Überwachungstechnologie gegen die eigene Bevölkerung einkaufen zu können.

„Die bemerkenswerteste Bewegung an dieser diplomatischen Front wurde von den VAE, Bahrain und Marokko mit der Normalisierung der Beziehungen zu Israel durchgeführt, die im Jahr 2020 begann. Dennoch handelte es sich bei den Abraham-Abkommen um einen elitären Pakt, der nie nennenswerte Unterstützung in der Bevölkerung der arabischen Unterzeichnerstaaten fand, was dazu geführt hat, dass sich deren Regierungen in der aktuellen Krise eher zurückhaltend verhalten. In Marokko und Bahrain kam es sogar zu Solidaritätsprotesten mit dem palästinensischen Volk und Verurteilungen der israelischen Offensive in Gaza, bei denen auch ein Ende der Normalisierung gefordert wurde.

»Die Unterzeichner-Staaten des Abraham-Abkommens sind sehr besorgt und beunruhigt«, bemerkt Hussein Ibish, ein Forscher am Arab Gulf States Institute in Washington, der darauf hinweist, daß »sie die Hamas nicht unterstützen«, sie aber auch keine »besonderen Befürworter der Regierung von Netanjahu sind … Der Konflikt bringt sie sicherlich in eine schwierige Situation, die sie gerne vermieden hätten«, fügt er hinzu.
Ibish glaubt, dass die Abkommen »wahrscheinlich überleben können«, wenn Israel keine »wirklich völkermörderischen Verbrechen oder völlige ethnische Säuberungen oder extreme Gewaltttaten« begeht und die Gewalt nicht auf das besetzte Westjordanland und Ostjerusalem übergreift.“

Sehr bezeichnend, daß das Wort „überleben“ auf Abkommen angewandt wird und Israel eigentlich jede Menge an Gewaltanwendung zugestanden wird – die Latte liegt recht hoch und ist auch sehr elastisch.

„Aber er warnt: »Wenn Israel zu weit geht, könnten sie einen Rückzieher machen, die Zusammenarbeit einfrieren, Botschaften schließen oder so etwas in der Art.“

Klingt relativ undramatisch.

„Aber sie wollen nicht ausgerechnet der HAMAS eine Art Vetorecht über ihre Außenpolitik und ihre unabhängige Entscheidungsfindung einräumen.«

Das Krönung dieser von den USA geförderten diplomatischen Offensive Israels in der arabischen Welt sollte Saudi-Arabien sein, die Hauptmacht in der Region.“

In Konkurrenz mit dem Iran, der keineswegs hinter Saudi-Arabien zurückstehen will.
Das ist eben die Crux, daß Saudi-Arabien nicht „die“ dominierende Regionalmacht ist, und daran arbeiten sich viele Subjekte seit geraumer Zeit ab.

„In den Wochen vor dem HAMAS -Angriff auf Israel erklärte der saudische Kronprinz und starke Mann des Königreichs, Mohamed bin Salman, sogar, dass man einer Einigung »jeden Tag näher« sei, doch seitdem lautet die Botschaft aus Riad, dass die Normalisierung auf Eis gelegt wurde.
Einige sind der Ansicht, dass das aktuelle Szenario dennoch Saudi-Arabien zugute kommt, da es dadurch in eine stärkere Position versetzt wird, von der aus die Verhandlungen in Zukunft wieder aufgenommen werden können.

Umer Karim, Experte für saudische Politik am King Faisal Center for Research and Islamic Studies, stellt fest: »Solange das regionale Umfeld in der gegenwärtigen Phase bleibt, werden die Saudis ihre Rhetorik beibehalten, Israel verurteilen und auf der Notwendigkeit bestehen, einen Waffenstillstand und die Achtung der internationalen Gesetze, um auf der richtigen Seite der Geschichte stehend wahrgenommen zu werden.

Aber sobald diese Episode vorbei ist, werden sie bereit sein, den Prozess wieder aufzunehmen, obwohl ihre Bedingungen für eine Normalisierung mit Israel viel strenger sein werden und zweifellos mehr Bestimmungen im Zusammenhang mit der Palästinenserfrage enthalten werden, – weil sie inzwischen verstehen, dass sie in Zukunft genauso wie die anderen Golfnachbarn (die Teil des Abraham-Abkommens sind,) ins Rampenlicht geraten könnten, falls es wieder zu einer Eskalation in dieser Frage kommt«, fügt Karim hinzu und weist darauf hin, dass Riad auch »den Iran nicht mehr verärgern will«.

Ehemalige Verbündete

Der Flächenbrand in Gaza ist besonders besorgniserregend und stellt eine große politische Herausforderung für Ägypten und Jordanien dar, die Nachbarn Palästinas und Israels sowie die Staaten in der Region mit den längsten Beziehungen zum jüdischen Staat.
Beide Nationen haben von Anfang an versucht, die Spirale der Gewalt zu stoppen, da sie sich bewusst waren, dass die Offensive auf Gaza sie in eine kompromittierte Lage bringt und sie dazu zwingt, ein immer schwieriger werdendes Gleichgewicht zwischen ihren Beziehungen zu Israel und den USA und der sozialen Unterstützung für die Palästinenser aufrechtzuerhalten.
Die Verschlechterung der Situation in ihren Hinterhöfen kommt noch dazu in einem Augenblick, in dem beide Länder heikle interne Krisen, insbesondere wirtschaftliche, durchmachen, so dass die Angst vor einer internen Ansteckung der kollektiven Wut besteht, die durch die Krise in Gaza ausgelöst wird.

In Jordanien, wo etwa die Hälfte der Bevölkerung palästinensischer Herkunft ist, kam es zu großen Demonstrationen für Palästina, die freitags nach dem Mittagsgebet besonders gut besucht waren.
Diese Demonstrationen nötigten die Sicherheitskräfte des Landes zum Eingreifen, um sensible Punkte wie die Botschaften der USA und Israels sowie das Grenzgebiet zum besetzten Westjordanland zu schützen.

Tuqa Nusairat, ein Jordanien-Experte am Forschungszentrum Atlantic Council, erklärt: »Die weit verbreiteten Proteste erfordern, dass die jordanische Regierung eine feste Haltung zur Unterstützung der Palästinenser einnimmt, was bisher in scharfen Verurteilungen seitens der höchsten Ebenen und in Erklärungen König Abdullahs zum Ausdruck kam, und in der Absage des Gipfeltreffens letzte Woche, bei dem Präsident [Joe] Biden sowie ägyptische und palästinensische Führer [in Amman] zusammenkommen sollten.«
Und er fügt hinzu: »Die jordanischen Behörden werden ihre amerikanischen Amtskollegen wegen der Bedrohung ihrer inneren Sicherheit und der regionalen Stabilität im Allgemeinen unter Druck setzen, wenn die USA weiterhin Israels Angriffe auf Gaza unterstützen und es vermeiden, die Grundursachen des Konflikts anzugehen.«

In Ägypten, wo Demonstrationen seit einem Jahrzehnt praktisch verboten sind, kam es in den letzten zwei Wochen ebenfalls zu Protesten. Angesichts dieser Situation scheinen die Behörden vorerst geneigt zu sein, diese Empörung der Bevölkerung auf kontrollierte Weise zu kanalisieren, wobei viele Proteste von regierungsnahen Sektoren gefördert werden, die die Figur des Präsidenten Abd al-Fattah as-Sisi in den Mittelpunkt stellen.
Aber es ist ein riskantes Spiel, da einige dieser Märsche bereits ihrer Kontrolle entgangen sind und andere unabhängige Märsche organisiert wurden. Am Freitag gelang es Hunderten Demonstranten trotz eines starken Polizeieinsatzes, den berühmten Tahrir-Platz in Kairo zu erreichen, das Herzstück der Revolution des Landes im Jahr 2011.
Der ägyptische Analyst Maged Mandour weist darauf hin, dass »[as-Sisi] versucht, den Kurs der kollektiven Wut zu glätten, um ihn zur Legitimierung des Regimes zu nutzen und sich als Verteidiger der nationalen Sicherheit Ägyptens und darüberhinaus der palästinensischen Sache darzustellen.«“

Man fragt sich, worin diese „Verteidigung der palästinensichen Sache“ besteht? Im Durchlassen einiger LKW mit Lebensmitteln nach Gaza?

„Aber es sei, fügt er hinzu, »ein sehr schwieriger und heikler Balanceakt, weil man versucht, die Straße zu mobilisieren, nachdem man zehn Jahre damit verbracht hat, sie zu unterdrücken, – sodaß sie leicht außer Kontrolle geraten kann.«“

Pressespiegel El País, 25.9.: Artilleriefeuer

„DIE UKRAINE ERÖFFNET EINE NEUE FRONT AUF DER KRIM

Die ukrainischen Streitkräfte nutzen die neu in ihr Arsenal aufgenommenen Langstreckenwaffen, um den Eindringling auf der Schwarzmeerhalbinsel regelmäßig zu bestrafen“

Die Wortwahl dieses Artikels ist etwas eigenartig. Irgendwie soll suggeriert werden, neben der ins Stocken geratenen Offensive, die de facto gescheitert ist, gibt es anderswo Erfolge, die das Blatt noch zugunsten der Ukraine wenden könnten.
Der ganze Artikel hat dabei 2 Ebenen: Einerseits kommen Erfolgsmeldungen, andererseits wirkt das ganze etwas künstlich und man kann zwischen den Zeilen lesen, daß das mehr Showeffekte sind, die an der tatsächlichen Lage nicht viel ändern.

„Die Ukraine hat auf der Krim eine neue Kriegsfront eröffnet.“

Also bitte.
Nach 2 spektakulären Angriffen auf die Krim-Brücke und anderen Luftschlägen gegen militärische Objekte auf der Krim kann man diese Front wirklich nicht als „neu“ bezeichnen.

„In dieser Offensive gibt es keine Infanterie- oder Panzerangriffe.“

No na.
Dafür hätte ja erst einmal der ursprünglich geplante Durchbruch zum Azowschen Meer stattfinden müssen.

„Die ukrainische Offensive auf der 2014 von Russland illegal annektierten Schwarzmeerhalbinsel erfolgt zu Wasser und in der Luft.“

Man fragt sich, warum diese gebetsmühlartig wiederholten Bemerkungen, daß die Russen illegal auf der Krim sind?

Soll damit die Rechtmäßigkeit dieser Angriffe unterstrichen werden, auch wenn sie strategisch zweifelhaft sind und vielleicht bald mit Streumunition oder abgereichertem Uran erfolgen?

„Die Ergebnisse, die Kiew erzielt, sind möglich, weil seine Verbündeten in der NATO grünes Licht für den Einsatz der von ihnen gelieferten Waffen gegeben haben.
Die Zustimmung des Westens stellt eine bedeutende Drehbuchänderung dar, denn bis vor wenigen Monaten galt die Krim in Washington, Berlin oder Paris als rote Linie, die den Konflikt noch weiter eskalieren lassen könnte. Für den Kreml und für die meisten Russen ist die Krim ein unveräußerlicher Teil ihrer nationalen Identität.“

Aha.
Alles klar.
Offenbar nehmen die USA und ihre Verbündeten eine Eskalation in Richtung Atomkrieg in Kauf, Hauptsache, der Krieg kann weitergehen.

„Die russische Militärinfrastruktur auf der Krim wird fast täglich angegriffen. Die letzten zwei Wochen waren für die ukrainische Luftwaffe besonders erfolgreich. Am 13. September wurde das Trockendock für Militärschiffreparaturen in Sewastopol bombardiert, wobei ein U-Boot und ein Landungsschiff beschädigt wurden. Am 20. wurde das zweite Kommandohauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte teilweise zerstört.
Am 21. September wurde der Luftwaffenstützpunkt Saki, Russlands wichtigster Luftwaffenstützpunkt auf ukrainischem Territorium, erneut angegriffen. Drei Raketen trafen am 22. dieses Monats während eines Treffens hochrangiger Offiziere der russischen Marine und des südlichen Militärbezirks, der die Invasionstruppen in der Provinz Cherson und an der Saporischschja-Front leitet, das Hauptquartier der russischen Flotte in Sewastopol. Einen Tag später, am vergangenen Samstag, zerstörte eine ukrainische Rakete ein Treibstofflager der russischen Flotte auf der Krim.

Der Protagonist dieses neuen Kriegsszenarios ist der Storm Shadow–SCALP-EG, ein britisch-französischer Marschflugkörper, die das UK an die Ukraine liefert.
Es ist die erste Langstreckenwaffe (550 Kilometer), die die Alliierten in die Ukraine schicken. Seit dem Frühjahr wurde es zunächst dazu eingesetzt, russische Kommandostützpunkte an der Donbass- und Saporischschja-Front zu überlisten. Im Jahr 2022 stellten die USA Himars-Raketen mit einer Reichweite von 80 Kilometern zur Verfügung. Sie waren maßgeblich an der Zerstörung des Kommandohauptquartiers und der Arsenale der Eindringlinge in den Gegenoffensiven beteiligt, die die Provinz Charkow und die Hälfte der Provinz Cherson befreiten. Die russische Reaktion bestand darin, diese Kasernen und Waffenverteilungszentren über 80 Kilometer hinaus zu verlegen. Mit dem »Sturmschatten« ist kein sicherer Abstand mehr möglich.“

Der Storm Shadow wurde bisher im Irak und in Syrien eingesetzt. Der Irakkrieg 2003 war sozusagen die Feuertaufe.
Das waren allerdings inferiore Gegner, die diesen Sprengkörpern nichts entgegensetzen konnten.
Jetzt wird man sehen, ob das in Rußland anders ist. Bisher haben die Russen offenbar noch kein Gegenmittel gefunden.

„Neu ist, dass die Storm Shadow nun die Speerspitze der Offensive auf der Krim sind. Die Bombenanschläge der letzten zwei Wochen in Sewastopol erfolgten mit diesen Raketen. Aber es wird nicht die einzige NATO-Langstreckenwaffe im Dienste der Ukraine sein, denn nach mehr als einem Jahr zäher Verhandlungen und amerikanischen Zweifeln an der Zweckmäßigkeit eines Angriffs auf die Krim hat Präsident Joe Biden angeblich zugestimmt, die Präzisionsraketen zu liefern und Langstrecken-ATACMS, wie mehrere amerikanische Medien berichten.
Generalleutnant Kirilo Budanov, Chef der Geheimdienste des Verteidigungsministeriums der Ukraine, versicherte diesen Samstag in einem Interview in den amerikanischen digitalen Medien The War Zone, dass das ATACMS nicht gegen russisches Territorium eingesetzt werde, wie Kiews Partner fordern. aber er betonte, dass die Krim zur Ukraine gehöre. Eine weitere Mittelstreckenrakete, die die Ukraine auf der Krim einsetzt, ist die Neptun, eine Waffe, die ursprünglich für Seeziele entwickelt wurde, aber für den Angriff auf Landziele angepasst wurde. Das Problem besteht laut Budanov darin, dass die Ukraine nicht über die Kapazitäten verfügt, um eine große Anzahl von Neptun zu produzieren.

Eine Offensive und drei Ziele

Nach Angaben des ukrainischen Oberkommandos verfolgt die in diesem Sommer begonnene Offensive auf der Krim drei Ziele. Das grundlegendste ist, wie Budanov in »The War Zone«, aber auch sein Sprecher Andrij Jusov am 20. September in den Staatsnachrichten feststellte, die Annullierung der Logistikkette der russischen Armee auf der Krim.

Ressourcen für die Truppen an der Südfront gelangen über die Halbinsel hinein und hinaus. Infanterieeinheiten der russischen Flotte beteiligen sich an der Verteidigung der besetzten Gebiete in Cherson und Saporischschja. Deshalb liegt der Schwerpunkt auf der Zerstörung von Treibstoffdepots und Stützpunkten, aber auch auf den Angriffen auf die Tschongar-Brücke, die die Halbinsel mit der Provinz Cherson verbindet, und insbesondere auf die Kertsch-Brücke, die einzige Straßenverbindung zwischen der Krim und Russland Gebiet.

Ein weiteres Ziel der Offensive ist die Zermürbung der russischen Flugabwehr. Die ukrainische Taktik auf der Krim folgt der gleichen Logik wie die russische bei ihren Bombenangriffen auf Städte im Hinterland: Zuerst werden Drohnenwellen geschickt, um die Munition aus den Batterien zu verbrauchen, und dann betreten die Marschflugkörper den Tatort. »Luftverteidigungsausrüstung ist sehr teuer und die Herstellung dauert lange, und die Russen haben alle ihre Einheiten im Einsatz, sogar in Moskau«, bemerkt Budanow. Dies ist einer der von der ukrainischen Luftwaffe angegebenen Gründe, regelmäßig Drohnenbomben auf russisches Territorium abzufeuern, um die russischen Flugabwehrbatterien von der Front fernzuhalten. »Wir greifen auch deshalb die Krim an, denn wenn sie neue Ausrüstung dorthin überstellen, so müssen sie diese von woanders abziehen.«

Die Krim wird durch eines der besten Flugabwehrbatterienetze der Welt geschützt. Sein Rückgrat sind die S-400-Batterien. Laut Satellitenbildern westlicher Geheimdienste hat die Ukraine diesen Sommer bereits zwei von sechs auf der Halbinsel zerstört – eines davon mit einer Neptun.

Eine weitere ukrainische Offensivkarte hat eine bemerkenswerte Rolle bei der Verwundbarkeit der russischen Luftkontrolle gespielt: die Angriffe der Spezialeinheiten auf der Krim. Teams von einem Dutzend Soldaten ist es gelungen, mit Schnellbooten an die Küste der Krim zu gelangen. Die Infiltrationsoperationen dauern zwar nur kurze Zeit, dienten aber nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums der Informationsbeschaffung und, im Falle des Angriffs auf Kap Tarchankhut am 24. August, der Zerstörung eines Radarsystems.“

Allerdings wurden nach russischen Angaben einige dieser Teams versenkt, sodaß dergleichen Aktionen in letzter Zeit zurückgefahren wurden.
Die ersten „Ausflüge“ dieser Art gelangen nur dank des Überraschungseffekts.

„Der dritte Zweck der Offensive auf der Krim besteht darin, wie der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates der Ukraine, Oleksii Danilov, definiert hat, »die russische Schwarzmeerflotte in Scheiben zu schneiden«. Russische Militärschiffe transportieren Material für ihre Truppen an der Saporischschja-Front durch das Asowsche Meer und haben zudem das Schwarze Meer für die Schifffahrt zwischen der Ukraine und dem Ausland gesperrt.

Die Ukraine zwingt Moskau zu vorsichtigerem Manövrieren im Schwarzen Meer, da ihre Schiffe durch die Neptun und ihre Seebombendrohnen anfällig sind. Diese Drohnen haben Kriegsschiffe auf der Krim, in russischen Häfen in der Provinz Krasnodar und sogar auf hoher See Hunderte Kilometer von der ukrainischen Küste entfernt angegriffen, wie im vergangenen Juli, als sie das russische Patrouillenboot »Sergei Kotov« außer Gefecht setzten.

Begleitet werden die Drohneneinsätze von amphibischen Einsätzen von Spezialkräften, die im Schwarzen Meer Inselchen und auch Kohlenwasserstoff-Förderplattformen zurückerobert haben, die sich seit der Besetzung der Krim im Jahr 2014 in russischer Hand befanden. Die Intensivierung der Operationen zur Sicherung des Schwarzen Meeres fielen mit der Eröffnung einer neuen Route für den Export von ukrainischem Getreide zusammen, einer alternativen Route zur Aufkündigung des Abkommens mit der Türkei und der UNO durch den Kreml im vergangenen Juli, das den Transport von Handelsschiffen mit Getreide aus dem überfallenen Land erlaubte.

Vadim Skibitski, Vertreter der Geheimdienste des ukrainischen Verteidigungsministeriums, machte am 9. September in staatlichen Nachrichten deutlich, dass seine Streitkräfte handeln, um die russische Kontrolle im Schwarzen Meer zu »neutralisieren«: »Die Krim ist für Russland von zentraler Bedeutung für seine Kontrolle des Schwarzen Meeres und seinen Zugang zum Mittelmeer. Ihre Position stellt auch eine Bedrohung für den zivilen Seehandel dar. Das muss ein Ende haben.«“

Die Ukraine versucht also jetzt auf dem Meer weiterzumachen, nachdem sie am Land kaum vorankommt.
Das dürfte auch als Strategie von den Verbündeten entwickelt worden sein, die ihre Marschflugkörper ausprobieren wollen.

Neue Pinnwand: Ukraine – Kriegshandlungen und die festgefahrene Offensive

ABNUTZUNGSKRIEG? IM OSTEN WENIG NEUES …

Hier ist genug Platz für die Meldungen von der steckengebliebenen Offensive der Ukrainischen Streitkräfte, Siegesmeldungen aus westlichen Medien, Waffenlieferungen, die zugesagt werden, usw.

Oder aber, Bedenken von Thinktanks und YouTubern, halbherzige Rufer in der Wüste, Forderungen nach mehr und besseren Waffen von ukrainischer Seite, usw.