Kuba und Haití

DIE KARIBIK WIRD AUFGEMISCHT

In Haiti ist gerade einmal der Präsident von einem Killerkommando umgebracht worden.

In Kuba gibt es, zur Freude der ganzen internationalen Presse, Demonstrationen, bei denen unter anderem „Freiheit“ gefordert wird, – ein bekanntermaßen probates Mittel gegen Stromausfälle und Lebensmittelknappheit.

Seltsame Ereignisse in der gleichen Region.

I. Haití und die USA

Haití ist ein Staat, oder vielleicht auch nur eine Gegend, die sich dadurch auszeichnet, daß es dort gar nichts gibt, das irgendeinen Investor oder Touristen interessieren würde. Eine No Go-Area, wo deshalb eine Religion in Form des Voodoo vorherrscht, der den Bewohnern wenigstens in einer Art von Trance die Möglichkeit gibt, ihren trostlosen Alltag zu vergessen.

Wen es interessiert, wie Haití zu diesem unerfreulichen Zustand gekommen ist, findet das hier.

Heute hat Haití zusätzlich zu allen anderen Problemen auch das seiner Nähe zu Kuba. Den USA, die ihren karibischen Vorhof unter Kontrolle haben wollen, ist alles recht, was in Haiti geschieht: Hunger, Bandenkriege, Gewalt in allen Formen, bis hin zu Folter und Verstümmelung der Gegner – kein Problem. Aber nur kein Sozialismus a la Kuba.

I. 1. Der Mord

Über das gewaltsame Ableben des Präsidenten Jovenel Moïse weiß man bisher Folgendes:

Die Killer waren kolumbianische Ex-Militärs, die über eine in Florida ansässige Sicherheitsfirma eines exilierten Venezolaners angeworben wurden.

Sie reisten über die Dominikanische Republik, also auf dem Landweg ein.

Die Sicherheitsbeamten, die den Präsidenten bewachen sollten, rührten keinen Finger und waren vermutlich eingeweiht, wenn nicht sogar mit beteiligt.

Die Killer kamen mit Westen der DEA und bezeichneten ihre Aktion vor dem Mord per Lautsprecher als eine Aktion der DEA im Rahmen von deren Tätigkeit.

Die USA meldeten gleich, die DEA hätte damit nichts zu tun.

Der tote Präsident war mit einer Jean und einem Hemd bekleidet, obwohl er mitten in der Nacht aus dem Bett geholt wurde. Er wurde offenbar gezwungen, sich anzuziehen, bevor er erschossen wurde. Das weist auf unterschiedliche Ziele der Mitglieder des Killerkommandos hin. Einige haben nach ihrer Verhaftung angegeben, sie seien angeworben worden für eine Entführung des Präsidenten, der angeblich wegen Drogenhandel vor Gericht gestellt werden sollte.

(Das ganze erinnert sehr an die „Operation Gideon“, bei der ebenfalls über eine Söldnerfirma in Florida angeworbene Killer den venezolanischen Präsidenten Maduro entführen oder töten sollten.)

Schließlich wurde ein angeblicher Drahtzieher des Mordes verhaftet, ein etwas messianisch angehauchter Exil-Haitianer, der kurz vor dem Mord per Flugzeug aus seinem Wohnort in Florida angereist ist. Er wollte angeblich selbst Präsident werden.

Die Figur ist bestenfalls ein Strohmann, weil woher hätte der das Geld zum Anstellen der Killer gehabt? Solche internationalen Mordkommandos sind ja nicht ganz billig.

Folgende Momente dieser bizarren Kriminalgeschichte sind einer näheren Untersuchung würdig:

1. Präsident Haitís – was ist das?

2. Die DEA

3. Drogen

4. kolumbianisches Militär

5. Florida und seine Wach- und Schließgesellschaften

I. 2. Präsident sein in Haití

ist eine der wenigen Möglichkeiten, sich eine halbwegs lukrative Erwerbsquelle zu beschaffen. Man hat als solcher die Möglichkeit, an internationale Hilfsgelder zu kommen, die von UNO-Organisationen, US-Behörden und -Fonds, und NGOs ins Land gebracht werden.

Im Land selber gibt es solche Einkommensquellen nicht. Steuern werden dort keine eingehoben. Kredite erhält Haití keine, außer vom IWF – darauf ist noch zurückzukommen. Die politische Klasse Haitís ist ein von auswärts alimentiertes und installiertes Implantat.

Je weiter oben man in der politischen Hierarchie ist, um so mehr kann man auch diese vom Ausland eintröpfelnden Gelder per Gießkanne an seine Klientel verteilen. Das Problem ist nur, wenn das Amt ausläuft – dann geht die Einkommensquelle verloren und kann durch nichts ersetzt werden.

„Moïse kam nach umstrittenen Wahlen von zwei Runden in den Jahren 2015 und 2016 mit sehr geringer Wahlbeteiligung an die Macht. In einem Land mit elf Millionen Einwohnern erhielt er nur rund sechshunderttausend Stimmen.“ (New Yorker, 14.7. The Assassination of Haiti’s President)

5,5 Prozent zum Erlangen eines Präsidentenamtes, nicht übel. Afghanistan und der Irak können damit vermutlich konkurrieren. Und selbst diese 600.000 Stimmen waren vermutlich teuer erkauft. D.h., um zu Wahlen überhaupt antreten zu können, muß der Kandidat einmal kräftig investieren. Das ist zwar woanders auch üblich, Wahlkampagnen sind nicht billig. Aber in Haití gibt es keine Parteien, daher auch keine Parteienspenden und meistens kommt daher dieses Geld auch aus dem Ausland – von Quellen, die an diesem Kandidaten ein Interesse haben.

Das Geld wird auch nicht für den Wahlkampf verwendet, sondern für Stimmenkauf. Leute werden mit Geschenken oder Drohungen dazu gebracht, zu den Wahllokalen zu gehen, die in Haití sicher nicht internationalen Standards genügen.

Unter dem Vorwand, daß sich nicht wieder eine Diktatur wie unter den Duvaliers etablieren dürfte, wurde nach deren Abgang das Präsidentenamt in der neuen und seither gültigen Verfassung auf eine Amtszeit begrenzt. Natürlich soll der Platz am Geldhahn auch anderen zur Verfügung stehen, daher die Beschränkung.

Der jetzige Präsident dachte gar nicht daran, Wahlen zu veranstalten, wo er seinen Sessel hätte räumen müssen. Er hatte vor, die Verfassung zu ändern und länger dran zu bleiben. Nach der gültigen Verfassung war er also gar nicht mehr Präsident. Parlament gibt es auch keines, weil das löste sich fristgerecht auf. Weil es keine Wahlen gab, kam kein neues zustande.

Irgendwelche Leute in und außerhalb Haitís störte diese Machtvollkommenheit und das kostete ihn das Leben.

I. 3. Die DEA

„Die Drug Enforcement Administration (DEA; deutsch „Drogenvollzugsbehörde“) ist eine dem Justizministerium der Vereinigten Staaten unterstellte Strafverfolgungsbehörde mit Hauptsitz in Arlington, Virginia.“ (Wikipedia, DEA)

Die DEA entstand 1973 aufgrund eines Gesetzes von 1970 (CSA) über die Kontrolle aller möglicher als Drogen eingestufter Substanzen. Ihr erster Wirkungsbereich war das Inland und die Kriminalisierung aller möglichen politischen und gesellschaftlichen Organisationen und Akteure, denen Drogenmißbrauch vorgeworfen wurde. Damals wurde Marihuana als Droge eingestuft und die Behörde mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet, um den „Cannabis-Mißbrauch“ zu verfolgen und zu ahnden.

Zu den Kompetenzen der DEA gehörte auch der Zoll, und darüber erweiterte sich ihre Tätigkeit über die Grenzen der USA hinaus.

In die gleiche Zeit der DEA und des CSA fällt auch der von Nixon geprägte und seither schöpferisch angewandte Begriff des „Krieges gegen die Drogen“. Drogen aller Art werden als eine Art Feind für den universalistischen Weltherrschaftsanspruch der USA betrachtet und alle Händler und Konsumenten dieses Stoffes als die Soldaten dieses Feindes. Die Droge wird sozusagen zum abstrakten Subjekt erhoben, das den „american way of life“ gefährdet und gegen die jedes Mittel eingesetzt werden muß.

Das verschafft den USA die höchste Gefängnisbevölkerung per capita auf der ganzen Welt und gibt ihr freie Hand zur Einmischung in alle Länder der Welt, sofern sie das auf die Tagesordnung setzen. (Opiumhandel im Goldenen Dreieck und Afghanistan wurde und wird jedoch toleriert, wenn es die „Richtigen“ tun.)

Mit fadenscheinigen Drogen-Anklagen überfiel die US-Army 1989 Panama, und verhaftete deren Staatschef, der vorher auf der Gehaltsliste des CIA gestanden war, u.a. mit Drogen-Operationen zur Finanzierung der Contras-Gruppen gegen die Sandinisten.

Das Budget, mit dem die DEA operiert, bestimmt den Radius ihrer Aktivitäten. Dieses erfuhr eine beachtliche Steigerung unter George Bush Vater, der aus dem „Krieg gegen die Drogen“ eine politische Priorität machte und seine Lateinamerikapolitik damit begründete.

Die DEA unterhält Büros in fast allen Hauptstädten Lateinamerikas. In Staaten wie Mexiko oder Kolumbien ist sie eine Art Staat im Staat. Sie agiert wie eine eigene Miliz, entführt Personen und schleppt sie außer Landes und spielt eine undurchsichtige Rolle in der Grauzone zwischen staatlichen Beamten, Paramilitärs und bewaffneten Banden – mit allen arbeitet die DEA immer wieder zusammen.

Wenn also die Mörder des haitianischen Präsidenten sich als Beamten der DEA ausgeben, hat das zumindest im ersten Augenblick einen Schein von Plausibilität.

Um so mehr, als Haití eine wichtige Station im Drogenhandel zwischen Südamerika und den USA geworden ist. Auf dem Landweg gibt es Hindernisse wie Nicaragua, das sich nicht auf Drogenhandel einläßt.

Aber Haití, mit seiner praktisch nicht existenten Zentralgewalt, ein völlig unkontrolliertes Territorium, dessen Bevölkerung kaum über Einkommensquellen verfügt, bietet sich förmlich als Drehkreuz Nord-Süd an und wurde auch reichlich genützt. Darauf beruht ein guter Teil der Banden, die inzwischen den Alltag Haitís beherrschen.

Fortsetzung: Drogen, Kolumbien und Florida

7 Gedanken zu “Kuba und Haití

  1. Biden administration speeds up deportation flights for Haitians in growing Texas migrant camp

    The situation in Del Rio spiraled this week as more than 15,000 migrants, many of them from Haiti, arrived at the border in recent days, settling in a makeshift camp as they waited for CBP agents to process their petitions to stay in the U.S.

    https://www.texastribune.org/2021/09/18/texas-immigration-border-deportations/

    Die Transportflugzeuge für die sogenannte Evakuierung aus Afghanistan sind ja jetzt wieder frei.

  2. Kollabierender Karibikstaat Haiti
    Im permanenten Ausnahmezustand

    Haiti ist das ärmste Land in der westlichen Hemisphäre. Wegen der hohen Bandengewalt leben viele Menschen dort in ständiger Gefahr: Bilder des Fotografen Rodrigo Abd zeigen den Kampf der Armen – und die Partys der Reichen.

    Niemand ist sicher in Haiti. 789 Entführungen gab es dort seit Beginn dieses Jahres, Weltrekord. Es kann jeden treffen, Geschäftsleute, Kinder, Putzpersonal. Die Lösegelder liegen zwischen 50 Dollar und einer Million.

    Besonders dramatisch ist die Lage, seitdem im Sommer der amtierende Präsident Jovenel Moïse ermordet wurde: Die Gangs konnten seither ihre Macht noch ausbauen. »Innerhalb weniger Monate ist die Situation eskaliert«, sagt Annalisa Lombardo von der Welthungerhilfe vor Ort. Untereinander verfeindete Gruppen kontrollieren Wohnviertel in Port-au-Prince, Straßen, den Hafen und den Zugang zu Brennstoffvorräten.

    »Armut gab es in Haiti schon immer«, sagt Christina Böhrer von Ärzte ohne Grenzen (MSF), »aber was die Menschen wirklich bricht, ist die ständige Gefahr und Gewalt.« MSF betreibt mehrere Kliniken im Land. Allein in einer Notfallklinik in der Hauptstadt wurden zuletzt rund 30 Schussverletzungen pro Woche registriert und behandelt.

    19.000 Menschen mussten in der Metropolregion von Port-au-Prince seit August vergangenen Jahres fliehen, als die Bandengewalt schon einmal eskalierte. Sie mussten ihre Häuser verlassen, weil es dort zu gefährlich wurde. Heute leben sie in völlig überfüllten Gebäuden und Hallen in den Armenvierteln der Stadt.

    Haiti ist ein Staat im permanenten Ausnahmezustand: Das Land ist eines der ärmsten der Welt. Zuletzt zerstörte wieder ein Erdbeben im Sommer 2021 rund 130.000 Häuser im Südwesten. Viele Familien sind noch immer obdachlos. Zusätzlich wurden aus den USA seit September rund 8000 Haitianerinnen und Haitianer zurück in ihre Heimat abgeschoben. (…)

    https://www.spiegel.de/ausland/haiti-ein-land-im-permanenten-ausnahmezustand

  3. Wie nicht anders zu erwarten, weil wer leert schon gerne Geld in ein Faß ohne Boden:

    Geberländer verschleppen die Finanzmittel für Maßnahmen zur Stabilisierung von Haiti

    UN-Generalsekretär befürchtet Ausstrahlung der Krise über die Region hinaus. Lynchjustiz füllt Abwesenheit von staatlicher Präsenz und Legitimität

    Die Vereinten Nationen haben neun Millionen US-Dollar an Soforthilfe angekündigt, um auf die sich verschärfende humanitäre Krise in Haiti zu reagieren. Das Geld soll dem zentralen Nothilfefonds der UNO entnommen werden und wurde vom Leiter der humanitären Hilfe der Organisation, Martin Griffiths, genehmigt, wie dessen Sprecher Stephane Dujarric erklärte.

    In den letzten fünf Jahren hat sich die Zahl der Haitianer, die humanitäre Hilfe benötigen, auf 5,2 Millionen verdoppelt ‒ bei einer Gesamtbevölkerung von circa elf Millionen. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Kinder, die an schwerer Unterernährung leiden, um 30 Prozent gestiegen.

    Nach Angaben der UNO hat sich die humanitäre Lage in Haiti aufgrund einer starken Zunahme von Gewalt und Unsicherheit massiv verschlechtert. Bewaffnete Banden kontrollieren laut einer Studie des Zentrum für Analyse und Forschung zu Menschenrechten (Centre d'analyse et de recherche en droits humains, Cardh) durchschnittlich 60 Prozent allein des Stadtgebiets der Hauptstadt Port au Prince.

    Seit der Ermordung von Präsident Jovenel Moïse im Juli 2021 und den abgelaufenen Amtszeiten der letzten Senatoren hat Haiti keine gewählte Regierung mehr. Die staatliche Präsenz und Legitimität ist zunehmend geschwunden.

    Laut Medienberichten reagiert die UNO mit ihrer Intervention auf die mangelnde Unterstützung der Geber, die ihren Pflichten für die Umsetzung des für 2023 aufgestellten Hilfsplans für Haiti nur zu zwölf Prozent nachgekommen seien. Als Bedarf waren ursprünglich 720 Millionen Dollar verabredet worden.

    Gleichwohl entspricht die von der UNO aufgestockte Summe lediglich der, die beispielsweise die USA zwischen Februar 2022 und Feburar 2023 ungefähr stündlich, oder Frankreich ungefähr alle 48 Stunden zur Unterstützung der Ukraine investiert haben.

    (…)

    (Amerika21, 31.5.)

  4. Geschäftsmann im Mordfall an Präsident Moïse verurteilt

    2021 wurde Haitis Präsident Jovenel Moïse in seinem Privathaus ermordet. Ein Mann wurde unter anderem wegen Beschaffung von Waffen in dem Fall schuldig gesprochen.

    Ein Geschäftsmann ist wegen dessen Rolle bei der Ermordung des haitianischen Präsidenten Jovenel Moïse zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Rodolphe Jaar hatte sich im März schuldig bekannt, Teil einer Verschwörung zu Entführung oder Mord gewesen zu sein und materielle Hilfe mit Todesfolge geleistet zu haben. In der Hoffnung auf eine geringere Strafe versprach er zudem, mit den Ermittlern zusammenzuarbeiten. US-Richter José Martínez verhängte dennoch die Höchststrafe.

    Moïse war am 7. Juli 2021 in seinem Privathaus in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince ermordet worden. Nach Ermittlungen der Behörden in Haiti und den USA führten etwa 20 kolumbianische Söldner im Auftrag mehrerer Hinterleute die Tat aus. Die US-Ermittler gehen davon aus, dass der Plan ursprünglich lautete, Moïse zu entführen. Geklärt sind die Hintergründe der Tat noch immer nicht. Der Verurteilte hat die haitianische und die chilenische Staatsbürgerschaft und besorgte die Waffen für eine Gruppe kolumbianischer Söldner.

    In den USA wurde Anklage gegen zehn weitere Personen erhoben, unter anderem gegen einen haitianischen Ex-Senator. Jaar ist der erste, der verurteilt wurde. Er hatte nach Angaben der US-Behörden freiwillig zugestimmt, nach Miami überstellt zu werden und hat als einziger Angeklagter auf schuldig plädiert. Der Prozess gegen die anderen Angeklagten soll erst im Juli beginnen. In Haiti sind weitere 40 Menschen im Zusammenhang mit dem Mord festgenommen worden, darunter 18 Kolumbianer und der Chef von Moïses Palastwache. Angeklagt wurde dort bislang allerdings niemand.

     Seit Moïses Tod sind keine Wahlen in Haiti mehr abgehalten worden.

    (Zeit, 2.6.)

    In genau dem gleichen Wortlaut steht der Artikel in mehreren deutschsprachigen Blättern. Es wurde wieder einmal nur eine Reuters-Agenturmeldung 1 zu 1 wiedergegeben.

    „Eine im Dezember 2021 von der New York Times veröffentlichte Untersuchung ergab, dass der Präsident ermordet wurde, weil er versucht hatte, den USA eine Liste von Personen zu schicken, die mit Drogenhandel in Verbindung stehen.
    Die Zeitung berichtete, dass der Präsident mehrere Maßnahmen ergriffen habe, die bei seinen Feinden Alarm auslösten und deren Ziel war, das organisierte Verbrechen und korrupte Beamte, die mit der Kriminalität kollaborierten, zu treffen. Moïse hatte eine Säuberung des Zolls angeordnet, die Zerstörung einer geheimen Landebahn, die als Operationszentrale für Flugzeuge aus Kolumbien und Venezuela diente, und eine Untersuchung des Aalhandels angeordnet, der angeblich als Deckmantel für Geldwäsche diente.

    Jaar wurde im Januar in der Dominikanischen Republik festgenommen und erklärte sich freiwillig bereit, in die Vereinigten Staaten zu reisen, wo er sich im März schuldig bekannte, das Kommando unterstützt zu haben, das den haitianischen Präsidenten ermordet hatte.“

    (El País, 2.6.)

    Ein kleiner Fisch offenbar, weil geplant wurde die Operation von Miami aus, wo auch die Killer angeworben wurden.

  5. Soziale Organisationen in Haiti appellieren an Afrikas Solidarität

    Eine große Anzahl haitianischer sozialer und politischer Organisationen hat sich gegen eine militärische Intervention in Haiti ausgesprochen. Sie beziehen sich dabei auf die Zusage der Regierung von Kenia, die Führung in einer internationalen Eingreiftruppe zu übernehmen.

    Kenia nahm damit den Platz der USA ein, die seit langem eine Intervention befürworten (amerika21 berichtete), aber nicht selbst mit Truppen in Erscheinung treten wollen.

    Mit einem offenen Brief haben die haitianischen Organisationen sich "an die brüderlichen Länder Afrikas, dem Land unserer Vorfahren, und insbesondere an die Länder der Afrikanischen Union (AU)" gewandt und diese aufgefordert, nicht "als Resonanzboden für die ehemaligen Kolonial- und Sklavenmächte zu dienen" und sich nicht an der "Destabilisierung Haitis und der systematischen Sabotage seiner Souveränität" zu beteiligen.

    Die Haitianer hätten "mit Erstaunen die überraschende Nachricht erhalten, dass ein brüderliches Land wie Kenia zugestimmt hat, eine US-UN-Besatzungstruppe gegen Haiti anzuführen". Dies sei ein Vorhaben, das die nationale und internationale Öffentlichkeit über die Ursachen der sozialen und Sicherheitskrise in dem karibischen Land täuschen würde, so der offene Brief.

    Die Verfasser verweisen auf einen im März 2023 veröffentlichten Bericht des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC), dem zufolge die von den kriminellen Banden in Haiti verwendeten Waffen und Munition insbesondere aus den USA stammen. Dem US-Bundesstaat Florida wird in dem Bericht eine hervorgehobene Rolle bescheinigt.

    Tatsächlich nimmt die Gewalt in Haiti, unter der die Bevölkerung massiv leidet, noch zu. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) hat jüngst einen weiteren Anstieg der Entführungen von Frauen und Kindern bestätigt. Nach den neuesten Daten der Organisation gab es in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 fast 300 Entführungen. Das entspricht bereits der Zahl des gesamten letzten Jahres und hat sich gegenüber 2021 fast verdreifacht. In den meisten Fällen ginge es den Urhebern darum, diese Menschen "für wirtschaftliche oder taktische Zwecke zu nutzen".

    Die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina berichtete, dass die Zunahme der Gewalt nur zeitweise abgeflaut war, als selbstorganisierte Bürgerwehren "seit Ende April mehr als 250 mutmaßliche bewaffnete Bandenmitglieder gelyncht" hatten. Lynchjustiz beginnt bereits die entstandene Lücke durch die Abwesenheit von staatlicher Präsenz und Legitimität zu füllen.

    Indes berichtet Prensa Latina auch von staatlicher Gewalt gegen politische Demonstrationen. Proteste mit wirtschaftlichen Forderungen und gegen die Unsicherheit im Land seien mit Tränengas aufgelöst worden.

    Die Menschen in den Straßen prangern immer wieder die Bandengewalt und das "mitschuldige Schweigen" der Führung des Sicherheitsapparats und der Regierung des amtierenden, aber nicht gewählten Präsidenten Ariel Henry an. Sie fordern, dass er sofort zurücktritt und die Behörden ihrer Verantwortung gerecht werden, ein friedliches Klima im Land wiederherzustellen.

    Seit dem Vorschlag, dem Land wieder eine ausländische militärische Mission aufzuerlegen, richten sich massive Proteste auch gegen diese Absichten. Die "United Nations Stabilisation Mission in Haiti" (Minustah) von 2004 bis 2017 ist bei der Bevölkerung noch in schlechtester Erinnerung.

    In den vergangenen Tagen zeigte sich ein weiterer Aspekt der Unsicherheit, als die US-Botschaft in der Hauptstadt Haitis wegen Schießereien in der Umgebung zeitweilig schließen musste. Das Personal der diplomatischen Vertretung stellte alle Dienste ein und konnte die Gebäude nicht mehr verlassen.

    (…)

    (amerika21, 16.8.)

    Sieh da, sieh da. Kenia möchte sich in der Karibik wichtig machen.

    Kenia marschierte im Rahmen der AMISOM (African Union Mission in Somalia) 2017 in Somalia ein, um die dortigen Milizen zu bekämpfen und war auch eine treibende Kraft bei der Abspaltung des Südsudan.

    Kenia ist ein Staat, der seinen Einfluß über die Landesgrenzen hinaus ausdehnen will. Sein vorheriger Präsident Kenyatta und dessen Nachfolger und Parteigenosse Rutu scheinen dabei eher auf die USA und die UN zu setzen, in Abgrenzung zu den mehr rußlandfreundlichen Nachbarstaaten Eritrea und Somalia.

  6. Es ist beachtlich, wie es den USA gelungen ist, 2 Länder des Globalen Südens gegeneinander in Stellung zu bringen. (Kenya ließ sich vor geraumer Zeit auch gegen Somalia instrumentalisieren …)

    „Kenias Polizisten mit erster größerer Operation in den Straßen von Haiti

    Kenianische Polizisten der multinationalen Sicherheitsmission in Haiti (MSS) haben ihren ersten größeren Einsatz durchgeführt. Am Mittwoch kam es in der Nähe des Präsidentenpalastes in der Hauptstadt, wo die MSS in gepanzerten Fahrzeugen patrouillierte, zu Zusammenstößen mit irregulären Bewaffneten.

    Nach Schusswechseln mit "Bandenmitgliedern" soll es kenianischen und haitianischen Polizeibeamten gelungen sein, den wichtigsten haitianischen Hafen einzunehmen, dessen Kontrolle seit März irreguläre Kräfte übernommen hatten.

    Die Aktion der Einsatzkräfte erfolgte einen Tag nach der Ankunft eines weiteren kenianischen Kontingents in Haiti, das 200 Polizisten umfasst.

    "Dem kenianischen Kontingent und den haitianischen Polizisten gelang es, die Banden zurückzudrängen, die auf sie geschossen hatten. Die Beamten übernahmen dann die Kontrolle über den Hafen, der von den Banden kontrolliert wurde", erklärte der Kommandeur der Sicherheitsmission Godfrey Otunge gegenüber der kenianischen Zeitung The Nation.

    Die Zeitung berichtete weiter, dass die selbe kenianische Einheit 10 Tage zuvor das Universitätskrankenhaus in Port-au-Prince unter ihre Kontrolle gebracht haben soll.

    Der haitianische Premierminister Garry Conille kündigte indes Einschränkungen für die Presse an, um den Erfolg aller geplanten Operationen der MSS zu gewährleisten: "Den Medien ist es verboten, Informationen zu verbreiten, die es den Banditen ermöglichen, über die Ordnungskräfte die Oberhand zu gewinnen".

    Die Medien "dürfen keine Live- oder zeitversetzte Berichterstattung machen, die den Banden Informationen über die Positionierung der Sicherheitskräfte und den Verlauf der Operationen liefern könnte", forderte er.

    Am Mittwoch hatte Conille in einer Ansprache an die Nation verkündet, dass er in den 14 Gemeinden des Landes den Ausnahmezustand verhängt habe.

    "Dieser Ausnahmezustand gibt der Regierung die notwendigen Mittel und Instrumente an die Hand, um zu handeln, die Banditen zu verhaften und die Staatsgewalt wiederherzustellen. Ich rufe die Bevölkerung der betroffenen Gemeinden auf, wachsam zu sein und Ruhe zu bewahren", erklärte der Premier.

    Für die Regierung Kenias sind Berichte über Erfolge der Haiti-Mission, bei der das ostafrikanische Land die Führung übernommen hat, wichtig. Seit Juni halten in Kenia massive soziale Proteste gegen die Regierung von Präsident William Ruto an, die durch ein geplantes Steuergesetz ausgelöst wurden. Schusswaffeneinsätze der Polizei kosteten inzwischen dutzende Demonstrierende das Leben.

    Der Haiti-Einsatz ist nicht nur in Haiti, sondern auch in Kenia von Beginn an höchst umstritten … “

    (amerika21, 23.7.)

     

  7. „Multinationale Polizeimission in Haiti wird zu einem Krieg gegen Minderjährige

    Sicherheit hat sich weiter verschlechtert. Auftauchen neuer bewaffneter Akteure. Für Kinder ist zum Überleben Aufnahme bei Banden attraktiv

    In den vier Monaten, seit die Multinationale Sicherheitsmission (MMS) für Haiti angelaufen ist, hat sich die Lage in dem Krisenland weiter verschlechtert. Dies zeigt ein Report des Büros der Vereinten Nationen in Haiti (Binuh), den die Einrichtung dem UN-Sicherheitsrat vorgelegt hat. Die Lage von Minderjährigen und Kindern hat sich verschärft.

    Nach den aktuellen Zahlen wurden durch die Gewalt von kriminellen Banden, Aufständischen, Bürgerwehren, staatlichen Einsatzkräften und der von kenianischen Polizisten angeführten MMS von Juli bis September mehr als 1.740 Menschen getötet oder verwundet. Dies entspricht einem Anstieg um fast 30 Prozent gegenüber dem vorangegangenen Quartal.
    Gleichzeitig soll sich das Gebiet unter Kontrolle irregulärer Kräfte in der Hauptstadt Port-au-Prince von 80 auf 85 Prozent ausgeweitet haben.

    Unter den im untersuchten Zeitraum Getöteten seien mindestens 669 Menschen, die bei Polizeieinsätzen gegen Banden getötet wurden. Drei Viertel der Opfer sollen mutmaßliche Bandenmitglieder gewesen sein, ein Viertel von ihnen Zivilisten. Die Informationen »deuten auf einen möglicherweise unverhältnismäßigen Einsatz von tödlicher Gewalt und fehlende Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei Polizeieinsätzen hin«, so Binuh.

    Indes erwähnt das UN-Büro das Auftauchen einer neuen bewaffneten Formation, einer »Brigade de Surveillance des Aires Protégées«, die staatlicherseits, aber gesetzlich nicht vorgesehen gegründet worden ist. Verschiedene Medien berichteten zudem von der Anwesenheit von Söldnern einer privaten US-Sicherheitsfirma.

    Fragen an Haitis präsidialen Übergangsrat (CPT) über deren Zweck blieben unbeantwortet. Der CPT bestätigte lediglich die Anwesenheit. Ein Termin zur Klärung des offiziellen Status' der Söldner auf höchster Ebene soll an Premierminister Garry Conille gescheitert sein.

    Als weiterer Akteur auf diesem Schauplatz zunehmender Gewalt hat sich El Salvador angekündigt. Das Land mit einer laut Regierung erfolgreichen Bandenbekämpfung will Militär nach Haiti entsenden und hat dafür die Straflosigkeit seiner Einsatzkräfte formalisiert.

    Ein vom Parlament angestrebtes Abkommen für den Einsatz ist geheim, das Außenministerium sprach lediglich von »medizinischen Evakuierungsaktionen«, die El Salvadors Streitkräfte durchführen sollen. Guatemala beabsichtigt, die Sicherheitsmission mit 150 Militärpolizisten aufzustocken.

    Die US-amerikanische, international tätige NGO Human Rights Watch (HRW) schlug Anfang Oktober Alarm wegen der offensichtlichen Zunahme von Minderjährigen und Kindern bei den Kämpfen. Der Binuh-Bericht führt auf, dass im untersuchten Zeitraum staatliche Einsatzkräfte mindestens 106 außergerichtliche Tötungen vorgenommen hätten, denen auch sechs Kinder im Alter von zehn Jahren zum Opfer gefallen seien. Sie wurden beschuldigt, Informationen an Bandenmitglieder weitergegeben zu haben.

    Binuh wie auch Medienberichte gehen davon aus, dass die »Banden« in jüngster Zeit »hauptsächlich« Kinder rekrutiert hätten und beurteilen dies als eine »Reaktion« auf den Beginn der Multinationalen Sicherheitsmission. Kinder dienten als Kundschafter, transportierten Waffen und Munition, nähmen jedoch auch an Kämpfen teil. Bis zu 50 Prozent aller Bandenmitglieder könnten aktuell Kinder sein.

    »Die katastrophale Lage in Haiti macht Kinder noch anfälliger für die Rekrutierung durch Banden«, heißt es im Binuh-Bericht. »Der fehlende Zugang zu Bildung, Beschäftigung und Grundbedürfnissen schafft eine Situation, in der der Beitritt zu Banden als einzige Möglichkeit zum Überleben angesehen wird«.“

    Ein sehr eigenartiger Satz.
    Erstens, „der fehlende Zugang zu Bildung“ soll alles mögliche Schlimme hervorbringen – dieses Mantra wird bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit strapaziert, wie eine Gebetsmühle. Was da jetzt unter Bildung zu verstehen ist, wer sie bereitstellen soll und warum der angebliche fehlende „Zugang“ schlecht macht – das darf man nicht einmal nachfragen.

    „Human Rights Watch hebt hervor, dass die Banden für die von Hunger und Armut getriebenen Kinder attraktiv sind, um inmitten der sozialen und wirtschaftlichen Krise zu überleben. (…)“

    In diesem Fall ist „attraktiv“ ein falsches Vokabel, wo sich offenbar vielen Alten wie Jungen keine andere Möglichkeit bietet.

    „Die NGO zitiert unter anderem einen 16-Jährigen aus Haitis Hauptstadt, der sagte, er sei der Gruppe Village de Dieu beigetreten, als er 14 Jahre alt war. »Bevor ich beitrat, lebte ich bei meiner Mutter. Es war wirklich schwer, Essen und Kleidung zu bekommen«, sagte er. »Zu Hause gab es kein Essen. Aber wenn ich bei [der Gruppe] war, konnte ich essen«.“

    An dieser Beschreibung merkt man noch einmal, wie unsäglich dumm dieses Geschwätz um die Bildung ist.

    „Die Organisation gibt Empfehlungen an die Behörden, um bei den Einsätzen von Sicherheitskräften einen besonderen Schutz für Minderjährige und Kinder sicherzustellen. Die Übergangsregierung solle sich »darauf konzentrieren, das Leben der Kinder zu verbessern, indem sie Schutz, Zugang zu lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen, einschließlich Bildung und rechtliche Möglichkeiten für ihre Rehabilitation und Wiedereingliederung, bietet«.“

    Aus allem, was man so über Haití weiß, ist klar, daß es gar keinen Adressaten für diese frommen Wünsche gibt, weil die Regierung machtlos ist.

    „Es gibt jedoch keinen Hinweis dafür, dass das von Anfang an hoch militarisierte Konzept der Multinationalen Sicherheitsmission zur Wiederherstellung der staatlichen Funktionen auf dem Gebiet Haitis in Frage steht. Das Auftauchen neuer bewaffneter Akteure deutet auf das Gegenteil hin.

    In der haitianischen Öffentlichkeit äußerte sich von Beginn an Widerstand gegen die Einsetzung der MMS … Die Ablehnung argumentierte vor allem mit der Einschränkung der Souveränität des Landes und bezog sich auf die Erfahrungen mit dem katastrophalen Ausgang früherer ähnlicher internationaler Missionen.

    Eine politische Repräsentanz von Kritikern der MMS in den Interimsinstitutionen Haitis war jedoch ausdrücklich ausgeschlossen, um einen rechtlichen Rahmen für die ausländische Intervention sicherzustellen.“

    (amerika21, 5.11.)

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