Fluch der Karibik, Teil 2

DROGEN, BANDEN UND MILITÄR

Während den Drogen inner- und außerhalb der Landesgrenzen der Krieg erklärt wird, sind gleichzeitig in den USA mehr als 450.000 Personen an opiathaltigen Medikamenten gestorben.

Man fragt sich daher: Was ist eigentlich eine „Droge“?

II. 1. Drogen

Der Unterschied zwischen Medikamenten und Drogen ist ein rein rechtlicher. Der Gesetzgeber, also das Gewaltmonopol beschließt, seinen Bürgern die Einnahme bestimmter Stoffe zu gestatten, diejenige anderer zu verbieten.

Bei der Frage der Drogen hört sich die Privatsphäre auf. Es ist beachtlich, wie sehr dieser Umstand von den meisten Staatsbürgern akzeptiert wird. Sie sehen das offenbar so, daß unvernünftige Zeitgenossen auf diese Art und Weise vom wohlwollenden Vater Staat vor sich selbst und ihrem Verderben geschützt werden sollen – obwohl die Kriminalisierung des Drogenkonsums diesen keineswegs unterbindet und im Gegenteil eine ganze Abteilung von Beschaffungskriminalität und Drogenhandel erst schafft.

Die Gesetzgeber selber haben je nach Staat und Zeit eigene Gründe, was sie erlauben und verbieten. Das, was heute als Droge qualifiziert wird, war früher auch ein Medikament – wie Heroin oder verschiedene Cannabis-Produkte. Dann gerieten diese Stoffe aber unter den Generalverdacht, hier wollten sich Menschen durch den Genuß dieser Stoffe staatsbürgerlicher Pflichten entziehen, oder sogar die geheiligte Eigentumsordnung in Frage stellen. Dem Haschisch und LSD wurde in den USA eine unmittelbare Wirkung in Bezug auf Wehrkraftzersetzung zugeschrieben.

Die heutige Scheidung in Drogen und legale Medikamente wurde, von den USA ausgehend, nach dem II. Weltkrieg über die UNO mit verschiedenen Konventionen, Kommissionen und Zusatz-Verträgen für die ganze Welt verbindlich gemacht und damit haben die USA auch eine Handhabe, alle Staaten der Welt auf die Verfolgung der als illegal eingestuften Drogen zu verpflichten.

Oder aber, wenn es sich um wichtige Verbünde handelt, auch einmal die Augen zuzudrücken.

Ob die Ermordung des haitianischen Präsidenten etwas mit Drogen zu tun hat oder sich nur des für Drogenkriege zur Verfügung stehenden Instrumentariums bedient wurde, ist noch nicht klar. Aber die Spur führt jedenfalls zu demjenigen Staat, der ein Paradebeispiel für den Drogenkrieg ist.

II. 2. Kolumbiens Militär

Über die Art und Weise, wie sich Kolumbiens Militär zu einer Stütze des Staates entwickelt hat, kann man hier <https://nestormachno.alanier.at/serie-lateinamerika-heute-teil-8-kolumbien/> nachlesen.

Nach der Beschneidung der Macht der Drogenbosse 1993 und dem „Friedensprozess“, der zwar angeblich gescheitert ist, aber doch zu einer teilweisen Kapitulation der linken Guerilla geführt hat, stehen viele Mitglieder des Militärs und der paramilitärischen Verbände in der Gegend herum und haben keinen Job. Sie lassen sich also gern für Kommandos aller Art anheuern. Vor allem im Inland gibt es immer Umweltaktivisten oder protestierende Kleinbauern, die umgebracht oder vertrieben werden müssen, weil dort eine Plantage oder ein Bergwerk oder ähnliches hin muß.

Aber auch im Ausland gibt es einiges zu tun, wie man sieht. Das einzige Problem der kolumbianischen Veteranen ist die Konkurrenz anderer Söldner, die aufgrund ihrer unverfänglichen Pässe bessere Karten haben, weil sie können unauffälliger einreisen und vor allem nach getaner Arbeit auch wieder ausreisen.

Als ideale Gegend für Firmensitze von Sicherheitsfirmen, die Killer vermitteln, hat sich inzwischen Florida etabliert.

II. 3. Florida und seine Wach- und Schließgesellschaften

Florida war bis in die 50-er Jahre einer der dünnst besiedelten Bundesstaaten der USA. Seine Bewohner lebten von Obstanbau und Tourismus. Vor allem die Hurrikane schreckten Einwanderer ab, weil sie nicht nur lebensbedrohend waren, sondern auch von einem Tag auf den anderen die Existenz zerstören konnten.

Heute ist es der drittest-dichtbesiedelte Staat der USA und hat New York überholt.

Die Wende kam mit der Revolution in Kuba. Zehntausende Kubaner flohen damals und später vor dem Sozialismus auf der Zuckerrohrinsel. Miami wurde zum Zentrum der lateinamerikanischen Einwanderer – und zwar solcher, die willkommen waren, zum Unterschied von mexikanischen Erntearbeitern und puertoricanischen US-Bürgern 2. Klasse.

Die kubanischen Castro-Gegner waren der US-Politik sehr recht, und sie lösten eine zweite Welle des Tourismus (nach den 20-er Jahren) aus. Es galt als schick und angemessen, sich einen Zweitwohnsitz im Sunshine State zu leisten. (Auch Trump hatte ja dort ein Weekend-Häuschen …) Damit kam Geld nach Florida. Auch die Schickeria der ganzen Welt begann sich dort ein Stelldichein zu geben. Dazu gesellten sich Sportler, die dort Winter-Trainingscamps errichteten und besser gestellte Pensionisten, die die Wintermonate im Süden verbringen wollten. Weitere Einwanderer folgten, die mit Dienstleistungen für die vorherigen Personengruppen ihr Auskommen hatten.

Auf die herübergemachten Kubaner folgten Drogenkartelle aus Kolumbien und Mexiko. Spanisch war in Miami und Umgebung Verkehrssprache, die Großdealer fielen nicht so auf. Florida wurde zur Haupt-Drehscheibe für den Import von Drogen in die USA. Seine lange Küstenlinie half dabei: an unwegsamen Küstenstreifen und in Zusammenarbeit mit Fluchthelfern konnten viele beladene Boote anlegen. Und natürlich, es gab auch genug Konsumenten vor Ort – solche mit viel Geld und solche mit wenig Geld.

So bildete sich in Florida eine Art dickflüssige Mischung aus politischem Konservatismus, dicken Geldbörsen, Drogenkonsum, Kriminalität und Armut – derjenigen, die in keinem Milieu erfolgreich waren, aber auch von irgendwas leben mußten. Zuletzt strömten puertoricanische Habenichtse nach Florida, die der Hurrikan Maria im Jahr 2017 von ihrer Insel vertrieben hatte und denen Florida zum Überleben perspektivreicher erschien als New York.

Die hohe Konzentration von extrem reichen und extrem armen Menschen schuf ein großes Sicherheitsbedürfnis bei ersteren. Die mit der Zeit stets anwachsende Zahl von Security-Firmen hatte ihre Klientel zunächst in der Nähe. Hochgestellte Persönlichkeiten wollten in Sicherheit ihren Urlaub genießen und ihre Absteigen auch in ihrer Abwesenheit gut bewacht sehen.

Die Sicherheitsfirmen rekrutierten ihr Personal aus abgerüsteten US-Veteranen oder südamerikanischen Drogen-Killern, die ihr Milieu verlassen wollten, weil dort die Lebenserwartung extrem niedrig war.

Aber mit der Zeit und den Hurrikanen scheint sich die Nachfrage verringert zu haben – viele wohlhabende Teil-Bewohner Floridas zogen ab. Gleichzeitig erhöhte sich der Zulauf zu diesen Firmen, weil andere Jobs rar wurden.

Und so begannen sie, sich nach internationalen Betätigungsfeldern umzusehen. De-facto sind das Söldner-Vermittlungsfirmen geworden, aber das nötige Know-How will offenbar erst erworben werden.

Die bisherigen Einsätze, die über Floridas Security-Firmen bekannt sind – Venezuela und Haití –, machen keine Werbung für diese.

Fortsetzung: Das Petrocaribe-Programm

3 Gedanken zu “Fluch der Karibik, Teil 2

  1. Vor einiger Zeit wurde von den GKN ein Aufsatz zum Drogengeschäft veröffentlicht: „Drugs & Business: Wie jedes Geschäft beruht auch dieses auf und braucht Gewalt“ 21.04.2021

    https://gegen-kapital-und-nation.org/drugs-business-wie-jedes-geschaft-beruht-auch-dieses-auf-und-braucht-gewalt/

    In dem Sinne mag der Hinweis interessieren, dass in der MSZ bereits 1989 ebenfalls ein Artikel zum Thema veröffentlicht wurde: „Die Herstellung und Bewältigung eines „Problems“ durch die westliche Staatenwelt – DROGEN-SUCHT, -GESCHÄFT, -KRIMINALITÄT, -BEKÄMPFUNG, -KRIEG“

    https://msz.gegenstandpunkt.com/1989-5-drogen-sucht-geschaeft-kriminalitaet-bekaempfung-krieg

    Zu Mexikos ‘Drogenkrieg’ (GSP von 2009)

    https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/mexiko-staatsnotstand

  2. Ulrike Henning:  Vom Schmerzmittel zur Überdosis

    US-Pharmakonzerne stimmen milliardenschwerem Vergleich wegen aggressiver Opioid-Vermarktung zu

    "Sind die USA tatsächlich dabei, ihre Opiod-Krise zumindest in einigen Fragen zu bewältigen? In Sachen Entschädigung der Bundesstaaten und örtlichen Behörden scheint das fast so. Denn diese haben Forderungen an Pharmahändler und -hersteller gestellt, um ihre Ausgaben für Abhängige von Schmerzmitteln und illegalen Drogen erstattet zu bekommen. In dieser Woche teilte eine Gruppe von damit befassten Generalstaatsanwälten mit, dass drei Pharmagroßhändler und der Hersteller Johnson & Johnson bereit wären, insgesamt bis zu 26 Milliarden US-Dollar zu zahlen. Einem entsprechenden Entwurf müssen nun die Bundesstaaten, Städte und Landkreise noch endgültig zustimmen.

    US-Herstellern wie Medikamentenhändlern wird die rücksichtslose Vermarktung von Opioiden vorgeworfen. Das sind hochwirksame Schmerzmittel, allerdings mit erheblichem Suchtpotenzial.  Weil dies allerdings verschleiert wurde, landeten viele Patienten am Ende bei illegalen Drogen. Damit, so argumentieren jetzt die Kläger, sei ein wesentlicher Grundstein für die Opiod-Epidemie in den USA gelegt worden. Sie hat laut US-Behörden zwischen 1999 und 2019 zu etwa 500 000 Toten durch Überdosen von verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln und illegalen Drogen geführt. Seit Ende der 90er Jahre wurden Ärzte animiert, vor allem Oxycontin vom Hersteller Purdue Pharma auch bei kleinsten Anlässen und Eingriffen zu verschreiben: bei Rückenproblemen, der Entfernung von Weisheitszähnen oder bei Sportverletzungen sogar von Teenagern. Warnungen vor Abhängigkeitsrisiken gibt es erst in jüngster Zeit. Pro Jahr kam es so zu rund 200 Millionen Rezepten für Opiate. 2018 hatten allein 53 Millionen US-Amerikaner zwischen 12 und 18 Jahren Opiate eingenommen. Zu der hohen Zahl der Verschreibungen trug allerdings auch bei, dass im US-Gesundheitswesen Schmerzmittel teureren Therapien vorgezogen werden.

    Zunächst haben jetzt die drei größten Arzneimittelhändler der USA – McKesson, Cardinal Health und AmerisourceBergen – nur im Bundesstaat New York einem milliardenschweren Vergleich zugestimmt. Sie willigten ein, insgesamt 1,18 Milliarden Dollar (umgerechnet rund eine Milliarde Euro) zu zahlen. Das hatte in dieser Woche Generalstaatsanwältin Letitia James mitgeteilt.

    Mit den Milliardenbeträgen sollen unter anderem Hilfsprogramme finanziert werden, der Zahlungszeitraum wird großzügig über 18 Jahre gestreckt. Verhandelt wird der jetzige Vergleich bereits seit zwei Jahren, damit könnten nun fast 4000 Klagen und diverse Verfahren auf einen Schlag beigelegt werden. Die beteiligten Unternehmen müssten keine weitere Strafverfolgung fürchten.  (…)

    Im Fokus stand anfangs Purdue Pharma, Hersteller des Schmerzmittels Oxycontin. Inzwischen durchläuft das Unternehmen ein Insolvenzverfahren. Ebenfalls in diesem Monat hatten sich mehrere US-Staaten mit der Sackler-Familie, den Eigentümern von Purdue, auf Schadenszahlungen von 4,5 Milliarden US-Dollar geeinigt. Etliche Bundesstaaten stimmten aber gegen die Schlichtung, da sie kein Schuldeingeständnis der Sacklers enthält. In den Jahrzehnten zuvor hatte sich Purdue durch Millionenspenden Zugang zur Medizinerausbildung in den gesamten USA verschafft sowie in Krankenhäusern spezielle »Schmerzprogramme« installiert. Den eigenen Vertrieb setzte das Unternehmen unter starken Druck, höhere Verkaufszahlen zu erreichen. Ärzten wurde in gesponserten Veranstaltungen vermittelt, Oxycontin in höheren Dosen und für immer längere Zeiträume zu verschreiben. Im Zuge der Einigung sollen nun Dokumente der Firma veröffentlicht werden, die deren Marktstrategie offenlegen. Familie Sackler selbst musste alle Besitzanteile an Purdue Pharma abgeben."

    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1154790.us-pharmakonzerne-vom-schmerzmittel-zur-ueberdosis.html

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