DER SPRECHER DER BLAUHELME IM LIBANON: »ISRAEL KANN NICHT DAS SCHICKSAL EINER MISSION DIKTIEREN, DIE DIE INTERNATIONALE GEMEINSCHAFT WILL«
Andrea Tenenti weist darauf hin, dass israelische Angriffe auf UN-Streitkräfte Teil von Netanyahus Kampagne für deren Abzug seien und dass seine Truppen Unifil-Stellungen als menschliche Schutzschilde genutzt hätten.“
Es geht hier um nicht mehr und nicht weniger, als daß Israel die UNO direkt angereift, weil sie sie als Hindernis für ihr Staats-Erweiterungs-Programm betrachtet.
Solange die UNO dort herumsitzt, sind die besetzten Gebiete nach wie vor nicht als Territorium Israels anerkannt, und das soll sich offenbar ändern.
„Andrea Tenenti, der Sprecher der UN-Mission im Südlibanon (Unifil), empfängt diese Zeitung in einem kleinen Hauptquartier, das sich »in einem historischen Zusammentreffen« neben der ukrainischen Botschaft befindet, Hinweis auf die andere Invasion, die heutzutage die geopolitische Agenda bestimmt.
Der Ort des Interviews (Baabda, eine Stadt südöstlich von Beirut, weit entfernt von den Orten, an denen die Blauhelme weiterhin stationiert sind) zeigt die heikle Situation, in der sich Unifil befindet: Die israelische Armee, die vor zwei Wochen in den Südlibanon einmarschierte, hat die UNO-Mission wiederholt angegriffen. In den vergangenen Tagen forderte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu den »sofortigen« Rückzug mit einer kaum verhüllten Drohung: Dies sei »der einfachste Weg«, weiteren Schaden zu verhindern.
Unter normalen Bedingungen wäre der Sprecher am Hauptstützpunkt in Naqura, ganz in der Nähe der Blauen Linie, der Trennlinie – es handelt sich nicht um eine formelle Grenze –, mit deren Überwachung Unifil beauftragt ist. Aber es wurde von Israel angegriffen, weshalb das etwa 800-köpfige Zivilpersonal der Mission, wie auch er, aus dem Südlibanon evakuiert wird.
Diejenigen, die noch dort sind, sind die mehr als 10.000 Soldaten aus rund 50 Ländern – unter dem Kommando des Spaniers Aroldo Lázaro Sáenz –, deren Gegenwart und Zukunft im Mittelpunkt des Interviews stehen.
Die Mission erlebt ihren heikelsten Moment seit dem letzten Krieg zwischen Israel und der Hisbollah im Jahr 2006, als die Truppen auf ihren Posten blieben. Tenenti verteidigt, dass sie dies auch jetzt tun, unter anderem, weil Israel »das Schicksal einer Mission, die der UN-Sicherheitsrat jedes Jahr erneuert, nicht diktieren kann«, und weist darauf hin, dass es die israelischen Truppen waren und nicht die Hisbollah, wie Netanjahu behauptet, die die Unifil-Positionen als menschliche Schutzschilde nutzten. Er fordert außerdem einen »ernsthaften Dialog« darüber, wie die unerfüllte UN-Resolution 1701 umgesetzt werden kann, denn die Alternative könnte ein offener regionaler Konflikt sein.“
Diese unerfüllte Resulotion ist von 2006, nur zur Information, und folgte auf andere Resulutionen zur territorialen Integrität des Libanon, die alle bis heute nicht umgesetzt sind, weshalb sich die UNO-Truppen dort aufhalten.
„El País: Israel hat offiziell den Abzug von Unifil beantragt. Was müsste passieren, damit die Truppen ihre Stellungen aufgeben?
Tenienti: Wir haben uns vor ein paar Tagen sehr klar ausgedrückt, und an diesem Sonntag hat der Generalsekretär [der UN, António Guterres] in einer bestimmten Weise auf Netanyahus Bitte reagiert. Auch als die israelische Armee uns aufforderte, einige Positionen in der Nähe der Blauen Linie zu verlassen, gab es eine klare Botschaft: wir werden bleiben. Es war eine einstimmige Entscheidung aller derzeit 50 truppenstellenden Länder: Es ist wichtig, eine internationale Präsenz im Süden aufrechtzuerhalten.
Wir sind auf Wunsch des Sicherheitsrats und der libanesischen Behörden hier. Wir haben uns entschieden zu bleiben, nicht nur, weil es Teil des Mandats ist, sondern weil eine internationale Präsenz erforderlich ist, um das Geschehen zu überwachen.
Derzeit sind unsere Überwachungsmöglichkeiten sehr begrenzt, da es für die Truppen bei anhaltendem Beschuss gefährlich sein kann, nach draußen zu gehen, und es von größter Bedeutung ist, ihre Sicherheit zu garantieren. Es ist aber auch die Pflicht der beteiligten Parteien, dies zu garantieren.“
Mit „beteiligte Parteien“ sind sowohl die Hisbollah als auch die libanesische Armee gemeint, aber vor allem die israelische Armee.
In den letzten Tagen kam es in Naqura, dem Hauptquartier der Mission, zu mehreren Angriffen gegen sie, teilweise von der israelischen Armee, bei denen Blauhelme verletzt wurden. Ein Turm wurde von einem Merkava-Panzer angegriffen, ebenso Überwachungskameras und die Beleuchtungsanlage. An einer anderen Position flog eine Drohne ganz nah an der Stelle vorbei, an der die Soldaten Zuflucht suchten. Und am Sonntag drangen zwei Panzer in eine Stellung ein und blieben dort 45 Minuten lang, wobei sie die Umfassungsmauern durchbrachen …
Es handelt sich um schwerwiegende Vorfälle, die einen klaren Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht sowie gegen die (Resolution) 1701 darstellen. Und sie erschweren es der Mission, der Bevölkerung zu helfen.
Unifil ist keine humanitäre Mission, aber wir haben der Bevölkerung immer geholfen. Daher ist es sehr schwierig, den Tausenden von Menschen zu helfen, die im Südlibanon festsitzen und Wasser, Nahrung und Grundbedürfnisse benötigen.“
Das ist es offenbar, was Israel am meisten stört, ebenso wie in Gaza, daß die UNO-Mission sich der Vertreibungspolitik widersetzt und sie aus israelischer Sicht durch ihre Hilfeleistungen sogar hintertreibt.
„El País: Wenn die Möglichkeiten, die Bevölkerung zu überwachen und ihnen zu helfen, so begrenzt sind, hat das Bleiben dann ein symbolisches Element?
Tenienti: Das ist wichtig, denn es kann nicht sein, dass ein Mitgliedstaat das Schicksal einer Mission diktiert, die die internationale Gemeinschaft wünscht.
Wenn der Libanon beschließen würde, »geht bitte!«, würden wir gehen, weil wir auf Wunsch der libanesischen Regierung handeln. Aber es sind nicht die israelischen Behörden, die hier zu entscheiden haben. Das ist ganz klar.
Und die Überwachung ist wichtig, denn obwohl unsere Kapazität sehr begrenzt ist, haben wir immer noch 10.000 Soldaten an 50 Standorten entlang der Blauen Linie und im Einsatzgebiet. Wir können immer noch sehen, was passiert, und wir haben Radargeräte, die Bombenanschläge melden. Es bleibt also eine relevante Mission und wir werden dort bleiben, solange die Sicherheitsbedingungen erfüllt sind. Dann muss der Sicherheitsrat entscheiden.“
Diese Sätze sind unklar formuliert. Weswegen El País nachhakt:
„El País: Was wären diese Bedingungen?
Tenienti: Eine Risikobewertung müsste durchgeführt werden, wenn wir nichts überwachen könnten und ständig angegriffen würden. Dann müsste der Sicherheitsrat entscheiden. Das bedeutet nicht, dass wir gehen. Vielleicht werden sie sich für andere Optionen entscheiden.
Im Jahr 2006 dauerte der Konflikt zwischen der Hisbollah und Israel 34 Tage“
– und ruinierte die Infrastruktur des Libanon sehr gründlich, wovon er sich bis heute nicht erholt hat –
„und wir verließen das Land nie, obwohl Israel libanesisches Territorium betrat. Nach dem Waffenstillstand wurde die Resolution 1701 angenommen, was mich zu dem Punkt bringt, dass 1701 die Resolution zur Beendigung des Konflikts war und dies auch jetzt noch sein kann, da alle ihre Elemente immer noch gültig sind.
Sie wurden nicht umgesetzt, das stimmt. Das meiste davon war schwierig umzusetzen. Aber wir sind immer noch hier, um dies zu garantieren. Es sind die betreffenden Parteien, die sich hier ins Zeug legen müßten. Die Umsetzung hängt von ihnen ab, nicht von uns. Bringen Sie mindestens 50.000 libanesische Truppen in den Südlibanon, stellen Sie sicher, dass es im Süden keine Waffen gibt, dass es keine weiteren Verletzungen des libanesischen Land- und Luftgebiets gibt …“
Hier merkt man eine Schwachstelle dieser Resolution – der Libanon liegt ökonomisch am Boden und kann sich kein so umfangreiches Heer leisten, um 50.000 Leute in den Süden zu schicken und dort dauerhaft zu stationieren. So kommt es, daß praktisch die Hisbollah einen guten Teil des Gewaltapparates des Libanon ausmacht, in einer Art Privatisierung von Staatsaufgaben.
„Ein weiterer relevanter Teil ist, dass die Blaue Linie nicht die Grenze ist. Wir arbeiten seit vielen Jahren daran, diesen Punkt sichtbar zu machen. Es sind noch viele Fragen offen, weil beide Seiten bestimmte Gebiete beanspruchen. Dies geschah zwischen 2006 und dem 6. Oktober letzten Jahres (dem Tag vor dem Hamas-Angriff). Es gab Probleme, aber auch eine gewisse Stabilität. Dorthin müssen wir zurückkommen. Und das ist jetzt die größte Sorge, nicht nur für uns, sondern für die internationale Gemeinschaft. Dieser potenzielle regionale Konflikt. Die internationale Gemeinschaft muss ernsthafter und energischer eingreifen. Es gilt zu verhandeln und eine Lösung zu finden.
El País: Israel argumentiert, dass Unifil völlig ineffizient gewesen sei. Das wird dadurch untermauert, daß Israel seit der Invasion Videos von Hisbollah-Tunneln in der Nähe der UNO-Stützpunkte veröffentlicht.
Tenienti: Zunächst einmal können wir diese Zahlen oder Tunnel nicht unabhängig überprüfen, aber wir haben uns immer klar ausgedrückt. Wir haben den Sicherheitsrat über alle Ereignisse und Dinge informiert, die wir beobachten. Es gibt Bereiche, auf die wir keinen Zugriff haben. Die Privatsphäre ist für uns versperrt. Das Mandat erlaubte es den Einsatzkräften nicht, Häuser zu durchsuchen. Wir sind hier, um die libanesische Armee dabei zu unterstützen. Wir können also definitiv einiges von diesen Aufgaben übernehmen, aber nicht alle.
Gleichzeitig ist das Waffenproblem real. Es gab Verhandlungen und Vermittlungen mit den verschiedenen Parteien und wir haben in den letzten 18 Jahren versucht, daran zu arbeiten. Und dann kam natürlich der Oktober 2023 und wir konnten nicht weitermachen. Aber ich wiederhole, die mangelnde Implementierung ist nicht auf das Versagen von Unifil zurückzuführen. Außerdem wurden viele Dinge nicht getan, weil wir nicht über die entsprechenden Kapazitäten verfügten.“
Das kann sich sowohl auf Mannstärke und Bewaffnung als auch auf UN-Befugnisse beziehen.
„Darüber hinaus fanden in diesen 18 Jahren dreiseitige Treffen statt, die den wichtigsten Mechanismus zur Vertrauensbildung darstellten und bei denen sich die israelische und die libanesische Armee jeden Monat im selben Raum trafen. Es war ein echter Erfolg für zwei Länder, die sich im Krieg befinden und nicht miteinander reden. Es war sehr hilfreich in Situationen, die etwas Größeres hätten auslösen können.
Also ja, es besteht Bedarf, mehr zu tun. Aber wenn es diesen Bedarf gibt und der Sicherheitsrat und die internationale Gemeinschaft beschließen, dies zu tun, brauchen wir natürlich eine Vereinbarung im Sicherheitsrat, der beide Seiten zustimmen. Es ist interessant, dass sowohl Israel als auch der Libanon sagen, dass 1701 umgesetzt werden muss. Sie sind sich also einig, dass es immer noch gültig ist. Aber sie muß umgesetzt werden. Nicht nur mit Worten, sondern mit Taten.
El País: Wäre eine Änderung der Mission in Kapitel 7 [der Charta der Vereinten Nationen, die die Anwendung von Gewalt erlaubt] eine Option, wie Israel es vorschlägt?
Tenienti: Es muss vom Sicherheitsrat beschlossen werden, aber es würde bedeuten, alle notwendigen Mittel einzusetzen, um die Stabilität in einem Land wiederherzustellen, daher bedarf es der Zustimmung des Libanon.
Ich denke, es wäre sehr schwierig. Man braucht eine pragmatische Lösung. Und dafür braucht man auch Truppen. Wären Italien, Frankreich, Spanien oder wer auch immer bereit, hier Truppen zu stationieren, die Gewalt anwenden müssen?
Was wären die Ergebnisse? Es ist, als würde man sich selbst verteidigen. Würde es noch mehr Gewalt auslösen als der Versuch, mit friedlichen Mitteln eine Lösung zu finden?
El País: Kapitel 6, die Grundlage der derzeitigen Mission, erlaubt die Selbstverteidigung. Fallen die Angriffe, die Unifil in den letzten Tagen erhalten hat, nicht in diese Kategorie? Warum haben sie nicht darauf zurückgegriffen?
Tenienti: Ja, die Möglichkeit wäre da. Aber es ist etwas, das eingesetzt werden kann, wenn eine ernsthafte Bedrohung für unsere Friedenstruppen besteht …“
Diesbezüglich ist ja bereits einiges geschehen. Tote, Verletzte und unverhüllte Drohungen …
„El País: Ich beziehe mich nicht auf den letzten, sondern auf die Angriffe, die Unifil als vorsätzlich deklariert hat.
Tenienti: Ja, absolut. Der Kommandeur vor Ort muss entscheiden, ob eine Reaktion angebracht ist, oder er sieht, dass eine Reaktion nur noch mehr Gewalt auslösen und noch mehr Menschen töten oder verletzen würde.
Bei der Selbstverteidigung muss man sehr pragmatisch vorgehen. Wir wollen nicht Teil des Konflikts werden. Es ist nicht die Aufgabe der Friedenstruppe, mehr Gewalt auszulösen. Sie kann eingesetzt werden, aber wir müssen sie von Fall zu Fall analysieren.
El País: Fühlen Sie sich von der internationalen Gemeinschaft unterstützt?
Tenienti: Absolut. Die Unterstützung war sehr stark. Es gab ein Unterstützungsschreiben der EU und der Mitgliedstaaten an die Friedenstruppen. Biden selbst sagte, dass Friedenstruppen nicht angegriffen werden sollten. Auch der Papst. Natürlich sind das nur Worte, aber es zeigt, dass sich alle darüber einig sind, dass das, was passiert, nicht die Art und Weise ist, wie ein Land gegen die Friedenstruppen in dieser Region vorgehen sollte, denn ein Angriff auf sie ist nicht nur ein Angriff auf die 50 Länder, sondern ein schwerer Angriff gegen die internationale Staatengemeinschaft.
Wird sich die Situation ändern? Ich weiß es nicht, aber es ist ein Anfang und könnte zu einigen Verhandlungen führen.“
Klingt nicht sehr überzeugt.
„Resolution 1701 könnte die tragfähige Vereinbarung zur Umsetzung sein. Möglicherweise sind Änderungen erforderlich, aber eine ernsthafte Debatte ist notwendig, denn ich wiederhole, ein regionaler Konflikt könnte die Folge sein, wenn dieser Konflikt jetzt nicht beendet wird.“
Der regionale Konflikt ist doch längst da.
„El País: Netanjahu wirft den Unifil-Truppen vor, zum menschlichen Schutzschild der Hisbollah zu werden
Tenienti: Was wir in diesen Tagen gesehen haben, ist, dass israelische Truppen in unseren Stützpunkt eingedrungen sind. Es ist für Friedenstruppen sehr gefährlich, eine der kämpfenden Gruppen auf ihrem Stützpunkt zu haben. Sie können angegriffen werden. Warum? Weil sich darin israelische Truppen befinden.
Als sie nur noch wenige Meter von den Iren und den Polen entfernt waren, gerieten damit unsere Stellungen in Gefahr. Schauen wir uns also die Fakten an. Ich werde es nicht beurteilen, ich werde es nicht analysieren, weil es nicht meine Rolle ist. Aber ich würde die Leute einfach bitten, sich anzuschauen, was in diesen Tagen passiert und ob die Argumente der Israelis richtig sind oder nicht.
El País: Und haben Sie eine Situation identifiziert, in der Milizionäre der Hisbollah aus der Nähe der Unifil-Truppen schossen?
Tenienti: Nicht in den letzten Tagen. In diesem Moment befindet sich die israelische Armee auf libanesischem Territorium. Zuvor schoss die Hisbollah auf Israel. Jetzt gegen die israelischen Streitkräfte im Libanon, wo wir sind. Natürlich ist es schwieriger und gefährlicher geworden.
El País: Sehen Sie die klare Absicht, die Unifil-Truppen anzugreifen, als Signal an die Truppen, abzuziehen?
Tenienti: Nun, sie sagten uns, wir sollten gehen, also war die Botschaft klar …
El País: Ja, aber es ist etwas anderes zu sagen: »Wir möchten, dass das passiert«, als die Truppen anzugreifen.
Tenienti: Die Worte waren: »Ihr müßt abziehen.« Die Taten sind, dass es von ihnen Angriffe gegen unsere Truppen gegeben hat. Der Sprecher der (israelischen Armee) sagte gestern (am 13.10.), dass sie diese Vorfälle tatsächlich untersuchen würden, um herauszufinden, was passiert sei. Nehmen wir an, im Zweifelsfalle für den Angeklagten, Zweifel, dass einige Truppen nicht wussten, was sie taten.
Aber ich weiß nicht …
Ist es für irgendjemanden besser, niemanden dort zu haben?“
Keine Zeugen und freie Hand für die Okkupation fremden Territoriums, das wäre so ein Hintergedanke …
„Die USA knüpfen Waffenlieferungen an humanitäre Hilfe in Gaza
Washington verlangt von Israel, die Versorgung der Menschen im Gazastreifen zu garantieren. Laut Gesetz ist Militärhilfe in Konflikten daran gebunden
In 30 Tagen – jeden Tag einer weniger – sind die US-Präsidentschaftswahlen geschlagen, und dann läuft auch das »Ultimatum« ab, das Joe Biden, wenn auch nicht persönlich, der israelischen Regierung gesetzt hat. Ein entsprechender von Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin unterzeichneter Brief ging am Montag an Austins Amtskollegen Yoav Galant und Strategieminister Ron Dermer. Der Sukkus: Laut US-Gesetz muss ein Empfänger von US-Militärhilfe in einem Konflikt US-unterstützte humanitäre Hilfslieferung ohne Unterbrechung zulassen. Das sei in Gaza nicht der Fall. 30 Tage hat Israel Zeit, diese Hilfe wieder voll anlaufen zu lassen, 350 Lastwagen pro Tag.“
Das ist also eine reine Nebelgranate für die Öffentlichkeit, ohne praktische Folgen für die Hungernden in Gaza.
„Es sieht wie eine sorgfältig getaktete Aktion aus: Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris hat in den vergangenen Tagen ihre wachsende Sorge über die "herzzerreißende" Lage im Gazastreifen – wo besonders im Norden zuletzt fast keine Hilfe mehr durchkam – artikuliert; mit dem indirekten Druck aus dem Weißen Haus auf Israel hat sie aber formal nichts zu tun.“
Sieht nicht nur so aus, ist es offensichtlich auch.
„Gleichzeitig rüsten die USA die israelische Luftverteidigung durch ein THAAD-Abwehrsystem gegen einen möglichen iranischen Raketenangriff auf.
Mangel an Abwehrraketen
Dieser wäre als Reaktion auf einen israelischen Militärschlag zu erwarten, der seinerseits eine Antwort auf den iranischen vom 1. Oktober wäre. Die Financial Times berichtete am Dienstag, dass Israel derzeit mit der Produktion von Abwehrraketen nicht nachkommt. Laut der Washington Post hat wiederum Israels Premier Benjamin Netanjahu Biden vergangene Woche am Telefon zugesagt, sich im Iran auf militärische Ziele beschränken zu wollen. Das meldete die Washington Post – und trug damit zu einem Sinken der Ölpreise bei.“
Tausche Ölpreis gegen Abwehrraketen und Fuck Gaza!
„Alles findet parallel statt: Die israelischen Offensiven gehen weiter, begleitet vom humanitären Desaster in Gaza, Flüchtlingschaos im Libanon und der Gefährdung der Uno-Mission Unifil; die US-Regierung scheint mit der Zurückhaltung von Waffen zu drohen und beweist sich als verlässlicher Partner bei der Verteidigung Israels; Israel zeigt sich, wenn die Washington Post recht hat, den Iran betreffend US-Argumenten zugänglich. Dabei gibt es innerisraelischen Druck auf Netanjahu, die einmalige Chance nicht zu versäumen, das iranische Atomprogramm zu zerstören – wobei Fachleute davon ausgehen, dass das nicht gelingen würde.
Die Appelle an Israel, im Iran nicht aufs Ganze zu gehen, kommen jedoch nicht nur aus Washington. Die arabischen Staaten, die trotz ihrer scharfen Kritik an Israels Kriegsführung in Gaza keine gemeinsame Sache mit dem Iran machen, wollen aber auch nicht auf der Seite Israels in den Konflikt gezogen werden. Der Iran könnte ihnen durch Racheaktionen, zum Beispiel einer Blockade der Straße von Hormus im Persischen Golf, stark schaden. In der vergangenen Woche stand im Raum, dass die Araber ihren Luftraum für einen möglichen israelischen Angriff auf den Iran sperren würden.
Was in dreißig Tagen wirklich passieren wird, hängt sicher nicht zuletzt vom Ausgang der US-Wahlen ab. Auch wenn Donald Trump sie gewinnen sollte, ist eine US-Aktion nicht völlig vom Tisch: Die Regierung Biden bleibt ja noch bis Jänner im Amt. Biden könnte die Sache – wie andere Warnungen – aber auch einfach auf sich beruhen lassen. Netanjahu dürfte damit rechnen, dass Trump alle Einschränkungen sofort rückgängig macht. Aber bei Trumps Unberechenbarkeit, gepaart mit dessen guten Beziehungen zu den Golfarabern, wird sich Netanjahu wohl auch nicht völlig auf ihn verlassen.
Unberechenbarer Trump
Einen Grund für die arabischen Golfstaaten, anstelle von neuer Konfrontation wie in den vergangenen Jahren eine Normalisierung der Beziehungen zu Teheran zu suchen, lieferte ja ausgerechnet Trump: Als während seiner Amtszeit die vom Iran unterstützten jemenitischen Huthi-Rebellen ihre Angriffe auf Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate hochfuhren, blieb die US-Antwort aus.
Der Jemen ist ein Beispiel dafür, dass die USA durchaus kalte Füße bekommen können, wenn sie sehen, dass ihre Waffen womöglich nicht entsprechend dem Völkerrecht eingesetzt werden. 2015 hat US-Präsident Barack Obama den Krieg Saudi-Arabiens gegen die Huthis noch militärisch voll unterstützt, sich aber danach angesichts der häufigen saudischen Bombardements ziviler Ziele – mit US-Waffen – zurückgezogen.“
Ob künftige US-Regierungen auch solche Bedenken haben würden, sei dahingestellt …
„Dass Waffenlieferungen an Israel sogar schon in Deutschland öffentliches Thema sind, ist ein Tabubruch, wenngleich die Regierung von Olaf Scholz jede Absicht, sie zu reduzieren, dementiert. Haaretz berichtet, dass vor allem die grüne Außenministerin Annalena Baerbock Klagen gegen Deutschland befürchtet. Solche Befürchtungen gibt es auch in Großbritannien, Italien und Spanien, deren Waffenexporte im Volumen jedoch nicht mit den deutschen zu vergleichen sind.
Italiens Regierung unter Giorgia Meloni zeigte sich auch besonders erbost über das israelische Feuer auf die Uno-Truppe Unifil im Libanon, Italien ist mit über 1000 Personen der zweitgrößte Truppensteller. Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg hob in einem ZiB 2-Interview besonders den Bruch des Völkerrechts durch absichtliche oder unabsichtliche Angriffe auf die Unifil hervor.“
(Standard, 16.10.)
Lukaschenko kommentiert die Weltlage:
„»Der Zusammenbruch der Ukraine wäre der Zusammenbruch des gesamten kollektiven Westens«
Die USA und der kollektive Westen haben eine hektische Kampagne gestartet, um den Status der BRICS-Staaten herabzusetzen, sagte der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko in einem Interview mit Izvestija. Minsk begrüßt die Bildung der Gruppe als Gegengewicht zur UNO, da dies der UNO, die keine wirksame Institution mehr ist, neuen Schwung verleihen könnte.
Der Präsident bestätigte auch seine jüngsten Verhandlungen hinter verschlossenen Türen mit Vertretern westlicher Länder. Er äußerte die Hoffnung, dass die Region Kursk bis Ende Dezember vollständig befreit sein werde. Lukaschenko ging auch auf die Ereignisse des Jahres 2020 ein und betonte, dass er so etwas bei den bevorstehenden Wahlen in der Republik nicht zulassen werde.
Über Zusammenarbeit und Perspektiven für BRICS, den Ukraine-Konflikt und den Unionsstaat – in einem exklusiven Interview mit Alexander Lukaschenko in der Izvestija. (…)
Izvestija: Auf der Plenarsitzung sagten Sie, dass BRICS die Gemeinschaft der Zukunft sei. Minsk strebt einen BRICS-Beitritt an. Warum und was bringt das?
Lukaschenko: Als diese (bei der BRICS-Sitzung in Kasan geäußerten) Thesen — natürlich unter Beteiligung meiner Assistenten — vorbereitet wurden, weigerte ich mich zunächst, gewisse Dinge öffentlich zu äußern, aber ich ließ es schließlich bleiben. (…) Es ging darum, Wunschdenken und Realität zu unterscheiden. Ich zögerte irgendwie und überlegte, ob ich es sagen sollte oder nicht, aber die Hoffnung stirbt immer noch zuletzt.“
Lukaschenko will hier klarstellen, daß er das, was er jetzt für gegeben ansieht, vor ein paar Wochen oder Monaten noch als Wunschdenken oder leere Hoffnung abgetan hätte.
Er meint also, die Dinge entwickeln sich vorteilhaft für Weißrußland.
„Wie Sie wissen, gibt es da genug Widersprüche. (…) Es gibt dort verschiedene Länder, sogar große Länder, die ihre eigenen Widersprüche haben. Rußland befand sich zusammen mit uns in einer solchen Situation, mit Weißrussland, wo man, ob man will oder nicht, gemeinsame Probleme lösen muss, die die BRICS-Staaten betreffen und auch in Zukunft beschäftigen werden. Und das gleiche China und die Inder und so weiter.
Zum Beispiel das Abrechnungs- und Zahlungssystem. Heute ist der Dollar bei Russen und Weißrussen die Referenzwährung für den Zahlungsverkehr mit anderen Ländern. Wir sind genötigt, ein paralleles Abrechnungssystem anzubieten.
Einige Staaten reagieren darauf so: Wissen Sie, das geht uns nichts an und fertig. Aber morgen auch nicht? Ist dieser Angriff und die Unverschämtheit der Amerikaner mit der Beschlagnahmung russischer Gold- und Devisenreserven nicht ein Signal für jeden? Schließlich werden heute viele Devisenreserven neben Gold auch in Dollar gelagert.“
Allerdings eben nicht in Geldscheinen, sondern in verzinslichen Wertpapieren, die auf Dollar lauten — entweder Staats- oder Unternehmens-Anleihen.
„Die Chinesen zum Beispiel haben Billionen (Dollar), die Inder haben viele, die Emirate, die Saudis und so weiter. Viele machen es so.
Daher sollten Sie nicht glauben, dass dies morgen keine Auswirkungen auf Sie haben wird. Deshalb habe ich die Russen unterstützt. Sie haben aufgrund der Lage und weil die russische Führung weiter blickt, eine Reihe konkreter Fragen und Lösungsvorschläge vorgelegt. Haben wir sie akzeptiert?“
Hier bezieht sich das „Wir“ auf die Teilnehmer der Konferenz, die offenbar die russischen Vorschläge zurückgewiesen haben.
„Nein. Aus verschiedenen Gründen, die ich dargelegt habe. Wir denken, wir hoffen, vielleicht geht es vorbei.“
Man fragt sich, was „es“ wohl sein könnte? Die Sanktionen gegen Rußland? Die Neuaufteilung der Welt?
„Einige kündigten den Beitritt zu den BRICS an und legten dann eine Pause ein. Und zwar deswegen, weil gegen die BRICS eine richtige Haß-Kampagne entfesselt wurde.
Die USA und der kollektive Westen haben einen Kampf begonnen, um den Status der BRICS-Staaten herabzusetzen. Wir kennen Beispiele. Es gibt Druck (…) auf Länder, mit denen sowohl Russland als auch wir gute Beziehungen pflegen.“
Diese Staaten zögern daher den Beitritt hinaus. Es ist allerdings fraglich, ob das nur an den Drohungen liegt, denen sie ausgesetzt sind:
„Wenn Sie Mitglied der BRICS-Staaten sind, »bedeutet das, dass Sie Sanktionen unterliegen werden; dass wir keinen Handel mit Ihnen betreiben werden; dass Sie keine Investitionen und Kredite erhalten werden, kurz: wir werden Ihnen Komplikationen und Schwierigkeiten bereiten«.“
Daher gibt es in der erweiterten BRICS-Organisation – wir sind Partner geworden (dies ist ein obligatorischer Schritt vor dem Beitritt zu diesem Bündnis) viele Fragen, und etwas verfrüht stellen wir das, was wir wollen, bereits als Realität dar. (…)
Wir haben uns mit einem Dutzend Staatsoberhäuptern getroffen, fast alle, das war mein Job. Der Außenminister traf sich auf seiner Ebene mit fast allen Staaten. Um solche Verhandlungen zu führen, brauchten wir mehrere Jahre, um dorthin zu reisen und uns auf etwas zu einigen.
Also trafen wir den neuen Präsidenten des Iran. Wir einigten uns auf seinen Besuch, auf die Arbeit der zwischenstaatlichen Kommission, auf den Fahrplan, den wir umsetzen werden, und darauf, wie wir ihn jetzt modernisieren. Manche Dinge sind veraltet und werden gestrichen,“
— um was es sich da wohl handelt? —
„andere werden wir umsetzen. Wir werden in den nächsten ein bis zwei Monaten daran arbeiten. Genau das Gleiche gilt auch für andere Staaten.
Es gibt sehr konkrete Projekte, etwa mit Laos.
BRICS sind schließlich große, befreundete Staaten, die uns sehr nahe stehen – Russland, China, die Emirate und viele andere. Ich würde mir wünschen, dass wir Beziehungen auf diesem Niveau mit Indien haben. Wir bauen sie jetzt auf. Nun, das sind unsere Leute und wir müssen mit ihnen zusammenarbeiten. (…)“
Das weist darauf hin, daß die Beziehungen mit Indien kompliziert sind.
„Doch vorerst sprechen die Redner über ihre nationalen Probleme und betonen so klare und offensichtliche Themen wie den Krieg im Nahen Osten usw. Sie sprechen über die Ukraine, was auf der internationalen Agenda steht, sowie über besondere, eigene Themen. Aber es ist auch notwendig, allen gemeinsame Themen vorzubringen und zu diskutieren.
Etwa 30 Staaten haben Interesse an einem Beitritt zu BRICS bekundet. 12 oder 13 wurden Partner, darunter Weißrussland. Warum treten andere Staaten nicht den BRICS-Staaten bei? Worüber würden die BRICS-Staaten gerne nachdenken, bevor sie andere Staaten aufnehmen? Oder nehmen wir an, alle bekamen Angst und sagten, wir würden eine Art von Organisation gründen, die quasi als Gegengewicht zur UNO figurieren würde.“
Doch eher zur NATO und diversen anderen Bündnissen, oder?
Mit der UNO würden die BRICS gerne zusammenarbeiten, aber diese Organisatuion erweist sich in jüngerer Vergangenheit als ziemlich machtlos.
„Wer sagt so etwas? Wenn jemand Angst vor diesem Gegengewicht hat, so soll er den BRICS-Staaten nicht beitreten.
Aber ich persönlich möchte, dass es ein solches Gegengewicht gibt, sodass die UN sich bewegt, oder dass es eine globale Organisation gibt, weil die BRICS behaupten nach wie vor, eine globale Organisation zu sein und kein regionales Bündnis.
Das ist nicht die SOZ (Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit).“
Lukaschenko weist darauf hin, daß die SOZ trotz ihrer beachtlichen Bevölkerung (40% der Weltbevölkerung) dennoch als regionales Bündnis gilt, da ihr im Unterschied zu den BRICS nur asiatische Staaten angehören.
„Ich persönlich würde mir wünschen, dass es eine Organisation gibt, die ein Gegengewicht zur UNO darstellt.“
Lukaschenko bezieht sich hier anscheinend auf den Sicherheitsrat, obwohl auch der inzwischen immer weniger Gewicht in der Welt hat.
„Reden wir über die UNO, was haben wir dort? Wofür geben wir Geld aus? So viele Staaten versammeln sich dort, um vom Rednerpult vor einem leeren Saal zu sprechen? Deshalb wünsche ich mir, dass die UNO, wie sie geschaffen wurde – wir sind eines ihrer Organisations- und Gründungsländer, Russland, wir, die Ukraine und andere Länder –“
Lukaschenko weist auf eine Seltsamkeit der Gründung der UNO hin: Die Sowjetunion verfügte zusammen mit der Ukraine und Weißrussland als einziges Land über … 3 Sitze bei der UNO.
„effektiv ist, damit der Sicherheitsrat Probleme löst und nicht nur dort tagt.
Den Amerikanern gefiel es nicht – sie legten gegen alles ein Veto ein und das wars.“
Das Vetorecht bzw. die Einstimmigkeit im Sichherheitsrat war gerade die Forderung der Sowjetunion, die trotz des Widerstands der USA (nach Roosevelts Tod) in die Charta der UNO aufgenommen wurde.
„Ohne einen UN-Beschluss sollte es keinen Krieg auf der Welt geben. Und wenn die UN beschließen würde, den Krieg zu beenden, sollte er aufhören. Davon kann allerdings keine Rede sein.
Die Amerikaner machen den Russen Vorwürfe – warum denn? Wie viele Kriege haben die USA begonnen und wie viele Konflikte führen Sie heute und wie viele Kriege planen Sie noch zu führen?“
Lukaschenko führt im Weiteren aus, daß eben die Unverläßlichkeit oder Zahnlosigkeit der UNO dazu führt, daß sich neue Bündnisse wie BRICS oder SOZ bilden, damit man sich als einzelner Staat an ein größeres Gebilde „anlehnen“ kann.
„Aber wenn man die Schaffung eines Bündnisses ankündigt, muß man auch einen Plan auszuarbeiten.
Wenn viele Staaten anfangen zu überlegen, mit wem sie zusammen sein sollen, was sie tun und wie sie als nächstes leben wollen, können die BRICS-Staaten einen bedeutenden Beitrag leisten, aber wir müssen uns bewegen. Man kann nicht aufhören. Ich sage oft: Wenn wir aufhören, werden diejenigen, die uns folgen, uns niedertrampeln — hier besteht die Gefahr, dass wir aufhören, unsere Pläne nicht verwirklichen und die Erwartungen anderer Staaten nicht erfüllen. Der kollektive Westen wird gewinnen und uns einfach auslachen, und nur dann wird es sehr schwierig sein, die Schaffung einer globalen Organisation in der Welt zu verkünden.“
(Izvestija, 25.10.)
„Peacekeeper unter Beschuss (III)
Berlin nimmt israelische Angriffe auf UNIFIL-Posten weiterhin tatenlos hin, obwohl sie auch deutsche Soldaten bedrohen. Beobachter warnen, Israels Kriegführung gefährde seine eigene Sicherheit; es drohe „ewiger Krieg“.
Zum wiederholten Male nimmt die Bundesregierung Angriffe auf die UN-Truppe im Libanon (UNIFIL) durch die israelischen Streitkräfte tatenlos hin – dies, obwohl zu UNIFIL auch deutsche Soldaten gehören und Militärs aus dem EU-Staat Italien schon direkt attackiert wurden. Laut einem internen UN-Bericht haben israelische Einheiten inzwischen ein Dutzend mal UN-Posten attackiert und 15 Blauhelmsoldaten mutmaßlich mit weißem Phosphor verletzt, dessen Einsatz in bewohntem Gebiet völkerrechtswidrig ist. Der jüngste Angriff ereignete sich am Sonntag. Weiterhin ungeklärt ist der Drohnenangriff auf ein deutsches Kriegsschiff vor der libanesischen Küste, der allerdings abgewehrt werden konnte. Beobachter urteilen, die israelischen Angriffe hätten zum Ziel, UNIFIL zum Abzug zu nötigen, um die „Wiederbesetzung“ des Südlibanon „ohne die Anwesenheit Dritter“ abwickeln zu können. Dabei schlagen die Praktiken der israelischen Kriegführung inzwischen auf das Land selbst zurück. So hat die Hizbollah – nach zahllosen israelischen „Enthauptungsschlägen“ gegen ihre Führung – das Haus von Premierminister Netanjahu angegriffen. Beobachter warnen, Israel steuere auf „ewigen Krieg“ zu. (…)“
(German Foreign Policy, 23.10.)