„RAFFINERIEN – GOLDMINEN FÜR DIE ÖLGESELLSCHAFTEN
Wenn die Treibstoffpreise anziehen, schaut jeder zunächst auf die Preise für Rohöl, den Rohstoff, der die Grundlage für die Erzeugung von Benzin und Diesel sind. Derzeit jedoch ist es geraten, andere Blickwinkel im Auge zu behalten, um den Preisauftrieb zu begreifen.
Das Faß der Marke Brent ist mit einem Preis von rund 100 Euro noch weit weg – 50% niedriger – von seinem historischen Höchstpreis im Sommer 2008, dennoch haben die Brennstoffe in den letzten Wochen neue Maximalwerte erreicht. Den Grund für dieses scheinbare Paradoxon muß man in der Verarbeitung suchen, in dem weniger sichtbaren Teil des Ölgeschäfts, wo das Rohöl mittels chemischer Prozesse in Treibstoff für Autos, LKWs und Flugzeuge verwandelt wird. Dort hat sich eine Art Trichter gebildet, der ebenso große Freude bei den beteiligten Firmen erzeugt wie Gram bei den Konsumenten, die von der Inflation geplagt werden.
Die Ölfirmen durchleben eine ihrer besten Zeiten der letzten Jahre. Nachdem Rußland – einer der größten Ölexporteure – aus dem Spiel ist, und nachdem in den letzten Jahren eine beträchtliche Anzahl von Raffinerien zugesperrt hat, füllen sich die großen Ölfirmen mit dem Raffinieren des Rohöls kräftig die Taschen. Die Raffinerien wurden nämlich immer weniger und in letzter Zeit übertrafen die Schließungen die Öffnungen dieser Verarbeitungs-Anlagen.
Kurzfristig
Die Gründe für diese Entwicklung sind kurz- und langfristig.
Die kurzfristigen Motivationen waren, daß während der COVID-Pandemie die Nachfrage nach Treibstoff stark zurückging und sich dadurch die Verarbeitungskapazitäten um rund 3 Millionen Faß pro Tag reduzierten, eine barbarische Schrumpfung.
Mittel und langfristig jedoch haben die Fristen für Verbrennungsmotor-Autos ein Umdenken im Sektor bewirkt und Investitionen in Raffinerien wurden genauer überdacht.
Die Wende geschah allerdings im Rekordtempo: Die schnelle Erholung des Konsums und die schrittweise Reduktion der Raffinerien (20 im letzten Jahrzehnt) hat denjenigen Firmen, die die ihrigen weiterbetrieben haben, einen unerwarteten Impuls verpaßt. Ein schönes Beispiel ist Repsol: Die Gewinnspanne hat sich hier zwischen April und Juni im Vergleich mit den vorhergehenden 3 Monaten verdreifacht, und im Vergleich mit dem gleichen Zeitraum im Vorjahr ver15facht.
»Das beschränkte Angebot im Vergleich zur Nachfrage nach Diesel, Benzin und Kerosin hat die Gewinnspannen weltweit bedeutend erhöht, vor allem nach der Unterbrechung der Lieferketten aufgrund des Krieges«, bekräftigt Repsol. Das ist kein Einzelfall. Die portugiesische Firma Galp, die heute ihre Ergebnisse vorgelegt hat, berichtet von ähnlichen Gewinnsteigerungen: Von 7 $ Gewinn pro Faß ist er auf 13 $ gestiegen.
Die anglo-holländische Firma Shell berichtet von einer Gewinnsteigerung von 2,8 in den letzten 3 Monaten im Vergleich zu den 3 vorhergehenden, was Gesamteinnahmen von 0,8 bis 1,2 Milliarden zum Ergebnis hat. Die britische Firma BP konnte ebenfalls mehr als das Doppelte an Gewinnen einfahren. Es ist anzunehmen, daß der Rest der Giganten der Branche ähnliche Ergebnisse präsentieren kann.
Exxon Mobil …, die größte Firma der USA bezüglich Raffineriekapazitäten, hat im 2. Quartal dieses Jahres einen Gewinn von 4,4 Milliarden eingefahren. Das ist das Fünffache dessen, was sie an Gewinn mit dieser Aktivität vor der Pandemie erzielen konnte. Diese … Extragewinne sind vor allem das Ergebnis zu geringer Investitionen vieler Akteure der Energiewirtschaft in der jüngeren Vergangenheit, wie Exxon Mobil anführt.
18 Milliarden $
Wenn ihre Berechnungen aufgehen, so wird diese Firma nur von April bis Juni 18 Milliarden $ verdient haben, … was sie zu einem Ziel der Beschimpfungen des Präsidenten Biden macht, der sie beschuldigt hat, auf Kosten der Konsumenten »mehr Geld zu verdienen als Gott«.“
In den USA scheint auch der liebe Gott im Big Business zu sein.
„Dieser Stand der Dinge wird sich so schnell nicht ändern: »Die Gewinne werden noch eine Zeitlang sehr hoch bleiben«, bekräftigt Alistair Syme von Citigroup. »In den letzten Monate waren die Gewinne bedeutend höher als in der Goldenen Zeit des Sektors zwischen 2004 und 2007«, wie ein Analyst der Beraterfirma Wood Mackenzie erklärt. Andere Analysten kommen zu dem Schluß, daß das noch einige Zeit so bleiben wird.
Die Wiederbelebung des Sektors führt wieder verstärkt zum Bau von Raffinerien – vor allem in Asien und Afrika – aber das wird nach Einschätzung der IAEA schwerlich zur Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage in diesem Sektor führen. Vor allem Diesel und Flugbenzin dürften weiter sehr teuer bleiben.
Auf einen Rückgang der Nachfrage kann man erst in ein paar Jahren rechnen, wenn der Anteil der Autos mit Verbrennungsmotor am allgemeinen Fuhrpark sinkt.“