Pressespiegel El País, 15.5.: Großreinemachen in Israel

„ISRAEL NUTZT DIE KRISE IN GAZA, UM DIE KOLONISIERUNG DES WESTJORDANLANDES VORANZUTREIBEN

Antonio Pita, Korrespondent

Die Regierung erklärt seit den 1990er-Jahren eine Reihe von Hektar zu Staatsbesitz, während der rechtsextreme Finanzminister durch die Hintertür mehr als 60 Kolonien legalisiert und in den Hügeln 15 neue Kolonien entstehen.“

Einfache glatte Aneignungen – teilweise wirklich herrenlosen Landes, das von Beduinen als Weidegebiet genutzt wurde.
Die Siedlungspolitik Israels treibt hier eine ursprüngliche Akkumulation voran, die in vielen anderen Staaten vor Jahrhunderten über die Bühne gegangen ist, aber im Nahen Osten noch in verschiedenen arabischen Staaten aus Mangel an Kapital nicht stattgefunden hat.

„»Das jüdische Volk hat das ausschließliche und unbestreitbare Recht auf alle Teile des Landes Israel. Die Regierung wird die Besiedlung aller ihrer Teile fördern und entwickeln.« Dieser Satz – unter Verwendung des biblischen Konzepts, das zumindest das heutige Israel und Palästina umfasst – der in der Vereinbarung der von Premierminister Benjamin Netanyahu geführten Regierungskoalition vorkommt – nimmt heute, eineinhalb Jahre später, in diesen Wüstenregionen des Westjordanlandes verschiedene Formen an, in dem jeder unwirtliche Hektar zum Schlachtfeld einer Kolonisierung wird, die Israel stillschweigend beschleunigt hat, indem es den Lärm ausnutzt, der durch die Invasion in Gaza entsteht.“

„From the River to the Sea“ – der Schlachtruf der Palästinenser wird Tatsache, allerdings in umgekehrter Form …

„»Sehen Sie, das ist neu. Vor ein paar Wochen war es noch nicht da. Mit ihm sind es allein seit Oktober 14“, sagt Dror Etkes, der israelische Aktivist, der den Ausbau der Siedlungen am besten kennt, bei einem langen Rundgang durch die Gegend.
Seit Februar hat die Exekutive mehr als 1.097 Hektar zum Staatsgebiet erklärt (was den Bau oder Ausbau jüdischer Siedlungen dort erleichtert). Dieser Wert macht 2024 nun zu einem Rekordjahr seit den 90-er Jahren und ein Ende ist nicht abzusehen.

Die Zahlen zur Kolonisierung im Westjordanland bleiben seit Jahren unter Verschluß, aber das Schweigen“ (in Israel) „zum Gaza-Krieg und eine Regierung, in der religiöser Nationalismus – eng verbunden mit der Förderung von Siedlungen – eine Schlüsselrolle einnimmt, haben eine perfekte Mischung für ihren rasanten Aufschwung geschaffen. »Unser Recht auf das Land Israel ist in der Bibel verankert«, betonte Netanjahu, ein säkularer Jude, der in Form von Bibelbezügen zunehmend auf die religiöse Rechte verweist, an diesem Dienstag.“

Wie man es braucht. Notfalls kann man als säkulärer Politiker auch am Sabbat bombardieren, wenn „die Lage“ es erfordert, oder religiöse Juden zum Militärdienst verpflichten, aber an anderen Tagen ist die Heilige Schrift gerade recht.
Warum eigentlich die Bibel? Die ist doch christlich.
Gibt die Thora oder der Talmud am Ende nichts für das Staatsprogramm Israels her, wie manche strenggläubige Juden behaupten?

„Etkes selbst, der den Kolonisierungsfortschritt seit drei Jahrzehnten verfolgt und die NGO »Kerem Navot« (Nabots Weingarten) leitet, hat Schwierigkeiten, mit dem Tempo der Entwicklung Schritt zu halten.
Es kommt immer häufiger vor, dass man auf einer strategisch wichtigen Anhöhe eine Siedlung aus einigen Wohnwägen sieht. Sie werden heimlich von religiösen Ultranationalisten hingestellt, die zu sagen pflegen, dass sie außer der Bibel, in der Gott diese Ländereien dem jüdischen Volk gibt, kein Eigentumsdokument benötigen.“

Auch hier die Bibel, seltsam, seltsam.

„Diese Gruppen junger Menschen wissen heute drei Dinge: dass ihre Vertreter Teil der Regierung sind; dass ihre neue Kolonie überleben wird, auch wenn sie selbst gegen die israelische Gesetzgebung verstößt; und daß sie nur ausharren müssen.
Mini-Siedlungen erhalten häufig institutionellen (mehr oder weniger verdeckten) und privaten Schutz und Unterstützung. Heutige Trabantenstädte bestanden vor Jahrzehnten auch nur aus einer Handvoll Häusern.

Im Februar erklärte die Zivilverwaltung, die als Unterorganisation des Verteidigungsministeriums die laufenden Operationen der militärischen Besatzung verwaltet, 264 Hektar zwischen den Siedlungen Maale Adumim und Keidar östlich von Jerusalem zum Staatsland.
Einen Monat später fügte sie weitere 800 im Jordantal hinzu, zu denen noch einige Dutzend weitere hinzukamen. Um die Dimension zu verstehen: Die Gesamtfläche beträgt etwas weniger als die Hälfte aller zwischen 2018 und 2023 deklarierten Hektar (2.400).“

Wobei die deklarierten Hektar, siehe oben, offenbar nur die Spitze des Eisbergs der tatsächlich angeeigneten Fläche zu sein scheinen.

„Die Erklärung zu Staatsland basiert auf der interessensgeleiteten israelischen Interpretation eines Gesetzes aus dem 19. Jahrhundert, also zur osmanischen Zeit, für die Nutzung von (brachliegenden) Feldern.
Völkerrechtlich ist es für Israel als Besatzungsmacht illegal, Land für seine eigenen Ziele zu beschlagnahmen. Deshalb greift es auf das osmanische Gesetz zurück, um sich die Ländereien im Westjordanland anzueignen, die seit Jahren unbebaut bleiben.“

Unbebaut, nota bene, heißt nicht unbenutzt, aber da kommt eben das osmanische Gesetz zu Hilfe …

„Das kann geschehen, weil ihre Besitzer zu Flüchtlingen wurden, weil die Armee ihnen den Zugang zu ihnen verweigert, weil sie Angriffe von Siedlern fürchten …“

Ein Zweistufenplan, der die Privatgewalt der Siedler anstachelt: Erst vertreibt man die Leute, dann ist das Land unbenutzt, und dann läßt es sich beschlagnahmen …

„Die Regierung von Isaac Rabin stoppte die Enteignungen 1992, als sie über das Oslo-Abkommen verhandelten, und Netanjahu nahm sie im selben Jahrzehnt, in seiner ersten Amtszeit wieder auf. Dank dieser rechtlichen Auslegung hat Israel nach Angaben von Peace Now, der wichtigsten pazifistischen NGO des Landes, 16% des Westjordanlands zu Staatseigentum erklärt, – seit seiner Einnahme im Sechs-Tage-Krieg von 1967 unter militärischer Besatzung.“

Da ist ja noch viel Luft nach oben … Es fehlen noch 84%!

„Verlassene Städte

Ein langes schwarzes Rohr beginnt an einer Militärbasis. Er erreicht die Siedlung Malajei Hashalom, die es mit Wasser versorgt, obwohl dies theoretisch verboten, weil nach den Gesetzen Israels illegal ist.
Direkt in bzw. auf den Ruinen von Ein Ar Rashash, einem Beduinendorf, dessen Bewohner es aus Angst vor Angriffen von Siedlern verließen, ist eine Siedlung entstanden: Gal Yosef.

Etkes schätzt, dass die Palästinenser seit Oktober zwischen 15.000 und 20.000 Hektar nicht mehr erreichen können.

Eine Barriere aus Steinen und Sand verhindert, dass die mehr als 3.000 Einwohner von Douma auf die Straße gelangen. Zusammen mit dem kleineren Mugayer ist es die einzige palästinensische Ortschaft zwischen Ramum im Westen, die Stadt Jericho, nahe der Grenze zu Jordanien (im Südosten); und der Siedlung Maale Efraim (im Nordosten).
»Vor einem Jahr konnte man hier Beduinenhirten sehen, und jetzt ist alles leer«, erinnert sich Etkes. Zu sehen sind lediglich die Überreste ihrer alten provisorischen Behausungen, die in weniger gefährliche Teile des Westjordanlandes oder sonstige Ansiedlungsstätten verlegt wurden.

Auf der Alon-Autobahn, die das Westjordanland von Norden nach Süden und zwischen hebräischen Schildern und Absperrungen mit Phrasen wie »Rache« oder »Tod den Arabern« durchquert, sieht man keine Autos mit grünen oder weißen Nummernschildern. Das sind die von Palästinensern, die keine Genehmigung haben, nach Israel oder andere von Israel kontrollierte Gebiete des Westjordanlandes – wie Ostjerusalem – zu fahren.“

Die Unterscheidung ist wichtig. „Israel“ bezeichnet das Territorium vor der Besetzung des Westjordanlandes, „die von Israel kontrollierten Gebiete“ sind diejenigen, die entweder einen speziellen Status nach den Abkommen von Oslo haben und diejenigen, die seither illegal mit Beschlag belegt und mit Mauern abgegrenzt wurden.
In alle diese Gebiete dürfen Palästinenser nicht mehr hinein – es sei denn, sie verfügen über eine spezielle Erlaubnis, weil sie dort arbeiten.
D.h., sogar Verwandtenbesuche sind für sie nicht mehr möglich. Wollen sie ihre Verwandten in den anderen Gebieten sehen, so müssen diese zu ihnen kommen, um sich dann bei ihrer Rückkehr in israelisch besetzte bzw. angeeignete Gebiete hochnotpeinlichen Kontrollen zu unterziehen. Man kann auch bei einer solchen Rückkehr verhaftet werden und monatelang, sogar jahrelang in irgendwelchen israelischen Gefängnissen verschwinden, ohne Anklage oder Verfahren.

„Zum Teil geschieht dies aus Angst – nach dem Mord an einem israelischen Teenager in der Nähe vor einem Monat, der eine Welle von Angriffen gegen Palästinenser auslöste –, erklärt Etkes.“

Der bewußte Mord an einem Hirtenbuben aus einer dieser neuen Siedlungen wurde nie aufgeklärt, es gibt auch keine Bemühungen, die Mörder zu finden.
Man kann sich daher des Verdachts nicht erwehren, daß dieser Mord von Agenten Israels verübt wurde, um die Angriffe auf Palästinenser anzustacheln.

„Letzten Monat, als die Eskalation zwischen dem Iran und Israel und die Proteste an US-Universitäten die Medien beherrschten, wegen einer Invasion in Gaza, bei der mehr als 35.000 Menschen ums Leben kamen, wies der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich die betreffenden Ministerien an, ungefähr 60 kleine Siedlungen, die nach der israelischen Gesetzgebung illegal sind, an die Infrastruktur anzuschließen, kommunale Dienstleistungen für sie bereitzustellen und dort öffentliche Gebäude zu errichten.
Es handelt sich um die Umsetzung eines Beschlusses aus dem letzten Jahr, in dem die Regierung dazu aufruft, in bestimmten Siedlungen, die »die Regierung regulieren will«, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sie »an die wesentliche Infrastruktur anzuschließen, öffentliche Gebäude und Bildungsgebäude zu errichten«.
Einige waren bereits angeschlossen, jedoch über nahegelegene Siedlungen oder als vorübergehend angesehene Infrastruktur.“

Es wäre interessant, zu erfahren, wann genau dieser Beschluß gefaßt wurde. Falls er vor dem 7. Oktober erging, wirft das ein bezeichnendes Licht auf die israelische „Überraschung“, mit der sie vom Überfall der HAMAS betroffen war.

„Obwohl er weniger im Vordergrund steht und nicht so beliebt ist wie Itamar Ben Gvir, der Chef der Nationalen Sicherheit, der ihm auf der Wahlliste folgte, ist Smotrich der Rechtsaußen mit der größten Macht in der Exekutive.
Nicht nur, weil er die Hand ist, die das Geld ausschüttet, sondern auch, weil er in Verhandlungen mit einem Netanyahu, der unbedingt an die Macht zurückkehren wollte, ihm eine Position im Verteidigungsministerium abgerungen hat, die ihm umfassende Kontrolle über zivile Angelegenheiten im Westjordanland verleiht.“

Smotrich ist also nicht nur Finanzminister, sondern ihm untersteht auch die ganze zivile Betreuung des Westjordanlandes. Er hat also eine Art Superministerium inne.

„Die NGO »Peace Now« definierte seine Entscheidung als »Legalisierung durch die Hintertür«: Sie vermeidet internationale Verurteilungen und rechtliche Probleme und schützt sie vor dem Abriss, den diese Regierung praktisch nicht mehr anwendet, die nächste jedoch möglicherweise auch nicht.“

Die jetzige Regierung schafft also Fakten, die über ihre mögliche Abwahl hinaus reichen. Der Widerstand gegen Abrisse bereits bestehender und voll ausgestatteter Siedlungen wäre wahrscheinlich zu groß.

„Lokalen Medien zufolge enthält das Dokument des Ministers Anweisungen etwa zur Errichtung von Bildungseinrichtungen, zum Bau von Straßen oder zu alltäglichen Angelegenheiten, etwa zu Krankenkassen.“

Damit wird sichergestellt, daß die Bewohner dieser de facto Siedlungen Zugang zum israelischen Gesundheitswesen erhalten, was derzeit anscheinend noch nicht gesichert ist.

„Die Entscheidung stellt de facto fünfzig „Außenposten“, also illegale Ansiedlungen, mit offiziellen Siedlungen gleich. Obwohl alle Siedlungen, in denen rund 700.000 Menschen leben, nach internationalem Recht illegal sind, unterscheidet das politische Vokabular Israels normalerweise zwischen »Bezirken« (die großen Wohnviertel in Ostjerusalem) und »Siedlungen« (diejenigen im Westjordanland, die als legal angesehen werden, in der Regel vor Jahrzehnten errichtet)“

– die aber völkerrechtlich gesehen ebenso illegal sind, aber aufgrund einer Art von Gewohnheitsrecht bereits einen halblegalen Status errungen haben –

und den »Außenposten« oder „vorgeschobenen Grenzposten«, die kleiner und auch nach israelischem Recht illegal sind. Sie wurden seit den neunziger Jahren, nach dem Oslo-Abkommen, eingerichtet.
Auch die Vertreibungen von Palästinensern sind seit Oktober sprunghaft angestiegen, weil sie Angst vor Angriffen durch Siedler haben, die aufgrund der massiven Mobilisierung von Reservisten und der Leichtigkeit, an Waffen zu gelangen, zunehmend nicht mehr von Soldaten zu unterscheiden sind.
Fast 20 Ortschaften mit mehr als 1.000 Einwohnern (in der Regel Beduinen, die einem Familienclan angehören und von Landwirtschaft und Viehzucht leben) haben ihre Häuser abgebaut, ihre prekären Konstruktionen abgebaut und nach einem weniger exponierten Standort gesucht.“

Diese Beduinen https://de.wikipedia.org/wiki/Beduinen sind Halbnomaden, die sich als die eigentlichen Araber betrachten, zum Unterschied von den ackerbauenden Fellachen, die meist dem im Nahen Osten üblichen Feudalismus unterworfen waren und einem Grundherren Tribut und Roboten leisten mußten. Die Beduinen hingegen waren stets frei und nur an ihre Stammeshierarchien gebunden.
Sie hatten meist einen Stammsitz, an den sie periodisch zurückkehrten, meist in der Nähe von Wasser. Aus der Angst vor Steuern ließen sie sich den jedoch nie urkundlich bestätigen. Sie sind also offiziell Landlose, wovon Israel bei seiner Vertreibungspolitik profitiert.
Die meisten von ihnen wurden im Negev zwangsangesiedelt, wo sie in Siedlungen ohne Infrastruktur und ohne ihre angestammten Existenzformen vor sich hin leben, aber wie man sieht, zogen manche Stämme weiter herum und sind daher ein leichtes Ziel für Vertreibungen.
Viele dieser ehemaligen Beduinen landen an den Stadträndern palästinensischer Städte im Westjordanland, ohne ihre angestammten Existenzmöglichkeiten.

Bei dieser durch Siedler betriebenen Vertreibung (oftmals mit Toten) „handelt sich um ein Phänomen, das oft mit der Duldung oder Passivität des Militärs und eng mit der jahrelangen Ausbreitung von Kolonien in Form von Farmen verbunden ist, die es ermöglichen, mit geringem Aufwand große Gebiete zu kontrollieren.“

Die Siedler sind sozusagen Wehrbauern oder Paramilitärs, die mit der Zustimmung des offiziellen Militärs handeln und legal über Schußwaffen verfügen.

„Von Zeit zu Zeit sieht man diese“ (einzelnen jüdischen Farmen) „von der Straße, ebenso wie einen jungen Mann in der üblichen Kleidung religiöser Nationalisten, der sich um das Vieh kümmert.
Die Zunahme von Angriffen auf Palästinenser oder linke Aktivisten, das wachsende Bewußtsein der Siedler von der Freiheit, sich alles erlauben zu können, und allgemein die vorherrschende Atmosphäre seit dem Hamas-Angriff am 7. Oktober … veranlassen Etkes, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.
Er verfügt über kein eigenes Fahrzeug, so dass die Siedler es nicht erkennen können; und er möchte nicht, dass seine jeweiligen Leihwägen oder sein Gesicht auf Fotos erscheinen, um seine Identifizierung zu erschweren.
Die Stopps sind kurz.

In einem Fall nähern sich zwei bewaffnete Sicherheitsleute, um herauszufinden, was er hier macht. Die Atmosphäre ist angespannt und sie beleidigen ihn, als er zum Auto zurückkehrt, aber es kommt zu keiner körperlichen Aggression. »Ich habe den richtigen Akzent und die richtige Hautfarbe«, sagt er über seine Tatsache, dass er ein israelischer Jude ist.“

Israelis gehen also noch nicht auf Israelis los – zumindest nicht, wenn ein ausländischer Journalist zugegen ist …

Pressespiegel EL País, 16.4.: Jordanien, der treue Diener der USA

„JORDANIEN – DAS EINZIGE ARABISCHE LAND, DAS DEN IRANISCHEN ANGRIFF BEKÄMPFTE, TROTZ SEINES ÄRGERS ÜBER ISRAEL

Seine Abhängigkeit von den USA und sein Misstrauen gegenüber Teheran überwogen die Proteste gegen das Abkommen mit dem jüdischen Staat über die Invasion des Gazastreifens.“

Der Ärger und die Proteste spielen sich in der Bevölkerung Jordaniens ab, nicht in der Führung, die mit den USA gut Freund ist.

„In den frühen Morgenstunden des Sonntags tauchten in den sozialen Medien am Stadtrand von Amman Videos des Metallgerüsts von einer der mehr als 100 Raketen auf, die der Iran gegen Israel abgefeuert hatte.
Diese Rakete war von der jordanischen Armee abgeschossen worden, die als einzige in der arabischen Welt an der Abwehr des iranischen Angriffs beteiligt war, – obwohl sich ihre Beziehungen zum benachbarten Israel aufgrund des Gaza-Krieges auf einem ihrer tiefsten Punkte seit der Unterzeichnung des Friedensvertrags vor 3 Jahrzehnten befinden.
Eine Nachricht, die 6.000 Retweets und 19.000 Likes gesammelt hat, zeigte das Video mit einem sarkastischen Kommentar auf Arabisch, der die Gefühle eines Teils der Bevölkerung auf den Punkt brachte: »Der jordanische König feuert iranische Raketen gegen seine Bürger ab, um Israel zu schützen.«

Die Beteiligung des Haschemitischen Königreichs an der Eindämmung des iranischen Angriffs hat für viel Gesprächsstoff gesorgt. Er zeigte, daß die jordanische Regierung – in einem entscheidenden Moment – seinem unverbrüchlichen Bündnis mit den USA und seiner geringen Wertschätzung für den Iran gegenüber der Kritik am Krieg in Gaza (die schärfste in demjenigen Teil der arabischen Welt, die den jüdischen Staat anerkennt) den Vorzug gab.“

Auch im Original ist das sehr kompliziert ausgedrückt.
Soll heißen: Obwohl es in Jordanien genug Abneigung gegen Israel gibt, ist das Bündnis mit den USA so wichtig, daß Amman in den sauren Apfel beißen und Israel verteidigen mußte.

„Ebenso stellte sie das Misstrauen gegenüber dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu hintan, das seit den 1990er Jahren besteht; und auch die Unbeliebtheit des Friedensabkommens in vielen Bereichen der jordanischen Gesellschaft.
Millionen seiner Bürger sind tatsächlich palästinensische Flüchtlinge und Hunderte Menschen demonstrieren seit Wochen täglich vor der israelischen Botschaft in Amman.“

Nicht nur 60% der Bewohner, auch die Frau des jordanischen Königs, Rania, ist palästinensischer Abstammung. Ihre Eltern emigrierten aus Tulkarem nach Kuweit.

„Die der Macht am nächsten stehenden Medien führen die Proteste auf das Interesse »ausländischer Agenten« zurück, ein Land zu destabilisieren, das an Israel, das Westjordanland, Syrien, den Irak und Saudi-Arabien grenzt, und projizieren gerne das Bild einer Oase des Friedens in einer turbulenten Region.
Eines der von Jordaniern meistbenutzten Wörter ist Istiqrar (Stabilität). Amman schoss in einer gemeinsamen Operation mit dem Vereinigten Königreich, Frankreich und den USA Dutzende Drohnen in Richtung Israel ab, die sein Territorium überflogen, und erlaubte diesen Staaten die Nutzung seines Luftraums.
Zwei weitere arabische Länder – die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien – übermittelten die Informationen über den Angriff, die Teheran selbst an sie weitergegeben hatte, an Washington, wie das Wall Street Journal am Montag enthüllte.
Es sind die »anderen« Länder, die der israelische Militärsprecher Daniel Hagari erwähnte, als er ihnen für ihre Hilfe dankte, ohne sie in Schwierigkeiten zu bringen.“

Alles sehr eigenartig.
Der Iran übermittelt an die VAE und Saudi-Arabien seine Absichten bzw. seine Strategie – damit die die dann weitergeben? Oder warum?

Iran, die große schiitische Macht, erweckt bei der sunnitischen Bevölkerung am Golf wenig Sympathie, aber Israel zu helfen, während die palästinensischen »Brüder« seit sechs Monaten in Gaza sterben und verhungern, bringt den Regierungen dieser sunnitischen Staaten wenig Pluspunkte.

Genau für seine aktive Teilnahme und deren öffentliche Bekanntmachung wurde Amman von Israel und den USA ebenso gelobt, wie es vom Iran und seinen Verbündeten kritisiert wurde.
Die der iranischen Revolutionsgarde nahestehende Nachrichtenagentur Fars zitierte eine »gut informierte Quelle« und wies darauf hin, daß Teheran gedroht habe, Jordanien als nächstes ins »Visier zu nehmen«, wenn es mit Israel »zusammenarbeite«. (…)
Für Hasni Abidi, Direktor des in Genf ansässigen »Zentrums für Studien und Forschung zur arabischen Welt und zum Mittelmeer«, hatte Jordanien »keine andere Wahl«, als die Projektile abzuschießen. »Seine Luftverteidigung ist mit den USA verbunden, von denen es erhebliche militärische und finanzielle Hilfe erhält, und es hat ein Friedensabkommen mit Israel mit Sicherheitsverpflichtungen«, fügt er in einer E-Mail-Nachricht hinzu.
Hinzu kämen seine »schlechten Beziehungen zum Iran« und seine »Angst vor einer Destabilisierung« des Landes, betont Abidi.“

Versicherungen wie die letztere und der gebetsmühlenartig wiederholte Hinweis, daß das Verhältnis mit dem Iran schlecht ist, wirken wir fertige Textbausteine.
Das Verhältnis mit dem Iran ist eben deshalb schlecht, weil Jordanien sich mit Haut und Haar den USA verkauft hat – und sich dadurch im Großen und Ganzen ein eigenes Militär und eine eigene Luftabwehr erspart. Das jordanische Militär ist eher protokollarisch und wird für Katastrophenhilfe und Polizeiaufgaben eingesetzt.

„Vor kurzem, am 3. April, meinte Abu Ali al Askari, ein Oberbefehlshaber der Kataeb Hisbollah, der mächtigen pro-iranischen Miliz im Irak: Sie könnten ihre Verbündeten in Jordanien mit »leichten und mittleren Waffen, taktischen Raketen, Panzerabwehrprojektilen und Tonnen Sprengstoff für 12.000 Kämpfer« zur Verteidigung der „palästinensischen Brüder“ versorgen.

Schwarzer September

Nur wenige Ideen erzeugen mehr Gänsehaut in einem Land, das in Teilen der arabischen Welt seit jeher als eine Art Verräter gilt.
Und zwar für seine Zusammenarbeit – sowohl offiziell als auch heimlich – mit dem jüdischen Staat und für den Schwarzen September 1970, in dem die jordanische Armee Tausende von Milizionären der Palästinensischen Befreiungsorganisation tötete, weil sie einen Aufstand vorbereiteten und versuchten, eine Art Parallelstaat zu errichten.
Tuqa Nusairat, Expertin für US-Politik im Nahen Osten und in Nordafrika beim US-Think Tank Atlantic Council, erinnert telefonisch daran, daß Jordanien – ein Land, das 1921 von den Briten als Transjordanien in einer strategischen Position mit wenig Wasser und viel Wüste gegründet wurde – ohne den Schirm Washingtons »sehr verletzlich« sei.“

Zu dieser Gründungsgeschichte gehört auch, daß dieser unattraktive Flecken Erde herhalten mußte, um die während des I. Weltkriegs mit den Briten verbündeten Haschemiten mit irgendeinem Amtl auszustatten. Der mittlere Sohn des letzten Scherifen von Mekka, Abdallah, wurde mit dem schnell geschaffenen Jordanien abgespeist, sein Bruder Faisal im ebenso geschwind zusammengekleisterten Irak als König implantiert.

„»Es ist kein sehr reiches Land, und es unterhält diplomatische und sicherheitspolitische Beziehungen zu den USA, die es aufrechterhalten möchte.« Die Entscheidung vom Samstag sei Teil dieser »Gegenleistung«, sagt sie. Jordanien erhält Geld, Sicherheitsgarantien und Ausbildung für seine Truppen als Gegenleistung dafür, »die Lage ruhig zu halten und die Interessen der USA in der Region zu schützen«.“

Jordanien hat also eine etwas andere Karriere hinter sich als Israel: Um als Staat überhaupt aufrecht zu bleiben, muß es sich an die USA anlehnen. Sein Bündnis mit den USA beruht also nicht darauf, wie Israel die vorherrschende Macht und der Brückenkopf der USA in der muslimischen Welt zu sein, sondern Jordanien ist eher eine Art Türsteher und Flüchtlings-Abstellplatz als Gegenleistung für Anerkennung und Aufrechterhaltung als Staat durch die USA.
Jordanien wird daher offensichtlich in der arabischen Welt verachtet, als US-Vasall.

„Nusairat weist auf zwei Elemente hin. Jordanien wollte sich »nicht vorwerfen lassen, einen Angriff auf ein anderes Land in irgendeiner Weise zu unterstützen oder wegzuschauen« … und befindet sich in einer sehr heiklen Lage, mit Spannungen an allen seinen Grenzen«.“

Man sollte sich vielleicht auch das problematische Verhältnis zum Irak vor Augen halten, das bereits unter Saddam Hussein bestand (die Baath-Partei betrachtete bereits Jordanien als un-arabischen Verräterstaat) und sich nach dem US-Einmarsch verschärfte. Im Sommer 2003 wurde die jordanische Botschaft in Bagdad gesprengt, 2005 verübten irakische Islamisten eine Reihe von Anschlägen im Amman.

„Tatsächlich hat Washington letztes Jahr beeilt, Patriot-Raketen an Jordaniens Grenzen zu stationieren, als Amman befürchtete, daß sich die Spannungen im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg letztendlich auch auf das Land auswirken würden.“

Ah, hier sind diese teuren und raren Patriot-Systeme also stationiert, weswegen die Ukraine leer ausgeht.

„Im Januar tötete eine pro-iranische Miliz drei amerikanische Soldaten in Jordanien nahe der syrischen Grenze.
Im Bewusstsein dieser Gleichgewichte und der Tatsache, daß viele Jordanier jeden Tag Bilder von Gaza sehen, begründete der Außenminister die Entscheidung zum Abschuß der iranischen Flugkörper mit der »realen Gefahr, daß iranische Drohnen oder Raketen im eigenen Land einschlagen könnten« – derselbe Ayman Safadi, der seit Monaten gegen Israel wettert. »Die Streitkräfte sind mit dieser Bedrohung umgegangen«, genau wie sie mit einem Angriff »von Israel umgegangen wären«, verteidigte er den Einsatz.

Die Behörden versuchen, ein heikles Gleichgewicht zu finden, von der Befürchtung getrieben, daß die am stärksten islamistischen oder israelkritischen Kreise Jordaniens die Monarchie und die Macht der Familienclans beduinischer Herkunft offen in Frage stellen könnten.
Einerseits hat das Parlament dafür gestimmt, die Abkommen mit Israel zu »überarbeiten«, und die Exekutive hat ein laufendes Abkommen über Wasser- und Solarenergie gestoppt. Andererseits hat er Demonstrationen zur Unterstützung Palästinas unterdrückt und die Entfernung des Schildes mit dem von ihm gewählten Namen von einem Restaurant in Amman angeordnet: »7. Oktober«. Es ist das Datum des Hamas-Angriffs, bei dem fast 1.200 Israelis getötet wurden, der die Invasion in Gaza auslöste und den viele in der arabischen Welt als verdiente blutige Rache an Israel für seine Behandlung der Palästinenser betrachten.

Auf jeden Fall ist es schwer, die historische Symbolik zu ignorieren, wenn man sieht, wie ein Angriff auf Israel von demselben Land unterbunden wird, das zwischen 1948 und 1973 vier Kriege mit ihm geführt hat.
»Besonders bemerkenswert ist das für eine Generation von Israelis, die sich daran erinnern, wie sie selbst einst vor den Angriffen Jordaniens Zuflucht gesucht haben«, erinnerte sich Mairav Sonszein, leitender Israel-Analyst der Denkfabrik International Crisis Group, am Sonntag.

Die Schlussfolgerung für ein Israel, in dem der militaristische und isolationistische Diskurs zunehmend triumphiert, ist, daß »diplomatische Vereinbarungen für die Stabilität von entscheidender Bedeutung sind«.
Eine religiöse Stiftung unter der Schirmherrschaft der jordanischen Monarchie verwaltet die Esplanade der Moscheen in Jerusalem, aber die ultranationalistischen Sektoren haben immer mehr Gewicht in der israelischen Regierung und fordern bei immer häufigeren Besuchen, das Abkommen zu annullieren und sogar den Komplex abreißen lassen wollen, um einen dritten Tempel zu bauen.

Noa Landau, stellvertretende Herausgeberin der israelischen Zeitung Haaretz, schrieb an diesem Montag, daß »Netanyahu und seine Anhänger sich am Sonntag bei Biden, aber auch bei Jordanien hätten entschuldigen sollen.« Nach dem iranischen Angriff veröffentlichten einige Gegner des Premierministers eines der ikonischsten Fotos in der modernen Geschichte des Nahen Ostens, auf dem König Hussein lächelnd eine Zigarette für Isaac Rabin anzündet, nachdem er 1994 das Friedensabkommen unterzeichnet hatte.

Die Beziehung hatte seither einige Höhen und Tiefen. In 30 Jahren hat Jordanien sechs Mal seinen Botschafter in Tel Aviv abberufen. Der bekannteste Grund dafür ist ein großes Fiasko beim Mossad, Israels ausländischem Spionagedienst. Eine weitere Verstimmung folgte im Jahr 2017, als ein israelischer Sicherheitsbeamter zwei Jordanier auf dem Botschaftsgelände tötete und von Netanjahu wie ein Held empfangen wurde.

Die letzte Abberufung eines Botschafters ist auf den Krieg in Gaza zurückzuführen, der Königin Rania dazu veranlasste, zwei Interviews zu geben, ohne sich dabei ein Blatt vor den Mund zu nehmen.
Amman gleicht die Unruhen unter seiner Bevölkerung aus, indem es zwar die diplomatischen Beziehungen zu Israel aufrechterhält, aber gleichzeitig mit öffentlich bekannt gemachten Abwürfen humanitärer Hilfe über Gaza – bei denen König Abdullah selbst porträtiert wurde – und Lastwagen mit Lebensmittel-Lieferungen für sich Stimmung macht.“

Afrika – der umkämpfte Kontinent

NEUAUSRICHTUNG

1. Die militärische Betreuung der Welt

Es war vor allem die alte Welt, die sich jahrzehntelang den Zugriff auf die Rohstoffe Afrikas sicherte und das hierzulande als „Entwicklungshilfe“ verkaufte.

Mit den Abkommen von Yaoundé, Lomé und schließlich Cotonou sicherte sich die EWG und dann EU den Zugriff auf die Rohstoffe und Agrarprodukte Afrikas. Gleichzeitig sicherte sich die EU die Staaten Afrikas als Märkte und überschüttete sie mit ihren eigenen Produkten. Dazu wurde ein Kredit- und Bankwesen eingerichtet, um diese Staaten mit Zahlungsfähigkeit auszustatten, damit sie überhaupt als Markt funktionieren konnten. Das hat zu Schuldenkrisen geführt und Afrikas Staaten in Sachen Abhängigkeit noch über die Abkommen hinaus in europäische Schuldknechtschaft geführt.

Dieses ganze Verfahren wurde in den europäischen Medien paternalistisch als eine Art „Hilfe“ an die Staaten Afrikas verkauft, mit der sich die ehemaligen Aussauger sozusagen jetzt als Förderer ihrer ehemaligen Unterdrückten betätigen und ihnen helfen würden, auf eigenen Füßen zu stehen.

Dieses schiefe Verhältnis wollte natürlich militärisch betreut sein, was spezielle militärische Einrichtungen wie die französische Fremdenlegion oder zypriotische Basen und Ghurka-Einheiten der britischen Streitkräfte notwenig macht, – die sich natürlich nicht nur auf Afrika konzentrieren, sondern auch in anderen Gebieten eingesetzt werden, wo die westliche Staatengemeinschaft Ordnungsbedarf sieht.

Das alles ging so lange halbwegs gut, als sich in den afrikanischen Staaten Eliten fanden, die sich mit dieser subalternen Rolle abfanden oder gleich ihre Stellung für feste Bereicherung benutzten. Als die Sowjetunion von der Bildfläche verschwand, war auch keine Alternative mehr da.

2. Afrika seit 1991

Aber in den mehr als 30 Jahren seit 1991 hat sich erstens das Entwicklungsideal gründlich blamiert, was sich vor allem in Flüchtlings-Strömen und den entsprechenden Tragödien äußert. Es ist inzwischen klar, daß Afrika von Europa nichts Gutes mehr zu erwarten hat. (Das wird übrigens in den Medien hier gar nicht mehr behauptet. Das Entwicklungs-Ideal wurde leise begraben.)

In dieser Zeit hat weiters China Afrika als Handelspartner entdeckt. Rußland hat eine aktive Außenpolitik entwickelt, in der es verlorengegangene Verbündete wieder zurückgewinnen will (Kuba, Nordkorea), auch in Afrika, und sogar neue rekrutiert.

Man kann sagen, daß es sich hier um eine Art Arbeitsteilung handelt: China will Afrika ökonomisch benützen und damit auf sich verpflichten, während Rußland eher strategisch ausgerichtet ist und rußlandfreundliche Regierungen mit dem nötigen militärischen Rückhalt versieht.

Was für die EU besonders ärgerlich ist, ist der Umstand, daß diese beiden Mächte sich hier sehr gut ergänzen und überhaupt nicht in die Quere geraten.

Außerdem bilden sich lokale Ambitionen bei den größeren afrikanischen Staaten. Der erste, der sein Land mit Ölgeld zur Führungsmacht machen wollte, wurde ziemlich gewalttätig von der westlichen Welt weggeräumt.
Der Sturz Ghaddafis war jedoch Rußland und China eine Lehre. Und auch den afrikanischen Staaten. Sie wurden darauf aufmerksam gemacht, daß der Westen ein Afrika mit eigenständigen politischen Vorstellungen nicht zu dulden bereit ist. Und sie wandten sich verstärkt den neuen Freunden zu. Vor allem zwei Staaten, die sich auf ihrer Größe bzw. Wirtschaftskraft zu Höherem berufen fühlen: Algerien und Südafrika.

Rußland verstärkte seine Militärpräsenz in Folge mit seiner eigenen Fremdenlegion, den Wagner-Einheiten. Diese haben anscheinend das Ableben ihres Führers überstanden und werden jetzt der russischen Armee als spezielle Auslands-Truppen eingegliedert. Es ist wahrscheinlich, daß Rußland in Zukunft auch um die Ausbildung einheimischen Militärs kümmern und das möglicherweise sogar finanzieren wird.

Ob das jetzt für die Bevölkerung Afrikas Gutes verspricht, sei dahingestellt.

Das Wichtige ist, daß der Einfluß Europas hiermit verdrängt und auch die ganzen Wirtschaftsbeziehungen mit der EU neu und für die EU unvorteilhaft gestaltet werden.

China prescht mit seiner eigenen bzw. der BRICS-Entwicklungsbank daher und sagt mehr oder weniger „Fuck the IWF!“ – was sich für die ganzen Schuldenberge und deren Gültigkeit negativ auswirkt.

3. Machtwechsel

Die EU ist bezüglich Afrikas offenbar mit ihrem Latein am Ende:

„Laut diplomatischen Quellen konnten sich die 27 nicht auf eine Verlängerung der EUTM-Mission in Mali über den 18. Mai hinaus einigen, wenn ihr derzeitiges Mandat endet. Obwohl die diese Woche in Brüssel abgehaltenen Treffen technischer Natur waren, hat Frankreich deutlich gemacht, dass es sich weigert, eine Operation fortzusetzen, die 2013 begann und in jüngster Zeit auf ein Minimum reduziert wurde, was zu ihrer endgültigen Einstellung führte – da Einstimmigkeit notwendig wäre, um sie fortzusetzen.

Der von den befragten Quellen als selbstverständlich angesehene Abzug europäischer Ausbilder aus Mali markiert das Ende der militärischen Präsenz der EU in einer strategischen Region. Ein Gebiet, das einen beispiellosen Anstieg des dschihadistischen Terrorismus und eine starke Ausweitung von Netzwerken zum Handel mit Waffen, Drogen und Einwanderern verzeichnet, das aber auch große Reserven an Mineralien wie Uran und Gold birgt: Dies erklärt nach Ansicht von Experten das Interesse von Russland, aber auch China, diese Lücke zu schließen.“ (El País, 28.3.)

All diese schönen Begleiterscheinungen des friedlichen Handels und Wandels sind die Ergebnisse desselben, obwohl sie immer als unwillkommene Hindernisse der Benutzung dieser Weltgegenden gehandelt werden, für die die EU den betroffenen Staaten militärische „Hilfe“ gewähren mußte.

Was Gold und Uran betrifft, so sind die für beide Staaten zweitrangig, was den eigenen Gebrauch betrifft. Es geht höchstens darum, sie in den eigenen Einflußbereich zu holen, um dann sie dann der EU zu anderen Konditionen als den bisherigen verkaufen zu können – was schlechte Nachrichten für die Wettbewerbsfähigkeit der EU auf dem Weltmarkt sind.

Wie sich Afrika weiter entwickelt, sollte man genau beobachten. Es scheint nämlich eine Art Modell oder zumindest ein Vorreiter für die multipolare Welt zu werden.