Pressespiegel El País, 10.1.: Statt Import lieber „Made in Russia“

„DER TEURE RUSSISCHE PLAN GEGEN DIE WIRTSCHAFTSSANKTIONEN

Als Reaktion auf die Sanktionen nahm die russische Regierung 2014 einen ehrgeizigen Wirtschaftsplan in Angriff, um die die Importe durch einheimische Produktion zu ersetzen.“

So etwas hat die Freie Welt gar nicht gerne.
Der Rest des Globus hat sich als Markt für ihre Produkte zu bewähren, weil irgendwohin muß sie ihren Krempel ja exportieren. Es war also ein sehr schlechtes Benehmen Rußlands, sich diesem Anspruch entziehen zu wollen. Die Annexion der Krim ist dagegen ein Klacks. Es war ja schon eines der Verbrechen der Sowjetunion, sich nicht in gebührender Weise in den Weltmarkt zu integrieren.
Rußland hat nach der Wende alles brav so gemacht, wie es die Heimatländer der Marktwirtschaft und der Menschenrechte forderten und nach wie vor fordern: Es hat seine Währung konvertibel gemacht und sich fest bei westlichen Banken verschuldet, um die Importe, die in großer Zahl hereinströmten, auch zahlen zu können.
Diese idyllischen Zustände sind als Reaktion auf die Sanktionen jetzt gefährdet. Der ganze folgende Artikel ist von dem Ärger über diese gar nicht marktkonforme Verhalten erfüllt.

„Die Bestrafung derjenigen Personen, die in diesem Jahr (2014) an der Einverleibung der Krim beteiligt waren, durch die EU und die USA“ (Reihenfolge!) „wurde vom Kreml durch ein vollständiges Einfuhrverbot für Lebensmittel aus dem Westen beantwortet.“

Der „Westen“ sind hier eindeutig USA und EU, Rußland war es wichtig, das klarzustellen. Israel oder die Schweiz fielen nicht unter das Einfuhrverbot.

„In den folgenden Jahren verlängerte sich die Liste der Sanktionen, wegen Repression und Einmischung in die Wahlen, in in gleichem Maße verstärkten sich die mehr oder weniger erfolgreichen Bemühungen um Waren »Made in Russia«.
Der Befehl, Importwaren durch russische Erzeugnisse zu ersetzen, trifft alle auch nur vorstellbaren Bereiche. Das Industrieministerium richtete ein Internet-Portal ein, in dem alle geplanten Ersatzproduktionen aufgelistet sind, von der Schwerindustrie über Medikamente bis zum alltäglichen Konsum. So ist zum Beispiel vorgesehen, Kinderkleidung von einer Importquote von 85% 2016 auf 65% 2021 zu verringern, und gleichzeitig die Bremsscheiben für Autos von 60% auf 20%.“

Diese Artikel werden aber gar nicht aus der EU oder den USA geliefert, sondern aus China, der Türkei oder anderen asiatischen Staaten. D.h., das Importsubstitutionsprogramm bezieht sich auf ALLE Waren und hat neben der Verringerung von unerwünschten Abhängigkeiten auch die Verbesserung der Zahlungsbilanz und eine Verringerung der Auslandsverschuldung im Auge.

„Auf manchen Gebieten wurden tatsächlich bemerkenswerte Fortschritte erzielt.“

Bei diesem gönnerhaften Tonfall muß man sich erst einmal zurückerinnern, wie es eigentlich zu dieser Importabhängigkeit gekommen ist. In sowjetischen Zeiten wurde relativ wenig importiert, weil Devisen knapp waren. Kaffee und Bananen waren deshalb Mangelware, weil die auf dem Gebiet der SU und ihrer Satellitenstaaten nicht wuchsen. Bei Technologie waren die Staaten des Warschauer Paktes Verboten unterworfen, die auf den COCOM-Listen angeführt waren – sie KONNTEN sie also nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten kaufen.

In den 80-er Jahren entdeckten europäische Staaten den Handel und die Verschuldung als einen Hebel zur Schwächung des dortigen Systems, und begannen gerade zu Zeiten der Perestroika vermehrt in Geschäftsbeziehungen zu den sozialistischen Staaten zu treten.
Nach der Wende kam es zu einem unglaublichen Verfall der Produktion in Rußland und anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Die gesamten Lieferketten waren unterbrochen, die bisherige Finanzierung fiel weg. Der IWF nahm sich Rußlands an und verordnete weniger Geld-Drucken, um die Inflation klein zu halten. Massenentlassungen und Nicht-Zahlen von Gehältern ließen den inneren Markt zusammenbrechen. Und findige Ökonomen und aufsteigende Oligarchen entdeckten, daß ja die einheimischen Produkte sowieso nichts wert waren, predigten die Marktwirtschaft und erklärten, bevor die nicht Wurzeln geschlagen hätte, müßte man sowieso alles aus dem Goldenen Westen beziehen.
Mit Müh und Not gelang es Betriebsleitern, Lokalpolitikern, Geheimdienstlern und Militärs, wenigstens die Rüstungsindustrie halbwegs aufrechtzuerhalten, teilweise durch Schwarzhandel mit Waffen. Aber gerade die Lebensmittel- und Konsumgüterindustrie machte einen steilen Abstieg durch, der sich in den folgenden 2 Jahrzehnten aus verschiedenen Gründen sehr unangenehm bemerkbar machte.

„Die Gas- und Ölkonzerne, die von den Sanktionen sehr betroffen waren, haben laut Industrieministerium zwischen 2015 und 2020 ihre Importe an Ausrüstung von 60 auf 43% reduziert. Diesen Sektor hatten die Strafmaßnamen vor allem im Auge, »um einen langfristigen wirtschaftlichen Druck auf das Land auszuüben«, wie in einem Gutachten des US-Kongresses vom Jänner 2020 betont wird.“

Die Idee der westlichen Regierungen war offensichtlich, durch Sanktionen Engpässe bei der Beschaffung von Ausrüstung für die Energie-Industrie zu erzeugen und damit eine wichtige Devisenquelle Rußlands zu beschädigen. Dergleichen ist bei Venezuela eine Zeitlang gelungen, aber Rußland hat doch andere industrielle und technische Ressourcen, die Maßnahme blieb allem Anschein nach völlig wirkungslos.
Die 43% Importe an Gerät für die Öl- und Gas-Industrie kamen also entweder durch Schmuggel oder durch Import aus befreundeten Staaten ins Land.
Man muß bei solchen Importbeschränkungen bedenken, daß die auch die Exporteure von dergleichen Technologie schädigen, die haben selber ein Interesse, ihr Zeug zu verkaufen, und sei es eben durch andere Kanäle.

„In anderen Fällen hat sich am Markt nichts geändert. Laut einer Studie der Wirtschaftshochschule Moskau machen die Importe an Konsumgütern 75% des Verbrauchs aus, nimmt man Kleidung und Spielzeug hinzu, sogar 90%.
»Bestimmte Importwaren zu ersetzen ist noch nicht per se Protektionismus. In den 70-er Jahren kauften Japan und Südkorea Lizenzen und Zusatzstoffe, um selbst die entsprechenden Produktionen anzuleiern, und sie waren damit erfolgreich«, führt der Professor dieser Wirtschaftshochschule Alexej Portanski ins Feld. Er war früher der Leiter der Behörde für den 2012 erfolgten WTO-Beitritt Rußlands. »Dergleichen will allerdings genau geplant werden, also in welchen Bereichen konkret etwas verändert werden soll, und innerhalb welcher Zeitspanne,« betont er.“

Japan und Südkorea waren allerdings damals Verbündete der USA, im Interesse des „Containments“ des sozialistischen Blocks (das war noch vor dem Bruch zwischen China und der SU) sollten diese Staaten gestärkt und zu Industrienationen aufgebaut werden. Heute würden Lizenzen und dergleichen nicht mehr so einfach an andere Staaten hinübergeschoben.

„Eines der Probleme bei der Steigerung der einheimischen Erzeugung ist, daß es dafür bedeutende Investitionen und auch Zeit braucht, um Wettbewerbsfähigkeit auf Exportmärkten zu erreichen, weil der innere Markt nicht groß genug ist, um die Kosten hereinzubringen.
Dazu gesellen sich die gestiegenen Kosten für den Import der Vorprodukte: Die russische Währung hat sich seit 2014 von 45 Rubel pro Euro auf 85 pro Euro entwertet.
»Die Importsubstitution ist ergebnislos geblieben. Es wird behauptet, sie hätte Erfolge verzeichnet, aber das stimmt nicht. Die Zahlen werden manipuliert,« behauptet Portanski,

um diese Behauptung gleich zu widerlegen:

„»Die russischen Lebensmittel haben ihren Anteil am Markt erhöht, das stimmt, aber betrachten wir sie vom Standpunkt des Konsumenten und der interessiert uns: Russische Produkte tauchten auf, aber sie sind teurer und die Qualität ist nicht sehr gut. Warum? Vorher hatten die Supermärkte ein größeres Angebot, jetzt sind unsere Produzenten die Monopolisten«, meint der Experte.“

Der Experte hat also doch nicht so sehr den Standpunkt der Konsumenten, sondern ein Lehrbuch der Marktwirtschaft vor Augen, wo der Wettbewerb die Qualität garantieren soll – wovon man hierzulande ein Lied singen kann: Hier bestimmt das Geldbörsel über die Qualität der Lebensmittel, wobei es verschiedene Marken von Bio- und verschiedene Marken von Junkfood gibt.

„Portanski bezieht sich auf eine Studie der Wirtschaftshochschule von 2019, die untersuchte, wie sich die Importsubstitution im Bereich der Lebensmittel in den ersten 5 Jahren ausgewirkt hatte. Außer den Kategorien Geflügel, Schweinefleisch und Tomaten, wo sich die Verbraucherpreise verringert hatten, waren sie in den restlichen Kategorien gestiegen.“

Das muß aber nicht an einer Verteuerung der einheimischen Lebensmittel liegen, sondern kann auch dadurch verursacht, daß von weiter weg importiert wurde, z.B. aus Brasilien. Die hier gelieferte Information beschränkt sich auf die Preise, die Herkunft und die Qualität bleiben im Dunkeln.

„Nach diesen Berechnungen haben sich die Kosten für Lebensmittel für die russischen Staatsbürger um 5,1 Milliarden Euros pro Jahr gegenüber 2013 verteuert.
Und das vor dem Coronavirus.
Mit der Pandemie und der globalen Unterbrechung von Lieferungen ist die Situation noch schlechter, weil laut (der Statistikbehörde) Rosstat haben sich die Lebensmittel im Vorjahr um 10,6% verteuert.“

Man fragt sich, woher dieses plötzliche Mitgefühl mit dem kleinen Mann von der Straße? – aus dem Munde von „Experten“, die sonst immer dafür sind, daß alle den Gürtel enger schnallen müssen, wenn die wirtschaftliche Vernunft das verlangt, wie z.B. in Griechenland, weil es überschuldet ist.
Außerdem mutet die ganze Argumentation seltsam an, weil aufgrund der Unterbrechung globaler Lieferketten hätte der Schaden noch größer ausfallen können, wenn die Auslandsabhängigkeit größer gewesen wäre.
Aber kommt schnell heraus, worum es dem Artikelschreiber und seinem Experten geht:

„»Die EU ist unser Haupt-Handelspartner und wir wollen diese Zusammenarbeit fortsetzen, weil mit den Investitionen von dort das Know-How ins Land kommt, das uns fehlt«, unterstreicht Potanski.“

Sanktionen und Hetze hin und her, wir wollen gut Freund bleiben mit dem Westen, damit er uns entwickelt! – dieses Credo der russischen westorientierten Ökonomen ist offenbar wasserdicht gegenüber den Feindschaftserklärungen, die seit Jahren aus westlichen Medien und von westlichen Politikern verlautbart werden.
Mit dieser Bewunderung der westlichen Expertise werden gleichzeitig die eigenen Schulen, Universitäten, Fabriken heruntergestuft und für mangelhaft erklärt, und die eigene Bevölkerung für zurückgeblieben. Es ist nicht notwendig, das ausdrücklich zu erwähnen – im Lob des westlichen Know-How ist diese Zurückstufung enthalten.

„Im offenen, mit Sanktionen ausgetragenen Konflikt beschuldigt Brüssel den Kreml, bei Ausschreibungen die eigenen Firmen gegenüber ausländischen zu bevorzugen“ –

unerhört! –

„und kündigte im November an, bei der WTO eine Beschwerde einzubringen, weil deren Grundprinzip heißt, daß ihre Mitglieder nicht aufgrund ihrer Herkunft benachteiligt werden dürfen. Die Europäische Kommission betont, daß die wirtschaftlichen Folgen für ihre Unternehmen »sehr bedeutend« sind, da es bei den russischen Ausschreibungen jährlich um Millionen von Euros geht.“

Das schlägt dem Faß den Boden aus! Erst Sanktionen verhängen, damit die russische Wirtschaft geschädigt wird, und dann sich beschweren, daß die Gegenmaßnahmen der russischen Regierung die eigenen Unternehmen schädigen.
Man merkt daran, mit welcher Unverschämtheit sich die EU-Führung auf den Rest der Welt bezieht, der ihr anscheinend zu Füßen liegen müßte, und welchen Groll sie bei sich nährt, wenn sich eine Macht von den Dimensionen Rußlands diesem Anspruch verweigert.

„Brüssel beanstandet konkret drei Vorgaben des Kreml.
Erstens, die russischen Staatsbetriebe ziehen beim Preis, den die russischen Unternehmen anbieten, 30% ab. Zweitens, beim Import einiger Industriegüter ist für russische Firmen eine staatliche Genehmigung erforderlich. Und drittens, es gibt bei den Ausschreibungen Quoten für russische Produkte, die enthalten sein müssen, z.B. Fahrzeuge, medizinische Ausrüstung und Technologie.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, kommentierte die Forderungen Brüssels auf ihrem Telegram-Kanal: »Sie sind ein Unsinn, weil die Importsubstitution war eine Antwort auf die Sanktionen der EU gegen Rußland. Brüssel behauptete lange, daß unser Land ,hart bestraft’ worden sei. Hart daran ist nur der Sadomasochismus.«“

Die Dame verweist die EU-Kommission damit an das Salzamt, und die WTO-Beschwerdestelle ist ja auch ein solches.

„Ein Zeichen dafür, daß nicht alles läuft wie geplant, ist die Novellierung des Erlasses von 2014 vom vergangenen 24. Dezember“ (wie neckisch! Andere feiern Weihnachten, wir novellieren Dekrete) „bezüglich der Quoten für russische Produkte bei staatlichen Einkäufen. Von den in dieser Aufstellung gelisteten 100 Produkten werden 41 temporär entfernt, weil es keine passenden russischen Fabrikate gibt.“

Aber für 59 gibt es sie offenbar!

„Dazu gehören etwa medizinische Lampen, Laptops, Chipkarten, integrierte Schaltkreise und andere elektronische Teile.
Im Jänner 2014 plädierte der (2019 verstorbene) Ökonom Viktor Ivanter in einem Artikel in der offiziellen Rossijskaja Gazeta dafür, in die heimische Industrie zu investieren und auch der »besorgniserregenden Abhängigkeit« auf dem Gebiet der Lebensmittelversorgung ein Ende zu bereiten. »Nach Jahren der Reformen haben wir etwas erreicht, worauf wir nicht verzichten wollen: Der Konsument kann auswählen, aber diese Auswahl ist noch vom Import abhängig.«
8 Jahre später gibt es weniger Auswahl und alles kostet mehr.“

Man merkt, daß „der Kreml“ vielleicht noch nicht ganz dort ist, wo er hinkommen möchte, aber doch auf dem Weg dorthin, und wie sehr das westliche Medien stört.

13 Gedanken zu “Pressespiegel El País, 10.1.: Statt Import lieber „Made in Russia“

  1. Das  "Handelsblatt" zur Eskalation zwischen NATO und Russland.

    https://www.handelsblatt.com/politik/international/konflikt-mit-dem-westen-russische-truppen-auf-kuba-und-in-venezuela-moskau-erhoeht-den-druck/27974190.html

    (Nicht nur) als Moderatorin zwischen Türkei und Armenien unterstreicht Russland seinen Weltordnungs(mit)anspruch

    https://www.spiegel.de/ausland/tuerkei-und-armenien-wollen-gespraeche-wieder-aufnehmen-a-4a4231fd-4308-443d-9a34-6ed039cfe273

    Auch die Türkei will im Schatten des Showdowns zwischen USA und Russland ihre Weltgeltung ausbauen (und nestor hatte bereits darauf hingewiesen):
    „Mitte November dann stufte die Türkei zusammen mit Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgistan und Usbekistan den bestehenden „Rat der Turkstaaten“ zur „Organisation der Turkstaaten“ herauf. Turkmenistan und Ungarn sind als Beobachter dabei. Darüber hinaus gründeten die Türkei und Aserbaidschan im vergangenen Jahr eine Partnerschaft mit Pakistan. Im September fand die erste gemeinsame Militärübung „Drei Brüder“ in Aserbaidschan statt. In Afghanistan verhandelt die Türkei außerdem darüber, die Logistik und die Sicherheit der Flughäfen zu übernehmen, wie dies bis zum Abzug der ausländischen Kräfte im Sommer 2021 der Fall war.“

    https://www.tagesschau.de/ausland/asien/armenien-tuerkei-101.html

    Dazu: https://www.freitag.de/autoren/the-guardian/gold-zu-geld

    Russische Wissenschaftler mahnen den Westen:

    https://www.heise.de/tp/features/Russische-Experten-mahnen-Verstaendigung-mit-Nato-an-6328117.html

    Aus dem Dezember 2021 stammt über den Weltkonflikt dieses jourfixe-Protokoll

    https://de.gegenstandpunkt.com/sites/default/files/jf-protokolle/jf211206-Rüstungsdiplomatie.pdf

  2. Der Ukraine-Konflikt kommt nicht von der Stelle, trotz allen Säbelrasselns und Kriegsgeschrei.

    Rekapitulieren wir doch noch einmal, worum es geht: Die NATO kann die Ukraine nicht aufnehmen, solange der Donbass-Konflikt nicht gelöst ist.
    „Gelöst“ würde aus Sicht von Kiew und der NATO heißen: Bewöhner ab nach Rußland, dann alles plattmachen und vollpflastern mit militärischem Gerät, Raketenstellungen usw.

    Dagegen sagt Rußland begreiflicherweise: Nicht mit uns! – und läßt Militär aufmarschieren, um diese Art der Lösung auszuschließen – ein Feldzug gegen den Donbass mit Einsatz von schwerem Gerät, Drohnen und NATO-Soldaten war geplant, darüber gibt es einiges an Hinweisen.

    Vermutlich werden an der russischen Grenze dauerhaft Truppen stationiert und die Alarmbereitschaft aufrechterhalten.
    Die NATO ist natürlich sauer, weil sie mit ihren Plänen nicht weiterkommt.

    Auffällig ist, daß man zu Weißrußland derzeit überhaupt nichts liest.

  3. Aber man will es nicht so recht wahrhaben und glaubt in der trügerischen Vorstellung alter Stärke, mit der Androhung wirtschaftlicher Sanktionen Russland beeindrucken zu können.

    Ich glaube, der Adressat von dem ganzen aufgebauschten Fast-Kries-Szenario ist erst einmal und vor allem die westliche Öffentlichkeit.

    Der soll mit dem Kriegsgeschrei ein äußerer Feind präsentiert werden, um sie hinter der eigenen Führung zu versammeln.

    Außerdem ist es ein inzwischen schon mehrfach erprobtes Mittel, mit Zeigen auf einen äußeren Feind innere Einheit in einer schon sehr brüchigen Staatengemeinschaft zu erzeugen.

    Der Auslands-Korrespondent des ORF in den USA wurde gestern in den Nachrichten gefragt, was die NATO eigentlich gegen Rußland in der Hand hätte, und er sagte: Nicht viel.
    Es ist inzwischen offensichtlich, daß Sanktionen für das Programm des Freien Westens nix bringen. Weder gegen Rußland noch gegen den Iran. Und nicht einmal gegen Venezuela, obwohl sie dort wirklich viel Schaden angerichtet haben. Aber am dortigen politischen Programm konnten sie auch nix ändern.

    Außerdem gehen die Sanktionen in der EU überhaupt nur deswegen durch, weil sie nicht streng überwacht werden und von vielen Staaten, so auch Österreich, unterlaufen werden.
    Das ist irgendwie der augenzwinkernde Konsens in Brüssel: Ihr stimmt mit, die Einheit ist gewahrt, und nachher schaut keiner genau, was für Taten auf die Worte folgen.

    Es ist übigens auch sehr bezeichnend für die Fake-Berichterstattung der Medien, daß in verschiedenen Qualitätsblättern so getan wird, als sei Putin völlig unberechenbar, obwohl doch genau gesagt wird, was Rußland will und fordert.
    Die russischen Standpunkte passen nur nicht in die der NATO hinein.

  4. Protokoll zum  Jour Fixe vom 10.01.2022: 

    Die „Migrationskrise“ an der Grenze zwischen Belarus und Polen, sowie Putins aktuelle diplomatische Offensive

    Bei der öffentlichen Befassung mit der sogenannten Migrationskrise an der Grenze zwischen Weißrussland und Polen ist einfach keine Rede davon, worum es dem „Übeltäter“ Lukaschenko geht. Es ist also überhaupt erst einmal zu bestimmen, was Lukaschenko in der Sache da versucht und worauf er hinaus will. Daran schließt sich an, was Polen im Verbund mit den Balten aus dieser Angelegenheit verfertigt hat; die Qualität der von Polen veranstalteten Übergänge ist zu kennzeichnen. Der nächste Punkt ist, was die Rolle Deutschlands, der EU und der USA dabei ist und was die daraus gemacht haben. Von daher ist die Reaktion Russlands, deren diplomatische Offensive, die aktuell verhandelt wird, zu bestimmen, was ja ein ganzes Stück umfassender ist.   (Forts.):

    https://de.gegenstandpunkt.com/sites/default/files/jf-protokolle/jf210110-Belarus-Putins-Offensive.pdf

  5. Die KP fragt in einem Artikel: Wer bereitet sich eigentlich hier auf einen Krieg vor? und zählt auf:

    In der Ukraine wurden alle zur Stellung gerufen, sogar alle Frauen von 18 bis 60. Wer keinen diesbezüglichen Bescheid vorweisen kann, kann am Arbeitsplatz Schwierigkeiten bekommen. Betriebe und Behörden sind jedenfalls angewiesen worden, Wehrdienstverweigererinnen nicht anzustellen.
    Bis heute wurde die 2014 eingeführte Kriegssteuer nicht aufgehoben, 1,5% des Gehaltes zahlt jeder – für den Krieg.

    In der Ukraine werden Kontrollen für Luftschutzbunker eingeführt. Es handelt sich um sowjetische aus den 80-er Jahren, deren Zustand jetzt überprüft werden soll. Auch Übungen mit Sirenen werden angekündigt, wo dann alle in die Keller eilen müssen.

    Denkt wirklich jemand, daß Rußland Kiew bombardieren wird?

    In allen größeren Städten werden Freiwilligenverbände für den Heimatschutz zusammengestellt, die Schützengräben ausheben und in Parks trainieren, um die restlichen Bewohner zu schrecken.

    Die Ukraine hat in den letzten Tagen und Wochen Unmengen von Waffen und Kriegsmaterial importiert: Aus Großbritannien 1100 Panzerabwehrraketen „für Straßenkämpfe in den Städten“. Davor waren schon ähnliche Geräte der Marke Javelin aus den USA importiert worden. Aus Tschechien kamen gepanzerte Transporter und Artillerie, aus Polen Minenwerfer, aus dem Baltikum Munition und MGs, aus den USA Schiffe, Projektile, Minen, gepanzerte Fahrzeuge, Präzisionsgewehre, aus der Türkei: Drohnen für Angriffe …

    Erinnert an das Arsenal, das die USA in Afghanistan zurückgelassen haben … Man fragt sich allerdings bei der Ukraine: Wer zahlt dieses ganze Zeug?

    Dann wurden Gerüchte verbreitet, daß Kanada oder die USA üben, ihre Botschaften zu evakuieren, und es wurde in US-Medien verbreitet, daß Rußland sein Botschaftspersonal bereits abgezogen hätte – was Rußland umgehend dementiert hat.

    Von ukrainischer Seite wird gefordert: „Schickt uns Waffen! Erlaßt Sanktionen gegen Rußland! Wurscht wegen was, je früher, desto besser! Nehmt uns in die NATO auf! Befehlt Rußland, Gas durch unsere Rohre zu schicken! Wir müssen ja unsere Armee von etwas zahlen! Und bitte, Waffen, Waffen!“

    Von russischer Seite wird gefordert: „Stellt in der Ukraine keine strategischen Raketen auf und nehmt sie nicht in die NATO auf.“

  6. Auch die Frage, wie die Ukraine ihre Waffenkäufe finanziert, wird teilweise beantwortet:

    Kanada sagt der Ukraine Kredit über 200 Millionen Dollar zu

    Kanada hat der vom Konflikt mit prorussischen Separatisten angeschlagenen Ukraine einen Kredit über 200 Millionen Dollar (rund 154 Mio Euro) zugesagt. Das teilte das ukrainische Präsidialamt am Mittwoch nach einem Treffen zwischen Staatschef Petro Poroschenko und dem kanadischen Regierungschef Stephen Harper in Ottawa mit.

    https://www.handelsblatt.com/politik/international/weniger-auftraege-kanada-sagt-kredit-ueber-200-millionen-dollar-zu/10717356-2.html?ticket=ST-94693-gxq20er6Zw4FdBMZW6Kt-ap4

  7. Daß Deutschland sich so ziert, scheint u.a. daran zu liegen, daß die Finanzierung nicht für deutsche Lieferungen gilt:

    Ukraine-Konflikt
    Waffenlieferungen weiter umstritten

    Das Thema Waffenlieferungen an die Ukraine bleibt umstritten: Luxemburgs Außenminister Asselborn ist dagegen – der CDU-Außenpolitiker Hardt dafür. Kiews Bürgermeister Klitschko zeigte sich angesichts der deutschen Zurückhaltung enttäuscht.

    Sollte die Ukraine im Konflikt mit Russland Waffenlieferungen erhalten? Die Bundesregierung ist dagegen – und nun hat sich auch Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn auf diese Seite gestellt. "Ich glaube, dass es wirklich falsch ist, den Leuten klar zu machen, dass dieses militärische Übergewicht, das eben besteht zwischen Russland und der Ukraine, dass man das jetzt mit Waffen ausgleichen kann. Ich glaube, das funktioniert nicht", sagte Asselborn im Deutschlandfunk. (…)

    https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-waffenlieferungen-eu-101.html

    Ansonsten scheint es sich bei dem ganzen aufgeblasenen Gefahrenszenario um eine Zusatzveranstaltung gegen Nord Stream II zu handeln.

  8. Die Sanktionen haben den Bemühungen der russischen Führung um Autarkie ungemein geholfen.

    Wenn ein Betrieb der Lebensmittelindustrie und Gastronomie – MacDonalds oder zuletzt Carlsberg – sich aus Rußland zurückzieht, so muß er seine ganze dortige Produktion entweder um einen Pappenstiel verkaufen oder überhaupt herschenken.
    Es ist möglich, daß verschiedene Betriebe sich einen Strohmann suchen für den Fall einer Rückkehr. Dann wird sich allerdings erst weisen, was dieser Strohmann wert war …

    Rußland legt großen Wert darauf, niemanden zu enteignen. Diesbezüglich kann seine Führung auf den Westen zeigen, dem das Eigentum nicht so heilig ist, wenn es um Unertanen einer unliebsamen Macht geht.

    Die ganzen Produktionsanlagen bleiben jedenfalls in Rußland und können dort vom Nachfolger weiter betrieben werden. Etwaige Betriebsgeheimnisse sind leicht zu knacken und deshalb nix wert. Ersatzteile kann man sich auf dem Weltmarkt besorgen.
    Das berühmte Kapital und Know-How wird sich in Rußland auch finden …

  9. „Russlands Autoindustrie
    Von Milliardenprojekten zu 1-Rubel-Deals: Der Exodus westlicher Autobauer aus Russland

    Mit dem Angriff auf die Ukraine kam für die internationale Autoindustrie in Russland das abrupte Ende. Volkswagen, Renault, Toyota, Mercedes und viele andere gaben ihre Werke für symbolische Summen ab, Milliardeninvestitionen lösten sich in Luft auf.
    Zurück blieben hochmoderne Fabriken, die heute von russischen Investoren und chinesischen Partnern genutzt werden – ein radikaler Bruch, der die Kräfteverhältnisse auf dem russischen Automarkt dauerhaft verschoben hat.

    Inhalt

    (Industrie-Magazin, 12.9.)

  10. „Russlands Autoindustrie
    Auto-Kollaps in Russland: Lada wird zum Symbol der Krise“

    Schon der Tonfall ist bezeichnend – die Absätze gehen zurück, und schon ist die Rede von einem Kollaps! und eine „Krise“.
    Das mag bei so etwas wie VW oder der deutschen Autoindustrie überhaupt eher angebracht sein, weil an der hing wirklich zu einem guten Teil der Erfolg der Exportnation Deutschland. 
    Aber in Rußland hatte die Autoindustrie nie die Bedeutung, die ihr in diesem Artikel zugesprochen wird.

    „Lada vor dem Absturz: Russlands Autoindustrie rutscht in die tiefste Krise seit Jahrzehnten. Der einst boomende Neuwagenmarkt bricht ein – statt 3 Millionen Autos pro Jahr droht nun Kurzarbeit bei Branchenriesen. Chinesische Hersteller übernehmen das Ruder, während die Traditionsmarke Lada zum Sorgenkind einer ganzen Industrie wird. Was das für Käufer und Marktführer bedeutet.“

    Als in den 90-er Jahren der Neuwagenabsatz fast ganz zusammenbrach, Lada von seinem damaligen Besitzer Beresowski an den Rand des Konkurses getrieben wurde und das ganze Land mit aus dem Westen importierten Rostschüsseln oder japanischen Gebrauchtwägen mit dem Lenkrad auf der anderen Seite fuhr – das war wirklich Krise und Kollaps. 
    Aber jetzt?!

    „Die Montagelinie läuft zwar noch, doch die Unsicherheit hängt schwer über den Hallen des Lada-Werks in Toljatti. Kaum aus den verordneten Betriebsferien zurück, kündigt der Vorstand von Avtovaz, dem größten Autobauer des Landes, an: Ab dem 29. September soll die Belegschaft in die 4-Tage-Woche geschickt werden. Offiziell ist von »Herausforderungen am Automarkt« die Rede – gemeint sind die sinkende Nachfrage, der hohe Leitzins, strengere Vorgaben für Autokredite und die wachsende Einfuhr von Importwagen, die den heimischen Absatz zusätzlich unter Druck setzen.

    Also was jetzt? 
    Ist der Absatz in der Krise oder die Produktion?

    „Avtovaz ist nicht allein. Schon vor dem Branchenführer haben andere Traditionshersteller gekürzt: der ehemalige Wolga-Produzent Gaz in Nischni Nowgorod – heute vor allem für seine „Gazelle“-Transporter bekannt – schickte Beschäftigte in Kurzarbeit. Auch der Lkw-Bauer Kamaz und der Busproduzent Liaz stellten bereits auf verkürzte Arbeitswochen um.

    Der geplante Serienstart des Hoffnungsträgers »Iskra« wurde auf 2026 verschoben, weil Elektronikkomponenten fehlen. Absatzrückgänge, steigende Preise und teure Kredite verschärfen die Lage. Was sich in Toljatti abzeichnet, ist mehr als ein lokales Problem – es ist ein Symptom für eine ganze Branche, die zwischen geopolitischem Bruch und ökonomischem Absturz gefangen ist.

    Vom Hoffnungsträger zum Krisenmarkt: Russlands Automobilbranche im Wandel

    Dabei sah die Autowelt in Russland 2010 noch ganz anders aus. Russland galt als einer der aufstrebenden Märkte der Welt. Das Land konkurrierte zeitweise sogar mit Deutschland um den Spitzenplatz bei verkauften Neuwagen in Europa.“

    Eben – als Markt war Rußland gefragt!
    Und das brachte westliche Autofirmen dazu, sich in Rußland niederzulassen. 
    In Rußland waren lange Zeit West-Autos schick und die heimische Branche konzentrierte sich auf LKWs und Offroad-Fahrzeuge. 

    „Im Jahr 2012 erreichte der russische Pkw-Markt mit rund 2,76 Millionen verkauften Neuwagen seinen Höhepunkt, zwei Jahre später wurden immerhin noch 2,49 Millionen Fahrzeuge verkauft. Analysten sprachen damals vom »Detroit an der Moskwa« – internationale Konzerne investierten Milliarden in neue Werke, Zulieferer siedelten sich an, Ingenieure und Fachkräfte kehrten aus dem Ausland zurück.

    Doch der Traum platzte schneller, als er gekommen war. Mit der Rubelkrise 2014 und den westlichen Sanktionen nach der Krim-Annexion brach der Markt dramatisch ein: 2015 sank der Absatz auf 1,6 Millionen Fahrzeuge, 2016 sogar auf 1,42 Millionen. Erst danach stabilisierte sich das Geschäft zwischen 2017 und 2021 auf einem Niveau von 1,4 bis 1,8 Millionen Neuwagen jährlich – weit entfernt von den Glanzzeiten, aber immer noch groß genug, um internationale Player im Land zu halten.“

    Die „internationalen Player“ kommen aus der EU und den USA … 

    „Das Jahr 2022: Der Tiefpunkt der russischen Autoindustrie

    Der schärfste Einbruch folgte 2022 – unmittelbar nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und den daraufhin verhängten Sanktionen. Innerhalb weniger Monate zogen westliche Hersteller ab, Lieferketten rissen ab, und der Neuwagenmarkt brach um fast 59 Prozent ein. Die Zulassungen stürzten auf nur noch 687.000 Fahrzeuge – ein historischer Tiefstand. Besonders hart traf es die Produktion: Viele westliche Zulieferungen stoppten, Software-Updates und Ersatzteile blieben aus. Vor allem sicherheitsrelevante Komponenten wie Airbags, ABS-Module und elektronische Steuergeräte waren plötzlich nicht mehr verfügbar.
    Russlands größter Produzent AvtoVAZ sah sich gezwungen zu improvisieren – und brachte Modelle ohne diese grundlegenden Sicherheitssysteme auf den Markt, nur um die Bänder nicht komplett stillstehen zu lassen.“

    Hierzulande sind sie „grundlegend“, weil gesetzlich vorgeschrieben, aber in Rußland kam man ohnehin sehr lange ohne dergleichen aus. 
    Die Frage ist eher, ob die sonstigen Bremssysteme, die jetzt eingebaut sind, irgendwelchen russischen Standards genügen.

    „Strohfeuer statt Aufschwung: Wie Russlands Autohandel ins Straucheln gerät

    2023 kam es dank massiver staatlicher Unterstützung, Nachholeffekten und der Expansion chinesischer Marken zu einer scheinbaren Erholung: Die Verkäufe stiegen um 69 Prozent auf 1,06 Millionen Fahrzeuge. Ein Jahr später folgte ein weiteres Wachstum um 48 Prozent auf 1,57 Millionen Neuzulassungen – doch an die Zeit vor 2022 kam der Markt nicht mehr heran. Die Erholung war jedoch ein Strohfeuer, getragen von Subventionen und chinesischen CKD-Bausätzen, nicht von echter Nachfrage oder Kaufkraft.“

    Und? 

    W„eil die Staatskasse durch die massiven Militärausgaben zunehmend belastet ist, strich die Regierung viele Förderprogramme für den Autokauf – mit unmittelbaren Folgen. Von Januar bis Juli wurden lediglich 646.000 Pkw verkauft – ein Minus von 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Hohe Kreditzinsen, sinkende Kaufkraft und stockende Importe dämpfen zusätzlich die Nachfrage.“

    Wie können „stockende Importe“ die Nachfrage „dämpfen“? 
    Sie verändern oder beschränken doch nur das Angebot.

    „Im Juli sorgten aggressive Rabattaktionen zwar kurzfristig für ein Zwischenhoch: Mit 120.700 Pkw wurden 33,9 Prozent mehr Fahrzeuge verkauft als im Juni. Doch auch dieses beste Monatsergebnis des Jahres lag noch 11,4 Prozent unter dem Vorjahreswert. Die Association of European Businesses (AEB) reagierte und senkte ihre Prognose deutlich: Statt eines Rückgangs von 15 Prozent wie zu Jahresbeginn erwartet die AEB nun ein Minus von 24 Prozent – insgesamt nur noch rund 1,25 Millionen Neuzulassungen im Gesamtjahr.

    Vom Leitmarkt zur Randnotiz: Die neue Realität der russischen Autoindustrie

    Noch vor gut einem Jahrzehnt spielte Russland in einer Liga mit den großen Autonationen Europas. 2012 konkurrierte der Markt mit Deutschland um Platz 1 – zeitweise war Moskau sogar der größte Pkw-Markt des Kontinents. Heute ist davon nichts mehr übrig.“

    Die Wortwahl ist eigenartig: Daß Rußland ein Hoffnungsmarkt für die deutsche Autoindustrie (und damit auch für die österreichische), wird als großer Erfolg Rußlands besprochen – dabei schlugen sich die Gewinne hauptsächlich in den Bilanzen westlicher Autohersteller nieder. Jetzt ist dieser Markt futsch und die Rede ist von Kollaps, Randnotiz, nichts mehr übrigh, usw.
    So etwas nennt man Krokodilstränen. 

    „Im Juli 2025 wurden in Russland 120.700 Neuwagen verkauft. Klingt respektabel, doch im europäischen Vergleich reicht das gerade einmal für Platz drei hinter Großbritannien (140.100) und weit abgeschlagen hinter Deutschland, wo im selben Monat über 260.000 Fahrzeuge neu zugelassen wurden. Länder wie Italien (118.500) oder Frankreich (116.400) liegen inzwischen fast gleichauf.

    Noch deutlicher wird der Abstand im Jahresvergleich: Von Januar bis Juli 2025 kam Russland auf 646.700 Neuzulassungen – Deutschland brachte es im gleichen Zeitraum auf 1,67 Millionen. Damit verkauft die Bundesrepublik trotz schrumpfender Nachfrage rund zweieinhalbmal so viele Autos wie ganz Russland.

    Russland hat damit den Status als Wachstumsmarkt endgültig verloren.“

    Das macht aber Rußland, weder Führung noch Publikum, etwas aus. 

    „Wo 2012 noch Euphorie herrschte, bleibt heute ein Markt, der zwar groß genug ist, um für chinesische Hersteller interessant zu sein, aber im europäischen Vergleich nur noch im Mittelfeld rangiert.“

    Hier sind die chinesische Hersteller das Ärgernis, die dort verkaufen können, während der Westen sich dort per Sanktionen abgemeldet hat. 

    „Gebrauchtwagen-Boom: Warum Russen alte VW und Renault dem Neuwagen vorziehen

    Während die Neuzulassungen einbrechen, zeigt ein anderer Markt in Russland seit Jahren erstaunliche Stabilität: der Gebrauchtwagenhandel. Zwischen Januar und Juli 2025 wechselten rund 3,3 Millionen Fahrzeuge den Besitzer – mehr als das Fünffache der Neuzulassungen im selben Zeitraum. Seit Jahren wächst der Gebrauchtwagenmarkt um knapp ein Prozent pro Jahr – während der Neuwagenmarkt kollabiert.“

    So was!
    Den Kauf von Gebrauchtwagen würden manche Autohersteller auch hierzulande gerne verbieten. Da boomt er ja auch … 

    „Der Grund liegt auf der Hand: die gesunkene Kaufkraft. Hohe Zinsen machen Autokredite unerschwinglich, die Inflation frisst Einkommen, und neue Modelle sind durch den Rückzug westlicher Hersteller und die gestiegene Abhängigkeit von Importen teurer geworden. Selbst chinesische Autos, die zunächst als günstig galten, haben sich durch den schwachen Rubel und höhere Transportkosten spürbar verteuert.

    Für viele Russinnen und Russen ist der Neuwagenkauf deshalb keine Option mehr. Stattdessen greifen sie auf gebrauchte Fahrzeuge zurück – häufig Modelle westlicher Hersteller, die vor 2022 produziert oder über Parallelimporte ins Land gebracht wurden. Auf den Straßen dominieren deshalb weiter ältere VW, Renault oder Hyundai, auch wenn ihre Hersteller längst nicht mehr in Russland präsent sind.

    Vom Hoffnungsträger zum Sorgenkind: Lada als Symbol für Russlands Auto-Absturz

    Vor gut 10 Jahren war Russland noch der Hoffnungsträger der globalen Autoindustrie.“

    Hier wird eingestanden, warum diese in der Krise ist. 

    „Heute steht das Land für einen Markt, der zwischen geopolitischem Bruch und wirtschaftlichem Niedergang zerrieben wird. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: von fast 3 Millionen Neuwagen 2012 auf zuletzt nicht einmal 650.000 in den ersten 7 Monaten 2025. Im europäischen Vergleich ist Russland vom Spitzenreiter zum Nachzügler geworden.

    Der Aufstieg des Gebrauchtwagenhandels zeigt, wie tief die Kaufkraft der Bevölkerung gesunken ist. Wer sich überhaupt ein Auto leisten kann, greift lieber auf gebrauchte Modelle zurück – oft westlicher Herkunft, deren Hersteller längst nicht mehr im Land produzieren.“

    Jetzt ist das Geschrei schön langsam peinlich, vor allem weil immer wieder das Gleiche wiederholt wird.

    „Kein Hersteller steht so sehr für diese Entwicklung wie Lada. Einst Symbol russischer Ingenieurskunst und Stolz der eigenen Autoindustrie, kämpft AvtoVAZ heute ums Überleben: Kurzarbeit, verschobene Modellstarts, improvisierte Produktion ohne grundlegende Sicherheitssysteme. Lada ist damit nicht nur ein Autokonzern, sondern das Sinnbild einer Branche, die ihren Anschluss verloren hat.

    Die Geschichte des russischen Automarktes ist damit zur Geschichte eines Absturzes geworden – von großen Ambitionen über eine Phase künstlicher Stabilisierung bis hin zur Abhängigkeit von Importen und dem Rückzug ins Gebrauchtwagensegment. Wer heute auf Russlands Straßen blickt, sieht vor allem Vergangenheit – und kaum noch Zukunft.“

    (Industrie-Magazin, 26.9.)

    In der gleichen Zeitschrift wurde vor einiger Zeit vermeldet, daß die westlichen Autofabriken von chinesischen Firmen übernommen wurden – da war das das Ärgernis.
    Jetzt wird es als Problem Rußlands dargestellt, daß der Absatz von Neuwägen zurückgeht. 

    Dazu ist zu bemerken, daß die Sowjetunion und überhaupt die sozialistischen Staaten auf die Eisenbahn als Transportmittel gesetzt hatten. Viele Fabriken hatten eine eigene Anbindung ans Schienennetz, um ihre Produkte schnell in den wirtschaftlichen Kreislauf einspeisen konnten. Die russische Eisenbahn funktioniert auch bis heute klaglos und ist u.a. deshalb oft Ziel von Angriffen ukrainischer Drohnen oder Sabotageakte. 
    Daher waren Straßen und Autos ein Minderheitenprogramm, sowohl im Personen- als auch im Frachtverkehr. Sowohl in den Urlaub als auch auf die Datscha fuhr man mit dem Zug, was sowohl umweltfreundlicher als auch ungefährlicher war.

    Nach der Wende entdeckten viele das Auto als Prestigeobjekt, was zu enormen Staus in den Metropolen und einer hohen Unfallquote führte. Das ganze System der Führerscheinprüfungen war nämlich aufgrund des geringen Bedarfs nicht sehr ausgereift. Die entsprechenden Dokumente konnte man für etwas Kleingeld problemlos „besorgen“.
    Die unterbesetzte Verkehrspolizei hatte ihre liebe Not, dessen Herr zu werden, von Alkohol und anderen Drogen am Steuer ganz zu schweigen, und war dementsprechend Bakschisch-anfällig. 

    Nur um ein Bild zu bekommen, was die sozialen Kosten dieses im obigen Artikel so bewunderten Automarktes waren.

    Wenn jetzt viele wieder auf den Zug umsteigen – der ja, wie erwähnt, nach wie vor klaglos funktioniert –, so ist das gar nicht schlecht und beunruhigt in Rußland niemanden. 

  11. Antikrisenpolitik in Rußland:

    „Russland: Pleite-Verbot für Stahlriesen 

    Die russische Stahlindustrie steckt in der tiefsten Krise seit dem Zerfall der Sowjetunion. Eine Mischung aus Nachfragerückgang, Sanktionen und Billigimporten aus China drückt die Produktion. Der Kreml reagiert mit einem Insolvenz-Moratorium: Es stoppt zwar förmlich Pleiten, löst aber keine Probleme wie Überkapazitäten oder Nachfrageflaute. Selbst Branchengrößen wie Severstal oder NLMK rechnen mit Verlusten.“

    (Industrie-Magazin, 1.10.)

    Das nur so viel zum Thema „Kapitalismus in Rußland?“ – Der Mix aus staatlichen Vorschriften und Privatinitiative setzt sich fort – vermutlich wird auf dem Subventionsweg eine Lösung gefunden werden.

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