Pressespiegel El País, 10.8.: Ukrainische Offensive

„RUSSLAND EVAKUIERT TAUSENDE EINWOHNER VON KURSK UND WEITET DEN NOTSTAND AUFGRUND DES UKRAINISCHEN EINMARSCHES AUF ZWEI WEITERE REGIONEN AUS

Mindestens 76.000 Einwohner der russischen Provinz Kursk, die an der Grenze zur Ukraine liegt, seien am fünften Tag der Kämpfe zwischen Moskauer und Kiewer Truppen in dieser Region evakuiert worden, so ein Sprecher des Ministeriums für Notsituationen in der Region in einer Erklärung gegenüber der Nachrichtenagentur AFP Nachrichtenagentur TASS.

Auch in zwei weiteren Provinzen der Region hat der Kreml den Ausnahmezustand ausgerufen. Unterdessen hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, allerdings ohne Kursk zu zitieren, eingeräumt, daß die Streitkräfte des Landes Operationen durchführen, um Russland auf seinem Territorium zu schaden: »Der Chef des Generalstabs, Oleksander Syrskij, hat bereits mehrfach über die Front berichtet und darüber, wie wir den Krieg auf das Territorium des Angreifers übertragen können. (…) Die Ukraine zeigt, daß sie weiß, wie sie … den nötigen Druck auf den Angreifer ausüben kann«, schrieb er in einer Nachricht in seinen sozialen Netzwerken.“

Man muß sagen, daß dieser Angriff und seine Dauerhaftigkeit den Überraschungseffekt auf ihrer Seite hat.
Nachdem nicht nur in russischen, sondern auch in westlichen Medien der Tenor der war, daß die Ukraine zu wenig Soldaten hat, daß die frisch Mobilisierten zu wenig ausgebildet und motiviert seien usw. – fragt man sich einerseits, woher diese doch offenbar motivierten und bewaffneten Truppen auf einmal kommen?
Zweitens hat die russische Militäraufklärung offenbar geschlafen, weil so ein Angriff muß ja irgendwie vorbereitet, Truppen müssen zusammengezogen werden usw.

„Russland kämpft seit dem 6. August in Kursk gegen Kiews Truppen, was als der größte Einmarsch der Ukraine in das Territorium ihres Feindes seit Beginn der Invasion des Landes im Februar 2022 gilt.

Für die evakuierte Bevölkerung haben die russischen Behörden nach Angaben der Generaldirektion des Ministeriums für Notsituationen 60 provisorische Unterkünfte eingerichtet, in die mehr als 4.400 Menschen aus den Grenzgebieten von Kursk verlegt wurden. Darüber hinaus hat das Rote Kreuz eine Telefon-Hotline zur Bearbeitung möglicher Fälle von Verschwindenlassen bei Überführungen eingerichtet und Moskau hat eine Hilfeleistung in Höhe von 10.000 Rubel (ca. 100 Euro) für die Betroffenen bewilligt.

Die ukrainische Offensive überraschte Moskau und veranlasste den Kreml, an diesem Samstag neben Kursk, wo er am Freitag eingerichtet wurde, in zwei weiteren an die Ukraine angrenzenden Regionen – Belgorod und Brjansk – den föderalen Ausnahmezustand auszurufen.

Die Ausrufung des Ausnahmezustands ist ein Instrument, das der Armee und den Sicherheitskräften weitreichende Befugnisse bei Anti-Terror-Einsätzen verleiht … Damit können militärische und personelle Ressourcen ohne Einschränkungen entsendet, aber auch die Sicherheit an wichtigen Orten verstärkt, Bürgerbewegungen eingeschränkt, Telefongespräche abgehört, Fahrzeuge beschlagnahmt und Zufahrtsverbotszonen erklärt werden.

Das Nationale Anti-Terror-Komitee meldete den Beginn dieser Operationen in den drei betroffenen Regionen, »um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten und die Bedrohung durch Terroranschläge feindlicher Sabotagegruppen einzudämmen«, wie es den ukrainischen Einmarsch beschrieb. Die hohe Zahl der Evakuierten steht im Gegensatz zu den Informationen, die der Chef des russischen Generalstabs, Waleri Gerassimow, Präsident Wladimir Putin vor zwei Tagen übermittelte, als er ihm versicherte, daß der ukrainische Vormarsch unterbrochen worden sei.“

Der Hut brennt also noch immer, mit einem Wort.

„In die gleiche Richtung gehen die in den letzten 24 Stunden vom russischen Verteidigungsministerium übermittelten Mitteilungen über die Fortsetzung der Kämpfe. In seinem Telegram-Account versichert er, daß die Operation zur Zerstörung von Einheiten der ukrainischen Streitkräfte weitergeht, nennt hohe Verlustzahlen auf der Gegenseite – bis zu 1.120 Soldaten und 140 gepanzerte Fahrzeuge – und verbreitet Videos von angeblichen bewaffneten Einsätzen mit Panzern und Flugzeugen diejenigen, die dank des Einsatzes von Artillerie, Luftfahrt und Bodentruppen »den Feind vernichten«. …“

Selbst wenn nur die Hälfte dieser Zahlen stimmt, so ist dennoch bemerkenswert, daß es offenbar eine Menge ukrainische Soldaten bei dieser Offensive gibt.
Eine weitere Möglichkeit wäre, daß tatsächlich NATO-Soldaten als Verstärkung eingetroffen sind und entweder die anderen Frontabschnitte stabilisieren oder aber direkt an dieser Kursker Offensive beteiligt sind.

„In Kursk deuten von Kriegsanalysegruppen überprüfte Satellitenbilder darauf hin, daß die ukrainische Armee etwa 35 Kilometer in russisches Territorium eingedrungen ist.

Die amerikanische Denkfabrik »Institute for War Studies« (ISW) stellt jedoch fest, daß das russische Militärkommando, um der Situation entgegenzuwirken, bisher lediglich auf bereits im Grenzgebiet stationierte und andere im Hinterland verfügbare Einheiten zurückgreift, die größtenteils aus Rekruten und Milizionären, also vor Ort organisierten bewaffneten Einheiten bestehen. »Diesen Einheiten wurde zunächst die Abwehr überlassen, obwohl die russische Militärführung beschlossen hat, zusätzliche, erfahrenere Einheiten von anderswo zu verlegen«, sagt er in seiner täglichen Analyse. Sie geht davon aus, daß das russische Militärkommando möglicherweise dem operativen Druck widersteht, Truppen von anderen Fronten zu verlegen und zu verhindern, daß der ukrainische Einmarsch seine Offensive in der Ostukraine unterbricht, wo Moskau in den letzten Wochen wichtige Fortschritte gemacht hat.“

Der Standpunkt der russischen Führung war bisher, daß es sich in Kursk um einen reinen Entlastungsangriff handelt, der den Vormarsch russischer Truppen an verschiedenen Frontabschnitten stoppen soll.
Man muß allerdings sagen: Gut gelungen!

„In diesem Zusammenhang hebt das ISW die Informationen eines russischen Militärbloggers hervor, der vermutete, daß das russische Militärkommando möglicherweise Einheiten transferiert, die es für eine Offensivoperation im Norden der Region Charkiw angesammelt hatte. »Wenn das wahr ist, dann hat das Militärkommando vielleicht entschieden, daß die Unterbrechung der Offensivoperation im Norden der Region Charkiw ein notwendiges Opfer ist«, analysiert das Institut, das auch einen breiteren Einsatz russischer Truppen für wahrscheinlich hält. … In den kommenden Tagen werden vermutlich weitere kampfbereite Fronteinheiten in Kursk eintreffen.“

Die Frage ist für die russische Führung offenbar derzeit, von wo sie die Truppen abziehen werden. Zunächst war der Tenor der russischen Medien nämlich der, daß das nicht notwendig sei, da die vor Ort stationierten Rekruten und Milizen mit diesem Einmarsch locker fertig werden würden.
Auch hier muß sich fragen, woher diese Unterschätzung der ukrainischen Invasionstruppen, oder auf der anderen Seite, woher diese Gefechtsfähigkeit bei Letzteren?

64 Gedanken zu “Pressespiegel El País, 10.8.: Ukrainische Offensive

  1. „Jermak will Russlands militärische Infrastruktur dauerhaft vernichten

    Nach einem neuen tödlichen russischen Luftangriff in der Nähe von Kiew will die Ukraine Russlands militärische Infrastruktur dauerhaft vernichten. Um die Tötung von Zivilisten zu stoppen, sei es nötig, Russland die Fähigkeit zum Töten zu entziehen, sagte der Leiter des Präsidentenbüros, Andrij Jermak, in Kiew.

    »Es ist notwendig, seine militärische Infrastruktur zu zerstören, weil der Feind andere Argumente nicht akzeptiert«, sagte Jermak über den russischen Angriffskrieg. Die Ukraine hofft dazu auf eine baldige Erlaubnis westlicher Verbündeter für den Einsatz von Raketen mit größerer Reichweite auch gegen russisches Gebiet.“

    Die bisherigen Angriffe – immerhin bis Moskau und Petersburg – wurden mit selbstgebauten Drohnen-Marschflugkörpern durchgeführt, die aufgrund ihrer geringen Größe nicht viel Schaden anrichten konnten.
    Die Ukraine hofft auf Raketen mit größerer Reichweite, die bisher noch nicht im Einsatz waren und daher auch von den russischen Abwehrsystemen noch nicht „ausgelesen“ werden konnten.
    Man kann diese Kursker Offensive auch als Versuch betrachten, den westlichen Verbündeten Kampfkraft und Siegeswillen zu signalisieren, um mehr Unterstützung zu erlangen.

    „Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gesagt, er habe große Erwartungen an die Entscheidungen dazu in den USA, Großbritannien und Frankreich. "Wir freuen uns auf starke Beschlüsse, die den gerechten Frieden näherbringen."
    Selenskyj bekräftigte am Sonntag auf X, dass die Beschränkungen für den Einsatz westlicher Waffen aufgehoben werden sollen. Russland habe auch keine Einschränkungen für den Einsatz seiner Raketen, deshalb müsse die Ukraine uneingeschränkte Fähigkeiten erhalten, argumentierte er. Allein in der vergangenen Woche habe der Aggressor 30 Raketen und 800 Gleitbomben auf die Ukraine abgefeuert.“

    (Standard, 11.8.)

    Der III. Weltkrieg kommt näher …

  2. „Die Situation in der Region Kursk am 10. August

    In der Nacht zum Samstag, dem 10. August, griffen die Besatzungen der Su-30SM und Su-35S der Luft- und Raumfahrtstreitkräfte (VKS) der Russischen Föderation »eine Konzentration von Soldaten und militärischer Ausrüstung« der Ukraine bei der Region Kursk an.

    »Der Angriff wurde auf Aufklärungsziele mit Fliegerbomben mit einem universellen Planungs- und Korrekturmodul durchgeführt. Nachdem die Besatzung vom der militärischen Aufklärung die Bestätigung erhalten hatte, dass die Ziele zerstört worden waren, kehrte sie sicher zum Abflugplatz zurück«, heißt es in einer Erklärung des russischen Militärministeriums.

    Das Ministerium gab außerdem die Verluste der Streitkräfte der Ukraine (AFU) in Richtung Kursk bekannt. Den bereitgestellten Daten zufolge haben ukrainische Truppen allein in den letzten 24 Stunden in dieser Richtung bis zu 175 Militärangehörige und 36 gepanzerte Fahrzeuge verloren, darunter 21 gepanzerte Kampffahrzeuge, zehn Panzer, drei Feldartilleriegeschütze und einen BM-21 Grad Mehrfachraketenwerfer. Während der gesamten Dauer der Feindseligkeiten in Richtung Kursk verloren die ukrainischen Streitkräfte bis zu 1.120 Soldaten und 140 gepanzerte Fahrzeuge. Zu den Verlusten der ukrainischen Armee zählen 88 gepanzerte Kampffahrzeuge, 22 Panzer, sechs Feldartilleriegeschütze sowie der Raketenwerfer BM-21 Grad und zwei selbstfahrende Feueranlagen des Flugabwehrraketensystems (SAM) Buk M1.“

    Selbst wenn diese Zahlen übertrieben sind, so liegt es doch auf der Hand, daß aufgrund der russischen Luftüberlegenheit die vorstoßenden ukrainischen Truppen relativ ungeschützt sind.

    „Es wird darauf hingewiesen, dass Panzereinheiten der russischen Streitkräfte im Grenzgebiet der Region Kursk eingetroffen sind, um mobile Panzergruppen der ukrainischen Streitkräfte zu zerstören. »Die Panzerbesatzungen sind vollständig auf den Kampfeinsatz und das Beschießen des Feindes sowohl mit direktem Feuer als auch aus indirekten Feuerpositionen vorbereitet«, heißt es in der Erklärung.“

    (KP, 10.8.)

  3. „Kiew hofft vergeblich, dass die »Nördlichen« aus Richtung Charkow nach Kursk verlegt würden

    Der Leiter der militärisch-zivilen Verwaltung der Region Charkow, Vitaly Gantschev, deutete an, dass das Kommando der ukrainischen Armee mit einem Angriff aus der Region Sumy auf Kursk versucht, russische Streitkräfte aus der benachbarten Region Charkow abzuziehen, wo ukrainische Streitkräfte nicht in der Lage sind, zuvor von russischen Streitkräften besetzte Dörfer zurückzuerobern.

    »Radio Komsomolskaja Pravda« rief Vitaly Gantschev, den Chef der regionalen Militärverwaltung, an, um dieses Thema mit ihm zu besprechen.

    RKP: Es gab Informationen darüber, dass die Einheiten, die in die Region Kursk einbrechen, von Kiew von der belarussisch-ukrainischen Grenze aus verlegt wurden und ihre Hauptaufgabe darin besteht, unsere Streitkräfte aus Ihrer Region abzuziehen?“

    Aha, von dort wurden sie angeblich abgezogen.
    Warum waren sie eigentlich dort?
    Es gab wiederholtermaßen Alarm, daß ein Angriff von Weißrußland erfolgen würde, der von Lukaschenko stets kategorisch dementiert wurde.
    Offenbar wurden unter diesem Vorwand dort Truppen konzentriert und für den Angriff nach Kursk vorbereitet, ohne daß die russische Aufklärung den Braten gerochen hätte.

    „VG: Ja, man kann davon ausgehen, dass diese gesamte Aktion mit dem Durchbruch ukrainischer Einheiten in das Gebiet der Region Kursk zunächst genau darauf abzielte, unsere Kräfte aus anderen Richtungen, insbesondere aus Charkow, abzuziehen, wo die täglichen Verluste der ukrainischen Streitkräfte mehrere hundert Menschen betragen. Dies lässt sich beispielsweise am Sektor Woltschansk ablesen, wo die ukrainischen Streitkräfte keine Siege erringen konnten.
    Eines der Ziele des ukrainischen Durchbruchs in dieser russischen Region war die Hoffnung des Kommandos der ukrainischen Armee auf eine bedeutende Verlegung unserer Einheiten nach Kursk aus anderen Gebieten der Ukraine-Front, in denen es für die Streitkräfte der Ukraine schlecht läuft.

    RKP: Die Hoffnungen der Kiewer Strategen waren nicht berechtigt?

    VG: In diesen Tagen sehen wir, dass in Richtung Charkow, wo die Truppen der Gruppe »Nord« operieren, die Intensität der Kämpfe nicht nachlässt. Und wir verlegen keine Leute von hier irgendwohin.
    Das ukrainische Kommando ist sich auch objektiv bewusst, dass sie hier nicht nur keinen Erfolg sehen, sondern daß für sie alles nur noch schwieriger wird. Ob in Woltschansk oder Liptsy, die ukrainischen Angriffe bringen ihnen nichts. Und das, obwohl sie einen Großteil ihrer Reserven von überall her in diese Gebiete verlagert haben.

    RKP: Muss Kiew zumindest irgendwo, zumindest teilweise, zumindest einen kleinen »Sieg« vorweisen?

    VG: Wenn sie bei ihren Angriffen in der Region Charkow jeden Tag kolossale Verluste erleiden, kann das nicht als Sieg verkauft werden. Und nun versuchen sie seit mehreren Tagen, einen »schnellen Sieg« im russischen Grenzgebiet zu erringen.“

    Die Invasion in russisches Territorium hat also zwei Ziele: Erstens, gegenüber dem Westen Kampffähigkeit zu demonstrieren und zweitens andere Fronten zu entlasten.
    Ersteres ist vor allem wichtig wegen der weiteren Unterstützung:

    „Für einen Bericht an westliche Kuratoren könnte ein solcher Durchbruch geeignet sein, damit die Hilfe für Kiew nicht aufhört.

    RKP: Welche Verstärkungen kommen jetzt zu den ukrainischen Einheiten an der Front in der Region Charkow?

    VG: Wir sehen diejenigen, die heute an die Kampflinie kommen – und wir können nicht sagen, dass es sich um schlecht motivierte oder schlecht ausgebildete Kämpfer handelt, das ist nicht so. Wir sehen oft westliche Söldner – sie werden von Einwohnern gesehen, die aus der Region Charkow evakuiert wurden. Sie hörten die englische, französische und polnische Sprache.
    Kiew schickt auch Eliteeinheiten, Spezialeinheiten, an die Front in der Region Charkow. Die »Kraken«-Abteilung wurde zuvor als Sperrabteilung eingesetzt, um den Rückzug der eigenen Einheiten zu verhindern, doch nun wurden sie tatsächlich in die Schlacht geworfen.“

    (KP, 9.8.)

    Interessant.
    Die nationalistisch motivierten und auch aus privaten Quellen unterstützten und deshalb sehr gut ausgestatteten Truppen werden hinter der Front stationiert, um einen Durchbruch des Gegners, erzeugt durch Fluchtwellen der eigenen Truppen, zu verhindern.
    Die „Kraken“-Soldaten richten also die Gewehre auf die weniger motivierten zwangsmobilisierten Soldaten.

  4. Hier ist wieder jemand, der den ganzen Angriff kleinredet:

    „Angeberei aus Verzweiflung und die letzten Reserven Kiews:
    Ein Experte gab eine Prognose über die Entwicklung der Lage in der Region Kursk ab

    Warum sind die Streitkräfte der Ukraine in die Region Kursk einmarschiert und wann werden sie von dort vertrieben?
    Alexej Podberjozkin, Direktor des Zentrums für militärisch-politische Studien, Professor am MGIMO, sprach darüber im Radio Komsomolskaja Pravda.

    Warum Kursk?

    KP: Der Generalstabschef hat keinen Zeitrahmen für die Abwehr des Feindes genannt, aber was denken Sie?

    AP: Er sagte, dass wir die Gruppe besiegen würden, natürlich ohne Angabe eines Zeitrahmens. Es hieß, der Durchbruch sei gestoppt worden, es wurde jedoch nicht angegeben, wie tief der Durchbruch bereits gegangen sei.

    KP: Spielt das jetzt eine wichtige Rolle?

    AP: Nicht so groß. Wir haben zuvor gesagt, dass die Verteidigung Kiews an der Front zusammenbricht, “

    – damit ist ausgedrückt, daß Rußland auf einen Zusammenbruch der Front hofft und nicht damit rechnet, Abschnitt für Abschnitt weiter Richtung Kiew vorrücken zu müssen –

    „aber es sind immer noch Reserven übrig – allerdings für nicht mehr als eine »Gegenoffensive« von relativ begrenztem Umfang. Aus diesem Grund konnte Zelenskij einige Kräfte in der Region Sumy konzentrieren, um die Region Kursk anzugreifen.“

    Ob es wirklich Zelenskij war, der diese Idee hatte und ihre Umsetzung befahl?

    KP: Warum dort?

    AP: Dies ist einer der wenigen Orte, an denen die Streitkräfte der Ukraine etwas ausrichten konnten. In anderen Richtungen – im Süden, in der zentralen Richtung, im Norden bei Charkow – ist der Zustand der russischen Verteidigung recht dicht. Kiew nutzte eine Krümmung der gesamten Front nach Osten – das war günstig für die Konzentration ihrer Reserven. So gelang es den ukrainischen Streitkräften, einige Ressourcen zu konzentrieren.

    Welcher Anzahl von Soldaten stehen wir gegenüber?

    KP: Zur Anzahl der gegnerischen Streitkräfte liegen unterschiedliche Angaben vor.

    AP: Was die Streitkräfte der Ukraine bis zum 8. August in der Region Kursk aufgeboten haben, ist eine verstärkte motorisierte Infanteriebrigade.“

    Eine Brigade kann zwischen 1500 und 5000 Mann umfassen, da ist viel Spielraum.

    „Ja, eine Brigade mit vielen gepanzerten Fahrzeugen. Die Frage ist, wie viele Reserven Kiew ihnen noch zur Verfügung stellen wird. Und für welche Bereiche? Bisher sprechen wir hauptsächlich über Sudzha und seine Gasverteilungsstation. Aber auch wenn dieses spezielle Gashahn als Hauptziel des Angriffs bezeichnet wird, glaube ich nicht, dass es das Hauptziel war, Aber ja, es liegt sehr nahe an der Grenze.“

    Damit soll offenbar ausgedrückt werden, daß die ukrainischen Streitkräfte daran praktisch nicht vorbei konnten, aber ihre Ambitionen über Sudzha hinausgehen.

    „KP: Zwei Bezirke der Region Kursk wurden angegriffen … “

    Das war vor 3 Tagen, inzwischen sind es mehr.

    „AP: Dies ist ein Brückenkopf, an den Kiew in seiner Verzweiflung seine verbleibenden Reserven wirft. Das erinnert an die Situation Ende April und Anfang Mai 1945 in Deutschland, als das Reich seine letzten Reserven sammelte und zum Durchbruch nach Berlin stürzte …“

    Diesen Vergleich kann man als Propaganda abtun, aber dergleichen Vergleiche sind im Augenblick in Rußland beliebt, die alle auf den baldigen Zusammenbruch der ukrainischen Front hindeuten sollen.

    „So ist es hier. Ja, zusätzlich zu dieser Brigade können sie mehrere Bataillone aufstellen.“

    Ein Bataillon umfaßt zwischen 300 und 1200 Mitgliedern, auch hier ist die Auskunft relativ schwammig.

    „So viele konnten sie in der Nähe der Front konzentrieren. Deswegen bombardieren unsere Luft- und Raumfahrtstreitkräfte genau ihre Konzentrationszonen in der Region Sumy.
    Die Ukrainer können möglicherweise 5 bis 7 Bataillonsgruppen aufstellen.“

    Das wären ja immer noch zwischen 1500 und 8000 Mann.

    KP: Hat dieses Aufmarschgebiet an der Grenze militärische Bedeutung?

    AP: Kein militärische. Aber Kiew musste zeigen, dass die ukrainischen Streitkräfte nicht nur ihre Kampffähigkeit, sondern auch die Angriffsfähigkeit behalten. Wichtig war ihnen die mediale Wirkung: Das Territorium wurde besetzt, die ukrainische Flagge wurde aufgehängt – das ist alles. Unsere Aufgabe ist insofern schwieriger, als wir unsere Reserven im Gegensatz zu den Ukrainern, die Bataillone direkt entsenden, aus der Ferne heranrücken müssen.

    Wie geht die Sache aus?

    KP: Wann wird sich die Lage klären?

    AP: Es sollte bis zum Ende der Woche klar sein.“

    Ist es aber nicht.

    Meine Prognose ist, dass es sich um eine einzelne Operation handelt, die für Kiew politische, aber keine militärische Bedeutung hat. Außer vielleicht dem Wunsch, unseren Druck auf die Hauptabschnitte der Front – in der Mitte und im Süden – zu schwächen.
    Die Operation ist terroristischer Natur.“

    Damit ist ausgedrückt, daß hier Angst und Schrecken verbreitet und auch einiges zerstört wird, sie aber kein klares militärisches Ziel hat.

    „Bisher war dies jedoch nicht durch eine Brigade geschehen, sondern durch einzelne partisanenartige Störtrupps, wie in der Region Belgorod. An der Front operieren inzwischen nicht einmal Bataillonsgruppen in bestimmten Gebieten, sondern bloß Kompanien oder Züge. Auch Gruppen von 7 bis 15 Personen, unterstützt von einem Panzer, Schützenpanzer oder Schützenpanzerwagen, bewegen sich dort.“

    Es ist nicht klar, auf welchen Frontabschnitt er sich bezieht. Auf den Kursker oder andere Abschnitte der sehr weitläufigen Ukraine-Front?

    KP: Aber hier sind eine Menge Menschen und Geräte auf einer beträchtlichen Fläche versammelt?

    AP: Sie konnten 5, 7 oder sogar 10 km vordringen und diesen Grenzabschnitt für kurze Zeit in eine Grauzone verwandeln.
    Aber ich glaube nicht, dass die ukrainische Seite irgendeinen superstarken Widerstand leisten wird, wenn sie regelmäßig und intensiv von der Luftfahrt mit FABs und Haubitzen mit MLRS trainiert wird. Sie müssen sich einfach zurückziehen, um keine sehr kritischen Verluste zu erleiden.“

    (KP, 9.8.)

    Man hat den Eindruck, daß der Militärexperte selbst etwas genervt ist, weil die KP seine Schönwetter-Prognosen nicht so recht glauben will.

  5. „Zunächst sei am 6. August eine verstärkte taktische Bataillonsgruppe der Streitkräfte der Ukraine mit Unterstützung elektronischer Kriegsführung und Luftverteidigungssystemen in die Region Kursk eingedrungen und habe in großer Zahl Aufklärungsaktionen durchgeführt, sagt (unser Militärexperte Hauptmann 1. Ranges in der Reserve) Wassilij Dandykin. Die Gruppe, die die Staatsgrenze abdeckte, versuchte sie aufzuhalten – Truppen des Hinterlandes,  Grenzschutzbeamte, Nationalgarde und Militäreinheiten, die mit Wehrpflichtigen besetzt waren.
    Diese Grenzsoldaten hatten nur leichte Kleinwaffen, obwohl es … höchste Zeit gewesen wäre, sie … mit schweren Waffen auszurüsten. Nicht einmal Granatwerfer hatten sie. Sie leisteten tagelang Widerstand gegen den Feind, so gut sie konnten. Dann kamen die Hauptkräfte aus der Ukraine.“

    Die Hinterland-Truppen waren also schlecht ausgestattet, obwohl sie sich an einer Grenze mit einem Land befanden, mit dem Rußland Krieg führt.

    „Der Experte geht davon aus, dass die ukrainischen Streitkräfte mehrere tausend Menschen für die Offensive versammelt haben.
    »Darüber hinaus wählten sie die erfahrensten und am besten ausgebildeten Militanten aus, die Erfahrung mit Strafoperationen hatten und seit 2014 gekämpft hatten. Sie versammelten Mistkerle aus verschiedenen Brigaden. Sie wurden sozusagen abkommandiert. Es war ihnen egal, auf wen sie schossen … Azovzy, georgische Söldner, Polen und russischer Neo-Wlassow-Abschaum kamen in die Region Kursk.«“

    An dieser Aufzählung der besonders motivierten Kämpfer fällt auf, daß diese Leute aus anderen Brigaden abgezogen wurden.
    Fehlen sie dort nicht?

    „Wie Dandykin weiters ausführt, haben die Streitkräfte der Ukraine Artillerie gesammelt und die Luftverteidigung in dieses Gebiet verlegt.

    Mehrere 1000 Leute dorthin verlegt, dazu schweres Gerät und Panzer – und auf der anderen Seite hat das niemand gemerkt?

    „Wir haben dort ihre Buk-Flugabwehrsysteme abgedeckt. Sie verfügten über jede Menge tragbare Flugabwehrraketensysteme.
    Ukrainische Truppen drangen ein und konnten Fuß fassen.“

    Diese Sätze zeugen von der Verwirrung, die um den Einfall der ukrainischen Soldaten entstand. Was haben die Abwehrsysteme der Ukrainer mit ihrem Vormarsch zu tun?

    „Als nächstes folgte der Bericht des Generalstabschefs Valerij Gerasimov an den Oberbefehlshaber über die Lage in der Region. Der Generalstabschef versicherte, dass der Feind besiegt sein und unsere Truppen die Staatsgrenze erreichen würden. Zunächst wurden bloß Aufnahmen von Gerasimovs Bericht gezeigt. Ich denke, das ist kein Zufall.“

    Natürlich nicht.
    Beruhigung war angesagt, gerade angesichts der äußerst beunruhigenden Lage, für die einige Leute verantwortlich waren.

    „Wassilij Dandykin glaubt, dass sich die ukrainischen Streitkräfte schon seit längerem auf einen Durchbruch vorbereiten. »Jetzt stellt sich heraus, dass auf der russischen Seite Agenten arbeiteten.« Viele Ukrainer haben Verwandte, die in Dörfern nahe der Grenze leben. Höchstwahrscheinlich gab es Informanten.

    Wie Dandykin sagt, berichtete unsere Aufklärung über die Anhäufung ukrainischer Formationen unweit der Grenze in den Regionen Sumy und Charkow.“

    Oh, tatsächlich?!
    Und?

    „Diese Formationen wurden angegriffen. Doch mit einem derart dreisten Einsatz der ukrainischen Streitkräfte im Grenzgebiet Kursk war wohl einfach nicht zu rechnen.“

    Warum nicht? Immerhin ist Krieg, auch wenn er immer noch Sonderoperation heißt …

    „Sie glaubten nicht, dass sie das tun würden, dass sie diesen Rubikon überschreiten würden. Darüber hinaus sprach Zelenskij immer wieder über den Frieden und die bevorstehenden Verhandlungen.“

    Schön blöd, muß man sagen. Warum sollte die russische Staatsgrenze ein „Rubikon“ sein?
    Sonst wird Zelenskijs Gerede in russischen Medien immer als Heuchelei entlarvt, jetzt wurde ihm auf einmal geglaubt?

    „Wassilij zufolge … wolle Kiew seine »Fähigkeit« unter Beweis stellen. Vor dem Hintergrund der Misserfolge im Donbass gilt es zu beweisen, dass sie zu etwas fähig sind. Vor dem Hintergrund eines drohenden Zahlungsausfalls müssen sie ihren westlichen Partnern so viel Geld wie möglich entlocken. Und natürlich hofften sie, nicht nur in unseren Grenzgebieten, sondern auch darüber hinaus Panik zu säen.

    Das feindliche TsIPSO (»Zentrum für Informations- und psychologische Operationen), die ukrainische Propaganda-Abteilung, nahm sich sofort der Angelegenheit an.
    Diese Einheiten der ukrainischen Spezialeinheiten ähneln den Propagandafirmen der Wehrmacht im nationalsozialistischen Deutschland, die über Filmkameras und eigene Druckereien verfügten. Sie bearbeiteten unter anderem die Zivilbevölkerung. Im Oktober 1941 wurde allen mitgeteilt, dass die Deutschen bereits in Moskau seien. Davon erzählten mir Bewohner der Region Brjansk, die den Krieg überlebt hatten.
    Und die Propagandaspezialisten von TsIPSO setzen jetzt Fake News am laufenden Band in die Welt. Sie versuchen, Panik zu schüren, indem sie falsche Nachrichten in die Welt setzen.

    Im Augenblick scheint zu genügen, die Wahrheit zu berichten – also das, was es auch bis in das russische Fernsehen schafft.

    „Das russische Militär setzt nun alles daran, die Grenzregion Kursk von den ukrainischen Streitkräften zu befreien. Unsere Angriffstruppen sind in Gefechte mit den ukrainischen Streitkräften verwickelt. Wir werfen alles in die Schlacht, was wir haben. Darüber hinaus ohne große Abzüge von den (anderen) Fronten.“

    Also werden doch Soldaten von woanders abgezogen.

    „Spezialeinheiten wurden in die Gegend verlegt … Dandykin erinnert daran, daß infolge eines Nachtangriffs mit einer Iskander-Rakete auf den Kommandoposten der ukrainischen Streitkräfte in der Region Charkow 3 stellvertretende Chefs des ukrainischen Generalstabs, die an der Entwicklung der Operation Sudzha beteiligt waren, … getötet wurden.

    Wassilij Dandykin glaubt, dass unsere Truppen die ukrainischen Streitkräfte letztendlich aus der Region Kursk vertreiben werden. »Und dann müssen wir eine vollwertige Sanitärzone schaffen. Meiner Meinung nach sollten im Laufe der Verhandlungen die Gebiete, die an Russland gehen sollten, zunehmen. Dazu sollten die Region Tschernihiw, Sumy, Odessa, Nikolaev und Dnepropetrowsk gehören. Dies wird der Sicherheitsstreifen sein.«“

    (MK, 11.8.)

    Der Hauptmann der Reserve schäumt über diesen Überfall auf die Region Kursk, der die russische Seite offenbar deshalb überrascht hat, weil sie aus einem Gefühl der Überlegenheit dergleichen für unmöglich gehalten haben, wie es scheint.

    Übrigens hält der ORF-Korrespondent in Kiew die Aktion für militärisch nicht sehr schwerwiegend, und man kann annehmen, daß diese Ansicht auch in westlichen Militärkreisen vorherrscht.

  6. Aus einem Interview mit dem tschetschenischen General Alaudinov, dessen Spezialeinheit hierher verlegt wurde:

    „Aus einigen unserer Sektoren, in denen die Kommandeure mit Aufschneidereien beschäftigt waren, entfernte der Feind in aller Ruhe Einheiten, sie wurden hierher verlegt und beschäftigten sich mit den Vorbereitungen.“

    Es wurden also ukrainische Truppen von den Frontabschnitten abgezogen, aber dieser Abzug wurde von den russischen Befehlshabern als Erfolg nach oben gemeldet – wir haben so und so viele Feinde vernichtet –, anstatt die Tatsache des Abzugs zur Kenntnis zu nehmen und daraus Schlüsse zu ziehen.

    „»Man muss ihnen (den Ukrainern) zugute halten, dass ihre Vorbereitung sehr gründlich war. Wir werden in den kommenden Wochen viel zu tun haben.«“

    Der tschetschenische General rechnet also in Wochen, um die Situation zu klären.

    „Zum Verständnis des Gesagten: »Es gibt ziemlich viele Feinde. Auf jeden Fall sind es Tausende, denn die Menge an Ausrüstung, die unsere Einheiten in diesen Tagen verbrannt haben, deutet wirklich darauf hin, dass sich der Feind sehr ernsthaft auf diese Aktion vorbereitet hat.“

    Zusätzlich stellte sich heraus, daß es auf der russischen Seite – genau wie auf der ukrainischen – eine Menge Leute gab, die sich mit Aufträgen zum Bau von Verteidigungsanlagen bereicherten, aber keinen Stein hinlegten.

    (MK, 11.8.)

  7. Inzwischen setzt sich auch in westlichen Medien der Tenor durch, daß diese Aktion der Ukraine militärisch eher kontraproduktiv war. Und zwar, weil die dort eingesetzten hochmotivierten Truppen an anderen Fronten fehlen. In diese Kerbe schlagen die New York Times, die britische Times, die Bild-Zeitung, der ORF.

    Laut KP vermeldet die Londoner Times, daß die Aktion eine Idee Zelenskijs war, der die Heeresführung lange bearbeitet und bedrängt hat, diesen Angriff anzugehen. Auch die Times meldet, daß die westlichen Bündnispartner in die Pläne nicht eingeweiht waren.

    Die New York Times hält sich mehr bei der Illusion Zelenskijs auf, daß dieser Angriff die anderen Fronten entlasten würde und meint, das sei weder bei Torezk, noch bei Tschasov Jar noch bei den Angriffen Richtung Pokrowsk zu beobachten.

    Julian Röpke von Bild fragt gar: „Trotz der allgemeinen Euphorie verstehe ich die ukrainische Strategie immer noch nicht. Wenn Sie wirklich über 5.000 frische Soldaten und Ausrüstung verfügen, warum durchbrechen Sie dann nicht die russische Front in Charkow, Lugansk, Donezk oder Zaporozhje?“

    Alle diese Reaktionen – bis auf den ORF – erhalte ich über die Komsomolskaja Pravda, weil die Originale allesamt hinter Bezahlschranken verschwinden, was eine bedenkliche Entwicklung ist.

    Der irische Journalist Chay Bowes behauptet mit Berufung auf spezielle Quellen auf X, daß Kiew bereits wieder Hilfeschreie Richtung Westen schickt, weil so viel militärisches Gerät bei der Aktion draufgegangen ist.

  8. Die Webseite https://archive.ph bietet gespeicherte Artikel aus so gut wie allen Medien an, häufig auch Artikel, die hinter Bezahlschranken liegen. Bei großen Tageszeitungen zumeist innerhalb weniger Stunden nach Erscheinen.

  9. „Zelenskij riskiert seinen höchsten Einsatz auf russischem Boden, um die Initiative im Krieg zurückzugewinnen …

    Mechanisierte und Sturmeinheiten von 5 bis 8 Brigaden mit einer Gesamtstärke von 6.000 bis 15.000 Soldaten – nach Schätzungen von Experten – starteten am 6. August eine Operation, die es ihnen ermöglichte, mehr als 1.000 Quadratkilometer der russischen Provinz Kursk zu besetzen.“

    Die Provinz Kursk hat 30.000 Quadratkilometer.
    Die Einschätzung der westlichen Militäärexperten liegt höher als die der russischen.
    Woran das liegt, wird sich vermutlich auch erst herausstellen.

    „Die vom Kommandeur der ukrainischen Streitkräfte, Oleksander Syrskij, bereitgestellten Daten wurden von den Kursker Behörden auf 480 Quadratkilometer reduziert. (…)“

    Was stimmt jetzt?
    Die Wortwahl des Autors läßt Interpretationsspielraum, neigt jedoch zu den russischen Zahlen.
    Oder aber, in kurzer Zeit wurde mehr als die Hälfte zurückerobert.

    „Der ukrainische Präsident Wolodymyr Zelenskij hat diese Maxime (Angriff auf eine Atommacht ist riskant) auf die Probe gestellt, indem er die Kontrolle über 28 russische Dörfer – nach russischen Angaben –  übernommen hat.
    Die Kriegsanalysegruppe Deep State Map erhöht die Zahl auf mindestens 44.
    Zelenskij versicherte an diesem Dienstag, dass es bereits 74 russische Ortschaften unter ukrainischer Herrschaft gebe.“

    Das Herumgetue mit der Atombombe ist lächerlich. Rußland würde nie eine Atombombe auf die Ukraine werfen, das ist zu nahe der eigenen Grenze.
    Schon das Erwähnen der „Atommacht Rußland“ in Zusammenhang mit dieser lächerlichen kleinen Invasion ist ein Teil der Propaganda gegen Rußland, der diesem Staat und seiner Führung Berechenbarkeit und Vernunft abspricht.
    Was die Anzahl der Ortschaften betrifft, so kann man die 74 Stück getrost als Propaganda abtun.

    „Eine Aktion zur Invasion fremden Territoriums kann nur mit Zustimmung des Präsidenten durchgeführt werden. »Selenskys Fingerabdrücke können während der gesamten Operation identifiziert werden. In Kiew war es monatelang ein offenes Geheimnis, dass der Präsident seine Militärchefs dazu drängte, eine Sommeroffensive zu starten«, schrieb Michael Clarke, Professor für Verteidigungsstudien am King’s College London, am 10. August in der Times.

    »Zelenskij versucht verzweifelt, das Narrativ umzukehren, dass die Ukraine den Krieg verliert«, fügte Clarke hinzu, »und versucht, diese Dynamik zu stoppen oder umzukehren.«
    Diese militärische Strategie ist sein Stil, gewagt und riskant. »Es ist zweifellos riskant, denn seit 1941 ist in Rußland nicht einmal einen Meter seines Territoriums angegriffen worden.«“

    Das stimmt nicht, die Ukraine hat wiederholt Belgorod angegriffen, allerdings nicht mit solcher Wucht.

    „»Die Bilder aus Kursk werden die russische Bevölkerung schockieren und die Auswirkungen könnten für den Kreml schwer zu bewältigen sein.«“

    Das sind propagandistische Textbausteine, die seit dem Beginn der russischen Invasion immer wieder aus der Schublade geholt werden.
    Bei jeder Niederlage oder bei größeren Verlusten heißt es immer: „Putins Sessel wackelt, bald fällt er um!“

    „Michael Kofman und Dara Massicot, Forscher des Carnegie Endowment for International Peace, gaben am 10. August auf der Website von War on the Rocks an, dass die Operation in Kursk aufgrund der eingesetzten Waffen, des Überraschungsfaktors und der Geschwindigkeit des Vormarsches an die Gegenoffensive im Jahr 2022 erinnert, die die von russischen Truppen besetzte Provinz Charkiw befreite.“

    Da soll dem Wunschdenken Ausdruck verliehen werden, es könnten sich ähnliche Erfolge einstellen.

    Beide Experten stimmen mit der Einschätzung überein, die Igor Romanenko, ukrainischer Generalleutnant in der Reserve, gegenüber EL PAÍS vorbringt: Das Versagen der russischen Geheimdienste sei eklatant, denn es sei undenkbar, daß die Ansammlung ukrainischer Streitkräfte an der Grenze nicht erkannt worden sei.
    »Sie sagen, dass der russische Geheimdienst diese Kräfte entdeckt hätte, aber die Informationen über die Situation von General Waleri Gerassimow Putin nicht übermittelt wurden«, erklärt Romanenko …“

    Na und? – muß man fragen. Die Lage wurde eben falsch eingeschätzt. Warum, das wird sich schon noch herausstellen, ist aber angesichts der derzeitigen militärischen Lage zweitrangig.

    „Die beiden Forscher gehen davon aus, dass ein solcher Fehler unter normalen Umständen zur Entlassung von Gerasimov oder General Aleksander Lapin, dem Kommandeur in Kursk, führen müsste.“

    Die „Forscher“ wollen also jetzt der russischen Führung nahelegen, was sie zu tun hätte.

    „Die Experten des Carnegie Endowment fügen hinzu, dass Lapin es versäumt habe, die Verteidigungsanlagen an der Grenze zu verstärken, eine Taktik, die es Moskau seit 2023 an der Front ermöglicht, den Vormarsch der Ukraine in die besetzten Gebiete zu verhindern.“

    Die Forscher wissen, was Rußland hätte machen müssen!
    Rußland rechnete eben nicht mit dieser Invasion – die ja, wie gesagt, militärisch eher als Fehleinschätzung der Ukraine angesehen wird.

    „Quellen des ukrainischen Verteidigungsministeriums haben über The Times verlautbart, daß Kiew mit harten russischen Vergeltungsmaßnahmen rechnet, einschließlich der Möglichkeit einer Bombardierung des Kiewer Regierungsviertels.
    Putin zeigte sich bei seinen Fernsehauftritten in den letzten Tagen irritiert. »Der Feind wird mit Sicherheit die Antwort erhalten, die er verdient, und alle unsere Ziele werden zweifellos erreicht«, sagte der russische Präsident am Montag.

    Putins Zorn konzentrierte sich auf Kiews Verbündete, denen er vorwarf, sie führten einen Krieg gegen Russland mit der Ukraine als Speerspitze.“

    Das stimmt ja auch, aber nicht erst seit dem ukrainischen Einfall in Kursk – der übrigens auch die Verbündeten der Ukraine leicht irritiert hat.

    „Die ukrainischen Brigaden haben die Veröffentlichung von Bildern von auf russischem Boden operierenden gepanzerten Infanteriefahrzeugen der NATO und dem Einsatz amerikanischer HIMARS-Mittelstreckenraketen nicht verhindert.
    El País gegenüber gemachte Aussagen von Zeugen an der Grenze zwischen der ukrainischen Provinz Sumi und Kursk bestätigen den Flug von F-16-Kampfflugzeugen, die kürzlich von Ländern der Atlantischen Allianz geliefert wurden, in das Gebiet.“

    Na ja, der Westen liefert, die Ukraine setzt das Zeug ein.
    Aber das kann man langsam wirklich als eine Kriegserklärung an Rußland werten – sofern man will.
    Wer das am meisten betreibt, ist die ukrainische Führung, die die NATO zum direkten Eingreifen nötigen will.

    „Erst im Juni genehmigten die westlichen Partner der Ukraine den Einsatz ihrer Waffen auf russischem Boden, in den Grenzregionen, von denen aus der Eindringling gegen ukrainisches Territorium vorging.
    Nach mehr als zwei Jahren Veto fiel die Entscheidung aufgrund der russischen Offensive im vergangenen Mai nördlich von Charkow. Dennoch verbieten sowohl das Vereinigte Königreich als auch die USA weiterhin den Abschuss ihrer Langstreckenraketen auf russischen Boden.“

    Noch.

    „Alexander Graef, Forscher am Institut für Friedens- und Sicherheitspolitik in Deutschland, bemerkt (…) gegenüber El País, dass sich die Verbündeten der Ukraine in einem komplexen Dilemma befinden: »Die Partner der Ukraine stehen unter Druck: Einerseits können sie annehmen, daß eine Operation [wie in Kursk] dazu dienen kann, Rußland aus der Ukraine zu vertreiben, aber andererseits wollen sie nicht, dass sich der Krieg geografisch ausbreitet.“

    Vor allem – wohin?

    „Den russischen Vormarsch stoppen

    Roman Kostenko, … Abgeordneter der Holos-Partei, erklärte diesen Montag gegenüber Espreso, dass die Operation in Kursk das Ergebnis der Unfähigkeit Kiews sei, den Feind bei seinem Vormarsch auf die Stadt Pokrowsk in der Provinz Donezk und auf die Stadt Kupiansk in Charkow aufzuhalten. »In Kursk haben wir dem Feind unsere Militäraktionen aufgezwungen und jetzt sind sie gezwungen, etwas zu tun«, meint Kostenko, »vergessen wir nicht, dass wir Tausende von Kilometern gemeinsame Grenze haben, wo wir ähnliche Aktionen durchführen können, und und um sie verhindern, muß der Feind Truppen mobilisieren oder in andere Richtungen verlegen.«“

    Man fragt sich, warum der Vormarsch in Pokrowsk und Kupiansk nicht gestoppt werden kann, aber für solche Ablenkungsmanöver dann 6000 oder mehr Soldaten zur Verfügung stehen?

    „Rußland hat seit diesem Frühjahr bei seinem Angriff auf Pokrowsk, eine der wichtigsten ukrainischen Verteidigungsstädte in der Provinz Donezk, Gas gegeben.
    Das Zentrum für Verteidigungsstrategien, ein ukrainischer militärischer Think Tank, sagte am Montag in einem Bericht, dass Russland die Intensität seiner Angriffe in der Ostukraine bereits »leicht reduziert« habe.
    Ein Sprecher der 32. Separaten Mechanisierten Brigade bestritt am Dienstag, dass im Sektor Torezk nördlich der Stadt Donezk irgendwelche Abschwächung der russischen Angriffe zu bemerken wären.
    Romanenko gab an, dass der Eindringling höchstwahrscheinlich seine Truppen aus dem Sektor Charkow abziehen werde.

    Kofman betonte, dass es ein großer Erfolg für die Operation in Kursk wäre, wenn Russland den Vormarsch in Richtung Pokrowsk stoppen würde, fügte jedoch hinzu, dass die ukrainische Armee auch Kräfte, die sie in Donezk hatte, für den Angriff auf russisches Territorium verlegt habe.
    Weder Romanenko noch Graef sehen, dass die Ukraine über genügend Truppen verfügt, um noch lange auf russischem Boden zu bleiben. »Je länger die Ukraine auf russischem Territorium ausharrt, desto problematischer wird die Lage für Präsident Putin«, sagt Graef.“

    Eine ziemlich leere Hoffnung, siehe weiter oben.

    „»Wenn andererseits die ukrainischen Streitkräfte in den kommenden Wochen vertrieben werden, kann Putin das Ergebnis seiner Bevölkerung als Erfolg präsentieren.«“

    Das kommt der Sache schon näher.

    „Ruslan Trand, Verteidigungsexperte beim Atlantic Council, schrieb am Montag in seinem Blog De Re Militari, daß eine Möglichkeit zur Verstärkung des ukrainischen Einmarsches in Kursk darin bestünde, russische Putin-feindliche und Kiew-treue Gruppen einzubeziehen, die seit 2023 zwei Militäreinsätze zur Destabilisierung in den Provinzen Belgorod und Brjansk durchgeführt haben.“

    Es dürfte gute Gründe für die ukrainische Militärführung geben, diese Gruppen, soferne es sie überhaupt noch gibt, nicht einzusetzen.
    Erstens sind sie militärisch unbrauchbar und haben auch bisher eher Partisanenaktionen durchgeführt. Zweitens sind sie auch von ihrer Anzahl her unbedeutend.
    Drittens aber – deshalb hört man schon länger nichts von ihnen – könnten sie vom russischen Geheimdienst unterwandert worden sein, oder es besteht zumindest der Verdacht, sodaß ihnen von ukrainischer Seite mit Mißtrauen begegnet.

    „Kofman glaubt, dass die Kontrolle Kiews über Gebiete von Kursk für zukünftige Verhandlungen über einen Waffenstillstand und den Abzug der russischen Truppen dienen kann.
    Graef hält diese Vision nicht für realistisch, da es höchst unwahrscheinlich sei, dass die Ukraine ihre Stellungen auf feindlichem Gebiet halten werde und weil Russland »niemals über etwas verhandeln werde, solange sein Territorium besetzt sei«. Graef ist allerdings der Ansicht, dass die anhaltenden ukrainischen Angriffe in russischen Grenzgebieten »zeigen, dass es in diesem Krieg Schwachstellen auf beiden Seiten gibt, die den diplomatischen Dialog fördern können«.“

    Es dürfte eher umgekehrt sein: Kiew sieht sich verstärktem Druck ausgesetzt, doch zu verhandeln bzw. vermutet, daß hinter Zelenskijs Rücken bereits Verhandlungen geführt werden und möchte diese torpedieren. 

    (El País, 14.8.)

  10. In der Ukraine selbst sind auch nicht alle zufrieden mit der Kursk-Offensive:

    „Die bekannte Abgeordnete der Werchowna Rada Marjana Bezuglaja, die immer wieder für Skandale gut ist, kritisierte den Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Ukraine Alexander Syrskij für den Angriff auf die Region Kursk.

    Sie sprach auch darüber, was in letzter Zeit an der einzigen »offiziellen« Front passierte, –

    – sie meint damit die eher schwache Performance an den Fronten innerhalb der Ukraine –

    und brachte weitere Beschwerden gegen den General vor. Darüber schrieb Bezuglaja auf ihrer Seite im sozialen Netzwerk.

    Der Abgeordnete wies daraf hin, daß die Idee, militärische Operationen auf das Territorium der Russischen Föderation zu verlegen, schon vor langer Zeit entstanden sei und von den ukrainischen Sonderdiensten sowie dem damaligen Chef der Abteilung »Chortitsa« Syrskij, der damals an der östlichen Front tätig war, unterstützt worden sei. Doch der damalige Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Ukraine, Valerij Zaluzhnyj, war dagegen.

    Nach der Ablöse Zaluzhnyjs gewann der neue Oberbefehlshaber politischen Rückhalt und begann, die Operation ernsthafter zu planen. Gleichzeitig sei im Vorbereitungsprozess und aufgrund der autokratischen Führungsmethode, so Bezuglaja, etwas anderes etwas »vergessen« worden. Nämlich Ausfälle der ukrainischen Streitkräfte und Verluste in Richtung Donezk und Charkow.

    Bezuglaja erklärte, dass der »Operation Kursk« zahlreiche Risiken mit sich bringt. Sie warf Syrskij vor, daß die Luftangriffsbrigade aus Torezk abgezogen worden sei, Rotationen bei Pokrovsk zu katastrophalen Folgen für die ukrainischen Streitkräfte geführt hätten und die Verteidigung bei Donezk zusammengebrochen sei.

    Die Abgeordnete fügte außerdem hinzu, dass die Ukraine einen neuen Oberbefehlshaber brauche, der die Streitkräfte der Ukraine entwickeln werde.

    Zuvor hatte der Berater des Leiters des Büros des Präsidenten der Ukraine, Michail Podoljak, die politischen Ziele der Offensive der ukrainischen Streitkräfte in der Region Kursk geäußert. Er weigerte sich jedoch, militärische Ziele zu nennen.“

    (MK, 14.8.)

    Aus den Enthüllungen von Frau Bezuglaja kann man schließen, daß die ukrainische Führung auf Verstärkung durch NATO-Truppen hofft, andernfalls diese Operation tatsächlich zu einem schweren militärischen Rückschlag führen würde.

  11. „Ukrainische Militärkommandatur in Kursk errichtet

    Neuigkeiten aus Kursk: Die ukrainische Armee hat offenbar eine Militärkommandatur errichtet. Das berichtet Generaloberst Oleksandr Syrskyj in einem Briefing mit Präsident Wolodymyr Selenskyj, das dieser auf X geteilt hat. In der vergangenen Woche seien die ukrainischen Streitkräfte 35 Kilometer in die Region Kursk vorgedrungen und würden sich noch immer auf dem Vormarsch befinden – 1,5 Kilometer sollen es heute gewesen sein.

    82 Siedlungen und ein Gebiet von 1150 Quadratkilometern soll sich nun unter ukrainischer Kontrolle befinden, sagte Syrskyj. Er erklärte, dass er Generalmajor Eduard Moskaljow zum Leiter einer Militärkommandantur in dem von Kiew gehaltenen Teil Westrusslands ernannt habe.

    »Wir kommen in der Region Kursk voran. Es wurde eine Militärkommandantur geschaffen, die für Ordnung und alle Bedürfnisse der Bevölkerung sorgen soll«, so Syrskyj in einer schriftlichen Erklärung auf seinem Telegram-Kanal.“

    (Standard, 15.8.)

  12. „Zelenskijs letzter Trumpf: Wird Kiew beschließen, seine verbleibenden Reserven zu verbrennen?

    Experte Dandykin nannte die mögliche Richtung eines neuen Angriffs der ukrainischen Streitkräfte

    Der Einmarsch der ukrainischen Streitkräfte in die Region Kursk könnte ein Ablenkungsmanöver sein. Einigen Berichten zufolge hat das ukrainische Kommando noch nicht alle seine Reserven eingesetzt. Es gibt auch Reservebrigaden in Sumi, Tschernigow und in südlicher Richtung. (…)

    Die Lage in der Region Kursk hat sich, wie alle Militärbeobachter feststellen, stabilisiert. Der russische Generalstab bereitet offensichtlich eine gewaltige Operation vor, um die Gruppe der ukrainischen Streitkräfte zu besiegen und in die Region Sumi zu vertreiben.

    Die Verluste der ukrainischen Streitkräfte pro Tag beliefen sich auf mehr als 340 Menschen und mehrere gepanzerte Fahrzeuge. Die Gesamtverluste der ukrainischen Streitkräfte während der Kampfwoche belaufen sich auf 2.640 Menschen.

    Unterdessen stellen mehrere Beobachter fest, daß die Streitkräfte der Ukraine in Sumi Truppen vorbereiten. Vielleicht für eine weitere Invasion.
    25 westliche Militärspezialisten kamen hierher, darunter acht deutsche Geheimdienstoffiziere, der Rest waren Franzosen.“

    Man fragt sich, was diese Experten eigentlich dort wollen? Denken sie wirklich, sie seien schlauer als die ukrainische Militärführung?
    Oder koordinieren sie die Lieferung weiteren militärischen Geräts?

    „Darüber hinaus wurde in Sumi ein Hauptquartier eingerichtet, um die Aktionen der Streitkräfte der Ukraine in der Region Kursk und möglicherweise auch in den Regionen Belgorod und Brjansk zu koordinieren.

    Ausrüstung und Arbeitskräfte kommen aus der Westukraine und der Region Kiew in die Region Sumi. Wie ukrainische Quellen berichten, ist in der Region Kursk die Front den dritten Tag »eingefroren«. Das Einsatzgebiet der (…) ukrainischen Streitkräfte wurde erheblich verkleinert. Sie reduzierten ihre Aktivität und gingen zur Verteidigung der besetzten Linien über.

    Die russische Armee hingegen verstärkt ihre Anstrengungen zur aktiven Verteidigung und zur Gegenoffensive. (…) Die große Frage ist also: Wird sich Zelenskij dafür entscheiden, seine letzten Reservebrigaden einzusetzen, oder wird er sie im Falle unseres Durchbruchs verlassen?

    Der Militärexperte Wassilij Dandykin erinnerte in einem Gespräch mit MK daran, daß nicht wie zuvor berichtet, von ukrainischer Seite ca. 1000 Mann in die Region Kursk eingefallen sind, sondern viel mehr.
    »Ich verstehe nicht, warum wir geglaubt haben, daß nur 1000 Leute eingedrungen sind.«“

    Die russische Seite kennt eben auch Wunschdenken bzw. Kopf in den Sand …
    Zwischen Generalstabsplanern und örtlichen Kommandeuren neigte man offenbar dazu, die Sache hinunterzuspielen und die tschetschenische Feuerwehrbrigade einzusetzen.

    „Wie sich nun herausstellt, gab es in Wirklichkeit bis zu 15.000 feindliche Soldaten oder vier unvollständige Brigaden, von denen zwei Brigaden Elite-Luftangriffsbrigaden waren. Sie wurden aus der Richtung Donezk entfernt, wo wir jetzt Erfolge erzielt haben.

    MK: Was in der Region Kursk passiert ist, kann sich beispielsweise in Brjansk oder Belgorod wiederholen?

    WD: Ich glaube nicht, daß in der Region Brjansk irgendetwas gelingen wird. Natürlich werden Sturmtruppen versuchen, auch dort einzudringen. Aber objektiv gesehen ist dies unrealistisch.
    Tatsache ist, daß auf der anderen Seite der Grenze von Brjansk die Regionen Sumi und Tschernigow liegen Ein kürzerer Abschnitt grenzt an die Region Tschernigow, wo sie durch Sümpfe und Wälder verläuft.
    Ich selbst stamme aus dem Bezirk Trubtschevskij in der Region Brjansk, durch den die Straße in die Region Tschernigow führt. Aber um von dort in die Region Brjansk zu gelangen, muss der Feind die Desna überqueren. Dies wird nicht unbemerkt geschehen können, zumal inzwischen ein Anti-Terror-Operationsregime eingeführt wurde und alle gegnerischen Bewegungen von unserer Führung kontrolliert werden.
    Darüber hinaus haben sie dort meiner Meinung nach keine so gut vorbereiteten Sturmtruppen mehr. Die ukrainische Seite wird also keinen solchen Siegesrausch mehr erleben, wie sie bei seinem waghalsigen Vorstoß in die Region Kursk entstand.

    MK: Könnte es zu Provokationen kommen?

    WD: Sie können nicht ausgeschlossen werden. An dem Ort, an dem sich das sogenannte Freundschaftsdenkmal befindet, kann es zu Provokationen und sogar Durchbrüchen kommen. Hier treffen die Grenzen von Weißrussland, Russland und der Ukraine aufeinander. Der Bezirk Gorodnjanskij der Region Tschernigow in der Ukraine, der Bezirk Klimovskij in Weißrussland und unser Territorium sind dort Nachbarn. (…) Auch hier ist ein Erfolg unwahrscheinlich.

    Eine weitere Möglichkeit sind die Siedlungen in der Region Brjansk – rund um Sevsk und Suzemka. Dort gibt es bessere Offensivmöglichkeiten, aber auch hier ist die Gegend bewaldet.
    Nicht ohne Grund machte der Feind, unter Berücksichtigung all dessen, seinen Durchbruch auf der direkten Straße nach Sudzha und nicht auf den Kreuzungen und Nebenstraßen von Brjansk.
    Die Gefahr für uns könnte von woanders herkommen.

    MK: Von wo?

    WD: Der Feind könnte versuchen, die Operation Krynkij-2 durchzuführen, also den Dnjepr in der Nähe des zerstörten Kachowka-Staudamms zu überqueren versuchen. Jetzt hat er keine Bedenken, hundert Boote, die ihm die NATO-Staaten gegeben haben, zu Wasser zu lassen und zu versuchen, die Operation zu wiederholen, an der er zuvor gescheitert ist.
    Und diese Option ist alarmierender. Weil das Kiewer Regime auf jeden Fall die Krim und Sewastopol haben will.

    MK: Wenn der Feind weiterhin im gleichen Sinne handelt, können wir dann unser Hauptargument verwenden – taktische Atomwaffen?

    WD: Der Einsatz taktischer Atomwaffen bedeutet den Beginn eines großen Krieges mit Europa. Die Amerikaner werden auf Europa spucken, weil es weit weg ist, und ihnen am Ende ihre Atombomben geben. Sie werden darauf vertrauen, daß ihre »Vasallen« sie nutzen, daran besteht kein Zweifel.“

    Die Frage wäre vor allem, wo dergleichen Waffen eingesetzt werden sollten – Rußland legt keinen Wert darauf, seine Grenzgebiete atomar zu verseuchen.

    Atomwaffen sind etwas, das fern der eigenen Grenzen eingesetzt wird – wie die USA in Japan, in Jugoslawien und im Irak vorgeführt haben.

    „Ich denke, daß wir Waffen eines anderen Typs haben, die noch nicht eingesetzt wurden. Darüber hinaus in den Entscheidungszentren des Feindes.“

    Das ist eigentlich eine Drohung, europäische Hauptstädte zu beschießen …

    „Sie sind ja auch nicht zurückhaltend, wenn sie Sewastopol und die Objekte der Schwarzmeerflotte angreifen und in unser Territorium einmarschieren.
    Aber Atomwaffen sind ein sehr ernstes Thema.“

    Der Militärexperte gibt hier kund, daß Rußland bereit ist, zu eskalieren.

    (MK, 15.8.)

  13. Eine Reportage von EL País versprüht Optimismus für die ukrainische Seite:

    Sudzha sei in ukrainischer Hand und täglich rücken die ukrainischen Truppen 3 km weiter vor. Täglich nehmen sie 2 oder mehr russische Dörfer ein.

    „Die Kiewer Behörden sagen, dass ihre Infanterie mehr als 30 Kilometer auf russischem Territorium kämpft.“

    Dergleichen hörte man allerdings schon einige Tage vorher auch.

    Der Kontrast zur Mutlosigkeit der ukrainischen Truppen an der Donezk-Front, wo die russische Überlegenheit drückend ist, ist enorm.
    In Kursk ist es anders: Die Ukrainer hatten seit 2022, als sie das ganze Jahr über den Eindringling in Kiew und in anderen nördlichen Provinzen, in Charkow und in der westlichen Hälfte von Cherson zurückdrängten, keinen Sieger mehr erlebt.“

    Man merkt, so etwas wie diese Operation war nötig, um überhaupt die Soldaten bei der Stange zu halten und zu verhindern, daß sie in großen Mengen die Waffen strecken.
    Der eigentliche militärische Nutzen ist zweitrangig.

    Der Journalist von El País berichtet aus Sudzha, was darauf hinweist, daß dieser Ort tatsächlich derzeit unter ukrainischer Kontrolle steht.
    Sudzha sei praktisch intakt, meint er, während die Grenzstation ein Trümmerhaufen ist, also dort wurde heftig gekämpft.

    „Von ukrainischen Truppen entfernte Panzerminen und Überreste ausgebrannter ukrainischer Fahrzeuge stapeln sich am Straßenrand – ein Beweis dafür, dass die russischen Drohnenbombenaktivitäten intensiv sind.
    Die überwiegende Mehrheit der SUVs und gepanzerten Fahrzeuge ist mit funkelektronischen Systemen ausgestattet, die die Drohnenkommunikation unterbrechen können.

    Irgendwann auf der Straße hält ein amerikanischer Infanteriepanzer MaxxPro und sechs Soldaten steigen aus. Sie stellen sich vor den Überresten eines scheinbar großen Fahrzeugs auf und beten gemeinsam: Ihre Kollegen sind dort gestorben.

    Eine weitere große Bedrohung, sei es für den ukrainischen Hinterland an der Grenze oder in seinen vorgeschobenen Stellungen in Kursk, sind die gelenkten Fliegerbomben der russischen Luftfahrt.
    In den 3 Tagen, die das EL PAÍS-Team für diesen Bericht in der Gegend arbeitete, wurde es Zeuge der Einschläge zweier dieser Bomben in der Nähe der wichtigsten ukrainischen Versorgungstransportroute.
    Internationale und ukrainische Medien haben in den letzten zwei Wochen veröffentlicht, dass die ukrainische Luftfahrt in Sumi besonders aktiv ist. Dennoch waren die einzigen vom Reporter dieser Zeitung identifizierten ukrainischen Kampfflugzeuge sowjetische Mi-24-Hubschrauber.

    Ukrainische Einheiten erhalten von Zeit zu Zeit Funkwarnungen über die mögliche Ankunft von Luftgeschossen, wenn der Start russischer Bomber festgestellt wird. Das Gleiche passiert, wenn russische Aufklärungsdrohnen auf dem Radar entdeckt werden.
    Sowohl in Sudscha als auch auf ukrainischem Territorium gingen die befragten Militärs davon aus, dass russische Beobachtungsgeräte wie die Orlan und die Supercam zu diesem Zeitpunkt in kilometerhoher Höhe über dem Gebiet fliegen könnten, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen seien.“

    Außerdem wird Sumi täglich bombardiert.
    Die russischen Soldaten, die nach Kursk geschickt werden, sind größtenteils Rekruten ohne Kampferfahrung, die sich häufig ergeben. Viele Kriegsgefangene wurden so gemacht.
    Damit hat die Ukraine ihren „Austausch-Pool“ aufgefüllt, da bisher offenbar weitaus mehr ukrainische Soldaten in russische Gefangenschaft geraten sind als umgekehrt. 

    In Grenznähe auf ukrainischer Seite wurde bereits vor Monaten ein unterirdisches Lazarett für Verwundete eingerichtet, um die Invasion vorzubereiten.

    „Der größte Unterschied zu anderen Fronten besteht laut (dem Leiter dieses Lazaretts) Igor darin, dass täglich verwundete Russen das Krankenhaus durchlaufen. Das Zentrum für Strategische Studien, ein ukrainisches Verteidigungsanalyseinstitut, behauptet mehr als 4.000 russische Kriegsgefangene in Kursk.“

    Die Verluste der ukrainischen Seite sind allerdings sehr hoch.
    (Drohnen und Tschetschenen fordern doch ihren Zoll.)

    Die Konzentration der ukrainischen Truppen in der Kursk-Offensive ist außergewöhnlich, sie ist eines der großen Ereignisse, wie die Gegenoffensive in Cherson im Jahr 2022, im Sommer 2023 oder die verlustreiche Verteidigung von Bachmut (…)
    Beeindruckend ist die permanente Parade von Dutzenden von Infanteriefahrzeugen, die von NATO-Verbündeten bereitgestellt werden,“

    – die Kosten sind vermutlich ein den Lieferländern recht groß und erhöhen den Einsatz, daß die Ukraine nicht verlieren darf –

    „mit einer besonderen Präsenz des kanadischen Roshel Senator und Stryker sowie der amerikanischen MaxxPro und Humvees.
    Nach Berechnungen von EL PAÍS nehmen mehr als 12 Brigaden an der Operation teil. Konkrete Daten liefert der ukrainische Generalstab nicht.
    Michael Kofman, ein Kriegsforscher am Carnegie Endowment, schätzte am 10. August, daß bis zu 15.000 ukrainische Soldaten nach Kursk beordnet worden seien, obwohl die Zahl möglicherweise noch viel höher sei.“

    Das alles läßt die angebliche Überraschung der US-Behörden über den Einmarsch der ukrainischen Truppen in Kursk etwas unglaubwürdig erscheinen.
    Es ist allerdings möglich, daß zwischen Pentagon und Weißem Haus Kommunikationsdefizite rund um die Ablöse des Präsidentschaftskandidaten entstanden sind und daher das Weiße Haus nicht informiert war.
    Man weiß ja im Augenblick ohnehin nicht, wer in den USA eigentlich regiert …

    Der spanische Berichterstatter ist vorsichtig bezüglich der Perspektiven der Kursker Invasion:

    „Die kommenden Monate werden zeigen, ob Zelenskijs Setzen auf die Besetzung russischen Territoriums erfolgreich war. Was er bisher erreicht hat, ist, der Armee angesichts der Tausenden von Soldaten, die in Kursk vorrücken, Optimismus einzuflößen.“

  14. Der Moskovskij Komsomoljets meint, die Kursker Offensive brächte endlich notwendige Neustrukturierungen im russischen Militärkommando:

    „Verteidigungsminister Belousov richtete per Befehl im Verteidigungsministerium einen Koordinierungsrat für die militärische Sicherheit der Grenzgebiete Belgorod, Brjansk und Kursk ein. Noch nicht das Landesverteidigungskomitee (während des Großen Vaterländischen Krieges waren die Entscheidungen der Landesverteidigungskomitees für alle verbindlich), aber bereits der erste Schritt.“

    So sollen zivile wie militärische Entscheidungsträger zur Sicherung der Grenzregionen beigezogen werden.
    Inzwischen wurde auch die Lebensmittelversorgung für die Evakuierten in diese neue Verwaltungsstruktur miteinbezogen.
    Endlich werden zumindest dort die Handy-Netze synchronisiert, sodaß der Endabnehmer immer einen Internetzugang hat.
    Die Banken sollen Sonderkonditionen für Leute, die ihen Wohnraum verloren haben, einrichten, bis hin zur völligen Schuldenstreichung.

    „Dennoch bleibt ein Zustand der Unsicherheit bestehen. Experten fragen sich, ob die Kursk-Operation bereits ein ritueller Selbstmord des Kiewer Regimes ist oder ob es einen weiteren Schlag vorbereitet.
    Entweder militärisch, in eine unerwartete Richtung, oder terroristisch – gegen ein AKW. Gleichzeitig wedelt der Westen mit dem Schweif – man sagt, wir wussten es nicht, aber die Ukrainer sind souverän, sie haben das Recht zu tun, was sie wollen (was bedeutet, daß sie es verantworten und nicht wir).
    Das Wall Street Journal schreibt sogar, daß die USA der Ukraine keine Informationen über Ziele in Russland mitteilen. Die Biden-Regierung möchte nicht, daß sie als Organisatoren der Operationen der ukrainischen Streitkräfte in der Region Kursk angesehen werden.

    Die Versuche, sich aus der Affäre zu ziehen und die Ukraine zum einzigen Verantwortlichen für alles zu machen, werden immer deutlicher.
    Deutschland hat unerwartet einen Haftbefehl gegen ukrainische Taucher erlassen, die angeblich die Nord Stream in die Luft gesprengt haben. Und dann erschien eine Version, die die USA reinwusch (oder reinwaschen soll) – es heißt, dass das Weiße Haus, als es von der bevorstehenden Sabotage erfuhr, Zelenskij sofort anrief: »Machen Sie langsamer, tun Sie es nicht.« Und an Zaluzhnyj, der alles koordiniert hat, Zaluzhny hörte nicht zu, die Yacht, sagte er, sei bereits auf See und könne nicht gestoppt werden.“

    Als das Büro des Präsidenten der Ukraine merkte, dass der Braten gerochen wurde und sie schlecht aussehen, startete es die alte Leier: »Nord Stream« wurde von Russland gesprengt. Allerdings hört sich niemand mehr diesen Unsinn an.
    Aber alles andere, was jetzt von der Weltgemeinschaft zum Thema dieser Sabotage vorangetrieben wird, erscheint äußerst zweifelhaft.“

    Nach der These von Seymour Hersh war die Sprengung eine Tat der USA.
    Nach wie vor sieht es so aus, daß die Ukraine nicht die Mittel hatte, eine solche Sprengung durchzuführen.
    Was allerdings möglich ist, ist, daß die Endentscheidung und der Auslöser der ukrainischen Führung überlassen wurde.
    Den USA wäre es natürlich sehr recht, wenn sie nicht in eine wie auch immer geartete „Aufklärung“ der Sprengung hineingezogen würden. Es macht schließlich keine gute Figur, wenn man Verbündete so offensichtlich schädigt …

  15. Man merkt an den neueren Entwicklungen, daß an beiden Seiten des Atlantiks an Ausstiegsszenarien aus dem Krieg gearbeitet wird.

    Der Kriegswille der NATO-Staaten ist angesichts der dürftigen Ergebnisse endenwollend.

    Die Kritik an Orbán könnte sich dann auf „der Falsche“, „nicht autorisiert“ und „zu früh“ zusammenkürzen.

  16. Na ja – wenn der Krieg darum geführt wird, wer weltweit garantiert nicht das Sagen haben soll, die Russen nämlich, und wer sich also unterordnen soll, – dann ist vermutlich auch von der EU erst einmal nicht zu erwarten, dass sie den Bannfluch gegen Orban zurücknimmt….

    https://www.tagesschau.de/ausland/europa/eu-boykott-ungarn-100.html
    https://www.euractiv.de/section/eu-aussenpolitik/news/eu-prueft-ungarn-wegen-risiken-von-visaregeln-fuer-russen/

    Die ehemalige “Einigkeit” der Visegrad-Staaten ist spätestens seit der aktuellen polnischen Regierung ja auch ziemlich perdu: https://www.euractiv.de/section/eu-aussenpolitik/news/ungarischer-minister-bezichtigt-polnischen-amtskollegen-der-luege/

    Die dt. Tagesschau listet für die Zukunft. “…. zwei Möglichkeiten [auf]: Die EU könnte Kriterien einführen, die ein Land erfüllen muss, damit es die Ratspräsidentschaft übernehmen kann. Teil dieser Kriterien könnte sein, dass ein Land, gegen das ein Grundwerteverletzungsverfahren läuft und dem die EU-Kommission Gelder wegen Rechtsstaatsverstößen vorenthält, diese Position nicht übernehmen darf. So lautet eine Idee, die in diesen Tagen in Brüssel kursiert.
    Eine Alternative, die auch in Parlamentsfraktionen zu hören ist: Man könnte den Startzeitpunkt der nächsten Ratspräsidentschaft vorziehen. Das würde bedeuten, dass Polen zum Beispiel schon im Dezember diese Funktion übernehmen würde.” https://www.tagesschau.de/ausland/europa/eu-orban-entzug-ratsvorsitz-100.html

    Vermutlich müsste Ungarn aber zuvor diesen Regelungen selbst zustimmen, zumindestens der ersten, denn das wäre ja eine ziemlich grundsätzliche Änderung
    – ja dann. Aber dass Orban dafür dann noch mal ‘freiwillig’ bei der Abstimmung vor die Tür geht, wie letztens einmal, – das deucht mir doch sehr unwahrscheinlich….

  17. Hallo Nestor,

    Du schreibst:

    "Der Kriegswille der NATO-Staaten ist angesichts der dürftigen Ergebnisse endenwollend."

    Das scheint mir durch die Summe Deiner Berichte nicht gedeckt, namentlich nicht die EU betreffend.
    <i>Aber</i> es gibt das Problem, die Ukraine dauerhaft kriegsfähig zu halten, wofür es eine lange Waffenruhe ab dem Spätherbst zu brauchen scheint, die zugleich die Militärherrschaft in der Ukraine nicht in Bedrängnis bringt.
    Das war doch die Botschaft Selenskiys, als er öffentlich über eine Volksabstimmung zur vorübergehenden Abtretung von Territorien sinnierte?

    Auch der russischen Regierung und einem Teil der russischen Eliten dürfte eine Waffenruhe, die nicht mit einem Verzicht auf übergeordnete Kriegsziele einher geht, gelegen kommen, doch aus einer Offensive heraus, wie schmal ihre Resultate auch sind, wäre sie in der politischen Konkurrenz schwer vermittelbar.

    Deshalb bin ich geneigt, zu glauben, das Abenteuer der Kursker Exkursion ist von der NATO darauf berechnet, bis zum Herbst unter schmerzhaften russischen Verlusten zu "scheitern", um  Moskau mit solch einem "Sieg" die Voraussetzungen zu verschaffen, in Verhandlungen über eine Waffenstillstandslinie einzutreten.

    Was sagst Du dazu?

  18. @Leser

    Mir ist jetzt nicht ganz klar, worum es in deinen Beiträgen geht.
    Für Ungarn gibt es nämlich eigene Beiträge, z.B. hier oder hier und dort gehören Posts zu Ungarn hin.

    Hier geht es um den Ukraine-Krieg, genauer zu den neueren Entwicklungen in selbigem und da stelle ich fest, daß dieser Kursk-Einmarsch bei den Freunden der Ukraine nicht unumstritten ist, und sogar in der Ukraine selbst Gegner hat, wie z.B. den Bürgermeister von Lwow, einen rechten Russenfresser, der den hohen Blutzoll beklagt, den er bei Leuten aus der Westukraine fordert. Wenn er von der Aktion überzeugt wäre, so wären das willkommene Helden einer guten Sache.

    Orbán hast du hier ins Spiel gebracht und da meinte ich nur, daß auch seine Person nicht immer der Buhmann sein muß, wenn sich dort im Osten etwas grundlegend ändert.

    Im Grunde war schon dein erster Post am falschen Fleck.

  19. @TomGard

    Du bist uns, genauer genommen @Leser, schon abgegangen. wink

    Auch der russischen Regierung und einem Teil der russischen Eliten dürfte eine Waffenruhe, die nicht mit einem Verzicht auf übergeordnete Kriegsziele einher geht, gelegen kommen

    Das denke ich nicht.
    Die Russen haben wiederholtermaßen klargestellt – Putin, Medwedjew, Sacharowa oder Peskow, ich weiß nicht genau wer –, daß sie sich nicht noch einmal wie in mit den Minsker Abkommen  über den Tisch ziehen lassen und einer Waffenruhe ohne erklärtes Kriegsende nicht zustimmen würden.

    Was die russischen Eliten betrifft, so sehe ich das so, daß bei dir – und auch vielen anderen – eine europäisch-interessierte Sichtweise vorherrscht, die annimmt, die wollten unbedingt Geschäfte mit dem Westen machen und sähen sich durch den Krieg gestört.

    Die westorientierten Eliten sind jedoch sowieso sehr geschwächt, weil sie ja auch vom Westen einen Tritt in den Hintern bekommen haben – Fridmann, Abramowitsch usw. – durch die Konfiskation ihrer Vermögenswerte.

    Aber erstens gibt es immer schon einen wesentlichen Teil, der sich schon seit geraumer Zeit auf „Rußland zuerst“ verpflichtet hat – Gazprom, Rosneft usw. – und ihre Geschäftstätigkeit nach den Ereignissen des Majdan und erst recht ab 2022 nach Osten orientiert haben. Und dabei keineswegs darben.

    Zweitens gibt es die im Westen völlig ignorierten tartarischen Eliten, die mit der muslimischen Welt Geschäfte machen und durch den Krieg gar nicht gestört wurden, ganz im Gegenteil.

    Ich hab es nicht so mit Prophezeiungen, die sind immer von Illusionen befeuert.
    Mein Eindruck ist, daß die russischen Eliten hinter diesem Krieg stehen und einen Sieg erwarten. Und nicht nur die Eliten. Gerade so Aktionen wie die Attentate und die Invasionen auf russisches Territorium bekräftigen doch die von oben propagierte Sichtweise, daß es eigentlich Rußland ist, das sich in der Ukraine gegen den Westen verteidigen muß.

  20. Dass der europäische Westen sich mit der ökonomischen "Loslösung" von Russland schwer tut – ist nicht unbedingt der Beweis, dass sie den Krieg gegen Russland daher nun schnell würden loswerden wollen.  (Stattdessen: Kriegfähig werden zu wollen – dafür wollen sie ja einiges tun – und das bestimmt ihren gegenwärtigen Kurs.
    – Und für die Abkehr von diesem Kriegskurs – dafür  wäre vermutlich eher die Haltung der USA anstößig…):
    "Russische Brennstoffverkäufe übersteigen EU-Hilfszahlungen an Ukraine
    Der Anstieg der europäischen Gaspreise ist auf den jüngsten Einmarsch der Ukraine in Kursk zurückzuführen und erhöht die russischen Einnahmen aus dem Verkauf fossiler Brennstoffe. Damit übertreffen die russischen Einnahmen den Gesamtbetrag der EU-Unterstützung für Kiew mehr als zuvor.
    Seit dem Einmarsch des Kremls in die Ukraine im Februar 2022 haben die EU-Staaten. (…)  l 200 Milliarden Euro für russische fossile Brennstoffe, hauptsächlich Öl und Gas, gezahlt.
    Die Gesamtunterstützung der EU und der USA für die Ukraine hingegen beläuft sich nach Angaben des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel) auf nur 185 Milliarden Euro.
    Die russischen Einnahmen aus dem Gasverkauf machen etwas weniger als die Hälfte der Einkünfte aus Energielieferungen in die EU aus. Diese werden aufgrund eines unerwarteten Anstiegs der Gaspreise um 13 Prozent in der letzten Woche einen Aufschwung erleben.

    Die Ursache: Die ukrainische Gegeninvasion in der russischen Provinz Kursk, von wo aus Gazprom Gas nach Europa pumpt. Nach Ansicht von Analysten haben die Händler in Erwartung einer Kürzung der Gaslieferungen die Preise angezogen.
    „Die Preissteigerung ist eine spekulative Wette auf Störungen auf der Angebotsseite“, schreibt die Fachzeitschrift EnergyFlux.
    Beobachter warnen davor, dass der Preisanstieg zusammenbrechen könnte, da Unterbrechungen „keineswegs garantiert sind“, schreibt Seb Kennedy von EnergyFlux. Der Analyst Tom Haddon nennt es „übertrieben“.
    Doch während Europa viel getan hat, um seine Energieimporte aus Russland zu reduzieren, wirft die ausgelöste Gaspreiserhöhung einen Fokus auf ein größeres Problem: Europäisches Geld fließt weiterhin im Tausch gegen Energie an den Kreml.

    Zwischen dem 29. Juli und dem 4. August gaben die EU-Länder mehr als 400 Millionen Euro vor allem für Gas und Öl aus, so das Forschungsinstitut CERA. Das Gas kann der Kreml nach der Preiserhöhung nun zu höheren Preisen verkaufen.
    Im Vergleich zu früheren Finanzströmen – von 5,3 Milliarden Euro im März 2022 auf heute 1,5 Milliarden Euro – sind diese Gelder verschwindend gering. Dies bedeutet jedoch, dass die EU bei der Verringerung ihrer Abhängigkeit von Russland zwar ein gutes Stück vorangekommen, aber noch lange nicht am Ziel ist.
    Russische Kohle – die nur einen geringen Anteil an der Gesamtmenge ausmachte – wurde vollständig aus Europa verbannt. Das Gleiche kann man von anderen Energiequellen jedoch nicht behaupten. "  (…)
    https://www.euractiv.de/section/energie-und-umwelt/news/russische-brennstoffverkaeufe-uebersteigen-eu-hilfszahlungen-an-ukraine/

    Die USA haben bekanntlich aber noch mal eine andere Sichtweise auf Russland.

  21. " … einer Waffenruhe ohne erklärtes Kriegsende nicht zustimmen würden."

    Ja, das weiß ich, und anderes wird man aus offiziellem Munde auch nie hören.

    Aber <em>wo</em>, bitte, ist denn ein Kriegsende <em>in der Ukraine</em> zu haben?

    In Kiev? Echt?

    Seit Ende '22 fordern die Militaristen eine Eroberung Odessas, die zweifellos einen Eckstein ukrainischer Eigenstaatlichkeit beseitigen würde, aber die findet nicht statt. Warum?
    Meinst Du nicht auch, das hat was mit einer roten Linie der NATO zu tun, die in Rumänien im Eiltempo die Voraussetzungen schafft, daß der Kreml den Krieg unweigerlich auf Rumänien auszudehnen hat, sollte er Odessa einnehmen lassen?
    Wo ist der strategische "Sieg" gegen die NATO zu haben?

    Die "Wendung nach Osten" hat so ihre Haken und Ösen, so viel weiß ich aus der Asia Times. Die Chinesen sind harte Geschäftspartner, um das euphemistisch auszudrücken.
    Die Probleme mit der Blockbildung gegen den Dollar /Euro hast Du selbst beschrieben / zitiert, und auch etliche Hinweise, daß Staaten im SCO / Brics – Raum ungeduldig mit dem russischen Ukrainekrieg werden, habe ich bei Dir gefunden, wenn ich mich recht erinnere.

    Um Vorhersagen im engen Sinne geht es mir gar nicht, sondern darum, das Geschehen soweit hypothetisch / theoretisch in den Griff zu bekommen, daß die kommenden Ereignisse Aufschluss darüber geben könnten, ob die Annahmen gestimmt haben, oder eben nicht.

    Jedenfalls danke für die Antwort.

  22. @Leser

    Dein Post liefert einen weiteren Grund, warum die EU nicht allzu glücklich mit der Kursk-Operation ist.
    Ich nehme auch an, daß die Ukraine strikte Vorgaben hat, den Gashahn in Sudzha in Ruhe zu lassen.

    PS: Ganz abgesehen davon, daß die Ukraine ja auch am russischen Gas hängt. Nur wird das so gekauft, daß es durch die Ukraine in die Slowakei und nach Ungarn geleitet wird und die Ukraine es von dort zurückkauft. Sie kassiert also die Transitgebühren und hat als Vertragspartner ungarische und slowakische Firmen, um nicht mit Rußland Geschäfte machen zu müssen.
    Aber ohne das russische Gas stünde in der Ukraine alles still.

  23. @TomGard

    Was ein mögliches Kriegsende angeht, so wird das in Kiew vermutlich nicht mit der Regierung Zelenskij zu haben sein – aber deren Fortbestand ist ja nicht in Stein gemeißelt.

    Letztlich wird das Schicksal der Ukraine nicht in Kiew entschieden.

    Was Odessa angeht, ist tatsächlich eine Unschlüssigkeit in der russischen Führung vorhanden. Ähnlich ist es mit Charkow.

    Mein Eindruck ist, daß von der Eroberung oder Eingliederung dieser beiden – vor dem Krieg mehrheitlich russischsprachigen – Städte abgesehen werden wird.
    Allerdings ist ja keineswegs klar – nicht nur mir, sondern auch sonstwem – wie eine Nachkriegsordnung für die Ukraine aussehen wird.

    Rußland hat durch die Angliederung der 4 Provinzen klargestellt, daß die inzwischen zu Rußland gehören.

    Ich erinnere an den Kernpunkt der nicht zustande gekommenen Minsk-Vereinbarungen: Dort wurde eine föderale Ukraine angestrebt, mit möglichst großer Autonomie der Provinzen. Vorbild war das Autonomiestatut der Krim.
    Dagegen war die NATO, weil das einen NATO-Beitritt verhindert hätte: Wenn eine Provinz sagt: Nein! – so wäre der eben nicht gegangen.
    Die EU war auch dagegen, aus ökonomischen Gründen.

    Die Osterweiterung beider Bündnissysteme sieht nämlich zentralisierte Staaten vor, wo die westlichen Herrennationen der Regierung des Hinterhofes mitteilen, was sie zu tun haben. Und die macht das dann. So läuft das in allen ex-sozialistischen Staaten.
    Aus dem gleichen Grund gibt es bis heute keine Verfassung oder auch Souveränität für Bosnien. Die Republika Srpska beharrt auf ähnlicher Autonomie, wie im Abkommen von Dayton festgeschrieben, das wird aber von den Protektoren verweigert.

    Ich nehme an, Rußland wird auf einer föderalen Restukraine bestehen, was auch den Westgebieten der Ukraine eine Quasi-Angliederung an Polen ermöglichen und deswegen auch die dortigen Entscheidungsträger befriedigen würde.

    Was Rumänien angeht, so sind die politischen Eliten bestrebt, zu verhindern, daß Rumänien NATO-Aufmarschgebiet wird.
    Deswegen gibt es bis heute keine Autobahnen von West nach Ost. Der Präsident Johannis würde alles unterschreiben, aber die restlichen Politiker wollen das nicht.
    Es ist interessant, daß von Rumänien bis heute keine Erklärungen, Stellungnahmen usw. zu dem Ukraine-Krieg erfolgt sind. Alle anderen osteuropäischen Staaten haben sich positioniert, in Erklärungen, Waffenlieferungen pi pa po. Rumänien ist ganz still.

    Was China betrifft, ist es sicher ein selbstbewußter Partner.
    Aber erstens kann sich China sowieso nicht leisten, Rußland hängen zu lassen.
    Zweitens hat China eine enge militärische Kooperation mit Rußland und hat auch zumindest ein großes militärisches Manöver mit Rußland abgewickelt.
    Weiters ist es über die BRICS und die asiatische Entwicklungsbank in Schanghai eng mit Rußland verbunden.
    Viertens ist die chinesische Führung sehr froh, daß Rußland sich mit dem Westen militärisch mißt und so jede Menge Waffen und Feindseligkeit an der Ukraine-Front landen und nicht vor Chinas Küsten.

    Offen alles unterstützen will China natürlich nicht, um nicht seine Handelspartner zu verlieren und durch Sanktionen seine Westmärkte zu verlieren.
    Diese Westmärkte sähen allerdings ohne chinesische Waren alt aus, sodaß hier eine gewisse Komplizenschaft vorherrscht. Man drückt die Augen zu und China hängt sich nicht zu weit aus dem Fenster.

    Die Chinesen sind harte Geschäftspartner, um das euphemistisch auszudrücken.

    War leicht der Westen ein „weicher“ Geschäftspartner? Jeder schaut in der Marktwirtschaft auf seinen Gewinn.

    Siemens ist eine Kooperation mit den russischen Staatsbahnen eingegangen und hat die Technologie für die russischen Hochgeschwindigkeitszüge geliefert. Die Bedingung dieser Verträge war, daß die Russischen Staatsbahnen auf eigene Forschung auf diesem Sektor verzichten.
    Die Russische Eisenbahn ist ein gutgehendes Unternehmen, das auch die wirren Jelzin-Zeiten gut überstanden hat, weil alles, was aus Rußland abgeschleppt wurde, außer über Pipelines mit der Eisenbahn transportiert werden mußte.
    Sie hätten sich darauf also nicht einlassen müssen, dachten aber, mit Siemens fährt man einfach gut.
    Jetzt können sie das alles umstellen bzw. neu erfinden.

    Nur ein Beispiel für die Handelspraktiken europäischer Firmen. Schlimmer können es auch die Chinesen nicht treiben.

  24. Nestor,

    laß Dich hinsichtlich Rumänien updaten:

    https://balkaninsight.com/2024/03/21/romania-to-host-largest-nato-military-base-in-europe/

    Das ist nicht alles:

    https://en.wikipedia.org/wiki/Mission_Aigle

    Bereits in Rumänien stationiert, größtenteils wohl auf dem alten Gebiet der Mihail Kogalniceanu base, ist die 101st Airborne Division zusammen mit rotierenden Infanterie-Brigaden, zusammen 4700 Mann stark. Es ist also möglich, daß bereits ab irgendwann 2025 oder 2026 die Logistik für eine auswärtige NATO-Präsenz von 20.000 Mann mehr oder minder fertig gestellt ist.

    Ich will nicht verhehlen, daß ich die Föderalisierung der Ukraine für einen feuchten Traum halte. Wer soll die durchsetzen?
    Und die angeblich russischen Provinzen Cherson und Sapporoshje sind zum militärisch bzw. militärpolitisch wichtigsten Teil "ukrainisch besetzt". Das wird auch so bleiben, so lange der Kreml keine volle Kriegsmobilisierung ausruft, um den Dnepr zu überwinden.

    Allgemein:
    Die EU – Administration, voran Frankreich, will genau eines: Entscheidende Bestimmungsmacht in der NATO und über sie, gegen die Angelsachsen und ihre nordosteuropäischen Verbündeten. Das braucht Zeit und einen fortdauernden, aber suspendierten Russlandkrieg. Deswegen halte ich  @Lesers Verweis auf die unauthorisierte Mission Orbans für hier am Platze, v.a., wenn man die unmittelbar anschließende Reise des ukrainischen Außenministers nach China einbezieht. China ist tatsächlich die singuläre Macht, den Krieg stoppen (suspendieren) zu können – allerdings mit hohen Aufwänden und erst nach den US-Wahlen, und daher ggf. unter Kalkülen, in die wohl kaum jemand Einblick hat.
    Russland schaut für mich – bei völlig unzureichender Informationslage – drein, wie eine Titanic, die im Zeitlupentempo auf einen Eisberg NATO-Ukraine zuläuft, an dem es innenpolitisch zerbrechen muß, nachdem es diesen Kurs überhaupt nur genommen hat, um die Föderation machtpolitisch im Griff zu halten.
    Ich will darum nicht streiten – nur diese Sicht hier einbringen; kann gut sein, daß ich auf dem falschen Dampfer bin 😉

  25. @TomGard

    Was Rumänien betrifft, so war die Zur-Verfügung-Stellung der Mihail Kogalniceanu-Basis bei Konstanza zur Zeit des Jugoslawien-Kriegs 1999 der Einstieg Rumäniens in die NATO.
    Rumänien hat sich über die NATO-Mitgliedschaft 2004 in die EU (Beitritt 2006) hineingewurschtelt.
    Seither wurde diese Basis – und auch andere in Rumänien – zu einem NATO-Stützpunkt.

    Das tut aber meiner Behauptung, daß Rumänien sich nicht in den Ukraine-Krieg hineinziehen lassen will, keinen Abbruch.

    Ich habe die Vermutung, daß der Abschuß der „Moskva“ 2022 von Rumänien aus erfolgte, weil sie in der Nähe der ehemals rumänischen und in der Nähe der rumänischen Grenze liegenden Schlangeninsel getroffen wurde.
    Wenn das so war, so hat Rumänien jedenfalls seither darauf gedrungen, daß es dergleichen von seinem Territorium nicht will.
    Rußland hat mehrmals klargestellt, daß es die Zur-Verfügung-Stellung von Flughäfen für Starts von Flugzeugen als Casus Belli betrachten würde. Und Rumänien will das eben nicht auf sich ziehen – übrigens Polen auch nicht.

    Was eine Nachkriegsordnung der Ukraine betrifft, so ist die eben noch offen.

    Ich mache jedoch drauf aufmerksam, daß alle seriösen westlichen Militärexperten – vom österreichischen Markus Reisner über Kujat bis hin zu US-Think Tanks – sich darüber einig sind, daß die Ukraine diesen Krieg nicht gewinnen kann.
    Demgegenüber steht die bisher noch vorherrschende Stimmung in der EU, daß sie ihn nicht verlieren darf.
    Das ist vor allem der Tenor der westlichen Medien.

    Aber angeblich gibt es Gespräche hinter dem Rücken der Ukraine, in der Türkei, wo vor allem US-Politiker  – oder -Geheimdienstler – über einen Friedensschluß verhandeln. Laut Seymour Hersh ist das Haupt-Hindernis für einen Abschluß derselben Zelenskij.

    Rußland hat unendliche Ressourcen, die Bevölkerung steht ungeachtet aller westlicher Unkenrufe hinter der Regierung – und es hat Zeit. Die Wirtschaft läuft gut und verschiedene durch die Sanktionen entstandene Schwierigkeiten wurden und werden bewältigt.

    Unter der Annexion der eingemeindeten Territorien und einer neutralen Ukraine wird Rußland es nicht tun.

    Was möglich ist, ist, daß Rußland den Dnjepr als Grenze festlegt und einem Tausch von Territorien links und rechts zutimmt.

  26. @TomGard2

    Was die EU betrifft, ist sie nicht in dem Maße der Akteur, in dem sie das gerne wäre.

    Rußland hat eine Rüstungsindustrie, wo mehr oder weniger Putin sagt: Bis dahin hätten wir gerne X – Y – Z Geräte, und die werden dann geliefert.

    In der EU ist das alles privatwirtschaftlich organisiert und kostet einen Haufen Geld, das erst einmal aus dem Zylinder gezogen werden muß.

    In den USA hat Biden mit dem Ukraine-Unterstützungs-Paket die US-Waffenindustrie subventioniert und der $ ist gegenüber solchen Ausgaben um einiges kreditwürdiger als der Euro, der dergleichen einmal aushalten müßte. Deshalb auch die Zurückhaltung Deutschlands, siehe oben.
    (Zu dem ganzen Thema gehören auch die Kreditzinsen, die nicht und nicht gesenkt werden …)

    Ich sehe eher die – übrigens gar nicht sehr klaren – Vorstellungen von Frankreich als feuchten Traum an.

  27. Nestor,

    laß Dich bitte auf meine ursprüngliche Frage zurück bringen, sie lautete:

    Deshalb bin ich geneigt, zu glauben, das Abenteuer der Kursker Exkursion ist von der NATO darauf berechnet, bis zum Herbst unter schmerzhaften russischen Verlusten zu "scheitern", um  Moskau mit solch einem "Sieg" die Voraussetzungen zu verschaffen, in Verhandlungen über eine Waffenstillstandslinie einzutreten.

    Meine Urteile / Mutmaßungen, was das russische Staatswesen leisten, oder nicht leisten könne, war ja nur Teil der Begründung für die Frage. Die NATO-Strategen sind doch bitteschön nicht alle so dumm und beschränkt, wie sie in der Öffentlichkeit erscheinen. Und ich denke, Du machst einen interessierten Fehler, wenn Du die Absurdität der Kursker Exkursion – mit Deiner Sicht auf Russlands Kapazitäten ja doch noch absurder, als aus meiner – in die Verantwortung Selenskiys und/oder der ukrainischen Militärführung legst, mit der weder die USA noch die EU "glücklich" seien. Ja mei, warum unterbinden sie das dann nicht?! Sie haben doch jede Autorität dafür!

    Der Grund, warum ich hier insistiere ist banal. Du beherrscht die russische Sprache auf eine Weise, die, wie ich annehme, Dich auch befähigt, zwischen Zeilen zu lesen. Du hast die "westlichen Experten" zitiert, darunter Reiser. Sollen die Kommandeure in der NATO und den ukrainischen Streitkräften alle dümmer und ignoranter sein, als solche Sprachrohre?

    Also: Was sagt man in der Ukraine zu der Entscheidung, 15 bis 20 Tausend Mann des kostbaren Personals von den Brennpunkten der russischen Sommeroffensive abzuziehen, um im Bezirk Kursk drei oder vier Brücken zu sprengen, die allenfalls den infanteristischen Nachschub / Rotation der russischen Fronttruppen verzögern können, wo doch das Hauptproblem an der Front – gemäß dem erwähnten Reiser! – die unzureichende bis fehlende Abwehr gegen die russischen Gleitbombenangriffe ist, die ungestört weiter gehen können?

    Alle Deine "Experten" – soweit ich gesehen haben – sind sich einig, der Gewinn der Kursker Exkursion könne ausschließlich moralischer Natur sein bzw. werden! Tja. Dann sollte ein Beobachter vielleicht akzeptieren, daß dies auch der militärische Zweck ist?

    Es gibt Leute, die behaupten, der Zweck sei, die NATO in eine direkte Kriegsbeteiligung zu nötigen. Teilst Du das? Wohl kaum, wenn Du geneigt bist, dem Gelaber von Hersh über "Geheimverhandlungen" Gehör zu schenken.

    Anders herum. Sobald die Kursker Expeditionstruppen sich zurück ziehen müssen, und das wird unweigerlich geschehen, da sind wir uns doch wohl einig, und kein politischer Gewinn 'raus gesprungen sein wird, sollte die "Regierung Selenskiy" doch wohl zum Abschuß frei gegeben sein?!

    Wie gesagt, ich will mich nicht streiten. Würde mich nur freuen, wenn solche Überlegungen Dir Anlaß geben könnten, bei Deiner Arbeit ein wenig das "Hintergrundrauschen" in der russischen und ukrainischen Öffentlichkeit darauf abzuklopfen, was abseits des Propagandagetrötes für Kalküle im Spiel sein könnten.

    Dazu noch ein "Gedankenexperiment".
    Du schreibst:

    Was möglich ist, ist, daß Rußland den Dnjepr als Grenze festlegt.

    Was wäre, wenn die ukrainischen Truppen im Herbst den Widerstand im Oblast Donezk aufgeben, sich auf das rechte Ufer bis Dnipro und das urbane Konglomerat Sloviansk-Kramatorsk zurück ziehen und im Norden auf das städtische Gebiet Charkow?
    Was macht die russische Armee dann? Flächenbombardement der Großstädte?
    In den USA wird seit langem die Option einer (übergangsweisen) "koreanischen" Teilung zirkuliert, die der Kreml, gemessen an seinen deklarierten Kriegszielen, schwerlich hinnehmen kann. Die NATO wiederum steht "Gewehr bei Fuß", in einem solchen Szenario auf der Basis der "Sicherheitsabkommen" mit Truppen in die West- und Zentralukraine einzurücken.

    Okay, vielleicht ist das alles dämlich und "europäisch – interessierte Sichtweise", obgleich ich nicht begreifen kann, in welchen meiner Sätz Du sowas gefunden haben willst, abgesehen davon, daß ich in der Tat darauf bestehe, Russland sei immer noch eine europäische Macht und Herrschaft – keine asiatische. Um so mehr, als China und die Türkei sich seit Kriegsbeginn nüchtern und stetig in Zentralasien bedienen und einnisten – innerhalb des SCO-Verbundes.

    Also nichts für ungut, und vielleicht findest Du ja was Interessantes oder Erhellendes dazu in der russischsprachigen Öffentlichkeit abseits der amtlichen und halbamtlichen Texte.

  28. @TomGard

    Deshalb bin ich geneigt, zu glauben, das Abenteuer der Kursker Exkursion ist von der NATO darauf berechnet, bis zum Herbst unter schmerzhaften russischen Verlusten zu "scheitern", um  Moskau mit solch einem "Sieg" die Voraussetzungen zu verschaffen, in Verhandlungen über eine Waffenstillstandslinie einzutreten.

    Ich bezweifle, daß das erstens von der NATO und zweitens berechnet ist, sodaß sich der zweite Teil des Satzes erübrigt.

    Die russischen Verluste werden in den Medien stets aufgeblasen, um die Mißerfolge der Ukraine zu beschönigen – zwar wieder eine Ortschaft erobert, aber unter was für Verlusten!
    Über dieses Aufblasen der russischen und Kleinreden der ukrainischen Verluste habe ich mich einmal anläßlich eines „New Yorker“-Artikels ausgelassen.

    Zum Verhältnis von NATO und Zelenskij bin ich nicht der Ansicht, daß die NATO-Fritzen alles anschaffen und die Ukraine nur ausführt – wie du zu denken scheinst und was auch die russischen Medien nahelegen.

    Zelenskij und seine Truppe sind erstens daran interessiert, den Konflikt möglichst lange am Laufen zu halten, währenddessen sie ihre Geschäfte machen. Daß die Ukraine den Krieg nicht gewinnen kann, ist allgemeine Ansicht der militärischen Experten.
    Sie und ihre NATO-Freunde hoffen höchstens auf inner-russische Aufstände, Putsche usw., ohne besondere Anzeichen, daß sich da was tun könnte. Sogar der Prigozhin-Spuk war rasch – und sehr russisch! – beendet.

    Die NATO selbst ist auch nicht der monolithische Block, als der sie sich gerne präsentiert – über die Waffenlieferungen entscheiden letztlich die Mitgliedsstaaten, die da in eine gewisse Konkurrenz eingetreten sind, mit wechselnden Spitzenreitern.
    Wenn also z.B. die Unterstützung aus den USA zu wünschen übrig läßt, prescht Deutschland vor und sagt: Ich bin jetzt der größte Unterstützer … usw.

    Was ich ansonsten mitkriege, ist eine gewisse Unzufriedenheit der USA, weil die Ukraine z.B. über ihre wirklichen Verluste nicht reinen Wein einschenkt, oder höchstens später mittelbar, wenn wieder neues Gerät gefordert wird.

    Ob also die Operation Kursk von der NATO, einzelnen NATO-Militärs oder der Ukraine selbst geplant wurde, traue ich mich nicht zu entscheiden.
    Sie war jedenfalls ziemlich geheim geplant, was einen großen Mitwisserkreis ausschließt.
    Als Ziel sehe ich einen reinen Entlastungsangriff, um die westlichen Spender zu erfreuen und die Moral der ukrainischen Soldaten zu heben, die schon ziemlich am Boden war.

    Was russische Siege angeht, so werden die ja weiter gefeiert, bei Torezk und Pokrovsk.

    Die ukrainische Führung würde gerne die NATO-Staaten zum Eingreifen nötigen, nicht erst seit der Kursk-Offensive.
    Es war ja auch die Charkow-Offensive 2022 u.a. deshalb ein Erfolg, weil dort jede Menge NATO-Militärpersonal mit von der Partie war, als Söldner getarnt.
    So etwas in größer hätten sie wieder gerne.

    Aber die Idee der NATO war ja ursprünglich, daß die Ukraine den Job, Rußland zu schlagen, erledigen sollte. Dafür wurde sie unterstützt.
    Selber ran an den Speck zu gehen und den III. Weltkrieg auszurufen – das überlegt sich doch jeder Staat der NATO noch einmal für sich.

    Schließlich bin ich sicher, daß es Geheimverhandlungen gibt – und zwar geheim nicht nur der Ukraine, sondern auch den europäischen Verbündeten gegenüber.
    Es setzt sich in den USA langsam die Meinung durch, daß man in der Ukraine keinen Blumentopf gewinnen kann und das Bidensche Abenteuer langsam beenden könnte.
    Vielleicht wird das ganze Schlamassel dann den Europäern überlassen.

    Du scheinst irgendwie von der Macht der NATO überzeugt zu sein – demgegenüber erinnere ich an den Abzug aus Afghanistan, wo mehr oder weniger bloßfüßige Einheimische, die auch von keiner nennenswerten Großmacht unterstützt wurden, die NATO nach 20 Jahren aus dem Land vertrieben haben.

    Das war in gewissem Grade ein Omen für den Abstieg des Westens.

    So, das war jetzt ein Brainstorming. Ich hoffe, meine Position dargelegt zu haben. laugh

  29. Die Kalkulation, dass die NATO einen Waffengang anzetteln würde, damit (!) der scheitere (!), also scheitern solle, und damit (!) bzw. dadurch (!) Russland sein Gesicht bewahren könne (!)  fürs Vorhandeln (!) enthält derart viele Damits und Umfürs, dass dieser Gesichtspunkt beim wiederholten Lesen mir  auffällt.  Damits und Umfürs mögen Bestandteile einer logischen Erklärung sein,  wenn sie von Notwendigkeiten ausgehen und die Sache treffen. Nestor hat dargelegt, dass unsereinem die einzelnen Kriegskalkulationen gar nicht genau vorliegen. Dass im Krieg gelogen wird, dass sich die Balken biegen, ist zusätzlich ja auch eine Binse, nämlich mit der allseitigen Zwecksetzung, dadurch den Erfolg der eigenen Seite befördern zu wollen.  Deine Argumentation geht in die Richtung, man könne die Wahrheit trotzdem  zwischen den Zeilen erschließen. Das mag ich nicht prinzipiell ausschließen. Kann ich jedenfalls aber aktuell nicht.   (Nestor kann das vermutlich eher, sieht sich dazu aber ja auch nicht in der Lage.)  
    Und ich empfehle stattdessen von der vor einem Jahr oder so mal  erschlossenen “Interessenlage”  der Kontrahenten auszugehen bzw. daran die Meldungen zu überprüfen: Hat sich die Interessenlage in der Ukraine, in Russland, in den USA,  in Europa als staatliches EU-Konstrukt, bzw. in den europäischen Nationen, prinzipiell oder in Teilen, geändert? Ist das Kriegsziel “des Westens”, Russland möglichst schädigen zu wollen, damit es nicht mehr in die Quere kommen könne, inzwischen aufgeben, – oder ist das stattdessen in modifizierter Form immer noch vorhanden?  Welchen Stellenwert haben aktuell Wahlen entweder für öffentliche Stellungnahmen – oder für nationale Interessen?  Wie wirkt sich der Kriegsverlauf auf die nationale Kriegsmoral  (der von oben, wie der von unten) aus?  Haben sich die nationalen Interessen geändert bzw. werden sie aktuell neu gewichtet?
    [Das ist übrigens ‘lieb gemeint’, – und hat hoffentlich nichts von Häme oder Zeigen darauf, wie klasse man selber ist, – nur um mich jetzt mal nicht zu velwechsern…]. 🙂

    —–

    Zusatz bzw. Anmerkung: Wie weit in Schland die öffentliche Kriegsmoral oben wie unten vorangekommen ist (‘Kriegstüchtig’ werden zu w o l l e n….) hat letztens im Überblick Schillo – eben für die hiesige Seite… – mal ausgebreitet:
    Die „Ressource Geist“ steht in Deutschland Gewehr bei Fuß.
    https://overton-magazin.de/top-story/geistige-aufruestung-in-deutschland/

  30. @Leser

    Die Kriegsziele haben sich in dem Maße modifiziert, als sie sich als undurchführbar erwiesen haben.

    Der Krieg hat Rußland mehr genützt als geschadet, wenn man man von nationaler Größe und nicht von toten Individuen ausgeht. Natürlich hat es Verluste und einiges ist kaputt gegangen, aber im Konzert der Nationen ist Rußland eher aufgestiegen. Außerdem hat es den Schwenk zur Umorientierung seiner Wirtschaft vollzogen, während es mit Kriegswirtschaft und Rekordernten sogar so etwas wie ein Wachstum hingekriegt hat.

    Wer auf jeden Fall geschädigt ist, und zwar massiv, ist die EU.

    Was die USA betrifft, haben sie durch ihre Unterstützungspakete für die Ukraine, die eigentlich Subventionen für die Rüstungsindustrie waren, eine kleine, wenngleich kreditfinanzierte Konjunktur hingelegt.
    Vor allem aber haben sie die EU als Konkurrenten zurückgestuft und als Kunde und auch als Investor auf sich verpflichtet.
    Das ist ein Gewinn für die USA, und es ist deshalb durchaus möglich, daß sie sich mit dem Erfolg, die EU und Rußland voneinander getrennt zu haben, zufriedengeben und sich dem Pazifik zuwenden.

    Für die Ukraine ist der Krieg gegen Rußland zu einer Existenzfrage geworden. Alle Friedensverhandlungen wären ein Eingeständnis der Niederlage. Deshalb wollen sie bis zum bitteren Ende weitermachen, „bis zum letzten Ukrainer“ …

  31. Die Kalkulation, dass die NATO einen Waffengang anzetteln würde, damit (!) der scheitere (!), also scheitern solle, und damit (!) bzw. dadurch (!) Russland sein Gesicht bewahren könne (!)  fürs Vorhandeln (!) enthält derart viele Damits und Umfürs, dass dieser Gesichtspunkt beim wiederholten Lesen mir  auffällt.  Damits und Umfürs mögen Bestandteile einer logischen Erklärung sein …(ABER)

    Alle, @Leser, ausnahmslos alle militärischen und militärpolitischen Beobachter, auf beiden Seiten der Front, die sich zur Kursker Exkursion geäußert haben, sind darin einig, sie sei "militärisch sinnlos". Die Argumente will ich hier nicht auffahren, aber erwähnt haben, daß dies in den ersten Tagen der Operation noch ein wenig anders war, da sprachen etliche NATO-Sprechpuppen von einem "Entlastungsangriff" zugunsten der kritischen Donezker Front, was die militärischen Realitäten rasch ins Reich des Wunschdenkens verbannt haben.

    Vor diesem Hintergrund ist dein Einstieg, Leser, schon ein bißchen mehr, als geistig (argumentativ) korrupt, das sage ich gern auch "ganz lieb". Die Kursker Exkursion ist im klassisch militärischen Sinn zum Scheitern vorgesehen, Punkt. Die Frage, wer das so zu welchem Behufe vorgesehen hat, ist folglich notwendig, wenn einer wissen will, "was da abgeht".

    Die zweite Korruption deiner Argumentation hat @Nestor schon hinreichend angegriffen. Daß ich mit keinem seiner Argumente einverstanden bin, tut dem keinen Abbruch. Denn vor einem Rekurs auf "Interessenlagen" ist halt deren Gegenstand zu klären, und der ist hier rein militärischer Natur, weil wir von einer militärischen Operation reden. Politische Kalküle sind dann auf militärische Realitäten ODER Annahmen gebaut, also sekundär.

    Ist das Kriegsziel “des Westens”, Russland möglichst schädigen zu wollen, damit es nicht mehr in die Quere kommen könne, inzwischen aufgeben, – oder ist das stattdessen in modifizierter Form immer noch vorhanden?

    Auch dazu hat @Nestor das Allernötigste gesagt, aber ich möchte das zuspitzen und methodisch verdeutlichen.
    "In die Quere kommen" ist eine "gegenstandpunktliche" Weasel-Formulierung, deren geistige Korruption darin liegt, eine "Einheit des Westens" zu unterstellen, die es nicht gibt, genauer, die es nicht so gibt, wie das Weasel-Wort sie setzt, weil sie sich unter der Bedingung imperialistischer Konkurrenz allenfalls als Kriegsresultat einstellen, und hernach dann politisch hergestellt werden kann.
    Der letzte Satz enthält auch eine Selbstkritik. Ich tu immer gern so, als sei die darin genannte Selbstverständlichkeit selbstverständlich *lach*. Reines Wunschdenken *kicher*. Ich wünsche mir halt, wenigstens an diesem Ort nicht von der zeitgeistigen inquisitorischen Denke heimgesucht zu werden, wie an (nahezu) allen anderen Orten in der Republik. Stattdessen hätte ich sagen müssen, daß meine Frage die Konkurrenz und unversöhnlichen Gegensätze zwischen drei Parteien unterstellt, nämlich EU, USA … und NATO. Denn, ist der Übergang zum Waffengang einmal vollzogen, werden militärpolitische Interessen, Zwecke und Ziele erstmal systematisch in militärische Kalküle einerseits, politische Kalküle andererseits geschieden. Diese Scheidung steht polemisch sowohl gegen die ideelle, wie reale Einheit imperialistischer Militärpolitik. Im Krieg ist "die NATO", die Soldateska eines (kriegführenden) Imperiums, ein selbständiger Player. Diese Selbständigkeit ist für die Politiker unhintergehbar, so lange sie aus der Kriegsfront nicht aussteigen (wollen).
    (Das auch nachträglich zur Rolle Frankreichs in dem Geschehen)

    PS.: @Nestor. Falls Dir der letzte Teil meiner Argumentation einleuchtet, solltest Du vielleicht auf dieser Basis Verlauf und Resultat des Afghanistan-Krieges nochmal denken.

  32. "Die Kursker Exkursion ist im klassisch militärischen Sinn zum Scheitern vorgesehen, Punkt."

    Kriegführende Staaten, z.B. Nazideutschland 1944, halten nicht deswegen in ihren Aktionen durch, bzw. erfinden sich neue, weil und damit sie scheitern sollen bzw. wollen.  Das galt auch z.B. nicht für die letzten Jahre der USA in Afghanistan. Auch wenn Kommentatoren das häufiger anders eingeschätzt haben.  Bei geschichtlichen Vorgängen magst du das Korrupte der Argumentation  darin sehen, dass man vom Resultat her argumentiert. Stimmt ja. Und das kann man  bei der Ukraine noch nicht tun. 'Befreiungsschläge' oder 'Kalkulationen für Verhandlungen schaffen' – was mir als ukrainische Gründe noch "einleuchten" würde –  leben übrigens auch vom Siegwillen – und nie und nimmer davon, damit wolle man verlieren, und es so ermöglichen, dass Russland damit sein Gesicht wahren könne. 

    (Nestor im Post hier drunter erläutert eher, dass die westlichen Unterstützer der Ukraine etwas nebulös seien. Jedenfalls würde ich die Interessenlagen der Ukraine nicht mit jenen dieser Unterstützer identisch setzen, – die von Nestor aktuell eher nicht bestimmt werden, denn dass sie nebulös seien. – sagt was genau aus? – Hm.)

    [In Deutschland geben die Ampel-Koalitionäre diverse Warnhinweise ab – sie würden zukünftig nicht mehr an die Ukraine liefern wollen – verklausuliert in allerlei merkwürdigen Argumenten, dass Waffen und/oder Geld ausbleiben würden, bis hin zu Kassandra-Gesängen über das Ende der Ampel-Koalition….
    Aber die Christdemokraten würden, ihren aktuellen Verlautbarungen zufolge, bei der Unterstützung der Ukraine noch mindestens zwei Zacken zulegen wollen. So lautet jedenfalls aktuell und ziemlich einhellig das christlich-oppositionelle Kriegsgebrüll….
    vgl. auch Nestors zwei letzte Posts im anderen Thread:
    https://nestormachno.alanier.at/waffenbrueder/#comment-82666

  33. Bei der Beurteilung der Kriegsziele empfehle ich, einmal die Reibungen zwischen den NATO-Partnern näher zu betrachten.

    Bei der Debatte: Was wußten die USA / die NATO / Deutschland / die EU von dem ukrainischen Plan der Invasion nach Kursk? werden diese unterschiedlichen Interessenslagen sehr deutlich.
    Die russischen Truppen nehmen bei den ukrainischen Verbänden in Kursk vor allem frisch gelieferte Panzerfahrzeuge aus Kanada wahr.

    Mit diesem Vernebelungsgerede halten sich die Anstifter oder zumindest Protektoren dieser Invasion die Möglichkeit offen, zu sagen: Ich wars nicht! – wenn die Aktion in die Hose geht. Ich hab ja ohnehin gewarnt … Ich habe abgeraten …

    Übrigens mache ich auf einen Umstand aufmerksam: Wer regiert eigentlich derzeit die USA?

    Bei dem Getöse um den Wahlkampf geht der Fakt unter, daß die USA irgendwie kopflos sind. Es war zwar bisher auch nicht ganz klar, wer Biden die Zettel schreibt, die er dann vor der Kamera abgelesen hat – aber inzwischen?
    Man hört auch nichts mehr von Austin, und weiß wer, wer als Armeechef Milley abgelöst hat? Er heißt Brown und von ihm hört man auch nichts …

  34. Nestor

    Für die Ukraine ist der Krieg gegen Rußland zu einer Existenzfrage geworden. Alle Friedensverhandlungen wären ein Eingeständnis der Niederlage. Deshalb wollen sie bis zum bitteren Ende weitermachen, „bis zum letzten Ukrainer“ …

    Die verständliche umgangssprachliche Formulierung "für die Ukraine" ist hier ein ernster Fehler mit weitreichenden Folgen.
    Du weißt so gut wie ich, die Aussage gilt für die imperiale Stellvertreterherrschaft der amtierenden Militärregierung. Daß es eine ist, ist formell darin gegeben, daß die turnusmäßigen Wahlen abgesagt worden sind.
    Der Umstand ist für die russische Regierung ein Eckstein ihrer Kriegführung und deren militärpolitische Kalküle, wie Du ausführlich der Rede Putins vor der außenpolitischen Nomenklatura vom 14- Juni entnehmen kannst.
    http://en.kremlin.ru/events/president/news/74285

    Nachdem ich das verlinkt habe, will ich nicht auslassen, zu deklarieren:
    Dieser Mensch, Putin, ist inzwischen deutlich krank im Kopfe und in einer "eigentlich" unhaltbaren Position innerhalb seiner Administration.
    Wer das teilt, sollte das andererseits nicht überbewerten, in Kriegs- und Krisenzeiten gilt das in mehr oder minder großem Ausmaß für jede nationale Führerfigur, heiße sie nun Scholz, oder eben Putin, und damit lasse ich diese Seite hier fallen.

    Der andere, große Fehlerbestandteil:
    Eine militärische Niederlage des Imperiums in der Ukraine ist nicht gleichbedeutend mit einer politischen Niederlage des Imperiums UND der Stellvertreterregierung, die vollumfänglich von EU und IWF (ökonmisch), NATO und USA (militärisch) alimentiert wird.
    Und es ist mindestens eine offene Frage, ob, falls vermieden werden soll, daß eine militärische Niederlage in eine politische Niederlage umschlägt, das Festhalten am Ziel einer formellen NATO-Mitgliedschaft notwendig wäre oder würde. Während die NATO – Administration so tut, als sei das keine offene Frage, haben die Administrationen auf beiden Seiten des Atlantic diese Frage ostentativ offen halten wollen, was man den Abschlußkommuniques der NATO-Tagungen entnehmen kann.

    Deine umgangssprachliche Formulierung hat allerdings auch einen Realteil, der kürzlich krass anhand der Ermordung Iryna Farions zu Tage trat, und natürlich auch in der schon erwähnten "Überlegung" Selenskiys, der Eintritt in Verhandlungen mit Russland müsse durch eine Volksabstimmung abgesegnet werden. So, wie die Dinge liegen, kann ein Übergang zu Verhandlungen rasch in einen ukrainischen Bürgerkrieg umschlagen, der Armeeteile gegeneinander stellt.
    Ich denke, der o.zit. Rede Putins kann man entnehmen, daß ihm dieser Umstand nur allzu bewußt ist. Die russische Föderationsregierung kann einen ukrainischen Bürgerkrieg nicht wünschen, die Folgen für die Kriegsfront mit der NATO würden völlig unkalkulierbar.
    Dasselbe gilt natürlich für die Gegenseite.

    Okay, vielleicht machen Dir, Nestor, diese Bemerkungen meine Fragestellungen und Überlegungen immerhin nachvollziehbarer.

  35. 'Befreiungsschläge' oder 'Kalkulationen für Verhandlungen schaffen' – was mir als ukrainische Gründe noch "einleuchten" würde –  leben übrigens auch vom Siegwillen – und nie und nimmer davon, damit wolle man verlieren …

    Das ist ein klassisches Beispiel für das, was ich mit "zeitgeistiger inquisitorischer Denke" adressiert haben will.
    Militärischer UND politischer "Siegwille" ist immer und überall ein Opferwille.

    Jemanden, der das nicht mehr im Kopf hat, wenn er so formuliert, wie zitiert, ist in meinen Augen geistig erkrankt – an eben jenem Zeitgeist.

    (Nein, ich nehme hier kein Blatt vor den Mund – ich bin schon überall gebannt, von mir aus auch hier, klaro?)

  36. Militärischer UND politischer "Siegwille" ist immer und überall ein Opferwille.

    Komm mal wieder runter. Das will ich gar nicht bestreiten. Aber möglichst doch viele Opfer auf der Gegenseite, beim Feind!   (Möglichst nicht in den eigenen Reihen.)

    Aber dass die USA ihr eigenes Militär nach Afghanistan hätten schicken wollen, oder die Franzosen ihres nach Mali, “um” damit  vor allem und erst einmal ihr eigenes Militärpersonal zu vernichten,  das. stimmt. nicht.
    Zwar: Die angestrebte Vernichtung des Gegners schließt allemal Rücksichtslosigkeit gegenüber den eigenen Truppen ein, sonst wäre man kein Politiker. Das stimmt.   (Und das haben die diversen Politikertruppen (sic) auf Seiten der “Linken” allesamt gefressen, incl. der dafür nützlichen nationalistischen Standpunkte, und Unterscheidungen – das sei auch nicht bestritten.)

    (EDIT: Nestor geht unten darauf ein, dass das Ausrufen von “Opfern” sich meist nicht für die Rhetorik der Kriegspropaganda eignet. TG ging es aber gar nicht um diese Rhetorik.)

  37. Wieder zu der Frage, was die USA von dem Angriff wußten:

    „Wir haben mit dem Leiter des Zentrums für das Studium militärischer und politischer Konflikte, Andrej Klintsewitsch, darüber gesprochen, daß dahinter tatsächlich »amerikanische Ohren« hervorstehen.“

    Vermutlich muß man sich dabei bildlich Eselsohren vorstellen … devil

    „»Ohne die technischen Mittel der Weltraumaufklärung wäre die Ukraine allein nicht in der Lage gewesen, diese Operation durchzuführen«, sagt Klintsewitsch. »Kiew verfügt nicht über eigene Satelliten, um unsere Verteidigungsanlagen, einschließlich der Funktechnik, online aufzudecken. Und auch, um Luftverteidigungssysteme zu erkennen, zu verstehen, wo welche Kräfte und Mittel in Unterzahl sind, und um Ziele für ihre Angriffe zu bestimmen.«

    Wie der Experte sagt, gehen sie nicht nach Google Maps vor, um ihre Geschoße auf Brücken zu richten, und sind dabei sehr genau.
    »All dies geschieht auf der Grundlage von Satellitenbildern, die von der NATO, dem NATO-Kommando, bereitgestellt werden. Und was am wichtigsten ist: Die Ukraine führt Militäreinsätze in elektronischer Form durch. Sie haben ein System implementiert, dem wir gerade erst nahe kommen.“

    Der Experte stellt klar, dass es sich um ein digitales Schlachtfeld handelt, um eine Karte, um Tablets, die Informationen aus verschiedenen Quellen erhalten. »Es ist nicht nur so, dass sie Starlink auf jeder Maschine installiert haben, um all diesen Datenaustausch im Hochgeschwindigkeitsmodus durchzuführen. Die NATO ist an dieses System angeschlossen. Daher ist es möglich, die Konzentration der ukrainischen Streitkräfte und ihren Vormarsch genau zu steuern. Alles wird auf Tablets angezeigt. Ohne ihre Ausbildung und ihr Mitwirken (von NATO-Experten) wäre dies natürlich nicht möglich gewesen.

    MK: In der Region Kursk wurden Söldner gesichtet, die Englisch, Polnisch und Französisch sprechen.

    AK: Dies deutet darauf hin, dass für den Durchbruch hochmobile ausgebildete Einheiten dorthin geschickt wurden. Dass der Westen hinter ihnen steht, ist wahrscheinlich. Mexikanische und kolumbianische Söldner haben jedoch möglicherweise nichts mit der NATO zu tun.“

    Das sind sozusagen private Dienste, die von der Ukraine angeworben werden, oder was meint Klintsewitsch?
    Irgendwoher muß das Geld zur Bezahlung dieser Leute ja auch kommen.

    MK: Wie könnten sich die Ereignisse in Richtung Kursk entwickeln?

    AK: Es ist unmöglich vorherzusagen. Wenn Ihnen jemand sagt, dass wir in einem Monat die ukrainischen Streitkräfte aus dem Grenzgebiet der Region Kursk verdrängen werden, wäre das meiner Meinung nach ein Fehler. Zelenskij hat Reserven.“

    Wie diesem Artikel zu entnehmen ist, offenbar auch in Mexiko …

    „Er hat in dieser Richtung noch keine F-16 oder andere schwere Waffen eingesetzt. Es ist möglich, dass er das alles nutzt, um die Krim anzugreifen, auf die der Westen zunächst bestand.“

    Klintsewitsch meint, dieses ganze Gerät wurde möglicherweise für einen Angriff auf die Krim geliefert und nicht für einen Angriff auf Kursk?
    Aber zwischen der Krim und den unkrainischen Einheiten liegen viele Kilometer und Befestigungsanlagen, während die Kursker Grenze praktisch offen dalag, wie man inzwischen weiß.

    „Oder er wirft es auf die Region Kursk. Die Optionen können sehr unterschiedlich sein. Auch auf unserer Seite kann es sein, dass wir Gruppen von Süden nach Norden verlegen.“

    (MK, 20.8.)

    Klintsewitsch meint, daß die Kursker Operation als Ablenkungsmanöver konzipiert sein könnte für einen Hauptschlag an ganz anderer Stelle.

  38. @Leser und TonGard

    Zum „Opferwillen“ – also das ist nie die Kalkulation, daß man Opfer bringen will. Und der Gegenseite Verluste zuzufügen, das kann man nicht als „Opfer“ bezeichnen.

    Nicht einmal jetzt in der Ukraine wird viel von Opfern geredet – gerade wil sie massenhaft anfallen.

    Diese Opferdiktion hat schon etwas von Schwäche an sich, von antikolonialem Kampf – man denke an verschiedene Blutopfer wie im Osteraufstand oder auf dem Balkan, wo das Opfer ein Versuch war, andere Großmächte zur Unterstützung zu bringen.

    Erinnert euch doch an 2022, da war der Tenor: Unerhört, diese Russen! Möglichst fest auf den Kopf schlagen! In ein paar Wochen gehen ihnen ohnehin die Raketen aus. Putin muß gehen! Bald gibt es dort einen Volksaufstand. 
    Auf Seminaren in den USA wurden Teilungspläne für Rußland erörtert.

    Jetzt wiederum sind Durchhalteparolen gefordert.

  39. Zu Klintsewitsch.

    Bhadrakumar schreibt schon lange mit dem Mindset eines enttäuschten Liebhabers, deshalb war ich nicht bereit, folgenden Absatz so ganz für bare Münze zu nehmen:

    Ukrainian military was apparently gasping for breath, per Russian narrative. But Ukrainian mastery of combined arms warfare is on display and it is impressive — deploying everything from air defence to electronic warfare and armour and infantry. Ukraine made its point that it is capable of mounting a combined arms assault and bring some pain to Russians.  

    Vielleicht übertreibt Klintsewitsch, um die Bräsigkeit und den Unwillen des russischen Militärs zu übertünchen, der so oft bei ukrainischen Angriffen auf russischem Territorium zu Tage getreten ist. Aber andererseits halte ich es für plausibel, daß niemand anderes, als die militärische Führungsebene der NATO die Ukraine zu einer "show of force" auf just der Ebene gedrängt haben könnte, auf der die ukrainische Armee bislang – gemäß NATO-Experten – katastrophale Defizite hatte, wenn man die Gesamtlage eines Krieges mit unterlegenen Kräften unterlegt.

    Auch die Propaganda der 7 bis 8 von 10 "Experten", die "Responsible Statecraft" aufgefahren hat, könnte so gedeutet werden, was freilich nicht gegen meine Überlegungen spricht, sondern sehr wohl zu ihnen passen könnte – halt auf der politischen Ebene.

    Klintsewitschs Warnung, es könne eine ganze Weile dauern, die angeblich 15.000 Mann starke Invasionstruppe hinaus zu werfen, verrät zumindest eines:
    Er weiß, daß in der russischen Kommandostruktur ein Chaos herrscht, das rasche Reaktionen auf unvorhergesehene Geschehnisse und Entwicklungen praktisch verunmöglicht.

  40. @TomGard

    Na ja, Chaos … Es ist offensichtlich, daß niemand mit einem Angriff auf russischen Boden gerechnet hat und das ist natürlich etwas blauäugig gewesen.

    Meine Einschätzung ist eben, daß die NATO nicht mit einer Stimme spricht und das schon seit geraumer Zeit. Nach außen tut man so als ob, aber es muß ja auch einen Grund haben, warum niemand Stoltenbergs Nachfolger werden wollte und er sich breitschlagen hat lassen, weiterzumachen.

    Du teilst irgendwie die Allmachtsphantasien, die die NATO-Häuptlinge, EU- und US-Politiker haben mögen. Aber das sind ja weder die Allerintelligentesten, noch haben sie die Mittel, die sie gerne hätten.

    Die NATO tritt erstmals seit dem Zerfall der Sowjetunion einem Gegner gegenüber, der ihr zumindest ebenbürtig ist. Mit Milošević, Gaddafi und dem Irak hatte sie vergleichsweise leichtes Spiel, weil diese Staaten waffenmäßig viel schlechter ausgestattet waren und vor allem auch international isoliert dastanden.
    Aber das ist jetzt vorbei, Rußland hat Verbündete und Unterstützer und ist selber hochgerüstet.
    Viele Waffensysteme werden jetzt erstmals ausprobiert, da geht auf beiden Seiten einiges schief.

    Also nicht gleich immer so superlativisch denken. Die Russen werden sich schon wieder etwas einfallen lassen, und der Krieg geht wahrscheinlich noch eine Zeitlang weiter.

  41. Du teilst irgendwie die Allmachtsphantasien, die die NATO-Häuptlinge, EU- und US-Politiker haben mögen.

    Angesichts meiner Postings heute, von 10:47 an (Verhältnis von Politik und Militär und den drei Machtzentren) bis zum letzten ("Gesamtlage eines Krieges mit unterlegenen Kräften") brauchst Du in der Tat das "irgendwie" für solche Projektion.

    Gleichwohl hast Du natürlich auch "irgendwie recht". Das Erscheinungsbild entsteht für Dich, weil ich den russischen Ukrainekrieg von allem Anfang an für einen militärpolitischen Irrsinn höchsten Grades halte, der seine strategische Niederlage in sich trug.

    Ich weiß, daß ich das mit niemandem ernsthaft besprechen kann.
    Aber wenn Du magst, dann lies doch mal die oben verlinkte Rede Putins unter der Hypothese meiner Unterstellung.
    Das allgemeine Moment: Der Mann rechtfertigt inzwischen nur noch einen welt- und "natur"historisch "gerechten Krieg", worin die "Gerechtigkeit" für den ultimaten Erfolg und Gewinn einstehen soll.
    Das ist nicht im eigentlichen Sinne neu, die wichtigsten Versatzstücke hat er schon in der Rede zu Kriegsbeginn aufgefahren, aber die Weise, wie praktische Kriegsziele inzwischen dahinter zurück treten, die ist neu.
    Das ist eine eigentümliche Mischung aus päpstlicher und "hitler"ischer Kriegsideologie, wenn man es streng nimmt.
    Der Mann mag ziemlich verrückt geworden sein, aber u.a. deshalb, weil er weiß, daß der Krieg strategisch verloren ist. Der NATO-Beitritt Finnlands allein kann schon als Grabstein der "MSO" gelten.

    Aber, wie gesagt, laß uns die Differenz stehen lassen.

  42. Na ja, jeder fährt alles auf an Werten, was gut und teuer ist, das ist wirklich keine Besonderheit von Vladimir Vladimirowitsch.

    Aber warten wir doch wieder einmal ein bis 2 Monate ab, dann zeigt sich ja, wie die Sache weitergeht. wink

  43. Noch mal eine Erinnerung an das Interesse der Ukraine:

    die Ukraine will möglichst die NATO auch offiziell  in den Krieg mit hineinziehen, anstatt umgekehrt als Büttel der NATO deren Krieg gegen Russland militärisch weitgehend alleine auslöffeln zu sollen. Zumindestens diplomatisch hat die Ampel-Regierung solchen ukrainischen Ambitionen öfters offiziell eine Abfuhr erteilt – bzw. diese deutlich auf die längere Bank verschoben. Angesichts der drohenden Niederlage sieht die Ukraine anscheinend keine andere Möglichkeit als diese Offensive,  um  die NATO direkter ins Kämpfen hineinverwickeln zu wollen.  Zumindestens die BRD geht da aktuell nicht mit. Sie sendet sogar diverse diplomatische bis unfreundliche Signale nach Kiew. (Man habe kein Geld übrig – und passender Weise tischt die BRD aktuell die Pipeline-Affäre auf, – weil: um die Ukraine und Polen daran zu denunzieren…). Oder so: https://www.telepolis.de/features/Panzer-aus-Deutschland-vor-Kursk-Wie-veraendert-sich-die-Debatte-9841079.html – “Also” – verschärft die Regierung in Kiew aber aktuell grad umgekehrt  ihre Anstrengungen, die NATO-Staaten doch noch direkter in den Krieg hineinziehen zu wollen. (Mag auch sein, dass sie von den USA  und/oder z.B. Polen dafür Rückendeckung kriegt.   Auch die Amis wollen Lasten dieses Krieges loswerden, und die BRD beansprucht ja europäische Führungsmacht sein zu wollen. Dem helfen die Amis vermutlich, in ihrem eigenen Interesse, auch hier mal wieder gerne nach…. Dass amerikanische Luftaufklärung dafür notwendig ist,  das dürfte wohl so sein. Und Polen hat noch mal eine andere Stellung zum Krieg im Nachbarland als die BRD.)
    Genug spekuliert, – oder wie Nestor sagt: in zwei Wochen wissen wir vermutlich mehr…

  44. Prominente Grüne dringen auf Verschärfung des deutschen Kriegskurses:

    „Es ist nun dringende Aufgabe des Bundestages und seiner demokratischen Kräfte, nicht zuzulassen, dass Deutschland aus dem Bündnis zur Unterstützung der Ukraine ausschert“, schreiben die Autoren, zu denen auch bekannte ältere Grüne wie Rebecca Harms, Daniel Cohn-Bendit, Ralf Fücks oder Marieluise Beck zählen. "
    https://www.tagesspiegel.de/politik/offener-brief-an-parteispitze-grunen-basis-fordert-bekenntnis-zu-ukraine-hilfen-12218669.html

  45. Hurra, Germania! – Zum Schutz vor deinen Herd...
    Die taz – tritt furchtbar spontaneistisch und komplett aus Herd- und Herzensgründen für den aktuellen grünen regierungsamtlichen Hurrah-Patriotismus ein:
    https://taz.de/Kaempfen-fuer-Deutschland/!6028014/

    Und vorsichtigere Stimmen aus der SPD – die wandeln hingegen auf Trumps Spuren:
    https://taz.de/Gefaehrdete-deutsche-Ukrainehilfe/!6027830/

    „Hurra, du stolzes schönes Weib, /Hurra, Germania! /Wie kühn mit vorgebeugtem Leib/ Am Rheine stehst du da!/ Im vollen Brand der Juliglut,/ Wie ziehst du frisch dein Schwert!/ Wie trittst du zornig frohgemut/ Zum Schutz vor deinen Herd! / Hurra, hurra, hurra! / Hurra, Germania!“ (So dichtete die taz 1870 – oder war das gar nicht die taz?)
    https://de.wikipedia.org/wiki/Hurra-Patriotismus
    (Wie soll man solche taz-reportagen überhaupt noch satirisch zuspitzen können???)

  46. In einem Artikel von El País wird eine neue Offensive in Kursk, weiter westlich, vorgestellt. Ukrainische Truppen versuchen dort die Grenze zu überschreiten und russische Truppen einzukesseln, nachdem mit HIMARS-Raketen die Brücken über den Fluß Sejm zerstört wurden.

    Dennoch ist der Bericht sehr reserviert, was die Erfolge dieses Unternehmens betrifft:

    „Die ukrainische Machthaber wissen, dass die Zeit gegen sie läuft. Es wird immer schwieriger, von seinen Verbündeten militärische Hilfe zu erhalten. Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung sieht eine deutliche Kürzung der Kriegsunterstützung für die Ukraine vor und sieht auch die Gefahr eines Sieges Donald Trumps bei den US-Präsidentschaftswahlen vor.

    Trump ist dafür, Kiew den Hahn zuzudrehen. Zelenskij selbst will künftige Friedensverhandlungen mit Russland vorerst ausschließlich unter seinen Bedingungen beschleunigen. In diesem Zusammenhang wird die Kursk-Offensive als vorletzter und riskanter Coup der Ukrainer verstanden, die Initiative im Krieg zu ergreifen und an einen hypothetischen Verhandlungstisch mit mehr Gewicht zu gelangen.
    Eine Quelle aus dem Umfeld von Zelenskijs Team versicherte EL PAÍS am Samstag, dass die Invasion von Kursk ein Schritt des Präsidenten der Art »Kopf oder Zahl“ sei: »Wenn es gut läuft, wird es in den Augen der Bürger ein großer Erfolg sein, aber eben nur, wenn es gelingt. Wenn etwas schief geht, liegt die Verantwortung bei ihm.«“

    Eben nicht nur in den Augen der „Bürger“, die sowieso nur Bauern in diesem Spiel sind, sondern in den weit wichtigeren der NATO.

    Zu der hier im Blog gewälzten Frage: Wer ist der Planer dieser Aktion? – kann man als weitere Hypothese hinzufügen, daß es auch eine Form sein könnte, sich Zelenskijs zu entledigen, wenn die Sache schiefgeht. 

    „Es gibt drei Szenarien, in denen die Operation auf russischem Territorium schiefgehen könnte: Erstens, wenn es Moskau gelingt, die Ukrainer in Kursk zurückzudrängen, indem es – wie es derzeit geschieht – eine große Anzahl gepanzerter Fahrzeuge und Artilleriegeschütze zerstört. Und je tiefer die Truppen Kiews in Russland vordringen, desto exponierter werden die ukrainischen Streitkräfte und desto anfälliger wird ihre Logistikkette.

    Das zweite negative Szenario wäre, wenn die Besetzung russischen Bodens in Verhandlungen mit dem Kreml nicht als Teil dessen akzeptiert würde, was die ukrainische Regierung als »gerechten Frieden« definiert hat.
    Alexander Graef, Forscher am Institut für Friedens- und Sicherheitspolitik in Hamburg, sagte dieser Zeitung am 14. August, dass er es für unmöglich halte, dass Putin einen Dialog akzeptieren werde, solange ein Teil Russlands unter ukrainischer Besatzung stehe.

    Das dritte Szenario, das schief gehen kann, besteht darin, dass der Überfall auf Kursk den schnellen russischen Vormarsch an der Donezk-Front nicht aufhält. An diesem Punkt schrillen bereits die Alarmglocken, selbst seitens des militärischen Establishments, denn im Moment hat Russland noch keine nennenswerte Anzahl seiner erfahrensten Einheiten in Donezk nach Kursk verlegt, wo die Verteidigung der Provinz vor allem kürzlich rekrutierten Rekruten übertragen wird.
    Im Gegenteil: Die ukrainische Armee hat die meisten Truppen von Donezk nach Kursk verlagert. »Ich weiß immer noch nicht, ob das eine tolle Idee oder eine selbstmörderische Entscheidung ist«, reflektiert Helin, Analyst der finnischen Gruppe »Black Birds«, über den Einmarsch in Russland.“

  47. Die Tschetschenen – in Kriegszeiten wichtige Bürger:

    „Putin und Kadyrow inspizieren Truppen in Tschetschenien

    Der russische Präsident Wladimir Putin hat zum ersten Mal seit 13 Jahren die nordkaukasische Republik Tschetschenien besucht. Gemeinsam mit dem tschetschenischen Machthaber Ramsan Kadyrow inspiziert er dort Truppen und Freiwillige, die sich auf einen Einsatz in der Ukraine vorbereiten. »Solange wir Männer wie euch haben, sind wir absolut unbesiegbar«, sagt Putin zu den Truppen in der Russischen Universität für Spezialeinheiten wie es auf der Internetseite des Kremls heißt.

    Der unangekündigte Besuch findet vor dem Hintergrund der jüngsten ukrainischen Vorstöße in die russische Region Kursk statt. Kadyrow berichtet Putin bei einem separaten Treffen, dass Tschetschenien seit Beginn des Krieges mehr als 47.000 Kämpfer in die Ukraine geschickt habe, darunter etwa 19.000 Freiwillige.“

    (Standard, 21.8.)

  48. @Nestor

    Ist es nicht zuvörderst Zelenskij selbst, der in der seit Monaten bestehenden Lage auf Mittel und Wege eines Ausstieges zu sinnen und sich unter den Schutz der Militärpolizei eines NATO-Staates zu begeben hat?

  49. @TomGard

    Er scheint jedoch aus verschiedenen Gründen an seinem Sessel zu kleben.
    Immerhin ist es ja die Rolle seines Lebens.
    Eine bessere kriegt er nie wieder.

  50. Neben der Ukraine scheint auch Polen darauf fixiert zu sein, die NATO-Truppen offiziell intensiver in das Kriegsgeschehen hineinziehen zu wollen – und damit auch sich selber als (Kriegs-) Nation bedeutender zu machen:

    https://www.euractiv.de/section/europa-kompakt/news/ukraine-nato-generalsekretaer-stoltenberg-lehnt-raketenabschuesse-durch-polen-ab/

    (Das dünkt zwar einfach irre – ist aber auch nicht mehr irre als der deutsche Regierungswunsch, amerikanische Mittelstrecken-Raketen nach Schland verlegen lassen zu wollen…)

    Der (irre) Standpunkt ist vielmehr, dass die eigene Nation so stärker an die USA und an die NATO angebunden würde, und dadurch relevanter würde. Das ist ja bekanntermaßen Regierungslinie der Ukraine. Und gilt bei der als “verständlich”: die eigene Souveränität als kapitalistischer Staat komplett zu riskieren (bei der Ukraine sollte man eher formulieren: gesichert weitgehend Land und Leute kaputt machen zu lassen), um die Nation vorwärts zu bringen. Irre ist das allemal. Und normal ist es anscheinend auch.

    ——

    Kritisiert werden soll also die Nation und der Kapitalismus. AFDler (und etliche ‘Querdenker’…) stellen sich vor, man könne auch mächtig als kapitalistischer deutscher Staat sein – aber ohne die angebliche “Besatzermacht” aus den USA. Demgegenüber ist festzuhalten, dass auch die AFD natürlich nicht gegen die irre Logik militärischer Abschreckung ist – sondern schlicht dabei (noch!) mehr Deutschtum einklagt.
    Dabei ist es bereits das Programm der Ampel, vor allem Schland kriegstüchtig machen zu wollen. https://www.contradictio.de/blog/archives/9901#comment-12744

    Denn dass die USA zukünftig sich mehr Richtung Pazifik wenden wird, hängt erst einmal nicht [nur] an aktuellen oder zukünftigen politischen Mehrheiten oder Personifikationen für diese Politik. (Und sogar der Standpunkt, dass man es alleine mit weltpolitischen Gegnern müsse aufnehmen können, ist als Leitlinie der amtlichen deutschen Regierungspolitik den Vorstellungen der real Regierenden und deren “Kräftevergleichen” doch schon längst entnommen: Früher wollte der gesamte Westen gegen den gesamten Ostblock ‘abschrecken’. Heute wollen zumindestens die europäische Führungsmächte notfalls auch ohne die USA jeweils bereits abschreckungsmächtig sein.

  51. „Militante einer amerikanischen PMC sind zusammen mit den ukrainischen Streitkräften in die Region Kursk eingefallen (…)

    Dass Zehntausende westliche Militärangehörige und Söldner in der Ukraine kämpfen, überrascht die Öffentlichkeit schon lange nicht mehr. Die jüngsten Ereignisse schockierten jedoch die Welt:“

    Ob die sich so leicht schockieren läßt, sei dahingestellt …

    „Vertreter der amerikanischen privaten Sicherheitstruppe Forward Observation Group veröffentlichten Fotos im Internet, die ihre Beteiligung an dem … Angriff auf die Region Kursk zeigten. Das Filmmaterial hat … auch neue Fragen über das Ausmaß der ausländischen Einmischung in einen zunehmend beunruhigenden Konflikt ausgelöst.

    In der Mitte des Fotos ist der Gründer von FOG, ein ehemaliger Soldat der US-Armee, der Afroamerikaner Derrick Bales, zu sehen. Der Mann war früher Fallschirmjäger der 173. Luftlandebrigade und hat einen Einsatz in Afghanistan hinter sich.

    PMC-Kämpfer posieren neben ihm an seiner Seite, und hinter den Männern steht ein amerikanisches Humvee-Panzerfahrzeug. Es gibt einen Hinweis zur Geolokalisierung in der Region Kursk und unter dem Beitrag steht: »The boys in Kursk« …Die Soldaten verstecken ihre Abzeichen – sie sind mit blauem Klebeband umwickelt.“

    Offenbar hat dieses offene Bekenntnis zum Einsatz von US-Söldnern in Kursk Auftraggeber und ein Showeffekt ist beabsichtigt.

    „Die FOG-Kämpfer verheimlichen nicht ihre Verbindungen zum Asowschen Nationalbataillon und die Tatsache, dass sie bereits vor den ersten Zusammenstößen im Jahr 2014 das ukrainische Militär im Donbass ausgebildet haben. Den amerikanischen Söldnern wurde auch immer wieder vorgeworfen, sie seien Anhänger des Satanismus, wie ihre Aufnäher belegen: Viele von ihnen zeigen den Teufel und andere okkulte Symbole.

    Einige der toten Söldner hatten ein Kanu auf ihren Chevrons: Im amerikanischen Militärjargon bedeutet dieses Bild eine Tötungsmethode, bei der dem Opfer aus nächster Nähe direkt über dem Körper stehend in den Kopf geschossen wird. Diese Symbolik wurde auch während der Befreiung des Asowstal-Werkes in Mariupol gesehen.

    Bales selbst verbirgt nicht die Tatsache, dass er taktische Ausrüstung und militärisches Zubehör an Militante im Irak, in Syrien und in der Ukraine verkauft. Auch seine Ziele liegen auf der Hand: Der Ex-Soldat strebt offen danach, alles zu tun, um »den Russen und ihren Verbündeten größtmöglichen Schaden zuzufügen«.

    Im März 2022 gab das russische Außenministerium eine Erklärung heraus, in der es vor möglichen chemischen Provokationen in der Ukraine unter falscher Flagge warnte.
    Nach Angaben des Geheimdienstes lieferten damals ukrainische Radikale 200-Liter-Metallfässer mit ausländischen Markierungen in die Region Donezk. Beim Entladen erlitten die Ukrainer schwere Verätzungen und Vergiftungen. Und der Absender der Fässer war dieselbe Forward Observation Group.

    Die amerikanischen Söldner sind auch aktiv an der Propagandafront aktiv. Sie bewegen sich problemlos an der gesamten Front, pflegen weiterhin Seiten in sozialen Netzwerken und stellen ihre »Abenteuer« in Blogs zur Schau.

    Gleichzeitig wurden Fälschungen verbreitet: Eine davon war die Behauptung, die russischen Luft- und Raumfahrtstreitkräfte hätten angeblich »das Gebäude eines Theaters in Mariupol angegriffen, in dem sich ukrainische Zivilisten aufhielten«. Obwohl die Ausländer sehr wohl wussten, dass es ihre »Asowiter« waren, die es taten. Oder vielleicht sie selbst.

    Söldner von FOG stehen direkt unter der Aufsicht des Hauptquartiers der Bodentruppen der ukrainischen Streitkräfte und ihre Sabotageeinheit ist die Hauptnachrichtendirektion des Verteidigungsministeriums der Ukraine. Als offizieller Kurator der FOG gilt GUR-Major Vadim Popik, der alle Informationen über die Aktivitäten der FOG-Kämpfer direkt an seinen Chef Kirill Budanov weiterleitet.

    Mitglieder der FOG wurden mehr als einmal in Kiew gesichtet, wo sie angeblich Sicherheits- und Patrouillenaufgaben wahrnahmen. Im Frühjahr 2022 nahmen sie auch an den Kämpfen um Sewerodonezk teil, wo sie nach eigenen Angaben der Amerikaner »viele ihrer eigenen Truppen verloren haben«.

    Als Hauptzquartier der Forward Observation Group galt das Trainingsgelände in Javorovsk in der Region Lemberg. Hier schlugen im Jahr 2022 30 russische Marschflugkörper ein. Bis zu 180 Söldner und Dutzende ukrainische Militärangehörige wurden Opfer des Angriffs. Daraufhin gaben FOG-Vertreter offiziell bekannt, dass sie ihre »Mission« in der Ukraine beenden und nach Hause zurückkehren würden.

    Doch nachdem sie ihre Wunden geleckt hatten, beschlossen die amerikanischen Söldner offenbar, ihr Glück noch einmal zu versuchen.

    Heute wurde die Geschäftsträgerin der USA in Moskau, Stephanie Holmes, in das russische Außenministerium vorgeladen. Sie wurde darauf hingewiesen, dass die Teilnahme eines amerikanischen Sicherheitsdienstes auf der Seite der ukrainischen Streitkräfte während der Invasion der Region Kursk die direkte Beteiligung der USA an dem Konflikt beweise und dass amerikanische Söldner, die die Grenze der Russischen Föderation überquerten zu einem legitimen militärischen Ziel werden.“

    (KP, 20.8.)

    Die Botschafterin wäre angeblich Lynne M. Tracy, es ist nicht ganz klar, warum ihre Stellvertreterin vorgeladen wurde.

  52. @Leser

    Es ist die Vorstellung, man könne sich als Schland alleine mit Rußland messen, sehr verrückt. Aber darauf soll offenbar die Bevölkerung eingeschworen werden. Vor aller waffenmäßigen Aufrüstung ist offensichtlich die geistige derzeit im Fokus.

    Heute wollen zumindestens die europäische Führungsmächte notfalls auch ohne die USA jeweils bereits abschreckungsmächtig sein.

    Das ist eine interessante Fortsetzung des Projekts EU: Nachdem sich die ursprüngliche Vorstellung, man könne die USA wirtschaftlich überholen und dem $ Konkurrenz machen, mit der Finanzkrise 2008 ff. zerschlagen hat, und die Trittbrettfahrerei zwischen USA und Rußland mit dem Ukraine-Krieg an ihr Ende gekommen ist, will sich Europa nun zu einer wehrhaften Bastion gegen Rußland machen.

    Von der Ökonomie zum Militär als Grundlage des Zusammenhalts und das angesichts einer militärischen Unterlegenheit gegenüber beiden Seiten.
    Und weiters in ständiger Konkurrenz, wem eigentlich bei diesem ehrgeizigen Projekt die Führungsrolle zukommt …

  53. Lesehinweis: “Der Ukraine-Krieg: Das fünfte Halbjahr”

    1. Die Ukraine wird von den russischen Streitkräften zunehmend zerstört; ihre Armee hält dem russischen Druck an der weitgespannten Front immer weniger stand. Das liegt nach dem Urteil nicht nur der ukrainischen Staats- und Militärführung, sondern auch der westlichen Fachwelt einerseits daran, dass das ukrainische Menschenmaterial im Kräftemessen mit der russischen Seite tendenziell zur Neige geht. Andererseits und in erster Linie werden die fortgeschrittene Zerstörung des Landes und die Dezimierung der ukrainischen Armee auf den mangelnden Nachschub an ­Waffen aus den NATO-Ländern zurückgeführt. Erstens gibt es von ihnen viel zu wenig, zweitens sind ihre Einsatzmöglichkeiten viel zu beschränkt. Zum Töten und Zerstören der einmarschierenden Russen darf die Ukraine sie ja nicht nach eigenem Bedarf, sondern nur nach den Vorgaben der Sponsoren gebrauchen. Das wird wiederum als entscheidender Grund dafür verbucht, dass der Verschleiß an menschlichen und materiellen Ressourcen auf ukrainischer Seite so gravierend ist: Er ist zu hoch und dauert zu lange an.
    2. In die Krise gerät damit zwar nicht der Westen selbst, wohl aber die Art und Weise, wie er den Krieg bislang definiert hat: als großangelegte Hilfsaktion für das überfallene ukrainische Opfer, die so lange fortgesetzt wird, bis der russische Aggressor die Schlacht verloren gibt, seinen Übergriff beendet und sich zurückzieht. (…)
    4. Schon das Aufkommen solcher Zweifel an der Bedeutung dieses Waffengangs für Amerika hat für das Kriegskalkül der europäischen NATO-Mächte noch weiter reichende Konsequenzen als die kritische Lage der und in der Ukraine selbst. Erst einmal müssen sie sich mit der Alternative befassen, womöglich auch ohne ihre Führungsmacht den Ukraine-Krieg zu bewältigen, also dessen programmgemäße Durchführung „so lange wie nötig“ wenigstens teilweise zu „europäisie­ren“. Daran schließt sich auf längere Sicht die gar nicht bange, eher aus einer ge­­wissen Anspruchshaltung heraus aufgeworfene Frage an, wie sie als europäische Macht die konfrontative Nachbarschaft zu Russland auf Dauer gestalten können und wollen. Unmittelbar und vordringlich hat die europäische Kriegspolitik es jedenfalls mit den zwei Fragen zu tun:
    Was muss der europäische NATO-Pfeiler leisten, um mit der kritischen Kriegslage der Ukraine, notfalls zeitweilig auch ohne die USA, fertigzuwerden?
    Was soll und was kann Europa sich gegen Russland als atomkriegsfähigen Feind leisten, ohne die Sicherheit eines verlässlichen „atomaren Schutzschirms“ der USA? (…)
    [Vorabveröffentlichung aus GegenStandpunkt 3-24, der am 20.09.2024 erscheint.]
    https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/fuenfte-halbjahr-ukraine-krieges

  54. Das folgende ist windig, aber der bekannte Kommentator bei Overton versucht halt obstinat, die Gedanken des Publikums dort ein wenig aus den gewohnten Bahnen zu schubsen.

    "Lars Lange (Telepolis) bekräftigt sein Urteil, die Kursk-Offensive sei “eine Art Verzweiflungstat” gewesen und begründet das mit Blick auf die Donezk-Front mit:

    Realistisch betrachtet stand die ukrainische Armee vor der Wahl, entweder offensiv zu handeln oder ihren militärischen Rückzug professionell zu gestalten und eine wahrscheinlich unvermeidliche Niederlage hinauszuzögern.

    Sein jüngster Artikel macht den Eindruck, daß er sich schlicht weigert, angesichts der widersprüchlichen Vorgänge, und zahlreicher Fakten, in Betracht zu ziehen, die Kursk-Exkursion sei von der militärischen NATO-Führung befohlen, und weitgehend direkt kommandiert worden, nicht etwa durch die Zensur daran gehindert wurde.
    Ich habe an anderen Stellen die Hypothese verteidigt, die NATO-Kommandeure hätten auf einen Durchbruchsversuch zum Stadtgebiet Kursk, der zu Beginn der Operation erfolgreich hätte sein können, ostentativ verzichtet, um die russische Führung daran zu hindern, zu Angriffen auf NATO-Stellungen oder zivile Einrichtungen außerhalb der Ukraine über zu gehen, und will das nicht wiederholen.
    Jetzt aber heißt es bei Lange und in zahlreichen anderen Medien, der Durchbruch der russischen Armee bei Pokrowsk könne leicht ein “Aufrollen” der gesamten ukrainischen Front in diesem mittleren Abschnitt bis zum Lauf des Dnepr einleiten. Und wenn das stimmen sollte – ich nehme das nicht als gegeben – dann stützte das meine Hypothese sehr beträchtlich.

    Denn es wäre für die ukrainische Armeeführung sehr vorhersehbar gewesen, was die Frage beruft, warum sie nicht längst, anstelle einer “Kursk-Offensive”, einen strategischen Rückzug eingeleitet hat. Stattdessen, schreibt Lange, würden die unweigerlich verloren gehenden Stellungen bis zur Stunde weiter verbissen verteidigt.
    Strategisch wäre der Hauptgewinn des Durchbruchs für die russische Armee eine Begradigung und Verkürzung der Front, verbunden mit verringerter Beeinträchtigung der urbanen Agglomeration Donezk.
    Doch Verkürzung der Front wäre auch ein ukrainischer Gewinn zu Lasten eines für sie an diesem Abschnitt ganz abstrakten Wertes von “Territorium”. Und eine höhere Gefährdung der Großstädte westlich des Dnepr ist bislang ein bloß theoretischer Faktor, weil Dnipro und Sapporoshje bislang nie nachhaltig angegriffen worden sind, im Fall Sappo wäre das auch grotesk, beansprucht die RF die Stadt doch formell für sich.

    Nehme ich noch die weithin bekannten Umgebungsvariablen hinzu, schließe ich vorbehaltlich:

    Die Kursk-Offensive markiert einen verbindlichen Beschluss der NATO-Führung, den Krieg nach dem Wahltag in den USA militärisch UND politisch einfrieren zu wollen, egal, ob ein Mann oder eine Frau im Oval Office sitzt, mit dem Dnepr als Demarkationslinie bis hinauf nach Dnipro.”

    Ein weiterer Faktor, an den vielleicht niemand spontan denkt, wäre der bevor stehende Wechsel der zivilen Führung der NATO. “Unter” Stoltenberg kann der Krieg nicht eingefroren werden, das würde die NATO beschädigen. Mit Rutte geht das ohne Beschädigung.

  55. @TomGard

    Also so sicher wär ich nicht, daß die USA den Konflikt einfrieren wollen, sobald die Wahlschlacht geschlagen ist.
    Möglich ist es, aber sicher nicht.

  56. @Nestor

    Welche Wahl hätten denn WH, DOS und DOD, falls die militärische NATO-Führung das beschließen sollte? Vergiß nicht, der Russlandkrieg ist eine staatsterroristische Operation, kein Krieg. Kein NATO-Staat ist angegriffen.

    Auch beliebte Szenarien, wie "Cavoli wird abberufen und degradiert, wenn er nicht pariert", sind antiamerikanische Erfindungen. Es gibt keine Handhabe, NATO-Generäle zu disziplinieren und zu strafen, so lange sie ihren Job tun und keine Minderjährigen belästigen.

    Es kommt also wohl ganz darauf an, welches Endgame die Generäle anstreben wollen. Lediglich der CIA könnte ihnen dabei in die Quere kommen, aber deren Chef Richard Burns hat schon vor nahezu 2 Jahren öffentlich eine Einfrierung befürwortet.

  57. Ich glaube übrigens, daß Burns daran nach wie vor arbeitet. Der hat sich nämlich öfter mit dem russischen Geheimdienst-Fuzi Naryschkin in Istanbul getroffen.

    Ich habs ja nicht so mit Prophezeiungen, weil ich die unwissenschaftlich finde. Aber meine Vorstellung ist, daß, wenn Trump gewinnt, die USA die EU im Regen stehen läßt und sagt: Eure Sache! Wir haben genug getan!

    Und dann gehts in der Europa-NATO rund …

    Bei dieser Vorstellung bestärkt mich die Beobachtung, daß die Demokraten der letzten Jahrzehnte Rußland als Hauptfeind ausgemacht haben, während sich die Republikaner auf Asien und gegen China positionieren.

    Die EU hat hingegen die Feindschaft gegen Rußland als einigende Klammer bitter notwendig, weil sonst nicht mehr viel da ist von dem grandiosen Projekt „Weltmacht EU“.

  58. @Nestor

    D'accord, denn es spielt keine Rolle, daß ich solche Erwartungen in eine Trump-Administration *nicht* setze, denn die EU-Oberen tun es – aus strategischen Motiven.

    Und damit haben wir doch eine Analyse, das ist keine "Prophezeiung" mehr, oder?

  59. Die Offensive scheint ziemlich zum Stillstand gekommen zu sein, da die russische Artillerie die Nachschubwege bombardiert.

    Nach Aussagen eines pensionierten Militärs kommen hier besonders viele ausländische Söldner zum Einsatz.
    Man könnte das auch so formulieren, daß die Ukraine hier diese Ausländer verstärkt verheizt, weil sie aus verschiedenen Gründen schwer in die gewöhnlichen Abteilungen und Frontabschnitte integriert werden können.

    An erster Stelle von der Menge derer, die bereits bei der Kursk-Offensive zu Tode gekommen sind, stehen Amerikaner, gefolgt von Polen und Georgiern. Dann kommen Deutsche, Franzosen usw.
    Die Georgier sitzen ziemlich in der Sackgasse, weil in Georgien selbst wartet auf sie Verhaftung und Gefängnis.

    Der Militär meint spöttisch, die Aktion wurde ja auch in NATO-Quartieren geplant, die ausländischen Beteiligten beschränken sich nicht auf diejenigen, die in Kursk kämpfen und sterben.

  60. „Alarm in der Ukraine wegen des schnellen Vormarsches Russlands an der Donezk-Front

    Die Kritik an Zelenskij nimmt zu, der davon ausgeht, dass die Offensive in der russischen Provinz Kursk den Eindringling am Ende dazu zwingen wird, seinen Vorstoß zu stoppen, was derzeit jedoch nicht der Fall ist. »Man muss nicht dort vorankommen, wo es möglich ist, sondern dort, wo es notwendig ist.«

    Valerij Zaluzhnyj, ehemaliger Chef der ukrainischen Streitkräfte, wiederholte diesen Satz gegenüber seinen engsten Mitarbeitern in Momenten der Spannung, die er mit dem Präsidenten Wolodymyr Zelenskij hatte. Das erklärt seine ehemalige Beraterin Liudmila Goldonovska in »Der Eiserne General. Lektionen in Menschlichkeit«, eine kürzlich veröffentlichte Biographie von Zaluzhni. Das Buch bietet Beispiele für Militäreinsätze, deren Durchführung Zelenskij forderte und denen der General lieber nicht gefolgt wäre. Diese Worte hallen heute nach, als in der Ukraine wegen des schnellen russischen Vormarsches an mehreren Flanken der Provinz Donezk Alarm ausgelöst wurde.

    Die am 6. August auf direkten Befehl des Präsidenten gestartete ukrainische Blitzoffensive in der russischen Provinz Kursk nutzte die schwache Verteidigung des Feindes aus. Ein Ziel der Operation bestand darin, Russland zu zwingen, seine Regimenter an anderen Fronten nach Kursk zu verlegen. Das Ergebnis entspricht vorerst nicht den Erwartungen. Russische Truppen rücken in drei Sektoren der Donezk-Front vor: Wo sie die meisten Ressourcen eingesetzt haben, ist für die Eroberung der Stadt Pokrowsk, einer strategischen Enklave, die als logistischer Stützpunkt im Süden der Provinz diente. Die Russen sind von der Stadt nur noch 8 Kilometer entfernt. Vor zwei Monaten betrug die Entfernung zwischen der Gemeinde und den Russen 23 Kilometer. …

    Die russische Armee hat auch die Gemeinde Torezk fast eingeschlossen und die Belagerung von Ugledar hat begonnen.
    Diese Stadt war Anfang 2023 Schauplatz einer der demütigendsten Niederlagen Moskaus in diesem Krieg. Der russische General Rustam Muradov wurde nach dreimonatigen Angriffen entlassen, bei denen Hunderte Menschen ums Leben kamen und Dutzende gepanzerte Fahrzeuge verloren gingen.
    Die Invasoren haben es erneut versucht, indem sie Angriffe starteten, um es zu umzingeln, und dabei die Tatsache ausnutzten, dass ukrainische Einheiten, die es verteidigten, nach Pokrowsk verlegt wurden.

    Die Agentur AFP errechnete am Montag, dass die aktuelle russische Offensive in Donezk dem Land mit 477 Quadratkilometern den größten Gebietsgewinn seit Ende 2022 beschert habe. Das machte sich Russlands Präsident Wladimir Putin zunutze: »So schnelle Fortschritte haben wir schon lange nicht mehr gesehen. Die Streitkräfte rücken nicht 200-300 Meter vor, sondern sie rücken Quadratkilometer vor.«

    Die Frage ist, wie lange die russischen Armeen unter dem Kommando von Valerij Gerasimov dieses Tempo beibehalten können.

    Zelenskij betonte am Montag, dass »die Offensive in Kursk ihre Ziele erreicht und sich wie geplant entwickelt«. Bezüglich der Bestrebungen, dass Russland seine Truppen in Donezk reduzieren würde, um den ukrainischen Einmarsch in russisches Territorium zu stoppen, äußerte der ukrainische Staatschef Zweifel: »Was die Schwierigkeiten in Pokrowsk und Torezk angeht, glauben wir, dass die Operation in Kursk einen Einfluss haben könnte. Dort könnte es zu einer Reduzierung der russischen Streitkräfte kommen. Aber im Moment ist die Situation schwierig.«“

    Dieses Herumgestammele ist nicht mehr und nicht weniger, als zuzugeben, daß die Aktion Kursk ein Schuß in den Ofen war.

    „Michael Kofman und Rob Lee, zwei der prominentesten amerikanischen Analysten des Ukraine-Krieges, bestätigten in einem kurzen Aufsatz, der diesen Dienstag in Foreign Affairs veröffentlicht wurde, dass die Operation in Kursk »die instabile ukrainische Front schwächt«.

    Kofman und Lee erinnern sich, dass Kiews Verteidigungsanlagen mit der neuen Front, die Russland im Mai nördlich von Charkow eröffnete, bereits stärker unter Druck gerieten. Diese Experten sind der Ansicht, dass der Angriff auf Kursk gut geplant war, aber »bislang gibt es keine Beweise dafür, dass es ihm gelungen ist, russische Streitkräfte von anderen Fronten anzuziehen.«

    Der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Oleksandr Syrskij, schätzte am 27. August, dass Gerasimov 30.000 Soldaten nach Kursk geschickt habe, gab jedoch zu, dass diese nicht aus den Sektoren stammten, in denen die Russen die ukrainischen Positionen am stärksten bedrängen. Die meisten Zentren, die diesen Krieg untersuchen, sind sich einig, dass es sich bei diesen russischen Verstärkungen um Reserveeinheiten der Armee handelt, die nicht an der Invasion beteiligt waren.

    Syrskijs Hoffnung besteht darin, zu verhindern, dass sich diese Neuzugänge den Offensiven in der Provinz Donezk anschließen. Das Problem besteht darin, dass ukrainische Truppen und Waffen, die zur Verteidigung von Fronten wie denen im Donbass eingesetzt wurden, für den Überfall auf Kursk eingesetzt wurden.

    Kofman und Lee sagen, dass das im Frühjahr verabschiedete ukrainische Rekrutenmobilisierungsgesetz die Zahl der Rekruten in der Armee verdoppelt habe. Diese mögen in den kommenden Monaten entscheidend sein, im Sommer kamen sie jedoch noch nicht zum Einsatz. …“

    Laut russischen Angaben wurden von der Ukraine in Kursk auch Rekruten eingesetzt.

    „Sowohl in den Medien als auch in Telegram-Gruppen tauchen immer mehr Stimmen von ukrainischen Militärs der Donjetsk-Front auf, die beklagen, dass ihre Lage sich durch den Einsatz in Kursk verschlechtert hätte.

    Jurij Butusov, der Herausgeber von Censor Net, einem ukrainischen Medium, das Zaluzhnyj nahesteht, äußerte sich in einer am 21. August veröffentlichten Einschätzung sehr kritisch: »In Anbetracht der Bedeutung von Sudzha [der wichtigsten von der ukrainischen Armee in Kursk eroberten Gemeinde] aus militärischer Sicht, aus nationaler Sicht, aus Sicht der Staatsinteressen der Ukraine sind 50 Sudzhas weder ein Pokrowsk, noch Mirnograd, noch ein Selidove [an Pokrowsk angrenzende Orte] wert. Und der Feind ist dabei, in sie einzudringen.«

    Kritik von Azow

    Noch alarmierender sind die Aussagen von Bogdan Krotewitsch, dem Oberbefehlshaber der Azov-Brigade, am Montag in der Times: »Nach Kursk schicken sie Artillerie und Brigaden, nur um in ihren Stellungen Widerstand zu leisten. Das Beste, was sie tun könnten, wäre, alles zu verminen, dort raus und hierher [an die Donezk-Front] zu kommen.«

    Die Ukraine hat die Kontrolle über fast 1.200 Quadratkilometer russisches Territorium übernommen, aber in der letzten Woche waren die Fortschritte minimal, und sogar zum ersten Mal drängten Kreml-Regimenter die Ukrainer in der Gemeinde Korenevo zurück, einer Ortschaft, die Syrskijs Männer unbedingt einnehmen wollten, um das eroberte Territorium auf das Doppelte zu erweitern.

    Nur wenige Militärangehörige haben in der Ukraine den Einfluss Krotewitschs. Im vergangenen Juni veröffentlichte der Führer von Azov eine Erklärung, in der er bekannt gab, daß er Generalleutnant Juri Sodol, den damaligen Kommandeur der Vereinigten Streitkräfte der Ukrainischen Armee (eine Truppe der Koordination zwischen verschiedenen Abteilungen), bei den Geheimdiensten angezeigt hatte.
    Krotewitsch warf ihm Unfähigkeit vor, er habe mehr ukrainische Opfer gefordert als die Russen und warf ihm sogar eine mögliche Kollaboration mit dem Feind vor. Zelenskij entließ Sodol in weniger als 24 Stunden.

    Kyrilo Daniltschenko, ein ukrainischer Militärexperte, erklärte am Montag im Medium LB.ua (Levij Bereg), daß die Russen bei dem Vormarsch in Richtung Pokrowsk ohne größere menschliche Verluste vorgehen können, weil die ukrainischen Brigaden in diesem Sektor »erschöpft« seien.

    Daniltschenko warnte, dass die ukrainischen Verteidigungskräfte in Pokrowsk bereits im Frühjahr dezimiert wurden, als ein Teil ihrer Streitkräfte nach Woltschansk nördlich von Charkow verlegt wurde. Es sei schwierig, sich gegen die russische Luftüberlegenheit zu behaupten, fuhr Daniltschenko fort, aber er sei zuversichtlich, dass dies in Pokrowsk gelingen könne, wenn die Russen in Woltschansk und anderen Sektoren gestoppt würden: „Der Feind muss gestoppt werden, koste es, was es wolle. Die Russen brauchen Ergebnisse vor dem Winter. Aber die Russen werden sich in einem dicht bebauten Gebiet wiederfinden [es ist innerhalb eines städtischen Gebiets schwieriger zu verteidigen], Pokrowsk ist von den Ausmaßen her weder Bachmut noch Chasiv Jar.«“

    (El País, 4.9.)

  61. „Russische Truppen setzen modernste Drohnen ein, um ukrainisches Militärpersonal in der Region Kursk zu identifizieren und zu zerstören.

    Dies berichtete die Agentur RIA Novosti, deren Korrespondent die Arbeit von Drohnenbetreibern beobachtete. Die Rede ist von den neuesten Drohnen, die über Glasfaserkabel gesteuert werden. Solche Drohnen sind nicht anfällig für feindliche elektronische Kriegsführung und die Drohne überträgt hochwertige Videos an den Endpunkt, was eine effektive Identifizierung und Zerstörung des Feindes ermöglicht.

    Darüber hinaus tauschen solche Drohnen keine Funksignale mit der Basis aus; dadurch kann der Feind die Richtung des Bedieners nicht ermitteln.“

    (KP, 4.9.)

    Am Ende des Glasfaserkabels muß sich allerdings eine Basis-Station befinden, aber offensichtlich eine unbemannte.

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