DAS GESCHÄFT MIT DER EINSAMKEIT
Die spanische Tageszeitung widmet sich dem immer mehr zunehmenden Problem der Vereinsamung unter der Sparte: „Geschäftswelt“ – eine interessante Zugangsweise. Denn:
„Das Gefühl der Einsamkeit nimmt weltweit zu und verursacht erhebliche Gesundheitskosten und Produktivitätsverluste, ist aber auch ein Multimillionen-Dollar-Geschäft.“
Die Autorin bezeichnet die Einsamkeit als eine
„Epidemie, eine unerbittliche Bedrohung, die Narben an Körper und Geist hinterlässt, erhebliche öffentliche Gesundheits- und Sozialausgaben verursacht und einen wachsenden Verlust an Unternehmensproduktivität mit sich bringt. Aber es schafft auch eines der profitabelsten Geschäfte der kommenden Jahre.
Mehr als eine Milliarde Menschen weltweit leiden unter häufiger oder schwerer Einsamkeit, und die Zahl steigt, insbesondere im Zuge von COVID-19 (d.h., seit 2020). Das ist das große Paradox: Im Zeitalter ständiger Vernetzung – sowohl durch technologische Geräte als auch durch die Verkehrsinfrastruktur – nimmt sie fortwährend zu.
Verschiedene Institutionen, darunter die Weltgesundheitsorganisation (WHO), äußern ihre tiefe Besorgnis über das Ausmaß der Krise. Auch die OECD räumt ein, dass die Krise in den meisten Mitgliedsländern eskaliert. Ihre Auswirkungen sind vergleichbar mit denen des Rauchens oder der Fettleibigkeit, wie Analysen der Brigham Young University in den USA zeigen.
Angesichts von Studien, die von »ungewollter« Einsamkeit sprechen, hält WHO so eine Verdopplung für überflüssig. »Für uns gilt sie immer als unfreiwillig und unerwünscht.« Es handelt sich um ein subjektives Empfinden, geprägt vom Wunsch nach mehr menschlichem Kontakt.
Dieser negative emotionale Zustand (…) hat zerstörerische Auswirkungen sowohl auf die Seele als auch auf die staatlichen Kassen.“
Sehr neckisch, diese Aufzählung.
„Die Kosten der Einsamkeit sind ein wenig erforschtes Thema in entwickelten Gesellschaften, obwohl es in Wirtschafts- und Gesundheitsstudien zunehmend präsent ist.“
Die Autorin will damit sagen, daß das Thema Einsamkeit anscheinend für die Psychologie eine heiße Kartoffel ist, obwohl sie als Problem schon länger bekannt ist:
„Die Einsamkeit hat nämlich wichtige Konsequenzen für den geistigen und körperlichen Zustand der Menschen, was wiederum erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen mit sich bringt: Sie erhöht das Risiko von Krankheiten (Depressionen, Angstzustände, Herzkrankheiten, Demenz). Dies geht mit einer stärkeren Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten und Medikamenteneinnahme einher und erhöht auch das Risiko eines frühen Todes (bis zu 26 % mehr).“
Was immer damit gemeint wird, bei angeblich steigender Lebenserwartung …
„Fast die Hälfte (43 %) der Bevölkerung, die darunter leidet, hatte Selbstmord- oder andere selbstzerstörerische Gedanken.
Die OECD weist außerdem darauf hin, dass es schwerwiegende negative Auswirkungen auf die Bildung und die Beteiligung am Arbeitsmarkt hat.
Ein tödliches Gefühl
In Spanien, wo die Regierung an der Entwicklung einer nationalen Strategie zur Bekämpfung der Einsamkeit arbeitet und viele Gemeinden und Kommunen bereits über konkrete Pläne verfügen, belaufen sich die direkten Ausgaben laut der Studie »Die Kosten unerwünschter Einsamkeit in Spanien« mit Daten aus dem Jahr 2021 der Stiftung ONCE (Blindenorganisation Spaniens) in Zusammenarbeit mit Nextdoor auf 14,141 Milliarden Euro jährlich.
Einerseits belaufen sich die Gesundheitskosten für Arztbesuche und Medikamenteneinnahme auf über 6 Milliarden Euro. Auf der anderen Seite betragen die Kosten, die durch Produktivitätsverluste (Krankenstände) entstehen, mehr als 8 Milliarden Euro jährlich.“
Es ist beachtlich, wie auch psychische Probleme sofort in Geld umgerechnet werden und dadurch Objektivität erhalten!
Ebenso ist es eigenartig, wie das gelingt – wie kommen diese Zahlen überhaupt zustande? Welche Arztbesuche und welche Krankenstände werden hier als Ergebnis von „Einsamkeit“ zusammengezählt?
„Darüber hinaus kommt es zu einer Verringerung der Lebensqualität von über einer Million Jahren bei voller Gesundheit. Dies bedeutet, dass im Jahr 2021 für jeden spanischen Bürger, der dieses Gefühl der sozialen Isolation erlebte (5.380.853 Menschen), die damit verbundenen Kosten 1.134 Euro betrugen.“
Diese Zahlen sind noch weniger nachvollziehbar, aber da gleich mit Millionen und Milliarden operiert wird, so entsteht – und das ist gewollt – der Eindruck eines wirklich schweren Problems.
„»Das derzeit wachsende Interesse an Einsamkeit ist eine Reaktion auf die deutlich gestiegene Zahl der Betroffenen und ein stärkeres Bewusstsein für die Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit und Lebensqualität, wodurch Einsamkeit praktisch zu einem globalen Problem wird«, sagt María Teresa Sancho, Generaldirektorin des Instituts für Senioren und soziale Dienste (Imserso).
Weltweit belaufen sich die Ausgaben auf Hunderte Milliarden jährlich. Allein in den USA, wo das Gefühl sozialer Isolation weit verbreitet ist – der ehemalige US-Sanitätsinspekteur Vivek Murthy sagte im Jahr 2023, dass mehr als 50 % der amerikanischen Erwachsenen unter erheblicher Einsamkeit litten –, verursachen Fehlzeiten laut einem Bericht des Center for BrainHealth jährlich Kosten in Höhe von 406 Milliarden US-Dollar.
Dort heißt es weiter: »Die Auswirkungen auf die Produktivität und das Engagement der Belegschaft sind wohl noch weitaus größer.«
Einsamkeit gedeiht und verstärkt sich auf einem hypervernetzten Planeten, auf dem sich die menschlichen Interaktionen und die Art und Weise, wie wir die Welt wahrnehmen, verändert haben. Die Alterung der Bevölkerung und die steigende Lebenserwartung sind eine der Ursachen. „Im europäischen Kontext liegt Spanien mit 84 Jahren bei der Lebenserwartung an der Spitze und damit über dem Durchschnitt von 81,5 Jahren“, sagt IESE-Professor Guido Stein. Doch es gibt auch andere wichtige Veränderungen, wie etwa immer kleinere Haushalte, die Zunahme alleinlebender Menschen, Telearbeit, Migration in urbane Zentren und digitale Plattformen. All dies hat zu einer Verringerung der persönlichen Interaktionen geführt. (…)“
Man merkt, irgendwie ist der Autorin die immerwährende Betonung der Größe des Problems müde und sie versucht, so etwas wie Gründe für die Erscheinung zu suchen.
Mehr als eine Aufzählung verschiedener Phänomene kommt allerdings dabei nicht heraus.
„Einsamkeit breitet sich aus und befällt (!!) Menschen jeden Alters und jeder sozialen Schicht, besonders häufig ist sie jedoch unter jungen Menschen, älteren Menschen, Menschen mit Behinderungen, Migranten und LGBTI-Personen.“
An solchen Formulierungen merkt man die intellektuelle Hilflosigkeit oder Gleichgültigkeit gegenüber dem Phänomen besonders deutlich.
So etwas wie „Konkurrenz“ oder „Klassengesellschaft“ als Erklärungsansatz verbietet sich förmlich.
„»Die Folgen sind verheerend, sowohl wirtschaftlich als auch emotional und gesundheitlich«, sagt Eduardo Irastorza, Professor an der OBS Business School und Autor des Berichts »Das Geschäft mit der Einsamkeit in entwickelten Gesellschaften«.“
Hier ist die Reihenfolge bereits umgekehrt … Der wirtschaftliche Schaden hat eindeutig Priorität.
„Doch dieses Problem von enormem Ausmaß, für das ein Preis gezahlt werden muss, stellt zugleich eine klare Geschäftsmöglichkeit dar: Die Menschen verlangen nach Produkten und Dienstleistungen, um ihr Gefühl der Isolation zu lindern.“
Der einsame Mensch als bewußter Konsument verlangt …
„Kann die Geschäftswelt die Chance ignorieren, aus dieser Situation Kapital zu schlagen?“
Eine rein rhetorische Frage. Die Geschäftswelt wartet doch nur auf solche Leiden, um ihnen gegen klingende Münze abzuhelfen.
„»Weltweit nimmt rasch eine neue Einsamkeitsökonomie Gestalt an«, sagt Atanu Biswas, Professor am Indischen Statistischen Institut in Kalkutta. Das Versprechen, menschliche Kontakte zu erleichtern, ist zu einer Goldgrube geworden, deren Wert sich angesichts ihrer Breite und ihres bereichsübergreifenden Charakters nur schwer quantifizieren lässt.“
Auch interessant: Die Kosten lassen sich problemlos errechnen, bei den Gewinnen ist alles zu „bereichsübergreifend“.
„»Es mobilisiert Milliarden für eines der größten Unternehmen der Zukunft und ist gleichzeitig einer der wichtigsten Generatoren für neue Geschäftsideen«, ist Irastorza überzeugt. Und er betont: »Letztendlich werden ausnahmslos alle Branchen diese Chance erkennen und nutzen.« Franc Carreras, Marketingprofessor an der ESADE, stimmt dem zu. »Wir beobachten, dass sich Unternehmen auf die wachsende Zielgruppe alleinlebender Menschen einstellen, indem sie beispielsweise kleinere Fertiggerichte anbieten.«“
!!!
„Von Haustieren bis zum Rendezous
Einige vereinzelte Daten, die das Ausmaß zeigen: Ein Bericht des Beratungsunternehmens Grand View Research schätzt, dass der Markt für virtuelle KI-Freunde bis 2030 140,754 Milliarden US-Dollar erreichen wird. Der Markt für Dating-Plattformen wird im selben Jahr 17,28 Milliarden US-Dollar erreichen. Der Markt für Apps für psychische Gesundheit wurde im Jahr 2024 auf 7,48 Milliarden US-Dollar geschätzt und soll bis 2033 voraussichtlich 20,92 Milliarden US-Dollar erreichen. Und der globale Markt für Haustier-Haltung wird bis 2032 427 Milliarden US-Dollar übersteigen (gegenüber 259,37 Millionen US-Dollar im Jahr 2024).
John Lanerborg, der Ersteller des YouTube-Kanals Economic Circuit, der tiefgehende Analysen zu wirtschaftlichen, politischen und geopolitischen Themen bietet, wagt es, eine Zahl zu nennen, die allerdings ebenso unsicher wie hoch ist: »Einsamkeit ist ein riesiger Markt, der je nach Wachstum der KI bis 2030 500 Milliarden Dollar übersteigen könnte«.
Die Liste der Unternehmen, die Gegenmittel anbieten, umfasst Haustiere (echte und virtuelle), soziale Roboter für Senioren, generationsübergreifende Unterstützungsprogramme, KI-generierte Freundschaften, Dating-Apps (Tinder, Bumble usw.), Unternehmen, die Freunde vermieten, Kurse aller Art, digitale Kliniken für psychische Gesundheit, Medikamente (Anxiolytika, Antidepressiva usw.), spezielle Seniorenwohnheime (Residenzen zur Förderung eines aktiven Lebensstils), gemeinschaftliches Wohnen, gesellige Räume sowie Gruppenreisen und -erlebnisse … „Es gibt immer mehr kreative Lösungen, wie beispielsweise einen Anti-Einsamkeitsclub in Kalifornien«, erklärt Biswas.
Er bezieht sich auf den Groundfloor Club (mit 4 Standorten in diesem Bundesstaat), der Coworking, unbegrenzten Zugang zu Veranstaltungen und eine Online-Community für 200 Dollar im Monat anbietet. Es ist die B-Seite des zeitgenössischen Kapitalismus.“
Bei dieser eigenartigen Einstufung fragt man sich, was dann die Seite A ist?
Der Trump Tower?
„Einsamkeit schreitet in modernen Gesellschaften unaufhaltsam voran und breitet sich aus. Besonders nach Covid. »Laut verschiedenen Umfragen gaben 2016 12 % der erwachsenen europäischen Bevölkerung an, sich einsam zu fühlen. Im Jahr 2020 stieg dieser Prozentsatz angeblich auf 25 %«, sagen die Verfasserinnen einer Studie Demelova und Sala.
Mehr als 75 Millionen Erwachsene in Europa leiden regelmäßig unter diesem quälenden Gefühl. Weltweit gibt fast jeder Vierte über 15 Jahre (d.h., mehr als 1,4 Milliarden Menschen) an, sich ziemlich oder sehr einsam zu fühlen. Dies geht aus einer Studie von Meta und Gallup hervor, die zwischen Juni 2022 und Februar 2023 in 142 Ländern durchgeführt wurde.
In Spanien wurden bisher keine repräsentativen Umfragen durchgeführt, obwohl einige Analysen vorliegen. Eines davon ist das »Barometer der unerwünschten Einsamkeit in Spanien 2024«, eine von der ONCE Foundation und der AXA Foundation im Rahmen der »SoledadES-Beobachtungsstelle« geförderte Studie.
Sie kommt zu dem Schluss, dass 20 % der Bevölkerung betroffen sind, Frauen häufiger als Männer und das Problem vor allem unter jungen Menschen weiter verbreitet ist (34,6 % zwischen 18 und 24 Jahren).“
Im weiteren verliert sich die Autorin darin, die Probleme der Meßbarkeit von Einsamkeit zu erörtern.
Man erfährt, was sich für eine Art Wissenschaft und Forschung rund um die Erfassung des Phänomens gebildet hat. Vor allem die Quantifizierung des Gefühls bereitet erwartungsgemäß Probleme. Die „Erkenntnisse“ dieser Studien und Organisationen dienen dann der restlichen Geschäftswelt wieder als Datum für die Entwicklung ihrer Produkte.
„Die Unternehmen haben den Bedarf erkannt. »Die enorme Verbreitung von Freizeitaktivitäten wie Koch-, Stick-, Heimwerker-, Buchbinde-, Mal- und Dekorationskursen geht über ihren eigentlichen Zweck hinaus und entspricht dem Bedürfnis, Kontakte zu knüpfen und andere Menschen kennenzulernen, mit denen man einen Freundeskreis gründen oder sogar einen Partner finden kann«, meint der Professor Irastorza. Ein weiterer riesiger Markt ist Wellness: Fitnessstudios, Sportvereine (Wandern, Trekking usw.), Massage- und Schönheitszentren oder Yoga und Meditation. »Ein weiterer wichtiger Faktor dabei ist die Partnersuche«, fügt der Professor hinzu.
Das Kapital eilt herbei
Das Thema Einsamkeit rückt für Startups in den Fokus und Risikokapitalgeber drängen in großem Stil auf diesen Markt.
Einige Unternehmen, die auf die eine oder andere Weise in diesem Bereich tätig sind, sind Papa, das Senioren miteinander verbindet und mehr als 240 Millionen Dollar dafür eingesammelt hat.
Weiters gibt es 222, ein KI-gestütztes soziales Netzwerk, das Treffen mit einander Unbekannten an konkreten Orten organisiert, und Pie, das 24 Millionen US-Dollar eingesammelt hat und über 20.000 aktive Benutzer verfügt, die es durch IRL- (In Real Life) Events verbindet, zählt der bei einer großen europäischen Bank angestellte John Lanerborg auf.
Sonst gibt es noch ElliQ, ein sozialer Roboter für Senioren, oder Cuideo in Spanien, das häusliche Pflege mit sozialer Komponente anbietet.“
Die anderen scheinen eher USA-basiert zu sein.
„»Als wir Timeleft im Mai 2023 auf den Markt brachten, erkannten wir einen klaren globalen Trend: Menschen, insbesondere in Großstädten, suchen zunehmend nach echten, persönlichen sozialen Kontakten«, sagt Marta Unturbe, Strategic Operations Manager des Unternehmens, das Unbekannte zum Abendessen in Restaurants zusammenbringt.
Diese Art von Social-Dining-Plattformen sind auch Teil des Einsamkeits-Business-Ökosystems. Insbesondere dieses ist von 500 auf über 27.000 wöchentlich aktive Benutzer angewachsen und hat sich auf über 300 Städte in 62 Ländern ausgeweitet. »Wir beobachten eine steigende Nachfrage in wichtigen Bevölkerungsgruppen wie Senioren, Telearbeitern und Menschen, die in neue Städte ziehen, was das Bedürfnis nach sozialen Kontakten verdeutlicht«, erklärt Unturbe.
Außerdem hat die Dating-App Bumble“ („Summen“ {wie eine Biene oder Hummel}) „eine eigenständige Plattform nur zum Knüpfen von Freundschaften geschaffen. The Nudge („Der Stupser“) hilft Benutzern, interessante Aktivitäten zu entdecken. The Breakfast ist eine App, die durch tägliche virtuelle Frühstückstreffen Kontakte zwischen kreativen Menschen fördert. RealRoots veranstaltet sechswöchige Programme für gleichgesinnte Frauen und Tribe verwandelt Stadtviertel in stärker vernetzte Gemeinschaften.
Es lohnt sich, einen Blick auf einige Schlüsselmärkte zu werfen. Es war unvermeidlich, dass die Künstliche Intelligenz früher oder später in diesem Bereich Einzug halten würde. So haben sich hier Chatbots etabliert (die Gespräche per Text oder Sprache anbieten), die möglicherweise die Einsamkeit verewigen.
Im Segment der älteren Menschen liegt ihr Nutzen auf der Hand. Im Jahr 2023 brachte AtlanTTic, das Zentrum für Erforschung von Telekommunikationstechnologie der Universität Vigo, Celia auf den Markt, die erste galizische Software zur Bekämpfung der sozialen Isolation. »Die Vision war, Gesprächsassistenten zu entwickeln, die auf die Interessen älterer Menschen zugeschnitten sind, um sie zu unterhalten und zu begleiten. In dieser Bevölkerungsgruppe ist Einsamkeit eines der Hauptprobleme, mit pandemischen Merkmalen«, sagt Francisco Javier González, Professor für Telematiktechnik und Leiter der Gruppe für Informationstechnologie an der Universität Vigo. Jetzt heißt Celia Serenia. Die Universität hat ein Spin-off, Serenia Solutions, gegründet und verfügt derzeit über mehr als 10.000 aktive Benutzer.
Hier sind einige der beliebtesten Gesprächspartner. Character.AI erhielt im März 2023 in einer von der Risikokapitalgesellschaft Andreessen Horowitz angeführten Runde eine Investition von 150 Millionen US-Dollar, wodurch sich seine Bewertung auf 1 Milliarde US-Dollar erhöhte (…). XiaoIce ist ein chinesischer Chatbot von Microsoft mit emotionalen Fähigkeiten und Replika ist ein KI-Begleiter, mit dem Sie chatten, nachdenken, gemeinsam lachen und Freundschaften schließen können.
»Einsamkeit nimmt zu, sowohl in der realen Welt als auch im Internet. Immer mehr Menschen berichten, dass sie sich isoliert fühlen, selbst wenn sie von anderen umgeben sind«, betont Dmytro Klotschko, CEO von Replika, das 2016 gegründet wurde und 35 Millionen registrierte Nutzer hat. Und er fügt hinzu: »Wir haben nicht den Anspruch, die Einsamkeit zu heilen, aber wir bieten etwas, das den Menschen hilft, sich ein bisschen mehr gesehen und verbunden zu fühlen, und manchmal kann das alles verändern.«
Der Chatbot kann eine Version von einem selbst sein, jemand, der den Benutzer kennt, oder eine erfundene Persönlichkeit. Sie können ihr Aussehen, ihre Kleidung, den Raum, in dem sie interagieren, und sogar ihre Stimme auswählen. Es ist auch möglich, gemeinsam Selfies aufzunehmen, und die App ist so konzipiert, dass sie so immersiv und emotional ansprechend ist, wie der Benutzer es wünscht (Auswahl von Gesprächsthemen, Tätigen von Sprachanrufen oder Interaktion in »erweiterter Wirklichkeit«, wofür ein kostenpflichtiges Abonnement erforderlich ist).
Eine weitere Variante ist die Begleitrobotik (tatsächliche Roboter), ein aufstrebender Markt, der sich rasch entwickelt und vor allem durch den demografischen Wandel und die Bedürfnisse einer alternden Bevölkerung vorangetrieben wird. »In Europa erleben wir eine zunehmende Integration von Robotern, insbesondere im Gesundheitssektor. In den kommenden Jahren werden wir Roboter mit größeren emotionalen Fähigkeiten, einer stärkeren multimodalen Interaktion und einer Personalisierung auf Grundlage des Benutzerprofils sehen«, sagt die Website von PAL Robotics, 2004 in Barcelona gegründet und eines der Pionierunternehmen der Servicerobotik in Europa.
Einer ihrer Roboter ist ARI, der 1,65 Meter groß ist und zu dessen Hauptaufgaben es gehört, Gesellschaft zu leisten. Die Investition in diese Roboter kann je nach Modell und Ausstattung mit den Kosten eines Motorrads oder eines Mittel- bis Oberklasseautos verglichen werden.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Branche sind bereits spürbar und nehmen weiter zu: »Im Segment der Serviceroboter für Verbraucher wurden Branchendaten zufolge mehr als 4,1 Millionen Stück verkauft«, heißt es bei PAL.
Risiken und Grenzen
Aus Angst, dass all diese Technologien reale Beziehungen ersetzen werden, sprechen die Befragten lieber davon, daß sie »ergänzen«.“
Sie ersetzen sie doch bereits jetzt …
„»Sie werden ein Instrument zur Förderung der Sozialisierung sein«, glaubt González. Klotschko sagt: »Replika könnte Sie sogar nach Ihren Freunden fragen, Sie ermutigen, auf andere zuzugehen, oder Sie daran erinnern, nach draußen zu gehen.«“
Allerdings etwas überflüssig, wenn es keine realen Freunde gibt, die man draußen treffen könnte – was ja der Ausgangspunkt dafür ist, sich an so einen Chatbot zu wenden.
„Die Gefahr besteht jedoch darin, nicht zu wissen, was real und was simuliert ist. Beispielsweise gaben bei Replika etwa 60 % der zahlenden Benutzer an, eine Liebesbeziehung mit ihrem virtuellen Freund zu haben.
Darüber hinaus müssen ethische und datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen beachtet werden. »Viele technologische Lösungen beinhalten die Überwachung und Analyse sensibler Daten, daher müssen wir die Sicherheit und Autonomie der Benutzer gewährleisten«, bemerkt Borja Sangrador, Partner des Beratungsunternehmens EY, Sparte für Gesundheitswesen und Biowissenschaften.
Ein weiterer kritischer Punkt ist die digitale Kluft. »Viele Menschen, die unter Einsamkeit leiden, haben keinen einfachen Zugang zu diesen technologischen Lösungen. Inklusion muss Priorität haben«, fügt er hinzu.“
Unter älteren Menschen kann man sich da noch weite Geschäftsfelder erschließen! Der Markt ist praktisch unendlich!
„Ein weiterer Aspekt des Geschäfts, der Aufmerksamkeit verdient, ist die »psychische Gesundheit« und vor allem der Ausbau digitaler Plattformen. Beispiele hierfür sind BetterHelp, das Zugang zu mehr als 28.000 Therapeuten in über 200 Ländern bietet, und Talkspace, das Benutzer ebenfalls über eine mobile App mit diesen Fachleuten verbindet und 2021 an die Börse ging.
Das spanische Startup Aimentia, das auf digitale psychische Gesundheit durch künstliche Intelligenz spezialisiert ist und im Februar 2023 eine Investitionsrunde in Höhe von 500.000 Euro abgeschlossen hat, glaubt, dass KI die psychische Gesundheit demokratisiert.“
Man fragt sich bereits, was denn diese »psychische Gesundheit« eigentlich sein soll? – und dann auch noch demokratisch!!
„»Die Zukunft der psychischen Gesundheit wird hybrid sein: menschliche Empathie, verstärkt durch die Präzision künstlicher Intelligenz«, sagt Edgar Jorba, CEO und Mitbegründer von Aimentia, für den »Einsamkeit die neue stille Pandemie des 21. Jahrhunderts sein wird. … Fast 40 % der betreuten Personen erwähnen direkt oder indirekt Gefühle der Isolation, Trennung oder mangelnder emotionaler Unterstützung«. Das Unternehmen ist bereits nach Mexiko, Chile und Argentinien expandiert. Jorba betont, dass »KI im Bereich der psychischen Gesundheit die Menschen nicht ersetzt: Sie gibt ihnen die Freiheit, sich auf die menschliche Pflege zu konzentrieren.«“
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Gemeint ist offenbar diejenige, wo jemand körperlich präsent sein muß.
„Ein weiterer Zweig dieser Branche ist die Vermietung von Freunden (aus Fleisch und Blut).
Client Partners (in Japan) und Rent A Friend sind einige der Unternehmen, die diese ungewöhnlichen Dienste anbieten. »Wir reagieren auf einen einzigartigen und bislang ungedeckten Bedarf. Unsere Dienstleistungen können zwar Einsamkeit lindern – ein wertvoller und positiver Nebeneffekt –, aber das ist nicht unser Hauptziel. Unser Kernanliegen ist die Vernetzung«, sagt Andrew Wolf, CEO von Rent A Friend, einem 2009 in New Jersey gegründeten Unternehmen. Die Plattform bietet über ein monatliches Abonnement von 19,99 US-Dollar Zugriff auf ein globales Netzwerk von 40.000 aktiven »Freunden«. Es gibt keinen einheitlichen Benutzertyp: »Es deckt alle Bevölkerungsgruppen ab«, betont Wolf. In Spanien stehen etwa 1.500 Freunde zur Verfügung.
Diese sind echt. (…)“
Ein interessantes Berufsprofil, mit großer Zukunft: Mietbarer Freund für ein paar Stunden …
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Der Artikel ist in mehrer Hinsicht bemerkenswert: Er nimmt sich des Themas der Vereinzelung der Menschen und der Folgen derselben sehr ausführlich an, ohne auch nur einen Gedanken auf deren Ursachen zu verschwenden.
Ein gesellschaftliches Problem interessiert nur mehr unter dem Gesichtspunkt:
1. Handhaben, um unerwünschte Folgen zu vermeiden
2. Kosten minimieren, und
3. Geschäfte machen.
Das unangenehme Bild einer Gesellschaft, wo die Alten von Robotern gepflegt werden, die Jungen mit gemieteten Freunden ausgehen – oder was immer machen – und alle sich hauptsächlich mit Chatbots unterhalten, wird hier gezeichnet.