Off topic: Armenien

ZWISCHEN GROSSMACHTSINTERESSEN UND ÖLREICHTUM ZERQUETSCHT

Aus Anlaß eines Jennifer Lopez-Konzerts in Jerewan, das kräftig von den armenischen Behörden subventioniert wird, nimmt sich die Komsomolskaja Prawda die neuere Politik Armeniens vor und erinnert daran, daß der Status und die Versorgung der Flüchtlinge aus Berg-Karabach nach wie vor prekär ist.

Das mehrheitlich armenische Bergkarabach wurde 1921 als autonomes Gebiet der aserbaidschanischen Sowjetrepublik angegliedert. Seither ist es offiziell Teil Aserbaidschans, was auch nach 1990 völkerrechtlich eindeutig war.
Im Zuge der Auflösung der Sowjetinion kam es in Armenien und Aserbaidschan zu Pogromen gegen die jeweils andere Minderheit. Die Armee des inzwischen unabhängigen Armeniens führte zwei Kriege gegen Aserbaidschan und annektierte Bergkarabach, wobei es zu großen Vertreibungen aus den zwischen Armenien und Bergkarabach gelegenen Ortschaften und u.a. zur völligen Zerstörung der Stadt Agdam kam.

Zwei Präsidenten (und auch Premierminister) Armeniens, Robert Kotscharjan (Präsident von 1992-2008) und Sersch Sargsjan (Präsident von 2008-2018), stammten aus Bergkarabach und erreichten durch Lobbyismus, daß international eine Zeitlang Gras über die Sache wuchs, unter anderem auf Druck der USA.
Im Gegenzug wurde die US-Botschaft in Jerewan zu einer beachtlichen Festung am Ufer des Jerewan-Sees aufgebaut, die bei einer etwaigen Intervention durchaus als Stützpunkt dienen könnte.

Das öl- und bevölkerungsreichere Aserbaidschan eroberte Bergkarabach mit kräftiger türkischer Unterstützung 2020-2023 in zwei Wellen zurück, was zu einem Exodus der verbliebenen armenischen Bewohner der Region führte.
Nach Angaben der armenischen Regierung wurden anläßlich dieses Exodus’ bis Oktober 2023 mehr als 100.000 Personen als Flüchtlinge registriert.

Die Regierung von Nikol Paschinjan (seit 2018), der keine familiären Bande zu Bergkarabach hat, steht dieser Problematik relativ unberührt gegenüber. Er und sein gegenwärtiges Team bemühen sich um gute Beziehungen zu Aserbaidschan, der Türkei und vor allem den USA und der NATO.
Als nächstes ist die Regierung angeblich bereit, Aserbaidschan den Sangesur-Korridor unter NATO-Bewachung zu überlassen. Damit würde weiteres Territorium des ohnehin nicht sehr großen Armeniens praktisch aufgegeben, die NATO offiziell nach Armenien geholt und Armenien vom Iran abgeschnitten.

Rußland, über diese Entwicklungen naturgemäß nicht erfreut, unterhält eine Basis in Gjumri, deren Belegschaft derzeit angeblich verstärkt wird.

Gegen diese Politik regt sich Widerstand in der armenischen – traditionell rußlandfreundlichen – Bevölkerung und bei der Armenischen Apostolischen Kirche. Verschiedene Vertreter derselben und deren Sympathisanten wurden in der jüngeren Vergangenheit unter der Anklage der Vorbereitung eines Putsches verhaftet, darunter auch der mit Rußland eng verbundene Unternehmer Samvel Karapetjan, der mit russischer Unterstützung der Koordinator der Hilfe für die Berg-Karabach-Flüchtlinge war.

Die KP kommentiert spöttisch die Aussage des Jerewaner Vizebürgermeisters Pambuktschjan, daß die Organisation und Subventionierung des Lopez-Konzerts aufgrund der ausländischen Besuche Einnahmen in die Staatskasse spülen werde: Zu dem Konzert von Jennifer Lopez, deren beste Zeit sowieso vorbei ist, kommen aus dem Ausland vermutlich nur Mitglieder der armenischen Diaspora.
Und Lopez wird sicher nicht ihre Einnahmen wie der armenischstämmige Charles Aznavour dem armenischen Volk spenden.

Apropos Diaspora: Ein guter Teil der Einkünfte Armeniens bestand aus Überweisungen der vermögenden Armenier Syriens, die seit gut 13 Jahren versiegt sind.

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Damit es bei so vielen unerfreulichen Nachrichten auch etwas zum Lachen gibt, hier Details aus der Auseinandersetzung von Paschinjan und dem Oberhaupt der Armenischen Apostolischen Kirche, Garegin II.:

„Der armenische Premierminister Nikol Paschinjan beschuldigte am 29. Mai 2025 den Katholikos aller Armenier, Garegin II., der Verletzung seines Zölibatsgelübdes.
Damals äußerte er während einer Regierungssitzung seine Unzufriedenheit mit dem Zustand der armenischen Kirchen, nannte sie »überladen« und verglich sie mit »Rumpelkammern«.
Am 9. Juni veröffentlichte Paschinjan einen Beitrag auf Facebook, in dem er Garegin II. direkt der Verletzung seines Zölibatsgelübdes beschuldigte. Er erklärte, der Katholikos habe ein Kind und versprach, gegebenenfalls Beweise vorzulegen. Er betonte, dass Garegin II. gemäß dem kanonischen Recht der Armenischen Apostolischen Kirche nicht zum Katholikos gewählt hätte werden dürfen und den Amtssitz des Patriarchen verlassen müsse.
Daraufhin verurteilte der Oberste Kirchenrat der Armenischen Apostolischen Kirche Paschinjans Vorgehen und nannte es eine »beschämende antikirchliche Kampagne«, die den zivilen Frieden und die Einheit in Armenien bedrohe. Der Rat erklärte außerdem, der Premierminister verstoße gegen das verfassungsmäßige Prinzip der Trennung von Kirche und Staat.
Inmitten dieses Konflikts initiierte Paschinjan die Einrichtung einer Koordinierungsgruppe zur Absetzung Garegins II. und zur Wahl eines neuen Katholikos, dessen Verhalten vor der Wahl überprüft werden sollte. Er schlug außerdem vor, das Verfahren zur Wahl des Kirchenoberhaupts zu ändern, damit der Staat bei den Wahlen eine entscheidende Stimme hätte und die Kandidaten auf ihre »Ethik« geprüft würden.“ (russische Wikipedia, Garegin II.)

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