Pressespiegel El País, 11.11.: Die Mudschahedin-e-Khalq als Teil der europäischen Politik

DIE IRANISCHE ORGANISATION, DIE VOX ÜBER VIDAL-QUADRAS FINANZIERT HAT: OPPOSITIONSGRUPPE, TERRORISTISCHE ORGANISATION ODER SEKTE?

Der Politiker Vidal-Quadras verbindet den Angriff, den er erlitten hat, mit seinen Verbindungen zum »Nationalen Widerstandsrat des Iran«, einer Exilgruppe mit einer langen Geschichte der Gewalt.

Kurz nachdem ihm an diesem Donnerstag in Madrid in den Kiefer geschossen wurde, erklärte der 78-jährige ehemalige Präsident der katalanischen PP und Gründer von Vox, Alejo Vidal-Quadras gegenüber der Polizei, daß dieser Angriff möglicherweise mit seinen Verbindungen zur iranischen Opposition im Exil zusammenhängt. Diese Hypothese wird derzeit laut Quellen aus Polizeikreisen untersucht.
Vidal-Quadras, ehemaliger Vizepräsident des Europäischen Parlaments (1999–2014) verwies auf seine Beziehungen zum Nationalen Widerstandsrates des Iran (NWRI), dem politischen Zweig einer umstrittenen Organisation, den Volksmudschahedin des Iran.
Diese Organisation stand bis 2009 bzw. 2012 auf den Listen terroristischer Gruppen der EU und der USA. Die Präsidentin des NWRI, Maryam Radschavi, beschuldigte Stunden später in einem Tweet den »an der Macht befindlichen religiösen Faschismus des Iran«, hinter dem Angriff zu stecken. Die iranische Botschaft in Spanien hat diesen Vorwurf in einer Erklärung zurückgewiesen, in der sie »jede Form des Terrorismus« ablehnt und der Oppositionsgruppe vorwirft, den Tod von »17.000 unschuldigen Menschen« verursacht zu haben.“

So ganz stimmt das nicht, daß der Iran den Terrorismus ablehnt – hin und wieder hat sich auch der iranische Gottesstaat in diese Niederungen der politischen Auseinandersetzung begeben. Die Kurdenmorde von Wien 1989, das Mykonos-Attentat in Berlin 1992, der Anschlag auf die AMIA 1994, oder das Attentat auf Massud Molavi 2019 gehen mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auf das Konto des Iran.
Das ist allerdings alles klein gegen die Anschläge auf Kinos zur Zeit des Schah, die Hunderte Tote forderten und damals und später dem damaligen iranischen Geheimdienst SAVAK zugeschrieben worden waren – während heute bekannt ist, daß sie von Anhängern Chomeinis durchgeführt wurden, die damit den westlichen Einfluß und die Unsittlichkeit bekämpfen wollten.

Gegen die Tätigkeit der Volksmudschahedin verblassen jedoch auch alle diese Attentate. Sie machten sich schon zu Zeiten des Schah einen Namen durch Terrorattentate und wurden später zu einer Art Todesschwadron-Gruppe im Irak, die sich unter Saddam Hussein als Aufräum-Truppe gegen irakische Kurden und Iraner einen Namen machten. Die Volksmudschahedin wurden dort eingesetzt, wo sich die irakische Führung ihrer eigenen Militärs nicht sicher war.

Heute ist ihr Hauptquartier in Albanien, das sie 2010 aufnahm, um sich bei der damaligen US-Führung beliebt zu machen und sie seither nicht mehr los wird.


„Was sind der NWRI und die MEK?

Der Nationalen Widerstandsrat (NWRI) ist eine Organisation, die mehrere Oppositionsgruppen im Exil in der Islamischen Republik Iran vereint und die als bloßes Feigenblatt der Volksmudschahedin des Iran (»Modschahedin-e-Khalq«, kurz MEK) betrachtet wird. Hierbei handelt es sich um eine iranische Oppositionsgruppe mit einer dunklen Vergangenheit.
Die MEK ist nicht nur die größte Oppositionseinheit zum iranischen Regime, das ihr den Tod von 17.000 Menschen zuschreibt. Dieser Gruppe wird auch vorgeworfen, daß sie ihre Mitglieder schweren Menschenrechtsverletzungen und Praktiken der Gedankenkontrolle aussetzt.
Zwei Berichte, einer von Human Rights Watch aus dem Jahr 2004 und ein weiterer im Auftrag der US-Regierung aus dem Jahr 2009, kamen zu dem Schluss, daß die Organisation viele der typischen Merkmale einer Sekte aufwies. Im zweiten Abschnitt wurden Missbräuche wie »autoritäre Kontrolle, Beschlagnahmung von Eigentum, sexuelle Kontrolle (einschließlich Zwangsscheidung und Zölibat), emotionale Isolation, Zwangsarbeit, Schlafentzug, körperliche Misshandlung« und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit ihrer Mitglieder detailliert beschrieben.“

So so.
Eigenartig, daß es diese Sekte bis heute gibt und sie sogar ein eigenes »Hauptquartier« hat.

„Wie entstanden die MEK?

Die »Mujahidin e-Khalq« (Volks-Dschihadisten) entstanden 1965 als radikale Abspaltung der nationalistischen Befreiungsbewegung des Iran, die sich gegen die Diktatur von Schah Mohamed Reza Pahlavi wandte. Deren Ideologie war eine Mischung aus marxistischer, maoistischer Philosophie und schiitischer Befreiungstheologie, die sich bei der Verteidigung eines gewaltsamen revolutionären Kampfes trafen.
Die Organisation begrüßte mit Begeisterung die Islamische Revolution von 1979 und die Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran im selben Jahr. Diese anfängliche Nähe zum iranischen Regime ging durch die Bedenken des Obersten Führers Ayatollah Chomeini hinsichtlich der Ideologie der Gruppe in die Brüche. Diese Bedenken führten nämlich auch zum Ausschluß der Organisation und ihres damaligen Führers Massud Radschavi von der Machtverteilung in der Islamischen Republik.“

Eine elegante Art, auszudrücken, daß Chomeini und seine engeren Mitarbeiter offensichtlich von den Mudschahedin nichts hielten.

„Waren die MEK eine Terrorgruppe?

In den 1970er Jahren, vor dem Sturz des Schahs, ermordete die MEK zahlreiche Iraner und Westler im Iran. Nach ihrem Bruch mit dem Chomeini-Regime wurden sie im Juni 1981 verboten, als die Behörden ihnen einen Bombenanschlag vorwarfen, bei dem 74“ (angeblich in Wirklichkeit 85) „Menschen starben, darunter die damalige Nummer zwei der Islamischen Republik, Ayatollah Mohammad Beheschti.
Im selben Monat wurde die MEK des Angriffs beschuldigt, der die rechte Hand des derzeitigen Obersten Führers Irans, Ayatollah Ali Chamenei, gelähmt hatte. Im August führte ein neuer Angriff der Nationalen Befreiungsarmee – dem bewaffneten Flügel der MEK – zum Tod von Präsident Mohamed Ali Radschai und Premierminister Mohammed Dschavad Bahonar.“

Bis heute ist allerdings nicht sicher, ob die Volksmudjahidin tatsächlich alle diese Attentate verübt haben oder ob Machtkämpfe innerhalb der sich eben konsolidierenden Islamischen Republik den MEK in die Schuhe geschoben wurden, um nach außen Einheit vorzutäuschen.

„1983 gingen die Führung der Organisation und fast alle ihre Mitglieder nach einer gewaltsamen Repressionskampagne der iranischen Behörden nach Paris ins Exil.

Und heute?

Im Jahr 2012 verzichtete die MEK öffentlich auf Gewalt und wurde dadurch von der US-Liste terroristischer Organisationen gestrichen. Drei Jahre zuvor hatte die EU sie ebenfalls von ihrer Liste gewalttätiger Gruppen gestrichen.
Es besteht jedoch der Verdacht, daß sie an Anschlägen beteiligt waren, bei denen zwischen 2010 und 2012 fünf iranische Nuklearwissenschaftler getötet wurden. Von NBC zitierte US-Beamte gaben an, daß von den israelischen Geheimdiensten ausgebildete Auftragsmörder der Organisation diese Anschläge verübt hätten. Die MEK bestreiten dies.“

Nun ja. Das ist ja Terrorismus für den Westen und daher nicht bedenklich.

„Welche Beziehung haben diese Gruppen zu Vidal-Quadras und Vox?

Der NWRI hat die Partei Vox seit ihrer Gründung finanziell unterstützt, wie Vidal-Quadras selbst gegenüber dieser Zeitung bestätigte.
Die erste Überweisung von iranischen Gegnern (1.156,22 Euro) erhielt die Partei am selben Tag, an dem sie am 17. Dezember 2013 im Register der politischen Parteien des Innenministeriums eingetragen wurde.“

Man fragt sich, warum diese edle Spende?

Gegenüber der hier genannten bescheidenen Summe ist festzuhalten, daß die Unterstützung dieser iranischen Gruppe für Vox beträchtlich war.
Vox, die inzwischen 33 (12%) Sitze im spanischen Parlament hat und seit Jahren in regionalen Parlamenten und Gemeinderäten als Zünglein an der Waage mit der PP regiert, konnte sich ursprünglich nur dank der Spenden des NWRI aus der Bedeutungslosigkeit zum politischen Machtfaktor emporschwingen.
Die Rede ist von einer Summe zwischen einer halben und einer Million Euro.

Die zweite Frage, die sich hier auftut ist, warum diese Organisation über so viel Geld verfügt, das sie ohne weitere Probleme einer obskuren spanischen Mini-Partei hinüberschieben kann?

„Hat diese Gruppe Unterstützung im Iran?

Nein.
Die Ablehnung des NWRI ist einer der wenigen Gemeinsamkeiten zwischen dem islamischen Regime und vielen seiner iranischen Gegner.
Der Hauptgrund sind ihre terroristischen Aktivitäten im Iran, aber auch das, was viele Iraner als Verrat empfinden: Als Frankreich 1986 die MEK auswies, ließ sich die Gruppe im Irak nieder und ihre Mitglieder kämpften in den Reihen der irakischen Armee Krieg gegen den Iran. Sie arbeiteten auch mit Saddam Hussein zusammen, um abweichende Meinungen und Opposition im Irak zu verfolgen.
Einige Zeugenaussagen haben berichtet, daß die Gruppe sogar“ (offensichtlich nicht-iranische) „Studenten dafür bezahlen muß, sich bei der Großveranstaltung, die sie normalerweise jedes Jahr am Stadtrand von Paris veranstaltet, als Iraner auszugeben.

Wer unterstützt den NWRI?

Die offenbar große Verfügbarkeit von Geldern – mehrere Berichte deuten auf eine angebliche Finanzierung durch Saudi-Arabien hin – hat es dieser Gruppe ermöglicht, unter anderem in den USA, Frankreich und dem UK Lobbyarbeit zu betreiben und die Unterstützung von Parteien und Politikern unterschiedlicher Ideologien zu gewinnen. Diese Lobbyarbeit führte dazu, daß bei den jährlichen Treffen Politiker anwesend waren, die dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump nahe stehen, darunter der ehemalige New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani und der ehemalige Vizepräsident Mike Pence.
Laut Joanne Stocker, einer Journalistin, die MEK-Spenden in den USA untersuchte, hätte der ehemalige nationale Sicherheitsberater der Trump-Administration John Bolton bis zu 180.000 US-Dollar [168.000 Euro] für seine Rede bei einer dieser Kundgebungen erhalten, sagte sie MSNBC. Auch die ehemaligen spanischen Präsidenten José María Aznar (2016 und 2010) und José Luis Rodríguez Zapatero (2013) nahmen an der jährlichen NWRI-Kundgebung teil.“

Diese eigenartige (ex-?)Terror-Sekte ist also bestens vernetzt und mit beachtlichen Finanzen ausgestattet und mischt in der spanischen Parteienlandschaft mit.
Und das, wo heute gerade Einheit gegen den „Terrorismus der HAMAS“ gefordert wird.
Eine beunruhigende Entwicklung.

11 Gedanken zu “Pressespiegel El País, 11.11.: Die Mudschahedin-e-Khalq als Teil der europäischen Politik

  1. Dass arabische Ölstaaten diverse als Terror-Organisationen gelistete islamistische Vereine unterstützen, das wird wohl so sein.  (Aber kann man aus einer 1500,- EUR-Spende an VOX weiter Inhaltliches oder Bedeutsames herleiten?) [Dass die ehemaligen iranischen Volksmudjahedin, bzw. Studentenabspaltungen der ehemaligen TUDEH aus den 70ern und 80ern , inzwischen ideologisch komplett im Westen angekommen sind,  das dürfte vermutlich ja so sein.)

    Dass der IS seine Terroranschläge nunmehr anscheinend ziemlich komplett in große islamische Staaten verlagert hat (Iran, Pakistan, Afghanistan) – ist darin begründet, dass der IS sich von existierenden islamischen Staaten verspricht, dass diese nach vom IS bewirkten Umstürzen zukünftig Teil seines weltweiten Gottesstaates aus regionalen Kalifaten werden sollen . – Oder wie geht deren Begründung für den aktuellen Terroranschlag gegen Iran?  (Anlässlich iranischer Gedenkfeiern für einen iranischen General, der versucht hat, Iran als strategische Hegemonialmacht für die Region vorwärts zu bringen, was vermutlich – neben vor allem die Oberaufseher, die USA und die EU – z.B. Saudi-Arabien und Türkei gestört haben könnte. [Als pro-westliche islamische Staaten treten anscheinend aktuell Katar und Ägypten in den Vordergrund – bzw. immer wieder Türkei.]  Hat jemand darüber gesicherteres Info-Material?)

    —–

    Den Huthi ginge es weniger um Gaza, auch nicht um Unterstützung iranischer Positionen, sondern darum, sich vor einem bevorstehenden Friedensabkommen teurer verkaufen zu wollen, meint der Kommentar im ND. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178614.jemen-der-lange-arm-der-iranischen-revolutionsgarden-im-jemen.html?sstr=iran

  2. (…) Der IS betrachtet die im Iran vorherrschende schiitische Bevölkerungsmehrheit als Abtrünnige des Islam und verachtet sie. Die Schia, die kleinere der beiden großen Strömungen im Islam, ist Staatsreligion der Islamischen Republik. Ein regionaler Ableger des IS ist im Nachbarland Afghanistan aktiv, wo die Gruppe nahe Pakistan eine "Provinz" namens IS-Chorasan errichten will.   https://www.tagesschau.de/ausland/asien/iran-anschlag-is-100.html

    (…) Al-Kuds ist der arabische Name für Jerusalem. Diese Brigaden der iranischen Revolutionsgarden haben die Aufgabe, dem Iran nahestehende politische Gruppen im Ausland zu unterstützen – zum Beispiel gegen den islamistischen Terrorismus des “Islamischen Staats” in Syrien und im Irak. Gleichzeitig sollen die Al-Kuds-Brigaden militärische und politische Interessen des Irans in islamischen Ländern durchsetzen helfen.
    Soleimani galt als wichtigster Strippenzieher iranischer Interventionen im Nahen Osten. Er konnte bei Bedarf schnell schiitische Milizen mobilisieren. Wie viel Geld die Al-Kuds-Brigaden für ihre Propagandamedien zur Verfügung haben, ist schwer herauszufinden. Sie unterstehen direkt dem Religiösen Führer und haben Zugang zu den Öleinahmen des Iran.
    Es gebe Anzeichen dafür, dass der regionale IS-Ableger “Islamischer Staat – Provinz Khorasan” (ISPK) hinter den Explosionen stecken könnte, so Arash Azizi. Diese Gruppierung ist vor allem in Afghanistan aktiv. Azizi glaubt, dass die zwei nacheinander gezündeten Bomben möglichst viele Zivilisten töten sollten: Nach der ersten Explosion hätten sich vor Ort viele Menschen ebenso wie einige Rettungskräfte versammelt, von denen dann die zweite Bombe zahlreiche in den Tod riss. “Ein entscheidender Punkt ist: Die erste Bombe war neben einem Museum platziert, dessen Gebäude früher ein zoroastrischer Feuertempel war”, erläuterte Azizi. “Der ISPK betrachtet nicht nur die Religion des Zoroastrismus, sondern auch den Iran, die iranische Kultur und nicht zuletzt das Schiitentum, als größte Bedrohung für den Islam.”
    https://www.dw.com/de/iran-is-reklamiert-terroranschlag-für-sich/a-67886692
    (…. und größer – anscheinend – , aus Sicht des IS, – als der Westen…)
    [Übrigens: die in Rechenschaftsberichten offiziell ausgewiesenen Spendenbeträglein – weisen oft gerade explizit nicht auf die eigentlichen Paten solcher Organisationen hin – das wusste neben Helmut Kohl damals auch schon z.B. Wolfgang Schäuble….]

  3. Es ist etwas irritierend, daß einerseits von Bomben in abgestellten Taschen und dann von Selbstmordattentätern die Rede ist.
    Bei Selbstmordattentätern ist nämlich die IS-Urheberschaft wahrscheinlich, während bei Zeitzünderbomben ein weiter gefaßter Täterkreis in Frage kommt.

    In dem DW-Artikel wird wieder die Taschen-Variante vorgetragen.

  4. "(…) Der IS hat am Donnerstag, als er sich auch zum Anschlag in Kerman bekannte, auch den Start einer neuen Kampagne verkündet. Ihr Titel: «Tötet sie, wo immer ihr sie findet.» Darin wird zu Anschlägen weltweit aufgerufen."
    https://www.srf.ch/news/international/anschlaege-in-iran-der-is-ist-wieder-da-das-sind-die-gruende

    “(…) In der Erklärung des IS sollen demnach die Namen von zwei Mitgliedern der Gruppe veröffentlicht worden sein, die sich als Selbstmordattentäter in der Menschenmenge, die sich zur Teilnahme an der Zeremonie zum Todestag von Soleimani versammelt hatte, in die Luft gesprengt hätten. ” https://iranjournal.org/news/islamischer-staat-uebernimmt-verantwortung-fuer-attentat-in-kerman

  5. Zum IS hier Näheres.

    Die Frage stellt sich, ob es der Popularität des IS zuträglich ist, wenn Israel Gaza plattmacht und der IS gleichzeitig den Iran mit einem Anschlag angreift.

    Bei dem neuen Motto «Tötet sie, wo immer ihr sie findet!» muß man sich fragen: Wen eigentlich?

  6. Meine These wäre: a) vor allem erst einmal dort, wo der IS sein aktuell neues Kalifat errichten will, also Iran/Pakistan/Afghanistan,  b) nach dem Kriterium größt-möglichen Schreckens und folgender erhoffter  Instabilität, damit die jetzigen Staatsgewalten als schwach sich darstellen lassen,  – um dortige IS-Gläubige in ihrem Wahn zu stärken…. (Dass es also auch Afghanistan betrifft, – so ein Zufall aber auch. Mit dem Iran haben sie sich allerdings ein größeres [und gröberes] Kaliber ausgesucht…. – Bei ihren strategischen Ausrichtungen hat übrigens die Nähe zu US-Feindschaften bei den Islamisten immer schon verwundert, – angefangen beim Aufbau der Taliban in den 80er Jahren. https://www.nzz.ch/feuilleton/afghanistan-war-in-den-70er-jahren-ein-weltoffenes-land-ld.1641476). Chaos anzurichten, Instabilitäten herzustellen – das sollte anscheinend sowohl für US-Ordnungspläne als auch für islamistische Ordnungspläne taugen. Angeblich würden die USA heute die (von ihnen maßgeblich [mit-] hergestellten…) Lagen und ‘failed States’ in der Region anders betrachten ? Zumindestens wollen die USA die Letztendscheidung behalten, wer dort mit ihrem Segen vor Ort sich durchsetzen darf. (Und dafür wird dann auch mal ein US-Kriegsschiff oder ähnliches Drohpotential in unterschiedlichste Regionen geschickt. Solche oder ähnliche Vorstellungen mögen zwar auch verrückte Militärstrategen in der EU beflügeln – im öffentlichen Diskurs gibt es das so aber m.E. hierzulande – noch… – nicht.)

    —-

    Der Guardian/Freitag hatte übrigens vor einer Woche anscheinend US-Fährten auf die ehemaligen iranischen Volksmujahedin befestigt: " In Washington wird in Regierungkreisen auf eine mögliche Rolle des Islamischen Staates (IS) oder einer mit ihm verbundenen sunnitischen Extremistengruppe verwiesen, zugleich über eine Partnerschaft zwischen Israel und der iranischen Rebellengruppe Mujahedin-e-Khalq (MeK) spekuliert, die Berichten zufolge zuvor schon Anschläge im Iran verübt haben soll. Dabei handelte es sich zumeist um gezielte Attentate auf Wissenschaftler, die mit dem Atomprogramm zu tun hatten, oder um Sabotageakte. Der Bombenanschlag vom Mittwoch in Kerman passe jedoch nicht in dieses Muster, argumentieren US- und britische Experten."   https://www.freitag.de/autoren/the-guardian/anschlag-im-iran-der-gazakrieg-wird-regionalisiert-und-eskaliert-dadurch

  7. @Leser

    Um sich einmal über den Islamischen Staat zu verständigen:

    Der IS war ein Projekt Saudi-Arabiens und Katars zur Bekämpfung des iranischen Einflusses, das von den USA unterstützt wurde. Abtrünnige Al-Kaida-Mitglieder wurden unterstützt, um eine neue Kraft gegen den Iran, Syrien und die irakischen Schiiten zu schaffen.

    Die Vorgeschichte war die Liquidierung Osama Bin Ladens 2011. Damit sendeten die USA ein Signal an die seinerzeit von ihnen selbst geförderten islamischen Fanatiker aus: Ihr könnt machen, was ihr wollt, solange es nicht gegen die USA geht.

    Frauen verschleiern und steinigen, von Bildungsinstitutionen fernhalten, Schiiten und Islam-Abgefallene (Murtads) abmurksen, Attentate da und dort machen, euch gegenseitig an die Gurgel springen, wo es euch recht ist: Alles kein Problem. Nur gegen uns, die Weltmacht, dürft ihr nix machen.

    Als der IS im Juni 2014 Mossul einnahm, eroberte er bei dieser Gelegenheit jede Menge Kriegsgerät, das die USA kurze Zeit vorher an die irakische Regierung übergeben hatte – und das komischerweise nicht in Bagdad oder anderen Städten landete, sondern eben in Mossul.
    Ebenso lag in den Banken von Mossul damals ein Haufen Bargeld in Dollars.
    Woher das wohl kam?

    Der IS nahm Mossul so ein, daß die Offiziere der irakischen Armee abhauten und die Rekruten vom IS abgeschlachtet wurden.
    Wie kam es dazu?

    All das kann man in verschiedenen Interviews mit dem ehemaligen Senator für Virginia, Dick Black, nachhören, der sich mit diesen Angelegenheiten sehr detailliert befaßt.

    Wer das als Verschwörungstheorien abtut, hat ein Erklärungsdefizit bezüglich des Umstands, warum der IS in Mossul das Kalifat ausrufen und dann so stark werden konnte.
    Woher all diese Pickups, Panzerfahrzeuge, Schußwaffen usw.?

    Der IS war gar kein richtiges Thema bis zur medienwirksamen Ermordung von James Foley im August 2014.
    „Der frühere Chef des US-Geheimdienstes CIA, Michael Morell, sprach vom „ersten IS-Terroranschlag auf die USA“.

    Damit war klar, daß dieses Produkt in diesem Augenblick von den USA als Gegner aufgefaßt wurde.
    Ähnlich wie die Taliban, die ja auch seinerzeit vom pakistanischen Geheimdienst unter kräftiger finanzieller Unterstützung Saudi-Arabiens und dem Wohlwollen der USA geschaffen wurden.

    Zauberlehrlinge.
    Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.

    Der IS wurde aus Syrien durch die kurdisch-arabischen Milizen und die syrische Armee vertrieben.
    Wohin?
    Als mögliches Rückzugsgebiet läßt sich das irakische Kurdistan vermuten, das vom Barzani-Clan den USA mehr oder weniger als Basis zur Verfügung gestellt wurde.

    Aus dem Irak wurde er durch schiitische Milizen unter der Koordination des Iran vertrieben. Der Architekt dieser Aktion war der von den USA ermordete iranische General Suleimani.

    Zur Schwächung des IS im Nahen Osten trug der Streit zwischen Katar und Saudi-Arabien bei. Katar scheint inzwischen die Finanzierung des IS aufgegeben zu haben.

    Der IS wird bis heute unterstützt, vermutlich durch die USA und Saudi-Arabien. Andere Geldgeber scheiden aus.
    Diese beiden Mächte halten sich den IS als Killer-Truppe gegen den Iran und seine Verbündeten und als Unruhe-Stifter in Afghanistan.

  8. Bei den staatlichen Paten der diversen islamistischen Organisationen fehlt die Türkei, deren Einfluss in Syrien auf Widerstand kurdischer Gruppen führte – die ihrerseits von den USA (und wohl auch der EU)  mitunterstützt wurden – aber angeblich gegen den IS….   (In Wahrheit ging es ja um die Schwächung Syriens.)

    (Für die Schwächung des Iran scheinen die USA alles ihnen Mögliche bereits veranstaltet zu haben – und z.B. weder die Einhegungsversuche mittels Verträge noch deren Aufkündigung konnten Irans Positionierungen in der Region verändern.  Hauptinteressenten an einer Schwächung oder  Zerstörung der bisherigen  Machtposition des Iran dürften tatsächlich Saudi-Arabien und USA sein.)

    Der Irak, bisher oft ein direkter Verbündeter Irans, beherbergt, duldet, bewillkommnet -? – (nicht nur…) im Norden bekanntlich riesige US-Basislager. Aus dem Irak kam vor 3 Tagen diese Meldung: https://www.n-tv.de/politik/USA-toeten-proiranische-Milizionaere-im-Irak-article24640347.html, – mit dieser Schlusszeile: “Im Irak fordern die (iranischen) Milizen auch einen Abzug der etwa 2500 verbleibenden US-Truppen”. Hingegen für die irakische Regierung seien sowohl die USA als auch die iranischen Milizen gleichfalls weiterhin “Partner”…..

    …. und noch ein “Partner”: Geheimer Migrationsdeal mit dem Irak
    Die Bundesregierung hält eine Migrationsvereinbarung zwischen Deutschland und dem Irak geheim. NDR, WDR und SZ liegt die schriftliche Erklärung zu Migration und Abschiebungen beider Länder vor. Die Opposition verlangt Aufklärung. (15.12.23)
    https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/migration-irak-abschiebungen-100.html. “Wie die Recherche von WDR, NDR und SZ zeigt, haben neben Deutschland weitere europäische Länder vertrauliche Migrationsvereinbarungen mit dem Irak getroffen – Österreich und Schweden zum Beispiel. Die EU-Kommission bestätigte auf Anfrage, dass es in diesem Jahr tatsächlich “im zweiten und dritten Quartal zu einem beispiellosen Wandel in der irakischen Rückkehr- und Rücknahmepolitik” gekommen sei. Die irakische Regierung habe sich verpflichtet, “alle Rückführungen zu akzeptieren”. (…) “Aus Sicht des Bundesinnenministeriums gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der Republik Irak vertrauensvoll.” (ebd.)

  9. Der Islamische Staat – eine militante Antwort auf die Verwüstung der arabischen Welt durch die US-geführte Kriegsallianz
    Rolf Röhrig in einer Audio-Datei über Entstehung und Inhalt  des Islamischen Staates  (2015):
    https://www.argudiss.de/doku/wir-alle-sind-charlie-der-islamische-staat-eine-militante-antwort-die-verwuestung-der.     (dort:  vor allem Teilaufnahme Audio-Datei 'Teil 2'). [Der Islamismus des IS wird als Nationalismus des (erstrebten) islamischen Kalifats dargelegt – als Reaktion auf diverse US-Greuel in der Region und weltweit, die von denen als vor allem “anti-islamisch” charakterisiert (und darin verfehlt) worden sind.]

  10. @Leser

    Der Irak, bisher oft ein direkter Verbündeter Irans, beherbergt, duldet, bewillkommnet -? – (nicht nur…) im Norden bekanntlich riesige US-Basislager.

    Der Irak ist keine territoriale Einheit und hat über den kurdischen Norden keine Oberhoheit mehr. Der wurde den Bagdader Behörden wegen mangelnden Wohlverhaltens einfach weggenommen.
    Als die USA 2003 ff. einmarschierten, blieb ihnen nichts anderes übrig, als auf die schiitische Dawa-Partei zu setzen. Es war die einzige, die mit ihnen kollaborierte. Dafür wurden auch einige Mitglieder dieser Partei von fanatischen Patrioten umgebracht. Über die Religion und andere Bindungen ist diese Partei aber tatsächlich eine enge Verbündete des Iran. Manche ihrer Mitglieder haben auch die iranische Staatsbürgerschaft. (Es gibt Gerüchte, daß diese Partei eigene Todesschwadronen unterhielt, um diejenigen Leute zu liquidieren, die ihnen aufgrund ihrer Auslandskontakte gefährlich werden könnten.)

    Im Irak fordern die (iranischen) Milizen auch einen Abzug der etwa 2500 verbleibenden US-Truppen”

    Die schiitischen Milizen des Irak setzen sich aus Irakern zusammen, nur die Ausbildner kommen oft aus dem Iran.

    Hingegen für die irakische Regierung seien sowohl die USA als auch die iranischen Milizen gleichfalls weiterhin “Partner”

    Ich nehme an, von Seiten der USA wird an Bagdader Regierungsmitglieder einiges an Bakschisch gezahlt …

    Was den Flüchtlingsdeal mit der irakischen Regierung betrifft, so versucht man hier offenbar eine Neuauflage des Deals mit Afghanistan, weil der ja so gut gelungen ist.
    Der irakischen Regierung wird offenbar eine längere Lebensdauer zugetraut.
    (Auch hier dürfte Bakschisch im Spiel sein.)

    Bei all diesen Schubabkommen stehen erstens der, den Spanien mit Marokko geschlossen hat als auch der, den Merkel mit Erdoğan geschlossen hat, Pate.
    Staaten an den Grenzen der EU werden auf das festgelegt, was vorher im Dublin-Abkommen für diejenigen EU-Staaten vorgesehen war, die an den Außengrenzen lagen: Sie mußten die Flüchtlinge zurücknehmen, die sie herein- und durchgelassen hatten.
    Jetzt wird das nach außen verlegt und damit sozusagen die EU-Außengrenzen weit nach draußen verlegt.
    Wenns klappt.
    Ägypten hat klar nein gesagt und bei Tunesien und Albanien ist inzwischen auch Sense.

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