Pressespiegel El País, 15.5.: Russische Offensive in der Ukraine

ÜBER GETREIDE UND HUNGER

„PUTINS KRIEG IN DER UKRAINE LÖST EINE GLOBALE NAHRUNGSMITTELKRISE AUS

Der Konflikt in der Ukraine verschärft den Anstieg der Lebensmittelpreise, der eine Krise des Mangels an Nahrungsmitteln, politische und soziale Turbulenzen, neue Migrationsströme und geopolitische Spannungen auszulösen droht.
Die russische Offensive hat die angespannte Lage in einem Markt verschärft, der auch vorher schon bedeutende Preissteigerungen verzeichnet hat.“

Eine seltsame Ausdrucksweise. Erstens „Putins Krieg“, als ob er ihn alleine führen würde und nicht eine ganze Armee. Zweitens, Spannungen allerorten, die durch den Krieg „verschärft“ werden, also offenbar nicht durch ihn hervorgerufen werden.

„Die Konsequenzen sind schwerwiegend.“

Na sowas!

„Zunächst einmal für Millionen von Personen, die neu in den Teufelskreis von Hunger und Unterernährung geraten.“

Bodenlos.
Vorher war noch von einem Markt die Rede, also einer von Menschen gemachten und betriebenen Einrichtung. Jetzt ist es auf einmal ein „Teufelskreis“, also etwas völlig Selbsttätiges.
Diese Vernebelung ist notwendig, damit dann der Ukraine-Krieg und Putin für den Hunger verantwortlich gemacht werden können und nicht etwa die Marktwirtschaft, die jedem das Hinlegen von Geld aufnötigt, um an Nahrung zu kommen.

„Im Weiteren wegen der Perspektive sozialer Proteste und politischer Instabilität, die in fragilen Staaten (???) mit solchen Umständen einherzugehen pflegen;“

Was macht eigentlich diese „fragilen Staaten“ so empfindlich für dergleichen soziale Proteste und welche Staaten fallen unter diese Einstufung?
Wie es aussieht, täglich mehr.

„sowie wegen der Zunahme von ungeordneten Flüchtlingsbewegungen;“

Welche Fluchtbewegungen sind eigentlich „geordnet“?

„und den Reibungen (?) zwischen Staaten, die in einer Position der Stärke sind und denen, die der Krise inmitten protektionistischer Manöver, internationaler Sanktionen und anderen Hochspannungs-Bewegungen ausgesetzt sind.“

Dümmer gehts kaum mehr. Alle möglichen verhatschten Bilder werden aufgewendet, um die Sanktions-Politik der EU und der USA als eine Art Sachzwang darzustellen, der die Staaten in Form einer Naturkatastrophe trifft. Schuld daran ist natürlich Putin.

„Der Anstieg der Lebensmittelpreise hat mannigfaltige Gründe, viele von ihnen waren schon vor der (russischen) Invasion zugegen. Aber diese spielt eine entscheidende Rolle bei der Zuspitzung der Krise wegen zweier grundlegender Faktoren: Sie hat den Energiemarkt erschüttert, was starke Auswirkungen auf die Landwirtschaft hat, und hat die Exportströme von Rußland und der Ukraine verändert, die zwei wichtige Player auf dem Agrarmarkt sind. Diese ungünstige Entwicklung tritt noch dazu in einem Augenblick auf, in dem sich viele Staaten und ein guter Teil der Weltbevölkerung aufgrund der Auswirkungen der Pandemie geschwächt sind.
(…) So bemerkte Antonio Guterres anläßlich der Präsentation einer Studie zu dem Thema: »Die Lebensmittelpreise waren noch nie höher, wir sehen einer Hungerkatastrophe von ungeahntem Ausmaß entgegen.« Die Studie zeigt auf, daß die Zahl der Personen in kritischer Ernährungssituation“

Was das wohl heißen mag?

„in den meistbetroffenen 50 Staaten von 155 Millionen 2020 auf 193 Millionen 2021 angewachsen ist. Eine an und für sich schon schlimme Tendenz, die jedoch die Auswirkungen des Krieges noch nicht wiedergibt.
Und diese Auswirkungen haben es in sich. Die Weltbank schätzt, daß für jeden Prozentpunkt in der Erhöhung der Lebensmittelpreise 10 Millionen Menschen in extreme Armut geraten.“

Wirklich eine Rechnerei der Art Handgelenk mal Pi.
Ein Prozentpunkt in der Erhöhung welcher Lebensmittelpreise? Getreide? Gemüse? Hülsenfrüchte? Man müßte einmal präzisieren, um welche Lebensmittel es sich handelt. Auch die 10 Millionen und der schwammige Begriff „extreme Armut“ machen zwar auf hysterisch, sagen aber nicht viel aus über die Anzahl und Lage der Betroffenen.
Ähnlich schwammig und hysterisch sind die Angaben der FAO, die von 20 und 30 Prozent Steigerung schreibt, aber man erfährt nicht, wovon.

„Die in Deutschland versammelten Außenminister der G7 gaben eine Erklärung ab, in der sie den Ernst der Lage betonen und Rußland auffordern, Bombardements der ukrainischen Infrastruktur zu unterlassen, um Exporte zu ermöglichen. Die deutsche turnusmäßige Präsidentin spricht von einem von Moskau losgetretenen „Krieg des Weizens“, der eine globale Hungerkrise auslösen könnte.“

Um diese Weizenexporte gibt es sehr widersprüchliche Meldungen.

Rußland exportiert sehr viel mehr Weizen als die Ukraine. Ob die Weizenexporte Rußlands zurückgegangen sind, läßt sich derzeit noch nicht feststellen. Es könnte sein, daß Rußland Beschränkungen erläßt, um die Ernährungssicherheit im Land sicherzustellen. Es kann auch sein, daß manche Staaten Bedenken haben, Rußland Weizen abzukaufen, weil sie dann den Zorn der USA oder der EU und etwaige Sanktionen auf sich ziehen.

Die Weizenexporte aus der Ukraine haben erst in den letzten Jahren die derzeitigen Ausmaße erreicht, nachdem Agrarkapital aus der EU, hauptsächlich aus Deutschland und den Niederlanden, dorthin geflossen ist. Einerseits gibt es viel Land Grabbing, wo regelrechte Plantagen mit hohen Zäunen betrieben werden. Man fragt sich, wie das eigentumsrechtlich aussieht – immerhin wurde erst vor ein paar Jahren und gegen viel Widerstand in der Rada ein Gesetz zum Verkauf von Agrarland an Ausländer erlassen. Möglicherweise Pacht auf 50 oder 100 Jahre, mit Option auf Verlängerung?

Andererseits ist aber auch viel EU-Fördergeld in die Landwirtschaft geflossen und auf Basis von Agrarkredit à la Raiffeisen sind dort mittelgroße bäuerliche Wirtschaften entstanden, die jetzt als Opfer der russischen Invasion durch die Medien gehen: Fleißige Landwirte, um die Frucht ihrer Bemühungen gebracht. Dabei ist vermutlich der größte Teil ihrer Ernte bereits an den Kreditgeber verpfändet.

Schließlich ist das Haupt-Export-Outlet der Hafen von Odessa. Abgesehen davon, daß der sofort am Anfang der Invasion von den ukrainischen Verteidigern vermint und gesperrt wurde, um seine Einnahme vom Meer zu verhindern, hat sich die Region um Odessa aufgrund ihrer Grenznähe zum NATO-Staat Rumänien zum Haupt-Import-Loch für Waffen und Treibstoff entwickelt. Deswegen wurde im Laufe des Krieges die dortige Infrastruktur durch russische Angriffe in Mitleidenschaft gezogen, mit Ausnahme der noch immer funktionierenden Eisenbahn.

Exporthäfen öffnen hieße also Waffenimport erleichtern.

Nach einer Reportage des Ukraine-Korrespondenten Wehrschütz im österreichischen Fernsehen waren damals im April das Hauptproblem der ukrainischen Getreidehändler die vollen Speicher. Man müsse die leerkriegen, meinte ein vom Reporter befragter Agraringenieur, bevor die nächste Ernte kommt. Die ukrainische Agrarwirtschaft baut hier vermutlich noch auf dem Erbe der sowjetischen Kolchosenwirtschaft auf, oder es wurde von westlichen Firmen noch in zusätzliche Speicherkapazitäten investiert, um die Fülle der Erträge der fruchtbaren Schwarzerdeböden des Wilden Feldes zu fassen.

Der von Wehrschütz befragte Agrarier erwähnte in dem Gespräch auch noch, daß Odessa als Exporthafen eigentlich nicht ersetzbar ist, weil der Transport über Land mit dem Zug viel zu teuer ist, und auch von den Kapazitäten her nie die Mengen aufnehmen kann, die der ukrainische Boden hergibt. Immerhin fahren die Züge ewig lang bis zur polnischen Grenze und müssen dann auch noch zu einem polnischen Hafen gelangen, weil die näher gelegenen russischen will man ja keinesfalls verwenden, übrigens auch schon vor dem Krieg nicht. Außerdem bestehen die ukrainischen Lebensmittelexporte nicht nur aus Getreide, sondern auch aus leichter verderblichen Gütern.

Schließlich wird den russischen Besatzungsbehörden vorgeworfen, Getreide in großen Mengen zu klauen und über Sewastopol in die große weite Welt zu verschippern. Die russischen Experten für Katastrophenschutz (!) wollen auch möglichst schnell den Hafen von Mariupol wieder in Gang kriegen, um von den von ihnen eingenommenen Territorien Getreide und andere Agrarprodukte zu verschieben.
Na, so werden wenigstens die Speicher leer, könnte man sagen.
Man merkt an dieser Klage, daß die vorgeschobenen verletzten Eigentumsrechte der Ukraine bzw. der Ukrainer nur die tatsächlich verletzten Eigentumsrechte der westlichen Agrarfirmen verdecken, die durch den Krieg zu Schaden gekommen sind.
Dabei ist der von den Russen geklaute Weizen nur ein Klacks. Durch den Krieg selbst wird an vielen Orten nicht gesät und geerntet, nicht bewässert und das Unkraut und die Schädlinge nicht vertilgt. Die kommenden Ernten werden also auch wesentlich magerer ausfallen, sofern sie auf weder umkämpften noch verminten Gebieten überhaupt eingefahren werden können.

Die russische Seite weist darauf hin – jeder sieht den Splitter im Auge des anderen – daß auch von den in ukrainischer Hand verbliebenen Gebieten Getreide exportiert wird, eben über Polen. Die russischen Medien machen sich deshalb Sorgen um die Lebensmittelsicherheit in der Ukraine selbst.

Damit ist ein weiteres Problem des ukrainischen Agrarsektors angesprochen: Die reichen Ernten der Ukraine sind nicht für die Ukraine selbst gedacht. Die ohnehin relativ geringe Kaufkraft der ukrainischen Geldbörsen gibt nämlich nur die schwachbrüstige Hriwna her. Die gewinnorientierten Agrarfirmen verkaufen deshalb lieber gegen Devisen in das immer von Unterernährung gezeichnete Afrika. Dort brauchen sie den Importweizen tatsächlich wie das liebe Brot, weil die eigenen landwirtschaftlichen Flächen für Cash Crops wie Baumwolle, Kakao, Ananas oder Avocado benutzt werden. Die landwirtschaftliche Produktion dieser Staaten ist nämlich auch nicht für die eigene Bevölkerung da, genauso wie in der Ukraine!
Marktwirtschaft allerorten.
Ein weiterer zahlungskräftiger Kunde ist inzwischen die Hungerhilfe der UNO. Deshalb macht sich Guterres solche Sorgen. Afghanistan, Somalia, der Irak, der Libanon u.a. – lauter Staaten, die sich einige Jahrzehnte und auch einige Kriege früher selber ernähren konnten, hängen jetzt am Tropf der UNO, um großflächiges Verhungern zu vermeiden. (Kleinflächig wird übrigens vielerorten ge- und verhungert.) Und die UNO zahlt Weltmarktpreise, ist also durchaus marktwirtschaftkompatibel.

In der Ukraine wiederholt sich teilweise die Geschichte. Einer der Gründe für den Holodomor war nämlich der Export von konfisziertem Getreide gegen Devisen, um damit eine Industrie mit Hilfe von westlichem Know-How und Maschinenimporten aufzubauen, u.a. in der Ukraine.
Diese Einkäufe von Maschinen durch die SU kamen Europa und den USA in der Zeit der Weltwirtschaftskrise sehr gelegen, weshalb sich ihre Eliten nicht sehr für die – durchaus vorhandenen – Berichte über den Hunger in der SU interessierten …

Heute wird damit der Krieg finanziert, auf Kosten der ukrainischen Bevölkerung.

11 Gedanken zu “Pressespiegel El País, 15.5.: Russische Offensive in der Ukraine

  1. Da die Gaspreise so in die Höhe gegangen sind, ist bereits vor dem Einmarsch die Produktion von Ammoniak und Salpeter zurückgegangen. Die Preise dafür sind in die Höhe geschossen, ebenso wie für mineralische Dünger-Elemente.
    Deshalb haben viele Landwirte in Brasilien, der EU und anderen Ländern zu wenig Dünger eingekauft und bei der Aussaaat eingesetzt. Die Folgen werden 20-30% weniger Ertrag im heurigen Jahr für Getreideprodukte sein.

    Nach Angaben der USA sinkt die die weltweite Produktion von Lebensmittelweizen dieses Jahr auf 4,5 Millionen Tonnen, die von Futterweizen auf 7,5 Millionen Tonnen. Letzteres hat eine Verknappung des Futtergetreides und einen Anstieg der Preise für Fleisch- und Milchprodukte zur Folge.

    Die einzigen Staaten, die ihre Erträge steigern können — aus verschiedenen Gründen — sind die USA, Kanada und Rußland. Letzteres könnte heuer eine Rekordernte einfahren.

    (KP, 21.5.)

  2. Es gibt verschiedene Hinweise darauf, daß es derzeit für die Ukraine nicht so gut läuft: Selenskij gesteht ein, daß die ukrainische Armee im Donbass in Bedrängnis ist. Die Gefangennahme der Asov-Leute im gleichnamigen Stahlwerk hat die ukrainische Verteidigung ihrer überzeugtesten Mitglieder beraubt.
    Rußland wird jetzt versuchen, einige von ihnen „umzudrehen“, so wie seinerzeit die Frau Sawtschenko, oder den ehemaligen Rechten Sektor-Aktivisten Illia Kiva. Das hätte natürlich einen enormen propagandistischen Effekt.

    Außerdem beschwert sich Poltorak, daß ihm einige westliche Politiker gesteckt haben, die Ukraine würde wohl Gebietsverluste hinnehmen müssen.
    Selenskij bemühte sich gleich, zu dementieren: Nie würde die ukrainische Führung ukrainischen Boden abtreten!

  3. Interview von El País mit Ibrahim Kalin, dem außenpolitischen Sprecher der türkischen Regierung:

    EP: Nach dem Massaker von Butscha hörten die Kontakte zwischen der Ukraine und Rußland auf, in denen die Türkei eine Vermittlerrolle eingenommen hatte. Besteht die Möglichkeit, die Parteien wieder an den Verhandlungstisch zurückzubringen?

    IK: Wir arbeiten daran. Vorige Woche führte der Präsident (Erdogan) Telefongespräche mit dem ukrainischen und dem russischen Präsidenten. Er wiederholte seinen Vorschlag, beiden sollten nach Istanbul reisen, um eine friedlichen Ausweg zu vereinbaren. Selenskij erklärte sich bereit, aber Putin meint, die Bedingungen seien noch nicht ausreichend gereift dafür.
    Leider hörten die Gespräche nach den – untragbaren – Ereignissen von Butscha auf, und der Krieg geht weiter.
    In Konflikten dieser Art muß man nach einer Gesamtlösung suchen, aber gleichzeitig ist es auch wichtig, lokale Vereinbarungen zu treffen. Dazu gehörte z.B. die Evakuierung der Zivilisten in Mariupol oder das, woran wir derzeit arbeiten: Der Export von Agrarprodukten aus der Ukraine.

    EP: Halten Sie es für möglich, eine Lösung für die russische Blockade des Exportes von Getreide zu finden, die eine Ernährungskrise hervorzurufen droht?

    IK: Wir reden mit den Russen, den Ukrainern und auch mit der UNO. Wahrscheinlich wird es eine Operation im Rahmen der UNO, mit Istanbul als Operationszentrum. Russische und ukrainische Vertreter werden den Prozess begleiten und kontrollieren. Die Schiffe müssen untersucht werden, um sicherzustellen, daß mit ihnen keine Waffen geliefert werden. Außenminister Lawrow wird uns nächste Woche einen Besuch abstatten und da werden wir unter anderem auch über diesen Punkt reden.
    Ich denke, sowohl Russen als auch Ukrainer verstehen, daß das ein sehr wichtiges Thema ist und wir werden hoffentlich innerhalb der nächsten 2 Wochen ein Ergebnis haben.

    EP: Eine heikle Angelegenheit ist das Thema ist die Entminung der ukrainischen Häfen.

    IK: Wir haben diesbezüglich unsere Hilfe angeboten, aber bisher noch keine Anfragen dazu erhalten. Die einzige Bedingung der Ukrainer ist, daß sie Garantien erhalten wollen, daß die Russen Odessa nicht angreifen, falls der Hafen entmint wird.
    Wir haben diese Botschaft übermittelt und von Präsident Putin eine positive Antwort erhalten: Er hat nicht die Absicht, Odessa anzugreifen.
    Wir hoffen sehr, daß diese Stellung Rußlands die endgültige ist, weil das betrachten wir als positiven Fortschritt.

    EP: Falls es eine Einigung gibt, wie würde das ukrainische Getreide verteilt werden?

    IK: Genauso wie vor dem Krieg, auf dem Weltmarkt. Wir würden den Transport über das Schwarze Meer ermöglichen und schützen und die Ukrainer verkaufen es dann, an wen sie wollen.“

    (El País, 3.6.)

    Die Türkei würde sich nicht nur international extrem aufwerten und sicher auch seine Vermittler-, Transport- und Schutzdienste gut bezahlen lassen.
    Die Türkei würde auch einigen Wind aus Propaganda-Segeln nehmen und die Getreidepreise stabilisieren helfen.

    Außerdem ist damit auch manifest, daß die russische Regierung auf Odessa verzichtet.

  4. Die russische Führung spielt den Ball den ukrainischen Behörden und dem ukrainischen Militär zurück:

    In einem Interview mit dem Fernsehsender Russia 1 sprach Wladimir Putin am Freitag über die Möglichkeit, Getreide aus ukrainischen Häfen zu exportieren. „Lasst sie die Minen räumen, und bitte lasst die mit Getreide beladenen Schiffe die Häfen verlassen. Wir garantieren ihre problemlose friedliche Überfahrt in internationale Gewässer“, sagte der russische Präsident. „Sie müssen auch Schiffe aus dem Grund des Schwarzen Meeres heben, die absichtlich versenkt wurden, um das Einlaufen in diese Häfen in der Südukraine zu erschweren. Wir sind dazu bereit, wir werden die Situation der Minenräumung nicht ausnutzen, um irgendwelche Angriffe vom Meer aus zu starten.

    Am selben Tag erinnerte Generaloberst Mikhail Mizintsev, Leiter des Nationalen Verteidigungskontrollzentrums der Russischen Föderation, dass 70 ausländische Schiffe aus 16 Staaten in den Häfen von Cherson, Nikolajev, Tschernomorsk, Otschakov, Odessa und Juschnyj blockiert blieben. Die russischen Streitkräfte kündigten die Eröffnung eines maritimen humanitären Korridors im Schwarzen Meer aus den Hoheitsgewässern der Ukraine an, der täglich von 8 bis 19 Uhr in Betrieb ist. Aber die Bedrohung durch Beschuss durch das offizielle Kiew und die hohe Minengefahr erlauben es den Schiffen nicht, ungehindert auf die offene See zu fahren.

    „Schon in den ersten Tagen der Spezialoperation hat die ukrainische Flotte Hunderte von veralteten Unterwasser-Ankerminen vor ihrer Küste installiert“, sagte Militärexperte Dmitri Boltenkow gegenüber „Iswestija“.
    Minenfelder wurden in Eile und ohne Planung verlegt, in schlechter Qualität. Viele dieser gefährlichen »Überraschungen« wurden durch Stürme von ihren Plätzen gerissen und über das Schwarze Meer verstreut. Sie wurden immer wieder nicht nur an den Stränden von Odessa, sondern sogar in der Meerenge von Istanbul gefunden.
    Anfang März explodierte das estnische Trockenfrachtschiff Helt durch eine der Minen in der Nähe von Odessa und sank, was zu einem vollständigen Stopp der zivilen Schifffahrt aus den Schwarzmeerhäfen der Ukraine führte.
    Das Ausmaß des Problems werde es erfordern, die Weiten des Schwarzen Meeres zu durchkämmen. Die Erfahrung mit Minenräumaktionen sei leider inzwischen verlorengegangen, fügte der Experte hinzu. Die Räumungsoperation könnte eine beträchtliche Zeit in Anspruch nehmen, einfach wegen des Mangels an spezialisierten Minensuchern aus irgendeinem Land in der Region. Möglicherweise sind multinationale Anstrengungen erforderlich, um die von der Ukraine gelegten Minenfelder zu räumen. Es gibt bereits eine ähnliche Erfahrung, es reicht aus, sich an die Aktionen der Flotten der UdSSR, der USA und anderer Länder im Persischen Golf während des »Tankerkriegs« zu erinnern, und danach, schloss Dmitry Boltenkov.

    (Izvestija, 4.6.)

    Das kann ja noch dauern, so wie es aussieht.

  5. „Die Ukraine hat voriges Jahr 201 Millionen Tonnen Weizen exportiert. Das Ausmaß ihres Getreideexports auf dem internationalen Markt ist enorm. Sie ist weltweit der siebtgrößte Produzent und der sechstgrößte Exporteur von Weizen, sowie der sechstgrößte von Kukuruz und der viertgrößte von Gerste (24 Millionen Tonnen).
    Ihre Bedeutung ist entscheidend in den ärmsten Ländern. Tunesien kauft aus der Ukraine 53% des dort konsumierten Weizens, Libyen 44%, Ägypten 26% und Staaten wie Indien und Pakistan fast die Hälfte ihres Bedarfs.

    Dazu muß man die Stockung des Exports von Weizen aus Rußland hinzufügen, der den internationalen Sanktionen geschuldet sind.“

    (El País, 5.6.)

    In dem Artikel wird weiters die Rolle der Türkei als Vermittler heruntergespielt und die Erklärung Putins, Odessa nicht anzugreifen, mit Verweis auf entsprechende Bemerkungen des ukrainischen Außenministers Kuleba als unglaubwürdig abgetan.

    Dennoch kann auch dieser Artikel, so sehr er sich bemüht, den Umstand nicht leugnen, daß der Hauptgrund für den Exportstopp die Verminung der ukrainischen Schwarzmeerküste ist.

  6. Selenskij will nur dann einen Hafen – Odessa – entminen lassen, wenn sich die russischen Schiffe aus dem Schwarzen Meer, zumindest aus dem vereinbarten Korridor zurückziehen.
    Kontrollieren sollen dann NATO-Schiffe. (Da soll der Importeur zum Kontrollor gemacht werden …)

    Rußland hingegen beharrt darauf, alle Schiffe vorher zu kontrollieren, um sicherzugehen, daß keine Waffen an die Ukraine geliefert werden.

  7. Weder billig noch schnell, aber bringt sicher irgendwelche Profite für wen außerhalb der Ukraine:

    Biden unterstützt Bau von temporären Silos

    US-Präsident Joe Biden unterstützt den Vorstoß, an der ukrainisch-polnischen Grenze Silos für den Getreide-Export zu bauen. Damit soll die weltweite Nahrungsmittelkrise eingedämmt werden. Die Lebensmittelpreise, hofft Biden, sollen dadurch sinken.

    Die Regierung in Washington entwickle in Abstimmung mit den europäischen Partnern einen Plan für den Abtransport von Getreide auf dem Schienenweg, sagt Biden auf einem Gewerkschaftstag in Philadelphia. Wegen der unterschiedlichten Spurweite der ukrainischen Gleise im Vergleich zu jenen in der EU könne das Getreide somit von ukrainischen Eisenbahnwaggons in die neuen Silos und dann auf europäische Güterwaggons verladen werden.

    Die Ukraine begrüßt den Schritt. "Dies ist nur einer der möglicherweise nützlichen Wege zur Gewährleistung der Ernährungssicherheit", sagt Stabschef Andrij Jermak. Aber es brauche auch einen sicheren Korridor aus den ukrainischen Häfen.

    Die Vereinten Nationen verhandeln parallel mit Russland an einer Möglichkeit, Exporte über das Schwarze Meer wieder möglich zu machen. Die UN spricht von „konstruktiven“ Gesprächen, einen Durchbruch gab es bisher nicht.

    https://www.derstandard.at/jetzt/livebericht/2000136578807/zivilisten-sollen-heute-aus-umkaempftem-sjewjerodonezk-evakuiert-werden

  8. Wenn die EU der Ukraine „hilft“, ihre Exporte zu erhöhen – durch mehr Waggons auf der Eisenbahn, mehr Laster auf den Straßen, Ausbau der Umladestationen für die verschiedenen Spurweiten der Eisenbahnen – so tut sie das sicher nicht unentgeltlich.
    Irgendwer zahlt dafür, möglicherweise die Konsumenten, die durch gestiegene Lebensmittelpreise Subventionen für Infrastruktur-Dienstleister ermöglichen.

    Vor allem aber gewinnt die EU an Bedeutung als Nadelöhr für das in verschiedenen Teilen der Welt sehnlichst erwartete ukrainische Getreide: WE feed the world!

    Außerdem sagen verschiedene Agrarexperten in Ost und West voraus, daß die Ernteerträge im kommenden Jahr deutlich geringer ausfallen werden – nicht nur wegen der Kriegshandlungen, sondern vor allem durch sanktionsbedingte Düngemittel-Ausfälle und billigeres, weil weniger ertragreiches Saatgut.

  9. Heute war in der Komsomolskaja Pravda ein Artikel über die Landwirtschaft der Ukraine, wie sie sich in den letzten Jahren entwickelt hat und warum die Ukraine solche Getreidemengen exportieren konnte.

    Die westlichen Banken versprachen Agrarkredit, den sich die Oligarchen krallten. Sie wurden somit zu Vermittlern zwischen westlichem Agrarkapital und ukrainischem Boden. Im Donbass zeichnete sich auf diesem Gebiet der notorische Rinat Achmetov aus.

    Den bisherigen Landwirten (wie kamen eigentlich die nach der Unabhängigkeit und Auflösung der Kolchosen zu ihrem Land?) wurden Pachtverträge angeboten, die sie schon deswegen kaum ausschlagen konnten, weil sie mit den großzügig kreditierten Agrarunternehmen nicht mithalten konnten.
    Um so mehr, als es auch um die Landmaschinen schlecht bestellt war, ein paar Geräte wurden herumgereicht, aber zu Saat- und Erntezeiten reichte es nie und viel mußte händisch gemacht werden.

    Sie unterschrieben Pachtverträge für 5 Jahre, wo sich manchmal herausstellte, daß sie eigentlich für 29 Jahre unterzeichnet hatten.
    Ach ja, das Kleingedruckte …

    Besonders schlecht war die Viehzucht angeschrieben. Wer Kühe oder Schweine hielt, erhielt überhaupt keine Unterstützung. Die ukrainische Landwirtschaft sollte auf reinen Ackerbau umgestellt werden, um dem (manchmal schon etwas gammeligen) Billigfleisch aus der EU als Markt zu dienen.

    Vor einigen Jahren wurde schließlich ein Gesetz erlassen, das den Verkauf von landwirtschaftlichem Boden an Ausländer gestattete. Da wurden alle möglichen Tricks angewandt, um Leute von ihrem Land zu vertreiben bzw. zum Verkauf zu nötigen. Das Gesetz wurde angeblich in den USA entworfen.

    Die neuen Betreiber kamen mit einem enormen Chemiepaket von Dünger, Herbiziden und Pestiziden. Das ukrainische Getreide brauchte kein Bio-Gütesiegel, aber viel und billig sollte es sein, für Afrika und über UNO-Organisationen zur Unterstützung von Flüchtlingen und Hungergegenden. Genmanipuliertes Saatgut wurde verwendet – in der Ukraine war das alles erlaubt.

    Dieses bombensichere Geschäft steht jetzt auf dem Spiel. Es wurden eben offensichtlich nicht alle Risikofaktoren berücksichtigt …

  10. Ukraine-Krieg:
    Abkommen zu Getreide-Export unterzeichnet

    Moskau und Kiew haben sich auf separate Abkommen zur Getreideausfuhr aus der Ukraine verständigt. Die Türkei und die UN hatten vermittelt.

    Russland und die Ukraine haben mit den Vereinten Nationen und der Türkei eine Lösung für die Ausfuhr von Millionen Tonnen Getreide aus dem Kriegsland Ukraine vereinbart. Sowohl Russland als auch die Ukraine unterzeichneten am Freitag in Istanbul getrennt voneinander entsprechende Vereinbarungen unter Vermittlung von UN-Generalsekretär António Guterres.

    Russland wurde dabei durch Verteidigungsminister Sergej Schoigu vertreten, für die Ukraine reiste Infrastrukturminister Olexander Kubrakow nach Istanbul.

    Guterres spricht von "Einigung für die Welt"

    Das Abkommen "eröffnet den Weg für umfangreiche kommerzielle Lebensmittelexporte aus drei entscheidenden ukrainischen Häfen am Schwarzen Meer – Odessa, Tschornomorsk und Juschnyj", sagte Guterres.

    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der ebenfalls bei der Zeremonie anwesend war, nannte den Tag "historisch". Wegen des russischen Angriffskriegs gegen das Nachbarland können noch etwa 20 Millionen Tonnen Getreide aus der Ukraine nicht exportiert werden. Die Nahrungsmittel werden jedoch auf dem Weltmarkt – vor allem in Asien und Afrika – dringend benötigt.

    Die Vereinten Nationen warnten zuletzt schon vor der größten Hungersnot seit Jahrzehnten. Die Ukraine zählte vor dem russischen Angriffskrieg zu den wichtigsten Getreideexporteuren der Welt.

    Koordinationszentrum in Istanbul überwacht Export

    Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Dienstag mit seinem türkischen Kollegen Erdogan bei einem Treffen in der iranischen Hauptstadt Teheran über den Konflikt um das Getreide gesprochen. Vereinbart wurde nun nach UN-Angaben ein humanitärer Korridor zwischen der Ukraine und dem Bosporus – der Meerenge zwischen Schwarzem Meer und Mittelmeer.

    Demnach wird der Export von einem gemeinsamen Koordinationszentrum mit Vertretern der Vereinten Nationen, Russlands, der Ukraine sowie der Türkei in Istanbul überwacht. Ein ranghoher UN-Funktionär nannte das Zentrum den "Herzschlag der Operation".

    Türkei untersucht Schiffe nach Waffen

    Zudem einigten sich die Parteien den Angaben zufolge darauf, dass Schiffe mit dem Ziel Ukraine zunächst in Istanbul durchsucht werden, um sicherzustellen, dass sie keine Waffen oder Ähnliches geladen haben. Eine weitere Kontrolle solle es dann in der Türkei geben, wenn die Schiffe aus der Ukraine kommend das Schwarze Meer wieder verlassen wollen.

    Damit solle sichergestellt werden, dass ausschließlich Getreide an Bord ist. Das war eine Bedingung Russlands gewesen. Schiffe in dem humanitären Korridor und die beteiligten Häfen dürften dabei nicht angegriffen werden – was Experten als faktischen Waffenstillstand interpretieren. Das Abkommen soll den Angaben zufolge zunächst für vier Monate gelten.

    https://www.zdf.de/nachrichten/politik/getreide-abkommen-ukraine-krieg-russland-100.html

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