Abzug aus Afghanistan

KREUZWEG DER KULTUREN UND FRIEDHOF DER IMPERIEN

„Biden rechtfertigt den militärischen Rückzug aus Afghanistan: »Es ist Zeit, den längsten Krieg zu beenden«.
Joe Biden wird nicht als derjenige Präsident in die Geschichte eingehen, der den längsten Krieg in der Geschichte der Vereinigten Staaten gewonnen hat, sondern als derjenige, der ihn 20 Jahre später beendete, – überzeugt, dass es keinen anderen Ausweg gibt, als einfach auszusteigen.
Der Präsident kündigte diesen Mittwoch den bedingungslosen und vollständigen Abzug der Truppen aus Afghanistan in einer bitteren Rede an, in der er davon ausging, dass deren weitere Anwesenheit keine »andere Ergebnisse« als die bisherigen erwarten lasse. »Es ist Zeit für die amerikanischen Truppen, nach Hause zu gehen«, sagte er. Die Entscheidung zeigt die geopolitische Wende von Biden, die die internen Herausforderungen des Landes und die damit verbundenen externen Bedrohungen priorisiert, die heute eher in China verortet werden als in Afghanistan oder im Nahen Osten.“ (El País, 14.4.)

Der Vergleich mit dem Vietnamkrieg drängt sich auf.

Aber man sollte die Unterschiede nicht außer acht lassen: Damals, während des Kalten Krieges, war es gelungen, das Zerwürfnis zwischen der Sowjetunion und China zu vertiefen. Die Gefahr eines kommunistischen Vormarsches in Indochina und anderswo war vorbei: Die beiden kommunistischen Mächte bekämpften einander über ihre Stellvertreter, und auch über ihre Schwesterparteien in der kapitalistischen Welt.
So konnten es sich die USA leisten, Vietnam aufzugeben – wenngleich dieser Rückzug als Niederlage angesehen wurde, im In- und Ausland.

Heute hingegen rivalisieren nur mehr Großmächte ohne besonderen politischen Anspruch. Auch China präsentiert sich nicht mehr als Vertreter der ländlichen Volksmassen, die vom Imperialismus unterdrückt werden. Es geht offen um die Aufteilung der Welt, das Abstecken von Claims, Gewinnen von Verbündeten und Einfluß.

Der Abzug der USA – und in ihrem Schlepptau der restlichen Truppen der „internationalen Staatengemeinschaft“, also der US-Verbündeten – ist ein Eingeständnis des Mißerfolges. Die USA tun damit kund, daß sie nicht mehr imstande sind, die ganze Welt oder zumindest bedeutende Teile davon auf ihre Maßstäbe zu verpflichten.
Während der Rückzug der USA aus Somalia zwar auch eine Art Aufgabe war, aber doch damals klar war, daß andere Staaten auch kein Interesse an dieser Weltgegend haben würden, ist das bei Afghanistan nicht so. Vor allem Rußland hat Interesse an einer Regelung der Verhältnisse in Afghanistan und führt seit einiger Zeit diesbezüglich Gespräche mit Vertretern der Taliban.

Ebenso ist der Iran interessiert an seinem Nachbarland und einer Ausweitung seines Einflusses ebendorthin.

Ein von Besatzungstruppen befreites und vom Iran und Rußland unterstütztes Afghanistan könnte sich möglicherweise alten Unrechts erinnern und die Durand-Linie, die Grenze zu Pakistan, in Frage stellen. Pakistan ist daher derjenige Staat, der am wenigsten ein Interesse an einem Wiederaufbau Afghanistans hat.

„Die Regierung von George W. Bush startete die Offensive gegen Afghanistan als Reaktion auf die traumatischen Angriffe vom 11. September 2001 auf die Twin Towers und das Pentagon, ein Angriff von Al Qaida, einer von den Taliban geschützten Terroristengruppe. Bis zum nächsten 11. September, 20 Jahre danach, hoffen die Vereinigten Staaten, den Abzug aus dem Land in einem koordinierten Rückzug mitsamt ihren NATO-Verbündeten abgeschlossen zu haben. Die Taliban wurden nicht besiegt, Al-Qaida nicht für immer liquidiert. Das einzige, was geschehen ist, ist daß Zeit vergangen ist.“ (ebd.)

Das ist natürlich eine verkehrte Darstellung. Seit dem Einmarsch der USA in Afghanistan 2001 sind Tausende, vermutlich Zehntausende Zivilisten und Widerstandskämpfer durch die Soldaten der Koalition getötet worden, durch Bombardements, Drohnenangriffe, bei Kämpfen oder durch extrajudikale Hinrichtungen. Mehrmals wurden ganze Hochzeitsgesellschaften durch Bombardements vernichtet. Ebenso geht die Zahl der Verwundeten und Krüppel in die Zehntausende.
Dazu kommen noch die gefallenen afghanischen Regierungssoldaten und ca. 3700 Tote auf Seiten der westlichen Koalition.
Der vorige afghanische Präsident, Hamid Karzai, hat Präsident Trump vorgeworfen, Afghanistan als Testgelände für Militärtechnologie zu verwenden, nachdem dieser eine Riesenbombe auf den Süden Afghanistans abwerfen gelassen hatte. (Die Welt, 14.4. 2017)
Auch vor Trumps Amtsantritt wurde jede Menge von Bomben, Minen, Drohnen usw. in Afghanistan eingesetzt. All dieses Zeug, zusammen mit den Waffen und Sprengkörpern, die schon von den sowjetischen Truppen und dem späteren afghanischen Bürgerkrieg übriggeblieben sind, machen das Land zu einem großen Misthaufen für militärischen Abfall.

Die Kosten der Besetzung Afghanistans sind beachtlich:

„Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums beliefen sich die gesamten Militärausgaben in Afghanistan (von Oktober 2001 bis September 2019) auf 778 Mrd. USD.
Darüber hinaus gab das US-Außenministerium – zusammen mit der US-amerikanischen Agentur für internationale Entwicklung (USAID) und anderen Regierungsbehörden – 44 Mrd. USD für Wiederaufbauprojekte aus.
Damit belaufen sich die Gesamtkosten – basierend auf offiziellen Daten – zwischen 2001 und 2019 auf 822 Mrd. USD, enthalten jedoch keine Ausgaben für Pakistan, das die USA als Basis für Operationen im Zusammenhang mit Afghanistan verwenden.“ (BBC News, 15.4.)

Die Kosten für die USA und ihre Verbündeten haben sich auch deshalb nach 2014 erhöht, weil nach der Krimkrise die Zusammenarbeit mit Rußland endete, also keine logistische Unterstützung von dort mehr stattfinden konnte.
Die Zusammenarbeit mit Usbekistan endete 2005, nachdem die usbekische Regierung den Vertrag mit den USA zur Benutzung des Stützpunktes in Chanabad gekündigt hatte, weil sie den USA Einmischung in die inneren Angelegenheiten Usbekistans vorwarfen.
Auch eine halboffizielle Zusammenarbeit mit Turkmenistan endete abrupt 2008, als die turkmenische Regierung den USA die Tür wies. (nd, 27.7. 2010)
2014 und sicher nicht ohne Absprache mit Moskau mußten die USA 2014 schließlich auch den Stützpunkt in Manas in Kirgisien räumen. (TAZ, 3.6. 2014)

Ein Hintergrund des Abzugs aus Afghanistan ist also die schrittweise Verdrängung der USA aus den mittelasiatischen Nachfolgestaaten der SU, der durch die chinesische Initiative der „Neuen Seidenstraße“ verstärkt wurde.

Die Zukunft Afghanistans ist unklar, aber es sieht nicht gut aus für seine Bevölkerung.

Das ist allerdings leider nichts Neues.

52 Gedanken zu “Abzug aus Afghanistan

  1. Afghanistan nach dem Abzug: “Kampf aus der Ferne”

    US-Militärs stellen Optionen vor, falls sich das Land wieder zu einer “Basis für Terroristen” entwickelt.

    Berlin folgt Washington

    Bundeswehr soll noch bis Mitte August in Afghanistan stationiert bleiben. US-Truppen verbleiben bis zum 11. September im Land
    Von Kristian Stemmler

    Am Mittwoch gab Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) im »Morgenmagazin« der ARD schon die Linie vor: »Wir haben immer gesagt, wir gehen gemeinsam rein, wir gehen gemeinsam raus«, so die Kriegsministerin. Am selben Tag informierte sie die Fachpolitiker aller Bundestagsfraktionen telefonisch, dass die deutschen Truppen am Hindukusch nach Plänen der Bundesregierung bereits bis Mitte August aus Afghanistan abgezogen werden könnten, wie die Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag berichtete. Der Abzug der Bundeswehr wäre damit etwas früher abgeschlossen als der Abzug der US-Truppen.

    US-Präsident Joseph Biden bestätigte am Mittwoch (Ortszeit) Angaben eines Regierungsvertreters von Dienstag, wonach der Abzug US-amerikanischer Soldaten am 1. Mai beginnen und zum 11. September, dem 20. Jahrestag der Terroranschläge von New York und Washington, abgeschlossen sein werde. Das wäre viereinhalb Monate später, als Bidens Vorgänger Donald Trump mit den Taliban vereinbart hatte. »Wir sind nach Afghanistan gegangen wegen eines schrecklichen Angriffs, der vor 20 Jahren geschah«, sagte Biden. Das erkläre nicht, »warum wir 2021 dort bleiben sollten«. Die USA müssten sich auf »aktuelle Herausforderungen« konzentrieren, statt mit den Taliban Krieg zu führen.

    Die NATO schloss sich dem Vorhaben ihrer Führungsmacht an. Nach Beratungen von Außen- und Verteidigungsministern ihrer Mitgliedstaaten verkündete sie am Mittwoch in Brüssel, das Bündnis werde bis zum 1. Mai den Abzug seiner Truppen aus Afghanistan einleiten. Derzeit sind am Hindukusch noch rund 10.000 Soldaten aus NATO-Mitgliedstaaten stationiert. Das größte Kontingent stellen mit rund 2.500 Soldaten die USA, das zweitgrößte die BRD mit rund 1.100. Biden und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vereinbarten in einem Telefonat eine enge Abstimmung beim Truppenabzug. Beide hätten zudem unterstrichen, dass sie das politische Engagement für das Land fortsetzen wollten, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert laut dpa am Mittwoch abend mit.

    Tobias Pflüger, verteidigungspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, begrüßte die Abzugspläne, erneuerte aber die Kritik am auslaufenden Einsatz am Hindukusch. »Für die Bevölkerung in Afghanistan hat dieser Bundeswehr- und NATO-Einsatz keine Verbesserung gebracht, im Gegenteil«, sagte er am Donnerstag gegenüber jW. »Unvergessener negativer Tiefpunkt« des Einsatzes sei das »Massaker von Kundus« im September 2009 gewesen: ein vom damaligen Oberst Georg Klein angeordneter Luftangriff, bei dem um die 100 Zivilisten getötet wurden. 59 Bundeswehr-Soldaten seien bei den Einsätzen in Afghanistan gestorben. Seine Fraktion fordere, so Pflüger, »eine grundlegende Evaluation des Afghanistan-Einsatzes«. Eine »gesellschaftliche Aufarbeitung« des Einsatzes sei »überfällig«.

    Der Linke-Politiker verwies darauf, dass dem Bundestag gerade erst ein Mandat vorgelegt worden sei, das eine Verlängerung des Einsatzes bis zum 31. Januar 2022 vorgesehen habe. Mit ihrer Position, die Bundeswehr in Afghanistan zu halten, habe die Bundesregierung sämtliche Warnungen, »dass damit die bisherigen wenn auch unzureichenden Vereinbarungen geschreddert werden«, ignoriert und »eine Eskalation der Situation in Afghanistan in Kauf genommen«. Nun hätten USA und NATO einen neuen Abzugstermin verkündet, »und die Bundesregierung rudert mal wieder hinterher«, so Pflüger. Der Lesart, »dass die neue Positionierung der US-Regierung ein Schlag ins Gesicht der Verbündeten wie Deutschland ist«, sei durchaus etwas abzugewinnen.
    Die NATO-Kriegsallianz sei mit ihren angeblichen Zielen gescheitert, die »Konkursverschleppung« werde nun beendet. Wenn Biden von »aktuellen Herausforderungen« spreche, denen sich die US-Truppen jetzt widmen sollten, lasse das nichts Gutes ahnen. Einsätze der US-Truppen oder auch der Bundeswehr in anderen Regionen der Welt lehne die Linke-Fraktion klar ab. Heike Hänsel, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, erklärte: »Die Legende von der Verteidigung Deutschlands am Hindukusch ist endgültig in sich zusammengebrochen.« Jetzt müsse es um einen raschen Abzug der Bundeswehr gehen, auch um die Beendigung weiterer Kriegsbeteiligungen. Etwa in Mali – damit jenes Land nicht »das neue Afghanistan« werde.

    Neue Kriegsära
    Von Arnold Schölzel

    Krieg ist für sie Frieden, Frieden Krieg. Wenn der US-Präsident und die NATO einen Truppenabzug aus Afghanistan ankündigen, kehren sie das im selben Text in eine Drohung um – in doppelter Hinsicht: Sie bekunden zum einen ihre Entschlossenheit, jederzeit in den Bürgerkrieg, den sie 20 Jahre lang angeheizt haben, bewaffnet einzugreifen. Zum anderen verbinden sie das mit dem Vorhaben, sich nun völlig der Konfrontation mit Russland und China zu widmen. Letzteres in einem Moment, in dem unklar ist, ob die NATO in der Ostukraine zum Angriff übergehen oder ob Kiew mit einer Attacke die Allianz hineinziehen will. Es wäre nicht das erste Mal, dass in jener Region der Schwanz versucht, mit dem Hund zu wackeln: 2008 hoffte Georgiens damaliger Staatschef Michail Saakaschwili auf westlichen Beistand, als er den Angriff auf seit 1992 in Südossetien stationierte russische Friedenstruppen befahl.

    Am Hindukusch hinterlassen die Kolonialherren und ihre Soldateska, die angeblich wegen Terrorbekämpfung dort selbst nach eigener Statistik mehr als 100.000 Tote hinterlässt, eine zivilisatorische Katastrophe. Was an feudaler Barbarei existierte, haben sie mit Hightech potenziert. Die in Brüssel versammelte NATO-Runde entblödete sich am Mittwoch nicht, in ihr Kommuniqué die Vokabel »Gains«, also »Gewinne« oder »Errungenschaften«, von 20 Jahren hineinzuschreiben. Die gelte es aufrechtzuerhalten. US-Kriegsminister Lloyd Austin übertraf das noch mit »Mission accomplished – Mission erfüllt«. Zwei Monate nach dem Einmarsch in den Irak 2003 behauptete das der damalige US-Oberkommandierende George W. Bush auch. Der angeblich beendete Krieg bedeutete die Zerstörung einer ganzen Weltregion und geschätzt Millionen Tote. Die Kannibalen in Nadelstreifen und Uniform zählen allerdings ungern ihre Opfer.

    Die Irrationalität der Superkrieger, die vor 20 Jahren noch behaupteten, zwei oder drei größere Kriege gleichzeitig führen zu können, hat historische Dimensionen. Sie entspringt imperialistisch-notorisch dem Verkennen der politischen Realität in der Welt. Biden und die NATO erklären nun eine Ära für beendet – die des »Kriegs gegen den Terror«, den sie stets mit terroristischen Mitteln und als Weltkrieg niederer Intensität führten. Das neue Zeitalter der Auseinandersetzung mit »Autokraten« (Biden), den »zukünftigen Gegnern« (Austin) Russland und China, eröffnen sie im Moment einer epochalen Niederlage. Alles zusammen steigert die Gefahr für die Menschheit. Zum Frieden kann dieses System nur bewaffnet gezwungen werden. Siehe Afghanistan.

  2. Großes Spiel
    Von Arnold Schölzel

    Die Reaktionen der deutschen Großmedien auf den NATO-Rückzug aus Afghanistan fallen verdruckst aus. Kein Wunder, hatte doch Kriegsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) erst kürzlich gemeint, die Voraussetzungen für einen »vollständigen, verantwortungsvollen Abzug« des Paktes seien momentan »noch nicht gegeben«. Nun geht es auch verantwortungslos.

    Bidens Abmarschbefehl bringt den Nibe­lungentreuen in Berlin erst einmal nur politischen Profit, zeigt das Handelsblatt am Freitag. Unter dem Titel »Anti-­China-Allianz nimmt Gestalt an« analysieren mehrere Korrespondenten der Wirtschaftszeitung in einem gemeinsamen Artikel, was die USA anzubieten haben. Untertitel: »Präsident Joe Biden erzielt beim Versuch, Amerikas Partner auf Linie zu bringen, erste Erfolge. Doch Vorbehalte bleiben«. Die sind gratis, aber zählen nicht. Es gelte der Grundsatz, so das Blatt: »Amerika will sich wichtigeren Problemen widmen als dem Partisanenkrieg am Hindukusch.« Das wichtigere trägt den Namen China, und Biden dränge »das noch zögernde Europa, auf seinen aggressiven Kurs gegen Peking einzuschwenken«. Der neue US-Präsident sehe etwas, was sein Vorgänger Donald Trump »nicht sehen wollte«: »Dass die USA über etwas verfügen, was China nicht mit einem Fünfjahresplan aus dem Boden stampfen kann: ein weltumspannendes Bündnissystem.«

    So erklärt sich Bidens Antrittsmotto »America is back«: Der Appetit, der beim »Essen« in Westafrika, im Nahen Osten und am Hindukusch kam, richtet sich wieder einmal auf die ganze Welt. Das ist ein Angebot, das die Häuptlinge der kleineren Sippen, zu denen nun auch Ost- und Südostasiaten, Indien und der Pazifik kommen sollen, dem Paten nicht ablehnen können. Da ist noch was zu holen, lautet das Angebot des obersten Clanchefs. Also begann, wie es im Handelsblatt heißt, mit dem Staatsbesuch des japanischen Premiers Yoshihide Suga am Freitag bei Biden »die chinakritische Gipfeldiplomatie«. USA und Japan werden ein Investitionsprogramm starten, »das ein Gegengewicht gegen Chinas Seidenstraßeninitiative bilden soll«. Es gehe »immer auch« um die Frage: »Wieviel Emanzipation von China können sich die großen Handelsnationen leisten?« In der wachstumsstarken Pazifik­region habe nämlich »das große Spiel um Macht und Einflusszonen« begonnen. EU-Europa und die Bundesrepublik stünden allerdings »etwas orientierungslos am Rande«. Indien habe dagegen »die ökonomische Entkopplung« von China längst begonnen.

    Aber nun ändere sich das mit der deutsch-europäischen Konfusion, hält die Zeitung fest und wählt dafür als Beleg: Die deutsche Fregatte »Bayern« soll im August »Wilhelmshaven verlassen und Kurs Richtung Südchinesisches Meer setzen«. Das Handelsblatt zitiert Außenminister Heiko Maas (SPD): »Wenn wir nicht aktiver werden, dann schreiben andere die Regeln der Zukunft.« Wer »Regeln der Zukunft« als Synonym für »Platz an der Sonne« nimmt, weiß ungefähr, was in deutschen Oberstübchen vorgeht: Hauptsache, beim großen Spiel dabeisein und alles auf die US-Karte setzen. Am Dienstag trafen sich Kramp-Karrenbauer und Maas per Videokonferenz mit ihren japanischen Amtskollegen, berichtet das Blatt, und fährt fort: »In der Bundesregierung reift die Erkenntnis, dass sich Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten zu einseitig auf den chinesischen Markt ausgerichtet hat.« Daraus seien gefährliche Abhängigkeiten entstanden.

    In solch die Form wahrender Formulierung gelangt das Pegida- und AfD-Gebrüll »Merkel muss weg« in die Spalten der Qualitätspresse. Die herrschende Klasse hat nach 16 Jahren den Daumen gesenkt: Nur die gefährlichste Abhängigkeit, die von den USA, sichert Macht und Eigentum – ein Kanzlerkriterium.

  3. Mich beschäftigt die Frage: Wer unterstützt die Taliban?
    Wie ist es möglich, daß der afghanische Widerstand sich erstens seit 20 Jahren halten und zweitens so erstarken konnte, daß das Besatzungsregime aufgegeben wird?

    Ein kurzer Rückblick auf die Geschichte der Taliban:

    Die Taliban entstanden aus Schülern von Koran-Schulen (Medressen) in den pakistanischen Grenzgebieten zu Afghanistan. Eine pakistanische islamische Partei, der pakistanische Geheimdienst und ein Haufen Geld aus Saudi-Arabien standen Pate bei diesem Unternehmen, das von den USA wohlwollend betrachtet und in verschiedener Form unterstützt wurde.
    Für Pakistan bedeutete die Bewegung der Taliban, daß sie sich erstens Einfluß in Afghanistan verschaffen konnten. Es bedeutete ferner, die unruhigen paschtunischen Grenzprovinzen an den pakistanischen Staat zu binden, die dortigen Stämme als Mitgestalter einer Neuordnung Afghanistans in den Staatsverband einzubinden.
    Für Afghanistan bedeutete es, den jahrzehntelangen Bürgerkrieg durch das Auftreten einer einigenden Kraft zu beenden, und gleichzeitig der afghanischen Bevölkerung ein islamisches Rechtsregime aufzunötigen, das ihr bis dahin fremd gewesen war.

    Die islamischen Wurzeln der Taliban reichen in ein religiöses Zentrum in Nordindien, das sowohl die Schia als den Sufismus als Häresie ablehnt.

    Das Vordringen der Taliban in Afghanistan war den USA recht, solange es sich nicht gegen die Interessen der USA richtete. Den USA war vor allem ihre anti-iranische Ausrichtung sympathisch, die sich gegen den Einfluß des Iran in Afghanistan richtete:

    „1998 befand sich Iran, wo sich rund zwei Millionen afghanische Flüchtlinge aufhalten, am Rande des Kriegs mit dem Taliban-Afghanistan, nachdem die „Religionsschüler“ bei der Einnahme von Mazar-e Sharif auch elf iranische Diplomaten töteten.“ (Südwind-Magazin 12/2001)

    Erst nach den Attentaten von 9/11 richtete sich der Blick der USA auf die Taliban, die ihren Gegnern von Al-Quaida Unterschlupf gewährten und sich dadurch Afghanistan zu einem US-feindlichen Territorium machten.
    In den 20 Jahren Besatzung ist es nicht gelungen, den Einfluß der Taliban auszuschalten. Diese konnten sich dank der Unterstützung der paschtunischen Bevölkerung, den Einnahmen aus dem Opiumhandel und dem in allen Bevölkerungsschichten verbreiteten Haß gegen die USA halten.

    Aber es muß auch äußere Unterstützer geben.

    Ein Kandidat ist der Iran:

    „Teheran schätzt Kontakt zu den Taliban

    Bei Gesprächen mit der radikal-islamischen Taliban-Führung im Iran war man sich einig in der Schuldzuweisung: Die anhaltende Gewalt in Afghanistan gehe auf das Konto der USA.

    “Die US-Strategie unterstützt die Fortsetzung von Gewalt und Krieg zwischen afghanischen Gruppen innerhalb des politischen Spektrums”, erklärte Ali Shamkani, Sekretär des Hohen Nationalen Sicherheitsrats des Iran, bei Gesprächen mit einer Delegation der Taliban. Das berichtet die iranische Nachrichtenagentur IRNA.
    Abdul Ghani Baradar, der Leiter des politischen Büros der Taliban, machte seinerseits klar: “Wir trauen den USA nicht und werden jede Gruppe bekämpfen, die Söldnerdienste für die USA leistet.” Die US-Regierung unter Ex-Präsident Trump habe sich im Übrigen nicht konstruktiv im Sinne ihres Abkommens mit den Taliban verhalten, das nach langwierigen Verhandlungen im Februar 2020 in Doha unterschrieben worden war.“ (Deutsche Welle, 31.1. 2021)

  4. Pakistan und die Taliban

    Die Taliban wurden von den sie unterstützenden pakistanischen Behörden nicht fallen gelassen: Vor allem der pakistanische Geheimdienst ISI wird von verschiedenen in Afghanistan und Pakistan tätigen Mitgliedern westlicher Geheimdienste als aktiver Unterstützer der Taliban bezeichnet.
    Die Unterstützung der Taliban spaltete die politische Klasse Pakistans. Die eigenen Verbündeten fallenlassen und sich zum Büttel der USA machen – das waren Vorwürfe gegen diejenigen Politiker, die den Einmarsch der USA in Afghanistan unterstützten, und vor diesem Hintergrund ist die Ermordung Benazir Bhuttos und der Sturz Musharrafs zu verstehen.
    Letztlich haben in Pakistan diejenigen Kräfte die Oberhand behalten, die für die Unterstützung der Taliban waren, und mit dem Abzug der USA noch einmal ins Recht gesetzt werden.

    Dafür nahmen diese pakistanischen Entscheidungsträger auch den seit 2004 geführten Drohnenkrieg der USA in Kauf, der in den paschtunisch bevölkerten Grenzgebieten Pakistans die Bevölkerung in ständiger Angst hielt und Tausende von Toten und Verletzten gefordert haben soll, und selbst die Hoheit Pakistans über dieses Gebiet aufs Spiel setzte.
    Das war der Preis, um die eigene nationale Politik auf die paschtunische Minderheit abzuschieben und diese sozusagen als Pfand für die eigene Außenpolitik einzusetzen.

    Hier ist auch einiges an sozialem Sprengstoff für die Zeit nach dem Abzug der USA aus Afghanistan vorhanden, weil die Bewohner dieser Gebiete werden das doppelte Spiel der pakistanischen Regierung, des Militärs, des Geheimdienstes und der sonstigen Behörden nicht vergessen und diesen Staat nicht als den ihrigen ansehen.
    Schließlich darf nicht vergessen werden, daß die von den USA implementierten und gestützten Regierungen Karzais und Ghanis auch von Indien unterstützt wurden und sich der imperialistische Gegensatz zwischen Indien und Pakistan somit auch in Afghanistan manifestiert hat.

  5. AFGHANISCHE FRAKTIONEN

    Der afghanische Widerstand gegen die US- und europäische Besatzung wird gemeinhin mit den Taliban gleichgesetzt.

    Das ist erstens deswegen unrichtig, weil sich die terroristischen Gewaltakte – zumindest in den letzten Jahren – vor allem gegen diejenigen Teile der afghanischen Bevölkerung richten, die die Attentäter aufgrund ihrer Berufe als Islamverräter und Kollaborateure ansehen. Den durch Terroranschläge in den letzten 2 Jahren getöteten Mitgliedern der schiitischen Minderheit, Polizisten, Militärs, Friseuren, Lehrer(innen), Journalisten und beruflich oder politisch selbständig tätigen Frauen werden „unafghanische Aktivitäten“ vorgeworfen, was vermutlich zu einem Anschwellen des ständigen Flüchtlingsstroms aus Afghanistan führen wird, sobald die USA endgültig abgezogen sind.

    Diese Terrorakte richten sich also mehrheitlich gegen Afghan(inn)en und nicht gegen die Besatzungssoldaten.
    Zweitens werden sie auch nicht alle von den Taliban verübt.

    Der IS

    Seit ungefähr 2015 beginnt der IS sich in Afghanistan breit zu machen Bei ihm sammeln sich Unzufriedene der afghanischen Ethnien, die sich durch die paschtunischen Taliban ungenügend repräsentiert fühlen, aber auch ehemalige Taliban-Kämpfer, die sich in der Hierarchie übergangen fühlen. Oftmals stammen diese Leute aus Pakistan und haben deshalb kein verwandschaftlich begründetes Netzwerk innerhalb Afghanistans.
    Außerdem stoßen ausländische Kämpfer aus den IS-Fraktionen aus Syrien und dem Irak zu dem afghanischen Ableger, nachdem ihre Rückzugsgebiete dort ausgeräuchert wurden.
    Der IS erkennt keine territorialen Grenzen an. Seine Mitglieder würden den Abzug der USA begrüßen, um in Afghanistan wieder einen Freiraum zu haben, von dem aus sie ihre internationalen Ziele verfolgen könnten, so die Vernichtung von unernsten Muslimen und von den Schiiten überhaupt.

    „Im Irak und in Syrien muss der IS sich, nachdem er seine Machtstrukturen dort verloren hat, immerhin neu aufstellen. Das könnte Jahre dauern. Am Hindukusch hingegen könnte ihm … die Zukunft schon recht bald gehören.
    „Das Besondere am IS in Afghanistan ist aber vor allem, dass er seinen Anhängern verspricht, dass ein globaler Dschihad weitergeführt werden kann.“ (Deutschlandfunk, 11.12. 2020)

    Sie würden sicher ihre Aktivitäten gegen den Iran und die afghanischen Schiiten richten. Zusammenstöße mit den Taliban und Grenzkonflikte sind vorprogrammierrt. Der IS verfolgt wie die Taliban eine sehr gewalttätige Variante des Islam und der Scharia, aber eben unterschiedlicher Schulen, was eine zusätzliche Rivalität zwischen den beiden Bewegungen anheizt.
    Das ist auch der Grund, warum Rußland oder die USA auf die Taliban als Verhandlungspartner gesetzt haben.

    Das sogenannte Haqqani-Netzwerk

    gilt als Verbündete der Taliban, oder sogar eine Unterorganisation derselben.

    Es handelt sich um eine Stammesorganisation aus Afghanistan, die sich in Pakistan breit gemacht hat, und dort eine gewisse Konkurrenz zu anderen paschtunischen Taliban-Verbündeten in Pakistan darstellt. Man sagt einigen hochrangigen Mitgliedern eine große Nähe zum Pakistanischen Geheimdienst ISI nach, sie sollen sogar eine Zeitlang die Verbindungsleute zwischen der Taliban-Führung und dem ISI gestellt haben.
    Im losen Gefüge der Taliban-Guerilla ist die Haqqani-Gruppe jedenfalls ein seßhaftes, gut vernetztes und geographisch lokalisierbares Element, das im Falle einer Taliban-Regierung in Afghanistan Führungspositionen beanspruchen wird.

  6. Weitere Akteure auf dem afghanischen Schachbrett:

    1. Gulbuddin Hekmatyar

    Hekmatyar und die von ihm gegründete und angeführte „Partei des Islam“ entstand in den 70-er Jahren unter antikommunistischen religiösen Studenten der Kabuler Universität.

    Um die Brutalität und die wechselnden Allianzen dieses paschtunischen Warlords zu verstehen, muß man bedenken, daß die „Partei des Islam“ zwar auch unter den Paschtunen eine Minderheitspartei ist, aber in ihrem islamischen Fanatismus (keine Frauen im Bildungssystem oder in der Politik, strenge Schariagesetze, Gegner jeder säkularen Bestrebung) zwischen und über den verschiedenen Volksgruppen und relgiösen Strömungen steht. Sie ist zwar dadurch nicht mehrheitsfähig, kann sich aber mit jeder anderen radikalen Strömung verbünden, – vorausgesetzt, daß diese sich mit diesen Kämpfern, die eigentlich ein rein negatives Programm vertreten und denen dafür jedes Mittel recht ist, überhaupt einlassen wollen.

    Außerdem erfreut sie sich seit ihren Anfangszeiten der Unterstützung des pakistanischen Geheimdienstes ISI, noch bevor von den Taliban die Rede war, und verschiedener westlicher Geheimdienste. Der Mann, der in seiner Jugend unverschleierten Studentinnen Säure ins Gesicht schüttete, wurde eine Zeitlang sogar von der Hans Seidel-Stifung der CSU unterstützt.

    Auch der Iran gewährte ihm eine Zeitlang Asyl, aus dem gemeinsamen Antiamerikanismus heraus. Als er dann vom Iran aus den Dschihad gegen die USA leiten wollte, wurde er sogar den Mullahs zuviel und sie wiesen ihn aus. Daraufhin verwandelte er sich in einen glühenden Feind der Schiiten – des Iran und der afghanischen Hazara.
    Die vom Westen gestützte – implantierte – Regierung von Ashraf Ghani schloß mit Hekmatyar ein Bündnis und sicherte ihm Straffreiheit zu, um sich wenigstens irgendeine Unterstützung in der afghanischen Bevölkerung zu sichern.

    Der „Schlächter von Kabul“ ist also jetzt ein Verbündeter der Regierung – solange, bis Hekmatyar es sich anders überlegt und sich gegen Ghani und seine Regierung wendet und wieder mit den Taliban verbündet.

  7. Noch ein Akteur, den man nicht vergessen sollte:

    2. Raschid Dostum

    Den 1954 geborenen usbekischen Politiker und Warlord zeichenen ebenso wie Hekmatyar seine sehr wechselnden Allianzen aus. Von ihm unterscheidet ihn allerdings eine gewisse Gleichgültigkeit in religiösen Fragen. Dostum ist nicht religiös und verbündet sich daher ebenso mit religiösen als auch mit säkularen oder antireligiösen Parteien und Gruppierungen.

    Seine außenpolitische Unterstützung fand und findet er in der SU bzw. Rußland, sowie in der Türkei.
    Er begann seine Karriere in der afghanischen Armee, machte eine Ausbildung in der SU durch und brachte es nach einigen Holprigkeiten nach dem sowjetischen Einmarsch bis zum General. Seine militärische Karriere wurde auch durch den Umstand begünstigt, daß er unter seinen usbekischen Landsleuten bereits Milizen aufgebaut hatte, an denen keine zivile oder militärische Gewalt vorbei konnte.
    Nach dem Abzug der Sowjets 1989 unterstützte er noch eine Zeitlang die Regierung Nadschibullahs, bis er sich mit den religiös-ethnisch orientierten Gegnern desselben zusammenschloß und eine Allianz zwischen Tadschiken, Usbeken und Hazara gründete, die schließlich 1996 von den Taliban aus Kabul und 1998 auch aus Dostums Hochburg Mazar-El-Scharif vertrieben wurde.

    Nach einem Exil in der Türkei kehrte Dostum nach dem Einmarsch der USA nach Afghanistan zurück. Neben Allianzen mit afghanischen Fraktionen kann er sich sichtlich gut mit Besatzern arrangieren.
    Immer, wenn ihm der Boden in Afghanistan zu heiß wird, flüchtet er in die Türkei, wo ihm offenbar viele Türen offenstehen.

    Der pakistanische Journalist Achmed Raschid beschreibt in seinem Buch über die Taliban einen Besuch in Dostums Hauptquartier, wo gerade im Hof die Reste eines Soldaten von der Straße entfernt wurden, über den Dostum wegen Ungehorsam oder angeblichem Verrat ein paarmal einen Panzer drüberfahren hatte lassen.

    Ashraf Ghani hat Dostum 2018 zu seinem Vizepräsidenten gemacht und später sogar zum Marschall ernannt, um sich – ähnlich wie mit Hekmatyar – irgendeine Unterstützung innerhalb Afghanistans gegen die Taliban zu sichern.
    Auch Nadschibullah setzte auf Dostum …

  8. Der ansonsten meist eher linksliberale Freitag wittert Vasallentum bei der Bundeswehr – anstatt heldischer Kameradschaft und Bündnissolidarität …

    “Zunächst verzögert die neue US-Regierung einen finalen Truppenrückzug zum 1. Mai, wie ihn die Gesandten Donald Trumps und die Taliban ein Jahr zuvor in Doha ausgehandelt haben. Statt Zeit für ein weiteres Ausharren zu gewinnen, geht durch das Lavieren in Washington Zeit für einen geordneten Ausstieg verloren. Als Joe Biden schließlich entscheidet: Demission noch in diesem Jahr, ist zunächst vom 11. September als Deadline die Rede. Dann wird der 4. Juli anvisiert, zumindest für das Gros der Soldaten. Weil der Präsident Gefallen daran findet, am Nationalfeiertag die Heimkehr aus Afghanistan verkünden zu können?
    Absolut synchron dazu kann Deutschland beweisen, dass es als Bündnispartner loyal bis hin zu grenzenloser Demut sein kann. Als im Weißen Haus auf Zeit gespielt wird, verfügt der Bundestag Ende März mit den Stimmen der Unionsparteien, von SPD, FDP und 14 Grünen, das Mandat für die Bundeswehr am Hindukusch bis Anfang Januar 2022 zu verlängern. Da sich bald darauf abzeichnet, dass der konziliant gedehnte Zeitrahmen gar nicht gebraucht wird – es winkt ein früherer Abschied –, wird auch das willig geschluckt. Dann geben die Taliban zu verstehen, wie brüskiert sie sind, dass ein mit ihnen geschlossener Vertrag nicht eingehalten wird. Nach dem 1. Mai werde jeder fremde Soldat auf afghanischem Boden als feindlicher Eindringling betrachtet und angegriffen. Joe Biden muss befürchten, in eine Eskalationsdynamik zu geraten, die zum Bleiben zwingt. Der kurze Weg bis zum 4. Juli scheint ein Ausweg zu sein. Ein dadurch erheblich beschleunigter deutscher Abzug trägt nun Zeichen von Flucht. Alles muss geräumt sein, bevor die schützende US-amerikanische Lufthoheit entfällt.
    Nur Vasallen, nicht Verbündete können sich in eine derartige, für das eigene Militär hochgefährliche Situation manövrieren lassen.”

    https://www.freitag.de/autoren/lutz-herden/nur-vasallen-lassen-sich-so-behandeln

    Ah ja, zufällig dort weilende deutsche Soldaten seien vor allem in Afghanistan in Gefahr? Und wer Demut ausstrahle, dem passiere gerechterweise Demütigung?

    Dass das ganze Projekt als Schutz von afghanischen Kindern, Frauen, Kindergärten in der Öffentlichkeit hierzulande verkauft wurde, auf diesen schlechten Scherz geht der Autor noch nicht einmal ein.
    Zu den Taliban: Mit dem Erstarken der Taliban nehmen auch deren quasi-staatlichen Organisationen und deren Aktivitäten im gesamten Land derzeit sprunghaft zu, die nun mehr oder minder offiziell neben den westlich geförderten derzeitigen Regierungsapparaten das Leben der Bewohner dort kontrollieren, und wie auch immer für sich zu benutzen beanspruchen wollen. Z.B. durch Abgaben an Straßensperren…

    Die so bewerkstelligte Ermächtigung der Taliban als zukünftige afghanische Elite soll vermutlich das befürchtete Erstarken des IS bremsen – falls nicht deren wechselseitige Bekriegung untereinander dem Westen nicht sogar noch besser in solche Ambitionen passt, die anscheinend einen weiterhin als ‘failed state’ agierenden Staat vor allem regional auf afghanisches Gebiet einhegen (und z.B. von Pakistan oder Iran abtrennen) wollen.

  9. Auch interessant, wo so ein neutraler Staat und Nicht-NATO-Mitglied überall mit dabei ist:

    Letzter österreichischer Soldat verlässt Afghanistan

    Österreich hatte im Rahmen der Nato-“Partnerschaft für den Frieden” zahlreiche Angehörige des Bundesheers nach Afghanistan entsandt … Damit endet der fast 20-jährige Einsatz Österreichs in Afghanistan. …
    Wie viele Österreicher allerdings genau seit Beginn der Einsätze 2002 in Afghanistan waren, kann das Bundesheer nicht beziffern. Dies zu erheben sei aufgrund der häufigen Rotationen zu aufwendig, erklärt der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Oberst Michael Bauer, auf STANDARD-Nachfrage. Soldaten seien jeweils für ein halbes Jahr entsandt worden. Den Höchststand mit rund 100 Personen hatte die österreichische Beteiligung im Jahr 2005 erreicht.

    https://www.derstandard.at/story/2000127468296/letzter-oesterreichischer-soldat-verlaesst-afghanistan

  10. Tadschikistan mobilisiert Armee nach Flucht aus Afghanistan

    Angesichts der anhaltenden Kämpfe in Afghanistan zwischen Sicherheitskräften und den radikalislamischen Taliban mobilisiert das Nachbarland Tadschikistan 20.000 Militärreservisten zum Schutz der Grenze. Präsident Emomali Rachmon ordnete die Einberufung am Montag an, nachdem am Sonntag mehr als 1000 afghanische Sicherheitskräfte vor heranrückenden Taliban über die Grenze geflohen waren.

    Zudem besprach er telefonisch die Lage mit Verbündeten in der Region, darunter mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Dieser sicherte Rachmon nach Angaben des Kreml Unterstützung bei der Grenzsicherung zu, wenn dies nötig sein sollte. Russlands größte Auslandsmilitärbasis liegt in Tadschikistan. Dort sind unter anderem Panzer und Hubschrauber stationiert.

    Nach heftigen Kämpfen zwischen der afghanischen Armee und den radikalislamischen Taliban hatten 1.037 Soldaten die Grenze überquert, “um ihr Leben zu retten”, wie das tadschikische Komitee für nationale Sicherheit mitteilte. Die Taliban hätten “volle Kontrolle” über sechs Bezirke in der Provinz Badakshan im Nordosten Afghanistans erlangt.

    “Unter Berücksichtigung des Prinzips guter Nachbarschaft” sowie der “Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten Afghanistans”, sei den Soldaten der Grenzübertritt gestattet worden, hieß es in einer von der staatlichen tadschikischen Nachrichtenagentur Khovar verbreiteten Mitteilung des Sicherheitskomitees.

    Der in der Provinz Badakshan stationierte Soldat Abdul Basir zeigte Verständnis für die Entscheidung von einigen seiner Kameraden, nach Tadschikistan zu fliehen. “Sie wollten sich nicht ergeben. Sie hatten um Verstärkung gebeten, aber ihr Ruf wurde ignoriert”, sagte er.

    https://www.vol.at/ueber-1-000-afghanische-soldaten-nach-tadschikistan-geflohen/7044900

  11. Der Krieg in Afghanistan und der deutsche Militarismus

    Am Mittwoch wurden die letzten deutschen Soldaten aus Afghanistan ausgeflogen. Damit endete der bisher größte und längste Kriegseinsatz der Bundeswehr.

    Mit zwanzig Jahren dauerte er über drei Mal so lange wie der Zweite Weltkrieg. Mehr als 150.000 Soldaten und Soldatinnen erlebten ihren ersten Kriegseinsatz. 59 starben oder wurden getötet, Tausende weitere wurden verletzt und traumatisiert. Allein die militärischen Kosten beliefen sich auf 12 Milliarden Euro.

    Der Abzug glich in seiner letzten Phase einer Flucht. Er erfolgte, nachdem die US-Streitkräfte begonnen hatten, den Großteil ihrer Truppen weit vor der von Präsident Biden gesetzten Frist vom 11. September abzuziehen. Die letzten deutschen Transportmaschinen verließen das Feldlager Camp Marmal mit ausgeschalteten Transpondern, aus Angst von den Taliban abgeschossen zu werden.

    https://www.wsws.org/de/articles/2021/07/02/afgh-j02.html

  12. Der Abschiebemythos – warum wir über Afghanistan reden müssen

    Nach der grausamen Tötung eines 13-jährigen Mädchens werden einmal mehr härtere Gesetze und schnellere Abschiebungen gefordert. Das lässt sich leicht sagen, aber nur schwer umsetzen.

    Die Zahl der Menschen, die Österreich verlassen müssten, übersteigt jedes Jahr die Zahl derjenigen, die das auch tatsächlich tun. In der Forschung spricht man von einem “deportation gap” – EU-weit kommen nur rund 30 Prozent der illegal aufhältigen Menschen ihrer Verpflichtung zur Ausreise nach.

    Staaten scheitern aus den unterschiedlichsten Gründen darin, Menschen “außer Landes zu bringen”: fehlende Kooperation des Heimatlandes, das mitunter sogar bestreitet, dass es sich bei den Betroffenen um seine eigenen Staatsangehörigen handelt, gesundheitliche und rechtliche Gründe oder schlichte Unauffindbarkeit. Selbst innerhalb der EU stößt der “Dublin-Verschiebebahnhof”, also die Überstellung von Asylwerbern in das Land, das für einen Antrag zuständig ist, oft an ihre Grenzen.

    Genauere Daten dazu gibt es leider nicht. Auch die simple Gegenüberstellung der Ausreisepflichtigen und der tatsächlichen Außerlandesbringungen hat ihre Tücken – allein deswegen, weil ein und dieselbe Person mehrfach in der Statistik auftauchen kann. Mehr als einen Trend abbilden kann man so also nicht. …

    https://www.derstandard.at/story/2000127911989/der-abschiebemythos-warum-wir-ueber-afghanistan-reden-muessen?ref=rec

    Was hier so locker als „fehlende Kooperation des Heimatlandes“ bezeichnet wird, ist die Tatsache, daß das betreffende Land kein Schubabkommen mit dem abschiebewilligen Staat unterzeichnet hat und die betreffende Person daher gar nicht abgeschoben werden KANN.

    Ashraf Ghani hat mit der EU (oder zumindestens einigen ihrer Mitgliedsstaaten) ein solches Abkommen unterzeichnet, und jetzt wird in der EU gezittert, was wohl draus wird, wenn die Taliban die Macht ergreifen.
    Dann kann nämlich niemand mehr nach Afghanistan abgeschoben werden.

  13. Dieser Mann besiegt die USA

    Nach dem Abzug der westlichen Truppen überrennen die radikalislamistischen Taliban weite Teile Afghanistans. Die USA wirken wie Verlierer, für die Afghanen beginnt das Grauen. Der brutale Religionsführer und Massenmörder Hibatullah Achundsada übernimmt die Macht – wer ist der Mann?

    Die Taliban überrennen Afghanistan. Wo immer westliche Truppen in diesen Tagen abziehen, erstürmen radikalislamistische Milizen die Stellungen. Reihenweise fallen ihnen Militärbasen und Polizeistationen zu, viele Regierungssoldaten ergeben sich und liefern den Taliban Waffen und Fahrzeuge kampflos aus. Die aktuelle Auswertung des “Long War Journal” zeigt, dass die Taliban bereits 157 der 407 Distrikte Afghanistans beherrschen, große Gebiete auch im Norden des Landes, wo die Bundeswehr stationiert war. Taliban-Kämpfer sind in die Städte Kundus, Faisabad, Masar-i-Scharif und Taloqan vorgedrungen.
    (…)
    https://www.n-tv.de/politik/politik_person_der_woche/Dieser-Mann-besiegt-die-USA-article22664950.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

  14. Afghanistan: Kann die Türkei die Taliban bändigen?

    Fast alle NATO-Truppen haben sich aus Afghanistan zurückgezogen. Die Türkei will die Lücke füllen und bietet sich als neue Schutzmacht an. Doch die Taliban senden klare Drohungen Richtung Ankara.

    Nachdem sich fast sämtliche westliche Soldaten aus Afghanistan zurückgezogen haben, ist die Zentralregierung im Kampf gegen die radikal-islamischen Taliban nun weitgehend auf sich allein gestellt. Militärische Unterstützung könnte Kabul nun aus Ankara bekommen. Entsprechende Pläne eröffnete der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan seinem US-amerikanischen Amtskollegen Joe Biden am Rande des NATO-Gipfels in Brüssel im Juni. Im Mittelpunkt des Engagements soll offenbar Kabuls Flughafen Hamid Karzai stehen, den türkische Soldaten schützen könnten.

    NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg betonte in Brüssel die Bedeutung der Türkei, die in Afghanistan eine “Schlüsselrolle” übernehmen könnte. Eine offizielle Entscheidung über das Vorhaben ist gleichwohl noch nicht gefallen, womöglich laufen derzeit hinter den Kulissen Verhandlungen zwischen Ankara und Washington.
    (…)

    https://www.dw.com/de/afghanistan-kann-die-t%C3%BCrkei-die-taliban-b%C3%A4ndigen/a-58202223?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

  15. Tadschikistan ist bereit, bis zu 100.000 afghanische Flüchtlinge aufzunehmen

    DUSHANBE, 23. Juli (Hfrance.fr) – Tadschikistan bereitet sich auf die Aufnahme von bis zu 100.000 Fluchtlingen aus dem benachbarten Afghanistan vor, wo sich die Kämpfe durch den Abzug der US-gefuhrten Truppen verschärft haben, sagte ein hochrangiger tadschikischer Beamter am Freitag. (…)

    https://www.hebergementwebs.com/asien-pazifik/tadschikistan-sagt-sich-bereit-zu-willkommen-bis-zu-100.000-afghanische-fluchtlinge

  16. Russland schaut aufmerksam auf die Entwicklung des Bürgerkriegs in Afghanistan in Folge des Abzugs der von den USA geführten westlichen Truppen. Das kriegserschütterte Land grenzt an drei Staaten, die mit Russland in vieler Weise verbunden sind: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan. Bei einer Machtübernahme der Taliban wäre der Weg für Islamisten von dort bis ins russische Hinterland nicht weit. Telepolis sprach mit dem russischen Afghanistan-Experten Andrej Kasanzew über die aktuelle Lage vor Ort…
    https://www.heise.de/tp/features/Ohne-diese-Rivalitaeten-gaebe-es-keine-Taliban-6149296.html?seite=all

    Bei den abschließenden Anmerkungen betr. russische ‘Sensibilitäten’ fällt auf, dass genau deswegen auch die USA die Taliban mit finanziert hatten – gegen das damals noch russisch gestützte Afghanistan (Wikipedia: Nach dem Einmarsch der Sowjetunion 1979 besiegten – von den Vereinigten Staaten und Saudi-Arabien finanzierte – Mudschaheddin die von der Sowjetunion gestützte Regierung. Die Aufteilung der Machtbereiche scheiterte jedoch an Rivalitäten; die fundamentalistisch islamisch ausgerichteten Taliban-Milizen kamen an die Macht.) – Von den Strategien der USA ist im Interview aber seltsamerweise so gar nicht die Rede.
    “Andrej Kasanzew: Für Russland geht es hier um eine existenzielle Frage. Tatsache ist, dass der Konflikt in Afghanistan nicht wie der in Syrien geografisch weit genug von Russland entfernt ist. Afghanistan grenzt direkt an Länder, die den Löwenanteil der Arbeitsmigranten nach Russland stellen. Eine Destabilisierung bedeutet von dort Migrationswellen von Afghanen, Tadschiken, Kirgisen und so weiter nach Russland.Außerdem betrachtete Russland die Taliban noch vor ihrem Sturz als feindliche Macht. In Afghanistan wurden Tschetschenische Sprengmeister ausgebildet, die in Russland Terroranschläge verübten. In Russland, im Nordkaukasus, gab es viele Anschläge mit Bomben, die aufgrund dieser Ausbildung in Al Kaida-Lagern gebaut wurden. So kann jede Instabilität in Afghanistan zu schweren Problemen in Russland selbst führen.”

  17. Also zur alten Strategie der USA hab ich einmal das gefunden:

    Operation Cyclone (englisch für Zyklon) war der Tarnname für eine Unternehmung des US-amerikanischen Auslandsgeheimdienstes CIA, die ab Sommer 1979 in enger Zusammenarbeit mit dem pakistanischen Geheimdienst ISI die Bewaffnung, Ausbildung und Finanzierung der afghanischen Widerstandskämpfer (Mudschahedin) zum Gegenstand hatte. Diese bekämpften die seit April 1978 amtierende kommunistische Regierung der Demokratischen Republik Afghanistan und deren Säkularisierungsprogramm und ab Dezember 1979 die sowjetischen Truppen nach deren Intervention in Afghanistan. Die USA verfolgten dabei das Ziel, die Ausbreitung des sowjetischen Kommunismus einzudämmen. Das Eingreifen der USA und ihrer Verbündeten weiteten den Konflikt zu einem Stellvertreterkrieg im Rahmen des Kalten Krieges aus. Der finanzielle Umfang des Programms belief sich auf geschätzte sechs bis zwölf Milliarden US-Dollar.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Cyclone

    In einem anderen Wikipedia-Artikel das:

    Um den Widerstand gegen die sowjetische Besatzung in Afghanistan anzuspornen, hatten die USA unter anderem mehrere Millionen Dollar in gewaltverherrlichende Lehrbücher investiert. Mittels dieser Bücher, die mit Gewaltdarstellungen, islamistischen Lehren und aus dem Zusammenhang gerissenen Koranversen gefüllt waren, wurde den afghanischen Schulkindern die Lehre vom Dschihad (Heiliger Krieg) nahegebracht. Diese Bücher wurden ebenfalls in Lagern für afghanische Flüchtlinge in Pakistan im Unterricht eingesetzt. Auch die Taliban verwendeten die von den USA produzierten Bücher. Um die Bücher mit ihrer Ideologie des Bilderverbots in Einklang zu bringen, wurden die menschlichen Gesichter darin herausgeschnitten.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Mudschahid#Mudschahedin_in_Afghanistan

  18. Russland hat nach 9-11 lange mit den USA zusammengearbeitet, bis nach dem Ukraine-Konflikt und der Krim-Annexion diese Zusammenarbeit gekündigt wurde – was die NATO-Besatzung Afghanistans vor große logistische Probleme gestellt hat.

    Es war ein Versuch Russlands, im „War gegen Terror“ zu einer Zusammenarbeit mit den USA zu kommen und alte Geschichten ruhen zu lassen.

  19. Was heißt eigentlich dieser Abzug für die USA? Es scheint klar zu sein, daß hier ein Krieg verloren wurde, aber gegen wen?

    Laut New Yorker sind die USA mehr als gschamig bezüglich Medien und wollen keine Dokumentationen in Wort und Bild über den Abzug:„

    A Near Press Blackout in Afghanistan
    (…)

    To pretend that any war is won or lost is to impose an infantile logic on a complex tangle of murder, primal emotion, and money. Some wars end in mutual exhaustion; others simply go into remission or slip out of our attention range. But it is certainly true that a nation may emerge more or less triumphant from the fray and, along that spectrum, the outcome in Afghanistan was ignominious. The conflict will cost taxpayers more than two trillion dollars, including veteran care and interest on war borrowing, according to the Costs of War project at Brown University, which also estimates that more than a hundred and seventy thousand people died in the conflict, counting Afghan forces, Taliban fighters, and contractors. That figure includes twenty-four hundred U.S. troops and forty-seven thousand civilians who died in a project that failed at its most basic goal of defeating the Taliban, who are now surging back to seize control of districts and, according to human-rights groups, carrying out organized revenge killings. (…)

    The most optimistic assessment of the conflict came from Steve Warren, a longtime Pentagon spokesman who got pushed out of his job early in the Trump Administration. He predicted that the U.S. public would recall the war as having been more successful than Vietnam, though hardly a victory. »The goal was to kill Osama bin Laden. We killed that son of a bitch. He’s dead,« Warren said. »So, win.«”

    https://www.newyorker.com/news/daily-comment/a-near-press-blackout-in-afghanistan

    So kann man die Sache natürlich auch drehen …

  20. „Taliban erobern afghanische Provinzhauptstadt Kunduz

    Kunduz – Die nordafghanische Stadt Kunduz ist nach heftigen Gefechten an die militant-islamistischen Taliban gefallen. Die Islamisten hätten die wichtigsten Regierungseinrichtungen der Stadt erobert, bestätigten drei Provinzräte der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag. Kunduz wurde seit Wochen von den Taliban belagert. Seit 2015 fiel sie bereits drei Mal in die Hände der Islamisten. Damit brachten die Taliban innerhalb von drei Tagen vier Provinzhauptstädte unter ihre Kontrolle.

    In den vergangenen zwei Tagen intensivierten die Islamisten in Kunduz ihre Angriffe, teilten die Provinzräte mit. Abgesehen von einer Militärbasis rund drei Kilometer vom Stadtzentrum und dem Flughafen kontrollierten die Taliban nun die ganze Stadt. Dorthin seien Regierungsvertreter geflüchtet. Die Menschen in der Stadt hätten weder Wasser noch Essen. Sie hielten sich in ihren Häusern versteckt. Die Provinzhauptstadt hat etwa 370.000 Einwohner. (…)“

    https://www.derstandard.at/story/2000128769336/schwere-kaempfe-im-zentrum-von-nordafghanischer-stadt-kunduz

    Man fragt sich, wie die „Regierungsvertreter“ jetzt von der Militärbasis wegkommen, die, man erinnere sich, vor einigen Wochen von deutschen und anderen ISAF-Truppen geräumt wurde.

    Hat noch jemand in Afghanistan den Willen und die Kapazitäten, die zu evakuieren?

    „Am Freitag war die kleine Provinzhauptstadt Zaranj in Nimroz an der iranischen Grenze praktisch kampflos an die Taliban gefallen. Am Samstag folgte die Stadt Sheberghan in Jowzjan im Norden, Machtsitz des umstrittenen ehemaligen Kriegsfürsten und Ex-Vizepräsidenten Abdul Rashid Dostum, eine führende Anti-Taliban-Figur.“ (ebd.)

    Dostum scheint offenbar keine wichtigen Unterstützer mehr im In- oder Ausland zu haben …

  21. Sieh da, sieh da:

    Geheimverhandlungen in Doha: Bundesregierung spricht mit Taliban

    Das Auswärtige Amt hat Gespräche mit den Islamisten geführt. Diese hätten versichert, sich für den Schutz früherer Ortskräfte vor Ort einzusetzen.

    Die Auswärtige Amt hat am Freitag dem ZDF bestätigt, in der vergangenen Woche in Katars Hauptstadt Doha mit Vertretern der afghanischen Taliban gesprochen zu haben. Zum Inhalt der Gespräche machte das Außenministerium demnach aber keine Angaben.

    Laut ZDF, das zusammen mit der Bild-Zeitung als Erstes von den Gesprächen berichtet hatte, hätten die Taliban dabei versichert, sich für den Schutz früherer Ortskräfte der Deutschen in Afghanistan einzusetzen. Deutsche Diplomaten hätten allerdings Zweifel am Wert dieser Zusage, hieß es im ZDF weiter.

    Die Abordnung der radikalislamistischen Taliban wurde dem Sender zufolge von Abdul Haq Wasiq angeführt. Der frühere Guantanamo-Häftling werde von den Taliban als „Leiter der europäischen Sektion des Islamischen Emirats Afghanistan“ bezeichnet. Die deutsche Delegation sei von dem Afghanistan-Beauftragten der Bundesregierung, Jasper Wieck, geleitet worden.

    Die Taliban haben seit dem Abzug des Großteils der Nato-Truppen aus Afghanistan seit Anfang Mai weite Teile des Landes erobert. Die letzten in Afghanistan stationierten Bundeswehrsoldaten waren Ende Juni nach Deutschland zurückgekehrt. Der Einsatz westlicher Truppen hatte nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA begonnen, die letzten US-Soldaten sollen spätestens bis zu dessen 20. Jahrestag abgezogen werden.

    Die Regierungstruppen sind vielfach demoralisiert. Doch greift bisher noch die US-Luftwaffe auf ihrer Seite mit Bombardierungen von Taliban-Stellungen ein.

    Die Taliban haben als Vergeltung dafür angekündigt, gezielt hohe Regierungsvertreter zu töten. So hatten sie am Mittwoch in Kabul das Haus des Verteidigungsministers angegriffen und weitgehend zerstört, ihn jedoch nicht angetroffen. Am Freitag erschossen sie aber den Leiter des Medienbüros der Regierung beim Gebet in einer Moschee. (…)

    Ob die Gespräche der Bundesregierung mit Zustimmung der afghanischen Regierung stattfanden oder hinter deren Rücken geführt wurden, ist unklar. Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Die Linke) erklärte: „Es ist unerträglich, dass die Bundesregierung versucht, mit der islamistischen Terrorgruppe Geheimvereinbarungen über das Schicksal der Ortskräfte der Bundeswehr in Afghanistan abzuschließen.“

    https://taz.de/Geheimverhandlungen-in-Doha/!5792032/

    Vermutlich will die deutsche Regierung auch das mit Ghani geschlossene Schubabkommen über den Machtwechsel hinüberretten …

  22. Noch etwas Hintergrundinformation zu Afghanistan:

    Bevölkerungswachstum in Afghanistan

    In den Jahren 1960 bis 2020 stieg die Einwohnerzahl in Afghanistan von 9,00 Mio auf 38,93 Mio. Dies bedeutet einen Anstieg um 332,7 Prozent in 60 Jahren.

    https://www.laenderdaten.info/Asien/Afghanistan/bevoelkerungswachstum.php

    Wenn man sich die verlinkte Wachstumskurve anschaut, so gab es zur Zeit der sowjetischen Besatzung einen leichten Rückgang, nach dem Abzug der sowjetischen Truppen einen rasanten Anstieg und dann wieder nach dem Einmarsch der USA.

    Bei diesen Zahlen muß man auch den kontinuierlichen Flüchtlingsstrom mit berücksichtigen, also ohne Fluchtbewegungen wäre der Bevölkerungsanstieg noch höher.

    Man halte sich vor Augen: In dem seit Jahrzehnten im Krieg befindlichen Land findet sozusagen eine Bevölkerungsexplosion statt, ähnlich wie in den Palästinensergebieten. Es ist, also ob eine Art nationaler Überlebenswille sich darin ausdrückt, möglichst viele Kinder in die Welt zu setzen, in der Erwartung, daß aufgrund der ungemütlichen Verhältnisse rundherum ein Großteil von ihnen ohnehin das Erwachsenenalter nicht erreicht.

    Afghanistan ist weit entfernt davon, sich selbst ernähren zu können, um so mehr, als die besten Anbauflächen für Mohn verwendet werden.

    Afghanistan ist nach wie vor der größte Opiumproduzent und -Exporteur der Welt – dazu wurde es unter der US-Besatzung, eine gewisse Parallele zum Goldenen Dreieck. Wenn die Perspektiven düster sind, braucht das Volk viel Opium. In Afghanistan wird sowohl das eine, stoffliche, wie das andere, immaterielle, reichlich geboten. Vor allem unter den Frauen und der Jugend soll die Opiumabhängigkeit hoch sein. Ansonsten wird nicht nur die westliche Welt damit versogt, sondern auch Rußland, wo sich das Heroin nach wie vor großer Beliebtheit erfreut.

    Infolgedessen ist Afghanistan ein Dauerbezieher von Hungerhilfe-Lebensmitteln durch die UNO, Rotes Kreuz und Roten Halbmond und ähnliche Organisationen. Eine der Haupt-Motivationen, in den Dienst der afghanischen Marionettenregierung zu treten, war die Aussicht auf regelmäßige Lebensmittelzuteilung.

  23. Lesenswertes Interview mit jemandem, der Afghanistan gut kennt:

    INTERVIEW: Was wird aus Afghanistan?  

    "Die Taliban wollen die absolute Macht"

    Der Westen zieht seine Truppen aus Afghanistan zurück, die Taliban profitieren. Der Experte Ahmed Rashid erklärt im Gespräch, welche Fehler die USA gemacht haben. Und welcher neue Konflikt droht.

    t-online: Herr Rashid, Joe Biden hat nun angekündigt, dass er die US-Truppen bereits Ende August aus Afghanistan abziehen wird – und nicht erst im September. Was bedeutet das?

    Ahmed Rashid: Die Amerikaner hatten ja nie vor, 20 Jahre lang in Afghanistan zu bleiben. Und es bedeutet Elend für die Afghanen, für ihre Zivilgesellschaft, für ihre Frauen, für die Kinder, die in die Schule gehen wollen. Ein Rückschlag um Jahrzehnte, zumal die Kämpfe weitergehen.

    (…)

    https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/krisen/id_90404032/afghanistan-experte-rashid-die-taliban-brauchen-den-buergerkrieg-.html

  24. Kräfteverschiebungen am Hindukusch

    CDU-Politiker schließt neuen Bundeswehreinsatz in Afghanistan nicht aus. Der Westen verliert am Hindukusch rasant an Einfluss; stärker werden Russland, China, die Türkei.

    Die Taliban haben am gestrigen Montag ihren Vormarsch auf Afghanistans Städte fortgesetzt. (…) gestern haben sie angekündigt, auch die viertgrößte Stadt, Mazar-e Sharif, attackieren zu wollen. Weite Teile des ländlichen Afghanistans beherrschen sie ohnehin. Schwer wiegt zudem, dass die Taliban Stück für Stück die wichtigsten Geldquellen unter ihre Kontrolle bringen. So haben sie mindestens acht bedeutende Grenzübergänge zu Iran, Turkmenistan und Tadschikistan sowie zu Pakistan übernommen und kassieren dort einen signifikanten Teil der afghanischen Zolleinnahmen, die ungefähr die Hälfte der Inlandseinnahmen der afghanischen Regierung ausmachen. Mit Kunduz kontrollieren sie zudem eine Stadt, die als eines der zentralen Drehkreuze für den höchst lukrativen Opium- und Heroinhandel gilt. Ihr weiteres militärisches Vorrücken scheint nur eine Frage der Zeit zu sein.

    (…)

    Die Türkei in Afghanistan

    Während der Einfluss des Westens in Afghanistan in rasantem Tempo schwindet, bemühen sich andere Staaten – aus völlig unterschiedlichen Gründen und in höchst unterschiedlichem Kontext -, am Hindukusch Fuß zu fassen. So hat sich die Türkei bereit erklärt, in Zukunft den Hamid Karzai International Airport in Kabul militärisch zu sichern. Einerseits gilt der Schutz des Flughafens als notwendig, um im Notfall eine schnelle Evakuierung westlicher Diplomaten und des Personals westlicher Botschaften durchführen zu können; dies wiederum ist eine Voraussetzung dafür, diplomatische Vertretungen in der afghanischen Hauptstadt geöffnet zu lassen. Andererseits treibt die Türkei seit Jahren, anknüpfend an die gemeinsame Zugehörigkeit zum Islam, eigenständige Einflussmaßnahmen in Afghanistan voran, die sie jetzt zu nutzen sucht, um sich nach dem Abzug des Westens eine eigene Präsenz am Hindukusch zu sichern. Als Gegenleistung für das Offenhalten des Flughafens fordert Ankara Berichten zufolge die Übernahme der Betriebskosten durch die USA sowie logistische Unterstützung. Unklar ist, ob die Türkei einen modus vivendi mit den Taliban aushandeln kann. Präsident Recep Tayyip Erdoğan wird mit der Aussage zitiert: "Die Taliban sollten mit der Türkei viel leichter sprechen können, denn die Türkei hat keine Probleme mit ihren religiösen Standpunkten".

    Russland in Zentralasien

    Nicht in Afghanistan selbst, aber unmittelbar an dessen Grenzen baut Russland seine militärische Präsenz aus. Es unterhält ohnehin bereits Militärbasen in Kirgisistan und in Tadschikistan und hat nun begonnen, seinen Stützpunkt in Tadschikistan zu verstärken. Darüber hinaus hat es zugesagt, die tadschikischen Streitkräfte mit Ausrüstung und mit Trainingsprogrammen zu unterstützen. Anlass ist die Befürchtung, mit der Übernahme der Kontrolle über die Grenzübergänge sowie das Grenzgebiet durch die Taliban könne der Krieg sich über die Grenze bis nach Tadschikistan hinein ausweiten. In der vergangenen Woche starteten rund 2.500 Soldaten aus Tadschikistan, dem angrenzenden Usbekistan und Russland gemeinsame Manöver in rund 20 Kilometern Entfernung zur afghanischen Grenze. Schon zuvor hatten gut 1.500 Soldaten aus Russland und Usbekistan bei der usbekisch-afghanischen Grenzstadt Termez militärische Übungen durchgeführt. In Termez war jahrelang die Bundeswehr mit einem Stützpunkt präsent, über den sie Militärtransporte nach Afghanistan abwickelte. Dies ist nun ebenso Vergangenheit wie die US-Militärstützpunkte in Usbekistan und Kirgisistan, die 2005 bzw. 2014 abgewickelt wurden. Mit dem westlichen Abzug geht nun ein Ausbau der militärischen Position Russlands in Zentralasien einher.

    Auf Stabilität bedacht

    Noch unklar ist die Rolle, die China in Zukunft in Afghanistan spielen wird. Am 28. Juli hatte der chinesische Außenminister Wang Yi in der Hafenstadt Tianjin eine Delegation der Taliban zu Gesprächen empfangen. Die Volksrepublik ist vor allem auf Stabilität am Hindukusch bedacht; sie fürchtet zum einen, Jihadisten – auch uigurische – könnten Afghanistan als Basis für Attacken im angrenzenden Xinjiang nutzen, zum anderen, Unruhen in Afghanistan könnten sich auf andere Nachbarstaaten wie Pakistan auswirken, mit denen Beijing im Rahmen der Neuen Seidenstraße immer enger kooperiert. Den Anspruch, sich seinerseits in die afghanische Politik einzumischen, habe Beijing nicht, urteilt Andrew Small, ein Experte vom European Council on Foreign Relations (ECFR): In der chinesischen Debatte werde immer wieder darauf verwiesen, dass in Afghanistan noch keine äußere Macht sich habe festsetzen können; nicht umsonst werde das Land zuweilen als "Friedhof der Mächte" bezeichnet. China werde sich deshalb wohl darauf konzentrieren, seine unmittelbaren Stabilitätsinteressen in Afghanistan zu fördern. Dazu nutze es seine bestehenden Beziehungen zu den Taliban – und zwar vollkommen unabhängig vom Westen.

    https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8683/

  25. Ja, der Röttgen ist immer mal wieder für einen außenpolitischen Scherz gut, aber jetzt schlägt er wirklich über die Stränge: Gerade eben hat "der Westen", allen voran die westliche Führungsmacht entschieden und auch schon umgesetzt, daß sie aus Afghanistan raus sind und das neue Prinzip ist, nach mir die Sintflut, da tritt dieser Ochsenfrosch auf und kann sich einen neuen Bundeswehreinsatz dort vorstellen (wofür eigentlich? Den Flughafen zu beschützen statt der Türkei bis alle Botschaften ausgeflogen werden konnten?). Hut ab, der scheut wirklich vor nichts zurück!

  26. Ghazni, Herat, Kandahar in 3 Tagen – die Taliban stehen bald vor Kabul:

    Taliban erobern zweitgrößte Stadt in Afghanistan (…)

    „Kandahar ist vollkommen erobert“, erklärte ein Taliban-Sprecher am Freitag bei Twitter. „Die Mudschaheddin haben den Märtyrerplatz in der Stadt erreicht.“ Ein Anwohner sagte der Nachrichtenagentur AFP, die afghanische Armee habe offenbar den Rückzug angetreten. Zahlreiche Soldaten begaben sich demnach zu einer Militäreinrichtung außerhalb der Stadt. Ein lokaler Regierungsbeamter sagte der Nachrichtenagentur Reuters, dass die Taliban die Kontrolle in der Stadt „nach schweren Zusammenstößen in der Nacht“ übernommen hätten. Berichten zufolge übernahmen die Taliban bereits am Mittwoch die Kontrolle über ein Gefängnis und befreiten die Inhaftierten.

    Auch die Stadt Laschkargah in der Provinz Helmand im Süden Afghanistans ist eingenommen. Die Islamisten kontrollierten die wichtigsten Regierungseinrichtungen der Stadt mit geschätzt 200.000 Einwohnern. Das bestätigten zwei afghanische Provinzräte der Deutschen Presse-Agentur am Freitag. Zudem sei Firus Koh in der Provinz Ghor im Westen des Landes von den Islamisten übernommen worden. Die Stadt mit geschätzt 130.000 Einwohnern sei ohne jeglichen Widerstand von den Islamisten übernommen worden, sagte der Provinzrat Fasel-ul Hak Ehsan. Die Sicherheitskräfte und mehrere Regierungsvertreter hätten sich in eine Militärbasis in der Stadt zurückgezogen. Damit fällt die fünfzehnte Stadt binnen einer Woche an die Islamisten. Von den wichtigen Städten hält die Regierung nur noch die Hauptstadt Kabul, Mazar-i-Scharif im Norden und Dschalalabad im Osten. (…)

    https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/afghanistan-taliban-erobern-mit-kandahar-die-zweitgroesste-stadt-17483081.html

  27. Wieso Afghanistans demoralisierte Armee gegen die Taliban nicht ankommt

    In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben die USA Milliarden Dollar in das afghanische Militär gesteckt. Den Taliban hat dieses trotzdem nur wenig entgegenzusetzen

    ANALYSE Gudrun Harrer

    Je nachdem, was man alles dazurechnet, haben die USA in den vergangenen zwanzig Jahren 70 bis 90 Milliarden US-Dollar in den Aufbau der afghanischen Armee gesteckt: Wenn man sich manche Einheiten ansieht, fragt man sich, wo das Geld geblieben ist, kommentierte dies die "New York Times", als im Frühjahr parallel zum beschleunigten Abzug der USA und der Nato klar wurde, wie wenig die Afghanen an manchen Stellen der Offensive der Taliban entgegenzusetzen haben. (…)

    Optimisten, aber auch Pessimisten – und angeblich die Taliban selbst – sind überrascht, wie schwach die von den USA ausgerüstete und trainierte Armee derzeit aussieht: umso mehr, als die US-Truppen ja ihren direkten Kampfeinsatz schon ab 2014 reduziert und zuletzt auf die Luft beschränkt hatten. Die afghanische Armee oder zumindest ein Teil davon galt als gut vorbereitet. Berichte des US-Generalinspektorats befassen sich zwar mit ihren Defekten, aber es wird auch auf Fortschritte verwiesen. (…)

    Die afghanische Armee kämpft sich vielerorts erfolgreich zurück, dennoch bleibt das Déjà-vu nicht aus: Bevor die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) 2014 Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak, überrannte, galt diese wegen der starken Präsenz der irakischen Armee als uneinnehmbar. Aber diese Armee litt an Plagen, die man auch bei der afghanischen wiederfindet: Korruption, Waffen- und Munitionsschwund, Schattensoldaten, die es gar nicht gibt und deren Sold in den Taschen von anderen Leuten landet, mangelnde Loyalität, weil die Zugehörigkeit zur eigenen Gruppe – eine Ethnie, ein Stamm – größer ist als zur Nation, die sich mit einer schwachen Regierung in Kabul nicht gerade glaubwürdig präsentiert.

    Die Rekrutierung ist schwierig geworden, auch in den Gebieten, die traditionell gegen die Taliban sind wie der Norden. Der Sold ist nicht hoch genug, das Risiko einzugehen. Vielleicht werden sich die Männer eher wieder ethnischen Milizen anschließen, um gegen die Taliban zu kämpfen: Dann wird aus dem Krieg wieder ein Bürgerkrieg.

    Die oft genannte Stärke von 300.000 Soldaten und Soldatinnen (!) besteht jedenfalls nur auf dem Papier. Mit der Ausrüstung ist es oft ähnlich: Es gibt eine Diskrepanz zwischen dem, was eine Einheit haben sollte, und dem, was sie hat. Einiges fällt den Taliban jetzt gerade wieder in die Hände: Ein Weg, das eigene Leben zu retten, ist, Waffen und Geräte den selbsternannten Gotteskriegern zu überlassen.

    Die Beziehung zwischen den USA und Afghanistan war oft schwierig: Die Afghanen beklagten die herablassende Attitüde, die Amerikaner waren misstrauisch: Bei sogenannten "Insider Attacks" wurden allerdings nicht nur US-Soldaten durch "umgedrehte" afghanische Soldaten getötet, sondern noch mehr Afghanen. Der Arm der Taliban reicht bis in die Armee.

    Nicht nur die USA und ihre Nato-Verbündeten verlassen Afghanistan: Mit ihnen ziehen ihre militärischen Subunternehmer und Sicherheitsfirmen ab. Allein für die US-Armee waren bis zuletzt etwa 18.000 Mann im Einsatz, die, so sagen Militärexperten, eine Riesenlücke bei der Wartung des afghanischen Militärgeräts hinterlassen werden. Davon wird auch die afghanische Luftwaffe – die die Überlegenheit über die Taliban zumindest in der Luft gewährleisten soll – betroffen sein. (…)

    https://www.derstandard.at/story/2000128833412/wieso-afghanistans-demoralisierte-armee-gegen-die-taliban-nicht-ankommt?ref=rec

  28. Dostum ist zurück:

    Warlord Abdul Rashid Dostum back in the fray as Taliban overwhelm Afghan north

    The scene was a familiar one as warlord Abdul Rashid Dostum jetted into northern Afghanistan this week — a promise of bloodshed and vengeance, and no apology for his vicious past.

    Despite a series of war crimes linked to his forces, the Afghan government is hoping Dostum's military acumen and seething hatred of the Taliban can help beat back the current insurgent offensive. (…)

    https://economictimes.indiatimes.com/news/defence/warlord-abdul-rashid-dostum-back-in-the-fray-as-taliban-overwhelm-afghan-north/articleshow/85269304.cms

    Möglicherweise ist eine Art Reservat für westorientierte und regierungsnahe Personen im Norden angedacht, von Mazar-e Sharif bis zur usbekisch-tadschikischen Grenze. Dostum ist jedenfalls jemand, der mit den Taliban keine Arrangements wird machen können. Von Seiten der Ghani-Regierung wäre das ein Eingeständnis, daß Kabul sowieso nicht zu halten ist.

  29. Mazar-i-Sharif (…) ist ein klares Ziel der Islamisten. Die Taliban versuchten am Samstagmorgen in die Stadt im Norden einzudringen, konnten aber nach Angaben örtlicher Politiker zurückgedrängt werden. Der Ex-Provinzgouverneur Mohammad Atta Nour und der ehemalige Kriegsfürst Abdul Rashid Dostum haben in der Provinz Balkh, in der Mazar-i-Sharif liegt, eine Verteidigungslinie aufgebaut. Die Taliban haben umliegende Provinzen bereits eingenommen.

    https://www.derstandard.at/story/2000128918913/taliban-haelt-mehr-als-die-haelfte-aller-provinzhauptstaedte-afghanistans

  30. Mazar-e Sharif erobert, Kabul umzingelt

    Die Taliban setzen ihre Offensive in Afghanistan ungehindert fort. Am Samstagabend nahmen die radikalen Islamisten offenbar kampflos Mazar-e Sharif ein, ehemals Standort der deutschen Bundeswehr. Auch die Lage in der Hauptstadt Kabul wird immer prekärer, die Taliban sind mittlerweile nahe an die Stadt gerückt.

    Der örtliche Provinzrat und Bewohner von Mazar-e Sharif berichteten, dass die Stadt eingenommen wurde. Soldaten der Regierung seien in Richtung der Grenze zu Usbekistan geflohen. In einem Feldlager am Rande der Stadt hatte die deutsche Bundeswehr bis zu ihrem Abzug im Juni ihr Hauptquartier für den Afghanistan-Einsatz. Laut Zeugenberichten wurde die Flagge der Taliban auf der Blauen Moschee gehisst. Gefangene seien aus dem Zentralgefängnis der Stadt freigelassen worden.

    Die Stadt galt als eine der letzten Hochburgen des Regierungslagers. Kabul ist nun angesichts des raschen Vorrückens der Taliban de facto die letzte Bastion der Regierungstruppen. Doch die Lage wird immer prekärer. International wird befürchtet, dass auch die Hauptstadt bald an die Islamisten fallen könnte. Immer mehr Länder trieben den Abzug ihres Personals rasch voran. Deutschland kündigte etwa an, Staatsbürger mit Hilfe der Bundeswehr aus dem Land holen zu wollen. (…)

    https://orf.at/stories/3224887/

  31. Rückerinnerung an das Engagement der USA in der Region VOR ihrem Einmarsch:

    DSCHIHAD

    Besonders empfehlenswert das verlinkte Interview Brzezinskis

  32. The Return of the Taliban

    Their comeback has taken twenty years, but it is a classic example of a successful guerrilla war of attrition. (…)
    as Afghanistan’s provincial capitals are falling to the Taliban and Kabul itself becomes encircled, the litany of exotic place names—Sheberghan, Taloqan, Kunduz, Kandahar, Herat—must mean little to most Americans, except for those who were once deployed in them.
    But a generation ago, as Afghan mujahideen, or holy warriors, of the so-called Northern Alliance, an anti-Taliban coalition commanded by warlords, battled alongside American Special Forces to free these same towns from the Taliban, they were in the news constantly, as commonplace to Americans then as Benghazi or Raqqa became in later years. (In war, as in life, perhaps, people and places can become briefly and often intensely familiar, only to be discarded from memory when their apparent relevance has ceased. Who today remembers Hamid Karzai? Or Mullah Omar?)

    https://www.newyorker.com/news/daily-comment/the-return-of-the-taliban

    Anderson war in Afghanistan, als die USA einmarschierten, siehe dazu sein darüber berichtendes Buch: The Lion’s Grave

    Er redet also nicht darüber wie der Blinde von der Farbe.

    Einer der Gründe, warum die Taliban gegenüber den Besatzern und Kollaborateuren beliebt sind, findet sich hier bzw. speziell auf Afghanistan bezogen hier.

  33. Auch Dschalalabad ist in den Händen der Taliban:

    Taliban stehen vor Kabul – Kämpfer sollen nicht in Stadt vordringen

    Die Taliban haben die afghanische Hauptstadt Kabul erreicht. Sie wollen nach eigenem Bekunden aber nicht kämpfen, sondern über einen Einmarsch verhandeln. (…)

    In Kabul spielten sich chaotische Szenen ab. Es kam zu einer Schießerei vor einer Bank, wie ein Bewohner der Stadt sagte. Viele Menschen versuchten, ihr Erspartes abzuheben, Lebensmittel zu kaufen und zu ihren Familien heimzukehren. Ein Soldat aus Kabul sagte, seine gesamte Einheit habe die Uniformen abgelegt.

    Zuvor hatten die Taliban die Großstadt Dschalalabad im Osten Afghanistans übernommen. Die Provinzhauptstadt von Nangarhar sei kampflos von den Islamisten erobert worden, bestätigten zwei Provinzräte und ein Bewohner der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag. Damit verliert die Regierung die vorletzte noch unter ihrer Kontrolle stehende Großstadt des Landes.

    Erst am Samstagabend hatten die Taliban die wichtige Stadt Mazar-i-Scharif im Norden mehr oder wenig kampflos eingenommen.
    Der Provinzrat Sabiullah Kakar sagte, Masar-i-Scharif sei vollständig unter Kontrolle der Islamisten. Auch das 209. Armeekorps am Rande der Stadt sei gefallen, durch einen „Deal“ mit den Taliban. In sozialen Medien wurden Bilder von Taliban geteilt, die bei der berühmten Blauen Moschee ihre Fahne anbrachten.(…)

    https://www.tagesspiegel.de/politik/afghanische-hauptstadt-vor-dem-fall-taliban-stehen-vor-kabul-kaempfer-sollen-nicht-in-stadt-vordringen/27518276.html

  34. Ein weiterer Grund der Popularität der Taliban: Wohin sie kommen, öffnen sie die Gefängnisse: 

    Taliban sets free prisoners from the central prison in Mazar-e-sharif.
    Taliban sets free prisoners from the central prison in Mazar-e-sharif. Photograph:( WION )

  35. Taliban erreichen Kabul: Präsident Ghani hat Afghanistan verlassen

    Die radikalen Gotteskämpfer haben die afghanische Hauptstadt erreicht. Der afghanische Innenminister hat eine "friedliche Machtübergabe" an die Taliban angekündigt. Es werde „keinen Angriff auf die Stadt“ geben.

    Der afghanische Präsident Ashraf Ghani soll nach einem Bericht des Nachrichtensender TOLO News Afghanistan unter dem Druck des Taliban-Vormarsches verlassen haben. Ein hochrangiger Beamter des afghanischen Innenministeriums sagte, Ghani sei in das benachbarte Tadschikistan unterwegs. Aus dem Präsidentenbüro in Kabul wurde das nicht zunächst nicht bestätigt. Mit dem Verweis auf Gründe der Sicherheit könne man nichts zum Aufenthalt Ghanis sagen, hieß es gegenüber Reuters.

    https://www.diepresse.com/6021224/taliban-erreichen-kabul-prasident-ghani-hat-afghanistan-verlassen

  36. Taliban erklären Sieg

    Ein führender Repräsentant der Taliban hat den Sieg der radikal-islamischen Gruppe in Afghanistan erklärt. Dieser unerwartete Erfolg sei beispiellos in der Welt, sagte Mullah Baradar in einer Videobotschaft. Die wirklichen Herausforderungen stünden aber jetzt erst nach der Machtübernahme an: Die Taliban müssten die Erwartungen des Volkes erfüllen und dadurch dienen, dass sie die Probleme der Bevölkerung lösen.

    Die Taliban wollen nach eigenem Bekunden auch andere Kräfte in die Regierungsbildung einbinden. Man werde in den kommenden Tagen Gespräche führen, die zum Ziel hätten, eine "offene islamische Regierung" zu bilden, die auch andere Kräfte einschließe, sagte Taliban-Sprecher Suhail Schahin der Nachrichtenagentur AP.

  37. In Usbekistan trifft sich offenbar alles, was schlecht ist und von den USA ausgehalten worden ist:

    Prunkvolle Möbel und goldene Tassen

    Hier plündern die Taliban den Palast eines Kriegsherrn

    Taliban-Kämpfer dringen in die Luxusvilla eines bekannten Kriegsfürsten ein und machen es sich im pompösen Palast bequem. Dieser gehört General Abdul Rashid Dostum (67) – einem der grössten Feinde der Taliban.

    Bei ihrem Eroberungszug in Afghanistan sind die Taliban-Kämpfer in der Stadt Mazar-i-Sharif in den Palast eines prominenten afghanischen Kriegsherrn eingedrungen. Sie konnten die Stadt fast ohne Gegenwehr in ihre Macht bringen, während die Sicherheitskräfte in Richtung Usbekistan geflüchtet sind, berichtet der TV-Sender «Al Arabiya».

    In den sozialen Medien kursieren Videos, die zeigen, wie die Taliban-Kämpfer in der nordafghanischen Stadt die prunkvolle Luxusvilla von General Abdul Rashid Dostum (67) besetzen und plündern. Sie machen es sich auf den opulenten Sofas bequem und breiten sich überall aus, um zu essen. Zwei Kämpfer tun so, als würden sie aus einem goldenen Teeservice trinken.

    General Dostum ist ein Verbündeter der USA

    Zum Zeitpunkt der Plünderung befindet sich General Abdul Rashid Dostum nicht auf dem Gelände. Er ist am Samstag über die Grenze nach Usbekistan geflohen, wie die «New York Post» schreibt.

    Dostum ist einer der berüchtigtsten regionalen Machthaber des Landes und gilt als einer der grössten Feinde der Taliban. Der ethnisch usbekische Milizenführer ist seit der sowjetischen Invasion 1979 in die Kriege in Afghanistan verwickelt. Nach dem 11. September hat er sich mit den USA verbündet.

    Die USA zahlten Dostum 70'000 Dollar monatlich

    Das gute Verhältnis zu den Vereinigten Staaten hat Dostum dabei geholfen, sich die Luxusvilla zu leisten. So soll er monatlich etwa 70'000 US-Dollar an CIA-Geldern erhalten haben, berichtet die «Washington Post». Diese seien durch den afghanischen Präsidentenpalast an ihn weitergeleitet worden.

    Die USA haben das Land mit mehreren Milliarden Dollar unterstützt, schreibt die Zeitung weiter. Oberbefehlshaber und Gesetzgeber hätten versprochen, das Geld dafür zu verwenden, um gegen korrupte Afghanen vorzugehen. (gin)

    https://www.blick.ch/news/prunkvolle-moebel-und-goldene-tassen-hier-pluendern-die-taliban-den-palast-eines-kriegsherrn-id16755539.html

  38. China würde die Taliban-Regierung anerkennen, um durch eine solche Umarmung die neue afganische Regierung davon abzubringen,  sich mittels forcierter Aufstachelung von Uiguren aufständisch in bzw. gegen China breit machen zu wollen. Das meint jedenfalls die taz. https://taz.de/Machtuebernahme-in-Afghanistan/!5793849/    –  Dieselbe taz, die ansonsten hinter der Kriegsführung des Westens umgekehrt nichts als positive Dienstleistungen an die unterdrückten afghanischen Frauen sehen wollte. So parteilich schaut die Weltsicht eines deutschen Freiheitsorgans aus: Bei eigenen Kriegen nichts als allerbeste menschenfreundliche Absichten unterstellen, und bei Kriegsbeendigungen bzw. Regierungsantritt andernorts nichts als neue geheime zukünftige Kriegsabsichten in der ganzen Region wittern ….
    Bei der Gegenbehauptung: “alles Lüge”, und NATO und USA wollten nichts als Massenmörder zum Regieren bringen, damit sich dort Korruption ausbreiten möge: https://www.heise.de/tp/features/Afghanistan-Hier-sind-die-Gewinner-6166281.html wird der Verlauf des militärischen NATO-Einsatzes zu ihrem eigentlichen wahren menschenschädlichen Zweck gemacht. Auch so kann man für besseres bürgerliches Regieren Propaganda machen – und das ausgerechnet für Afghanistan.

  39. "Sie machen es sich auf den opulenten Sofas bequem und breiten sich überall aus, um zu essen. Zwei Kämpfer tun so, als würden sie aus einem goldenen Teeservice trinken."

    Teetrinkende Kaftan und Turbanträger sehen aber nicht gerade nach gefährlichen Plünderern aus. Im TV kam gestern ein kurzes Statement eines solchen Freiheitskämpfers, der gemeint hat das Leben solle möglichst normal weiterlaufen und nur für die nächsten 2-3 Tage gelte nachts eine Ausgangssperre, um Unruhen zu verhindern. (sinngemäß)  Da dachte ich, oh wow, das läuft ja relativ zivil ab, Gar nicht die Blutbäder, die Islamisten sonst so zugeschrieben werden.

  40. Dass Islamismus und Westen zusammenpassen können, irgendwie,  wird ja laufend an den guten Beziehungen zur Türkei und zu Saudi-Arabien unterstrichen.Hiesige Politiker interessiert daran sowieso einzig, ob dgl. 'hinten in der Türkei' oder gar noch dahinter, Flüchtlinge vor der deutschen Haustüre hervorrufen könne. Und ob die BRD sich diesbezüglich innerhalb der EU dafür effektiv stark machen kann, dass die Fremdlinge gefälligst andernorts anlanden müssen.
    Und dass die islamistischen Sitten auch bis vorgestern und auch bei der ach so westlich geprägten Regierung vorgeherrscht haben, unterstreicht dieser Kommentar:
    https://www.heise.de/tp/features/Nichts-war-gut-in-Afghanistan-Niemals-6166434.html?seite=all

  41. @Kehrer

    Eben. Die ganzen Schauergeschichten, die über die Taliban verbreitet werden, passen schlecht zu dem relativ unblutigen Blitzfeldzug und den jungen Männern, die sich an Prunkmöbeln und Fitnessgeräten erfreuen.

    Auch das Chaos am Flughafen in Kabul wird verwendet, um die Taliban zu dämonisieren und damit von der schwachen Performance der Besatzer abzulenken: Die armen Menschen haben so viel Angst vor den Taliban, daß sie die Landebahn blockieren und sich an Flugzeuge anhängen!

  42. Im Februar, zum Amtsantritt der Regierung Biden, wollte die sich noch von Trumps Festlegungen ein bisserl absetzen, – und in Folge, wer hätts gdacht, auch die diversen deutschen Parteien – so erläuterte es Renate Dillmann,  noch vor einem halben Jahr …       https://www.heise.de/tp/features/Pulverfass-Afghanistan-5063646.html   
    Dass die USA ganz prinzipiell einen globalen Machtanspruch haben, wollen sie nämlich nicht zurücknehmen. Weder durch die Variante Trump, noch durch die Variante NATO-Biden anlässlich seiner Inthronisation. So fixe kommen 27 europäische Staatschefs gar nicht hinterher mit ihrer Nachhechelei.

  43. Afghanistan 2021 – 2023.    a) Was der Krieg wegen der berüchtigten westlichen Werte vor Ort in Afghanistan so alles an westlichen Werten hervorgebracht hat: “Für das Verständnis der sich entfaltenden Krise in Afghanistan kommt der Analyse externer Mächte entscheidende Bedeutung zu.” (Wer hätts gdacht….) https://www.telepolis.de/features/Drogen-Misswirtschaft-Terror-Was-die-westliche-Intervention-Afghanen-wirklich-brachte-8331934.html?seite=all

    Sowie unter b) eine Nachlese dazu, wie die westlichen Werte-Weltmächte, also vor allem das europäische Gefolge der USA  (bei denen heißt Werte-Westen passender Weise eher 'America First'…}  mit dem Abzug der USA 2021 konfrontiert wurden: – https://cba.fro.at/515705

  44. Der Artikel bringt zwar keine neuen Erkenntnisse, hat aber offenbar den Auftrag, alle Werte zu bekräftigen und Ideologien aufzuwärmen, unter denen der Einmarsch in und die Besatzung von Afghanistan durchgeführt wurden. Daher ist die – inzwischen sehr standardmäßig eingesetzte – Kritik diejenige, daß den Besatzern „Versäumnisse“ vorgeworfen werden.

  45. Nachzutragen – westliche Werte in Afghanistan – das hat immer schon was ganz anderes beinhaltet als hierzulande – und so fällt der Außenministerin grad der Vorwurf vor die Füße: sie würde den Islamismus fördern (bzw. die dort geförderten als Islamisten nun in die BRD hinein holen wollen): “Bundesregierung holt Scharia-Richter nach Deutschland”

    https://www.cicero.de/aussenpolitik/bundesaufnahmeprogramm-afghanistan-scharia-richter-baerbock-auswartiges-amt

  46. Was genau da abrennt, kann ich nicht sagen. Also was die deutsche Außenpolitik bewegt, überhaupt diese 1000 Afghan(inn)en nach Deutschland holen zu wollen.

    Aber was die Justiz dort betrifft, so ist die Sache so: Die USA und ihre Verbündeten haben sich im Laufe ihrer Besatzungstätigkeit dafür stark gemacht, Richter und andere Juristen nach westlichen Standards auszubilden. An unserem Wesen soll die Welt genesen und nur unserer Rechtswesen ist rechtmäßig!
    Diese Leute saßen dann in Provinzhauptstädten oder auch kleineren Städten und drehten Daumen oder spielten Schifferlversenken, weil die Bevölkerung Afghanistans mit diesem implantierten Rechtswesen – auch Gerichtsgebäude wurden gebaut und überhaupt ein ganzes potemkinsches Dorf der modernen westlichen Gerichtsbarkeit eingerichtet – nichts anzufangen wußte.
    Die Leute gingen weiterhin zu ihren Stammesältesten und religiösen Kadis und holten sich dort ihre Urteile ab, oder sie wurden dorthin geschleppt und auch gerichtet.

    Was aus diesen ganzen arbeitslosen Richtern nach der Machtübernahme der Taliban geworden ist, wissen die Götter. Vielleicht haben sie umgeschult auf Scharia. Oder sie sitzen in irgendwelchen Verstecken und wollen raus.

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