UNKLARES KRIEGSZIEL
Putin hat in seiner Rede vom 24. Februar das Ziel seines Einmarsches angegeben:
„Russland kann sich unter der Bedrohung durch die moderne Ukraine nicht sicher fühlen. Die Umstände erfordern entschlossenes Handeln. Die Volksrepubliken Donbass baten um Hilfe. (…)
Und dafür werden wir die Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine anstreben. Sowie diejenigen vor Gericht zu bringen, die zahlreiche blutige Verbrechen gegen Zivilisten begangen haben, darunter Bürger der Russischen Föderation. Gleichzeitig beinhalten unsere Pläne nicht die Besetzung ukrainischer Gebiete.“
Das ist im Grunde ein widersprüchliches Unterfangen. Man muß sich vor Augen halten, was die angestrebte „Entmilitarisierung und Entnazifizierung“ bedeuten würde, nämlich das Auswechseln der gesamten Verwaltung, des Sicherheitsapparates, der Militärführung usw. usf., was ohne Besatzung gar nicht zu machen wäre. Ein Land von der Ausdehnung der Ukraine dauerhaft zu besetzen, liegt jedoch aus verschiedenen Gründen außerhalb der Möglichkeiten Rußlands.
Als Putin diese Kriegsziele formulierte, ging er offenbar davon aus, daß die „gute“ Bevölkerung der Ukraine von einer „bösen“ Nazi-Clique beherrscht wird(*1), die sie lieber heute als morgen abschütteln würde, und deshalb die russische Armee als Befreier betrachten würde.
Da hat aber der FSB sehr schlecht gearbeitet, wenn er dem Chef dieses Bild vermittelt hat. Und einiges an Wunschdenken dürfte hier auch unterwegs gewesen sein, aber auch die realsozialistische Erziehung, die immer von einer guten, aber verführten Bevölkerung ausging, einem klassenbwußten Proletariat, das von bösen Führern fehlgeleitet wurde und wird. Und natürlich, Verrätern und 5. Kolonnen im eigenen Land, die es zu vernichten gilt.
Bald zwei Monate und gewaltige Zerstörungen und viele Tote später dürfte sich herausgestellt haben, daß dieses Kriegsziel nicht zu erreichen sein wird, weil es auf falschen Voraussetzungen beruht hat.
Seither toben offenbar Kämpfe innerhalb des Kreml, was mit dieser „Spezialoperation“ eigentlich zustande kommen soll?
Die russische Führung muß sich nämlich darüber im Klaren sein, daß erobertes Gebiet so aussehen wird wie Mariupol, d.h. einiges an Wiederaufbau nötig sein wird, falls sich die russische Macht dauerhaft dort festsetzen wird.
Sie muß sich ebenfalls darüber im Klaren sein, daß alle Gebiete, aus denen es sich zurückzieht, von den ukrainischen Streitkräften einer Säuberung unterzogen wird, wo dortige Verräter und 5. Kolonnen ausfindig gemacht, und vertrieben oder liquidiert werden.
Man erinnere sich an die Jugoslawienkriege und die bis damals größte Vertreibungsaktion seit 1945, die 200.000 Vertriebenen aus der Krajna.
Alle Gebiete, die Rußland erobert und aus denen es sich nachher wieder zurückzieht, würden also weitere Flüchtlingswellen zur Folge haben. Bereits jetzt ist nach russischen Angaben mehr als eine halbe Million Menschen nach Rußland geflüchtet, oder mußte aus zerstörten Gebieten nach Rußland evakuiert werden.
Weiters muß sich die russische Führung in Betracht ziehen, daß der Westen nie die Eroberung von Odessa zulassen würde, weil dieser Hafen das einzige Ausfallstor für die inzwischen sehr beträchtliche landwirtschaftliche Produktion der Ukraine ist. Durch Land-Grabbing und Investitionen von europäischem Agrarkapital hat sich hier eine sehr profitable Geschäftsshäre entwickelt, die die ganze Welt mit Nahrungsmitteln versorgt. Odessa hat dadurch die Rolle zurückerhalten, die es in zaristischen Zeiten gespielt hat.
Da es eine mehrheitlich russisch bewohnte Stadt ist, ist im Falle eines Verbleibes bei der Ukraine mit einer Vertreibungswelle durch die ukrainischen Behörden zu rechnen.
Putin wäre also gut beraten, bei einer Neuformulierung seiner Kriegsziele die militärischen und ökonomischen Mittel Rußlands in Betracht zu ziehen.
Bevor aber keine Entscheidung gefallen ist, was Rußland dort erreichen will und auch erreichen kann, gibt es nichts, worüber es mit der ukrainischen Führung verhandeln könnte.
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(*1) Natürlich gab und gibt es viel Unzufriedenheit in der Ukraine wegen der Armut und des Elends, die dort teilweise herrscht (=> Leihmütter) und den korrupten Eliten, die sich schamlos die Taschen füllen.
Aber diesbezüglich ist ja die Lage in Rußland nicht so viel besser, daß die russischen Truppen deshalb als Retter begrüßt werden würden.
Ein Kriegsziel hat sich für Russland nicht geändert und das besteht darin nicht zuzulassen, das die Ukraine in irgend einer Form faktisch Teil der Nato wird. Die Ukraine soll nicht zur Aufmarschbasis der Nato gegen Russland hergerichtet werden.
"Unsere spezielle Militäroperation zielt darauf ab, der rücksichtslosen Expansion und dem rücksichtslosen Streben nach totaler Vorherrschaft der USA und der übrigen westlichen Länder auf der internationalen Bühne ein Ende zu setzen."
Es fragt sich nur, wie dieses Ziel erreicht werden soll? Von der Einnahme Kiews wurde ja bereits einmal abgesehen.
Das zweite war und ist der Schutz bzw. die Eroberung der Donbass-Republiken, was soviel heißt wie das gesamte Territorium dieser 2 Republiken zu erobern.
Die Belagerung von Kiew diente ja unter anderem dem Ziel, Teile der ukrainischen Armee zu binden, um den Donbass zu erobern, und das wurde inzwischen aufgegeben.
Wenn die Ukraine nicht "nur" den Donbass aufgeben muß, weil sich die russische Armee als stärker erweisen sollte, sondern wenn es Rußland gelingt, wirklich eine weitgehende Zerstörung aller ukrainischen Truppen zu erreiche, dann könnte die NATO vielleicht eine "nichtmilitarisierte" Westukraine akzeptieren, damit es überhaupt noch einen eigenen ukrainischen Staat für sie gibt. Andererseits ist selbst nach solch einem Sieg die Drohung, den ganzen Staat ansonsten dauerhaft militärisch zu besetzen, nicht gerade glaubwürdig angesichts der beschränkten Möglichkeiten Rußlands so eine Kontrolle überhaupt aufrecht erhalten zu können.
Auf MoA findet man dazu einen aktuellen und sehr erhellenden Beitrag mit vielen externen Links zu den Ursachen und Gefahren des Krieges.
https://www.moonofalabama.org/2022/04/sane-voices-explaining-the-reasons-for-and-dangers-behind-the-war-in-ukraine.html#more
Der im MoA-Artikel verlinkte Beitrag von Richard Falk ist mittlerweile in einer modifizierten Fassung auf seinen eigenen Blog zu lesen:
https://richardfalk.org/2022/04/
Putins Mann fürs Grobe scheint für die bisherigen offiziellen Sprachrohre (Lawrow, Peskow, Sacharowa) einzuspringen, um zu zeigen, wo es lang geht:
Kadyrow droht mit Einnahme Kiews
Putins "Fußsoldat" macht deutlich, dass Russland die ukrainische Hauptstadt nicht aufgegeben hat. Indes meldeten russische Medien die Eroberung des Hafens von Mariupol
Die Wortmeldung hat zu Beginn der neuen Woche, der achten seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, Besorgnis hervorgerufen: "Es wird eine Offensive geben nicht nur auf Mariupol, sondern auch auf andere Orte, Städte und Dörfer", sagte der Moskau-treue tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow in einem Telegram-Video. Erst werde man die Donbass-Gebiete Luhansk und Donezk "vollständig befreien", danach Kiew und alle anderen Städte einnehmen.
Dass sich die ukrainische Hauptstadt trotz des von Massakern wie jenem in Butscha begleiteten Rückzugs nach wie vor im Visier der russischen Truppen befindet, stellte Kadyrow, der selbsternannte "Fußsoldat" Wladimir Putins, danach klar: "Ich versichere Ihnen, dass wir keinen einzigen Schritt zurückgehen werden." Vorerst konzentriere man sich aber auf den Osten des riesigen Landes, wo sich die "Separatistenrepubliken" Donezk und Luhansk befinden, deren "Befreiung" zu Beginn Putins offizielles Kriegsziel darstellte.
Gefahr auch für Westukraine
Kadyrows Drohung deckt sich mit der Einschätzung seines größten Widersachers, des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj: "Die russischen Truppen werden zu noch größeren Operationen im Osten unseres Staates übergehen", sagte er in einer Videoansprache. Moskau habe zu diesem Zweck weitere Truppen aus Sibirien und dem Fernen Osten in die Region abkommandiert, erklärte auch der ukrainische Generalstab. Und auch im Westteil der Ukraine drohen neue Angriffe.
Dazu könnten die in der völkerrechtlich zu Moldau gehörenden, aber seit 1990 abtrünnigen Unruheregion Transnistrien stationierten russischen Truppen genutzt werden, hieß es am Montag in Kiew. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass die russischen Streitkräfte auf dem Gebiet der Region Transnistrien in der Republik Moldau Provokationen durchführen", teilte der ukrainische Generalstab mit. Dies würde den Druck auf die strategisch wichtige Hafenstadt Odessa zusätzlich erhöhen.
Am späten Sonntagabend meldete die Ukraine heftige Explosionen in der nordöstlichen Großstadt Charkiw und in der Hafenstadt Mykolajiw in der Nähe des Schwarzen Meeres. Bei einem Raketenangriff auf Mariupol wurden am Montag zwei humanitäre Helfer der Caritas International sowie eine schutzsuchende Person getötet, wie die NGO meldete. Nach Berichten russischer Nachrichtenagenturen haben pro-russische Separatisten den Hafen der seit Wochen umkämpften südukrainischen Stadt Mariupol erobert. (…)
https://www.derstandard.at/story/2000134854402/kadyrow-droht-mit-einnahme-kiews
Dnipro Airport bei Bombardierung komplett zerstört
Die russische Armee hat den Flughafen der ostukrainischen Stadt ein weiteres Mal bombardiert. Der Gouverneur der Region teilte bei Telegramm mit, er sei beim erneuten Bombardement dem Erdboden gleichgemacht worden. Der Dnipro Airport sei «vollständig» zerstört, so Valentin Reznitchenko.
https://www.aerotelegraph.com/dnipro-airport-bei-bombardierung-komplett-zerstoert
Laut El País vom 12.4. waren das Ziel des Angriffs neben dem Flughafen 4 Flugabwehr-Raketensysteme S-300 (sowjetische bzw. russische Produktion), die angeblich von der Slowakei an die Ukraine geliefert worden waren.
So ein Güterzug mit einer kompletten Batterie für S-300-Raketen braucht eine ganze Weile und hat eine ganz schön lange Strecke hinter sich zu bringen, um in Dnjepropetrowsk anzukommen. Und bei der ganzen langen Reise hat die russische Luftaufklärung das zwar ans Hauptquartier gemeldet, aber ein Eingreifen haben die nicht für nötig erachtet, erst am Flughafen der Stadt?
@Neoprene
Anscheinend.
Die Bombardierung von Zugstrecken ist ja nicht völlig ausgeschlossen, aber das wird offensichtlich noch aufgeschoben.
Ich erinnere nur daran, daß die ukrainischen Eisenbahnen, wie alle Nachfolgestaaten der SU, eine andere Spurbreite haben, und alles recht mühsam umgeladen werden muß. Es gibt nicht viele Bahnhöfe dafür. Außerdem vermute ich, daß Ungarn kein Kriegsmaterial durchläßt.
Einer der Gründe, warum Zugstrecken nicht bombardiert werden, scheint zu sein, daß Rußland möglichst viele Flüchtlinge nach Westeuropa schicken will, weil es sich gezeigt hat, daß die EU mit Flüchtlingen, hmmm, ein Problem hat.
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In Rußland selber schaut es für ukrainische Flüchtlinge übrigens nicht sehr gut aus. Gerade war in der KP ein ausführlicher Artikel über die bürokratischen Schikanen, die viele Leute in die Illegalität abdrängen.
Aus den Verlautbarungen der Militärführung geht hervor, daß sie einen Unterschied machen zwischen der ukrainischen Armee und der Nationalgarde.
Zur Erinnerung: Die Nationalgarde wurde erst nach der Unabhängigkeit gegründet, um eine wirklich ukrainische, der neuen Führung ergebene Truppe zu haben.
Außerdem fiel sie nicht unter die Bedingungen der ukrainischen Verfassung, nach der die Armee nur im Ausland eingesetzt werden dürfe, aber nicht gegen die eigene Bevölkerung.
Eine Zeitlang führte sie ein Aschenbrödeldasein, weil kein Geld da war.
Nach dem Majdan wurde sie groß aufgerüstet und in die Streitkräfte integriert. Die ganzen Neonazis stiegen über die Nationalgarde auch in die Armee auf. Es ist nicht so sicher, ob sich die Armee dermaßen von der Nationalgarde unterscheidet, aber in Rußland will man das jedenfalls so sehen.
Rußland gibt jedenfalls heute wieder einmal die völlige Vernichtung der Nationalgarde als eines der Kriegsziele an.
Die Einheiten der Armee, die sich in Mariupol ergeben haben, werden jedenfalls möglichst zuvorkommend behandelt, um diesen Unterschied auch der ukrainischen Seite vorzuführen.
Sie mußten sich angeblich ergeben, weil sie weder Munition noch Lebensmittel mehr hatten und von ihrem Oberkommando im Stich gelassen wurden.
Sie werden jetzt sicher bearbeitet, sich der russischen Armee anzuschließen, wo es ihnen doch viel besser gehen wird!
Rußland bemüht sich damit, in die ukrainische Verteidigung einen Keil zu treiben.
Die inzwischen angeblich mehr 14.000 ukrainischen Soldaten, die sich in Mariupol in der Iljitsch-Fabrik ergeben haben, stellten die russische Armee vor gewisse Probleme.
Erstens hatte niemand so eine große Anzahl von Soldaten, die sich ergeben, erwartet. Es brauchte bei den ersten 1000 Sldaten 15 Stunden, bis sie alle entwaffnet, registriert, gefüttert, die Verletzten in Feldspitäler oder Krankenhäuser gebracht und der Rest irgendwie in Fahrzeuge gesetzt und Richtung Rußland transportiert wurde.
Zweitens fragt sich jetzt: Was tun mit ihnen? Sie als Austausch für russische Kriegsgefangene anbieten? Das hätte erstens die Gefahr, daß sie wieder eingesetzt würden. Zweitens aber könnte ihnen auch von der ukrainischen Heeresführung oder den Nationalgardisten Böses drohen, da sie sich ja ergeben haben. An ihnen könnte also ein Exempel statuiert werden, was man mit Leuten macht, die sich den Russen ergeben.
Das heißt, man muß sie irgendwo unterbringen, neben den vielen Evakuierten aus dem relativ unbewohnbaren Mariupol, – von denen nach wie vor täglich 1000-1500 über Bezymennoje, wo eine provisorisches Transitlager errichtet wurde, nach Rußland gebracht werden.
Was die russischen Kriegsgefangenen betrifft, so befürchten das russische Militär und die russischen Medien das Schlimmste: Sie werden angeblich systematisch gefoltert und umgebracht.
Während der Hafen zwar immer noch umkämpft ist, aber bald in russischen Händen sein dürfte, ebenso wie die Iljitsch-Fabrik, so sieht es beim Azowstahl-Werk anders aus.
Dieses Werk wurde 1930 gebaut und seitdem immer erweitert. Es war eines der größten Eisen- und Stahlwerke der SU. In den 70-er Jahren wurde es auch für strategische Zwecke ausgebaut, mit ausgiebiger Unterkellerung und Katakomben. Die russischen Belagerer nennen es eine zweite Stadt innerhalb Mariupols. (Ähnliches war übrigens beim Flughafen von Donezk, der auch erst nach wochen-, ja monatelangen Kämpfen eingenommen werden konnte und völlig zerstört ist.)
Dort wurden offensichtlich bereits in den Monaten vor dem Krieg reichlich Lebensmittel und Munition eingelagert, man weiß nicht, bis wann die reichen.
Es gibt immer wieder Ausbruchsversuche, die von den Belagerern vereitelt wurden. Sie vermuten immer noch zwischen 1500 und 3000 Verteidiger im Inneren des Stahlkombinats. Stürmen kann man diesen Komplex praktisch nicht, das wäre zu verlustreich für die Angreifer. Also bleibt nur, sie auszuhungern.
Gleichzeitig werden von ukrainischer Seite immer wieder Versuche unternommen, aus der Luft oder vom Meer Leute zu evakuieren, – die bisher alle gescheitert sind.
Russland hat in den letzten Stunden die Städte Kiew, Lemberg und Charkow aus der Luft angegriffen. Es ist vielleicht eine Vergeltung für den Untergang des russischen Flaggschiffs Moskwa, aber auch eine Erinnerung daran, dass Putins Armee diese Städte aus der Ferne angreifen kann, obwohl sich seine Truppen aus dem Westen zurückgezogen haben.
Die russische Invasion konzentriert sich weiterhin auf die Ostukraine, in einem Feldzug, der langwierig sein könnte. Seine Truppen handeln hauptsächlich mit vier Zielen: von Izium auf Nord-Donezk vorzurücken; Sewerodonetsk, Rubiyne und Lisichansk im Gebiet Lugansk zu besetzen; Mariupol vollständig zu kontrollieren; und ihre Positionen bei Cherson zu verteidigen.
(El Pais, 17.4.)
Lawrow sagte, Russland habe keinen Regime-Change in der Ukraine vor
Die russischen Behörden beabsichtigen nicht, das Regime in der Ukraine nach Abschluss einer speziellen Militäroperation zu ändern, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow.
„Wir werden das Regime in der Ukraine nicht ändern – darüber haben wir schon oft gesprochen. Wir wollen, dass die Ukrainer selbst entscheiden, wie sie weiterleben wollen. Wir wollen, dass die Menschen freie Wahl haben“, sagte der Leiter des russischen Außenministeriums in einem Interview mit India Today.
So … nannte der frühere russische Präsident Wladimir Putin den Schutz der Einwohner der Volksrepubliken Donezk und Lugansk das Ziel einer Sonderoperation in der Ukraine. Seiner Meinung nach hatte Moskau keine andere Wahl, und die Spezialoperation sei der richtige Schritt.
(KP, 19.4.)
Also von der ursprünglichen Vorstellung der „Entnazifizierung und Demilitarisierung“ der Ukraine hat sich Rußland inzwischen verabschiedet.
Man wird sehen, was der „Schutz“ der Donbass-Republiken alles impliziert.
Derzeit läuft die Großoffensive zur Einkesselung der ukrainischen Streitkräfte im Donbass an. Zur Vernichtung gegnerischer Waffenbestände werden inzwischen nach russischen Angaben „Iskander“-Raketen eingesetzt.
Der Einsatz von Iskander-Raketen ist ja nicht neu:
4.März "Um Schlüsselziele zu treffen, hat das russische Militär auch Iskander-Raketen eingesetzt, die eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern haben und mit einem starken Sprengkopf ausgestattet sind, der große Gebäude und befestigte Einrichtungen zerstören kann."
Krieg in Osteuropa: Diese Waffen werden von Russland und der Ukraine eingesetzt (rnd.de)
"Entnazifizierung und Demilitarisierung" scheint zunehmend in eins zu fallen. Wenn die jetzige Offensive Erfolg hat, dann werden die wichtigsten Asow-Einheiten genauso zerschlagen sein, wie die anderen großen Kampfverbände der Ukraine, beim Kampf um das Stahlwerk in Mariupol geht es auch um die letzten Reste des dortigen Azow-Regiments.
Warnungen des Kremls über eine formelle Kriegserklärung
Russlands Katastrophale Eskalationslogik in der Ukraine
Von der Offensive im Donbass, der drohenden Kriegserklärung und dem Untergang der „Moskau“: Verfangen in einer Eskalationsspirale, taumeln Russland und der Westen in die Katastrophe.
Die „Moskau“ war das Flaggschiff und der Stolz der russischen Schwarzmeerflotte. Nun liegt der 1979 in Dienst gestellte sowjetische Raketenkreuzer, der erst 2021 eine umfassende Modernisierung erfahren hat, auf dem Grund des Schwarzen Meeres. Während Moskau von einem ausser Kontrolle geratenen Feuer an Bord des Schiffes sprach, das beim Abschleppen in einen Sturm geraten und gesunken sein soll, meldete Kiew schon Stunden zuvor, dass die „Moskau“ von einer landgestützten ukrainischen Schiffsabwehrrakete getroffen worden sei.
Da das russische Flaggschiff über ein Luftabwehrsystem verfügte, das eigentlich mehrere solcher Ziele zugleich bekämpfen kann, muss ein erfolgreicher ukrainischer Angriff entweder auf ein unglaublich scheinendes Versagen der russischen Marine oder auf handfeste Unterstützung seitens der Nato (etwa durch satellitengestützte Echtzeitortung) zurückgeführt werden. Inzwischen mehren sich überdies Hinweise über eine nukleare Bestückung des Schiffs bei seinem Untergang: Die „Moskau“ könnte mehrere Atomsprengköpfe auf den Boden des Schwarzen Meeres mitgenommen haben.*1
Der Verlust der „Moskau“ stellt für den Kreml – nach dem Rückzug aus der Region Kiew und der Nordukraine – ein abermaliges militärisches Desaster dar, das zu einer substanziellen Schwächung der Schwarzmeerflotte und zu einem ungeheuren Prestigeverlust Russlands als einer militärischen Grossmacht führt (Die russische Marine verlor zuletzt ein Flaggschiff während des russisch-japanischen Krieges, also in der Spätphase des morschen zaristischen Russland – zumindest in dieser Hinsicht kommt Putin seinem imperialen Ideal schon sehr nahe). Das russische Flaggschiff diente vor allem als eine schwimmende Luftabwehrbatterie, sodass nun mögliche Landungen russischer Marineinfanterie an der ukrainischen Küste, etwa um Odessa herum, unwahrscheinlicher geworden sind. Hinzu kommt die starke Wirkung dieses Verlusts auf die russische Öffentlichkeit und die ohnehin angeschlagene Moral der Truppen in der Ukraine.
Für einen erfolgreichen ukrainisch-westlichen Angriff auf die „Moskau“ sprechen auch die Reaktionen der russischen Armee: Die übrigen russischen Schiffe wurden von der ukrainischen Küste abgezogen,*2 eine verschärfte Bombardierung der Ukraine setzte ein,*3 Moskau kündigte verstärkte Raketenangriffe auf Kiew an, während der Kremlsprecher Dimitri Peskow Kiew warnte, dass Russland sich bei weiteren „Provokationen“ genötigt sehen könnte, der Ukraine den Krieg zu erklären (ukrainische Truppen haben zuletzt etliche grenznahe Ziele in Russland angreifen können).*4 Zudem warnte der Kreml die USA und die EU vor „unvorhersehbaren Konsequenzen“, sollten die westlichen Waffenlieferungen in die Ukraine nicht bald eingestellt werden.
Putin findet sich somit in der selben Lage wieder, wie nach dem Scheitern seines „Blitzkrieges“ in der ersten Woche der russischen Invasion, die bislang einer Aneinanderreihung militärischer Desaster und Katastrophen Russlands gleichkommt. Damals scheiterten die Vorstösse russischer Einheiten in ukrainische Städte wie Kiew und Charkow, was Moskau in einem Eskalationsschritt dazu veranlasste, zum Einsatz schwerer Waffen überzugehen. Entweder reagiert Moskau auf das aktuelle Desaster mit einer Eskalation, oder der Kreml fügt sich in die Niederlage und sucht einen Weg aus dem Krieg. Doch die letzte Option scheint für Putin kaum noch praktikabel, ohne den Machtverlust zu riskieren. Je weiter der Krieg, der faktisch einer Abfolge von Eskalationsschritten gleicht, vorangeschritten ist, desto grösser ist der politische Einsatz, der auf dem Spiel steht. Russlands Armee hat enorme Verluste an Mensch und Material hingenommen, sodass ein blosses „Einfrieren“ des Konflikts, oder gar ein weiterer partieller Rückzug aus der Ukraine einer niederschmetternden Niederlage gleichkäme, die das Überleben der putinischen Machtvertikale und selbst der Russischen Föderation infrage stellte.
Moskau kann nicht mehr zurück aus der Logik der militärischen Eskalation, ohne zuvor zumindest die ohnehin zurückgeschraubten Ziele erreicht zu haben (Kontrolle über den Donbass und Teile der Südukraine). Zugleich scheint bislang die russische Armee ausserstande, dem Kreml irgendetwas liefern zu können, was der russischen Öffentlichkeit als ein Sieg verkauft werden könnte. Dieser Abgrund zwischen dem imperialen, sich immer stärker auf das zaristische Russland berufenden Anspruch, und der morschen Wirklichkeit einer ineffizienten, von Korruption und Misswirtschaft geplagten Armee (die laut ursprünglicher Einschätzung westlicher Experten den Konflikt binnen weniger Tage für sich entscheiden sollte*5), bringt nicht nur den im Kreml herrschenden Grössenwahn zum Vorschein, er ist auch der grösste Risikofaktor in diesem Krieg.
Denn für Putin gibt es bislang keine Rückzugsoption, die ihm einem Weg aus dem Krieg weisen würde*6 – und der Westen scheint ihm keine liefern zu können oder zu wollen, da er selber in dieser ukrainischen Eskalationsspirale verfangen ist. Für die USA und die EU steht nicht nur die Integrationskraft der im Kriegsverlauf reanimierten Nato auf dem Spiel, sie können nun darauf spekulieren, Moskau eine strategische Niederlage zuzufügen, welche die Regentschaft Putins, oder gar die Existenz der Russischen Föderation in ihrer derzeitigen Form beenden würde. Beide Seiten spekulieren gewissermassen auf die Desintegration des Gegners, was ja nur auf den fragilen Charakter spätkapitalistischer Staaten verweist: Russland will die Ukraine in „Volksrepubliken“ zerfallen lassen, um diese dann zu absorbieren, während im Westen längst offen über den Zusammenbruch Russlands spekuliert wird.*7
Überdies muss auch der Westen einen hohen Preis für den Krieg zahlen: es ist ein ökonomischer Preis, da der Krieg als Krisenbeschleuniger fungiert und sich in der anstehenden Rezession und der sich beschleunigenden Inflation manifestiert.*8 In a nutshell: Da der Einsatz in diesem Krieg beständig erhöht wurde, droht beiden Seiten im Fall einer Niederlage ein katastrophaler Fallout, während ein Sieg einen grossen Machtzuwachs mit sich brächte. Sollte etwa Russland substanzielle Geländegewinne verzeichnen, würde die Nato massiv geschwächt.
Die Eskalationsspirale dürfte sich somit weiterdrehen. Und hier stehen Moskau – solange der Konflikt nicht in einen nuklearen Schlagabtausch übergeht – letztendlich die längeren Hebel zur Verfügung. Zum einen könnte Russland tatsächlich dazu übergehen, sein Militär ohne jedwede Rücksichtnahme entlang militärischer Logik agieren zu lassen. Bislang hat der Kreml nicht das ganze konventionelle Potenzial seiner Militärmaschinerie in der Ukraine zur Anwendung gebracht, was auch das linksliberale deutsche Gerede von einem russischen „Vernichtungskrieg“ in der Ukraine als opportunistischen Bellizismus und Geschichtsrevisionismus demaskiert, der den tatsächlichen Vernichtungskrieg der Nazis im Osten in einem milderen Licht erscheinen lässt.*9
Russlands Militärmaschinerie agiert derzeit gewissermassen mit angezogener Handbremse, wie US-Militärs gegenüber dem Wochenmagazin Newsweek Ende März erläuterten.*10 Demnach lasse Putin bislang seine Armee nicht ihr volles Zerstörungspotenzial entfalten – trotz aller sichtbaren „massiven Schäden“. Kiew etwa sei bislang „kaum getroffen“ worden, zudem würden zumeist militärische Ziele bombardiert. Die gesamte strategische Bomberflotte, die die Ukraine „verwüsten“ könnte, sei kaum im Einsatz. Folglich zeige Russlands Militär bislang „Zurückhaltung“ bei seiner Bombenkampagne, da trotz aller „beispiellosen Zerstörung“ im Osten und Süden die zivilen Opfer sehr viel höher ausfallen könnten. Moskau habe bislang vor allem davon Abstand genommen, der nackten militärischen Logik folgend die Infrastruktur der Ukraine zu zerstören.
Bevor man also den Konflikt propagandistisch weiter anstachelt, indem unter Aufbietung akademischer Phrasen ein „russischer Vernichtungskrieg“ in der Ukraine konstruiert wird, sollte eventuell der simple Umstand reflektiert werden, dass Millionen ukrainischer Flüchtlinge über ein funktionierendes Schienennetz flüchten konnten und in weiten Teilen der Ukraine immer noch das Licht brennt. Es gab bislang laut US-Experten keinen „methodischen Angriff“ Russlands auf Brücken und Transportwege, was nicht nur Fluchtbewegungen ermöglicht, sondern auch der ukrainischen Armee die Versorgung und Truppenverlegungen erleichtert.
(…)
https://www.untergrund-blättle.ch/politik/europa/ukraine-russland-eskalationslogik-6997.html
Is the Russian Military a Paper Tiger?
At a critical juncture in the war in Ukraine, logistical miscalculations and poor planning have revealed key weaknesses in Putin’s armed forces.
This week, the Russian Foreign Minister, Sergey Lavrov, announced the onset of what he called a new phase in his country’s war on Ukraine, which appears to consist of a focus on Ukraine’s east and a more gradual speed of attack than that of the failed strikes of late February and early March. Lavrov cast this tactical shift as a natural outgrowth of Russia’s so-called special military operation, but it has only highlighted the country’s previous miscalculations. To better understand what went wrong with the Russian approach, I called Joel Rayburn, a retired Army colonel and former U.S. special envoy for Syria, who is now a fellow at New America, a think tank in Washington, D.C. During our conversation, which has been edited for length and clarity, we discussed what Rayburn learned about the Russian military from his involvement in Syria policy, the biggest mistakes the Russians have made in Ukraine, and whether the failures stem from poor decision-making or corruption.
Do you have an overarching theory for why the Russian military has seemingly underperformed in Ukraine?
They have a lot of systemic and institutional weaknesses that had been masked because they had not operated on this scale in a really visible way, at least not for quite a while. You’d have to go back to their invasion of Georgia, in 2008, to find something approaching the scale that they’re operating at now. And that one didn’t go well. They were showing the same kind of problems back then: this disunity of command; logistical weaknesses; poorly trained, poorly motivated, poorly led troops; very poor quality of officer corps; very poor quality of campaign design and ability to plan. They also have very poor integration within and among the armed services, including the synchronization of air and ground operations.
They didn’t do any of that well in Georgia, and they’ve embarked on what was supposed to be a reform program, which in the last several years has been spearheaded by General [Valery] Gerasimov and Defense Minister [Sergey] Shoigu. And they were supposed to have reorganized the army and to have overcome relevant shortcomings. While this reform program was going on, they carried out operations in Syria. They also had operations in Libya and in the Caucasus. And they looked kind of effective in doing that. But, in retrospect, we can see that those were very small operations. They never had to rotate into Syria more than a few thousand troops of any kind at a time. And so it looked like they were able to carry off the kind of logistics, resupply, and planning and integration of air and ground operations that you need to have at that scale in Syria. But then when they had to scale it up to an operation that was, let’s say, forty times the size, then all of these weaknesses came out and they’ve been pretty shocking.
I think, over all, the campaign design was flawed from the start. It was an invasion force that was too small for the task, just in straight numbers—in the numbers of combat units, combat formations they were able to put on the battlefield. That task was essentially to dismember Ukraine and change the regime in Kyiv, and the force was too small for that purpose.
But then they didn’t have sufficient logistics in place to support even that force. Their capacity was such that they could not support a force that was penetrating into enemy territory and had to bring its own logistics with it: ammo resupply, food and water, fuel, parts, replacement troops, all of that.
Do you have a sense of whether that failure was because they just don’t have the ability to do it or that there was a misjudgment about what would be needed?
They made misjudgments, but also just institutionally they don’t have the capacity. What we can now see is that they simply do not have the institutional capacity to support offensive operations deep into enemy territory and aren’t able to give units supply and combat support of all kinds: artillery support, air support, air-defense support. With an already weak logistics base, it was an enormous mistake for them to chop their main offensive into four major axes that were widely geographically dispersed. They don’t have enough trucks. They don’t really have expeditionary logistics. So they were going to need to resupply from logistics bases. They don’t have logistics bases in Ukraine—Ukraine’s a country that they’re invading. So they had to rely on logistics bases that are in Russia and Belarus, and then transport everything forward—what they would do in World War One, they would hope to have railroads and railheads where you can just put everything on a train and send it to your forward operating area.
And they don’t have that. They don’t have usable rail lines that go into Ukraine, so they put everything on trucks. They don’t have enough trucks in their entire military to be trucking all the time. And then, obviously, the Ukrainians destroyed or disabled their trucks. So they did not have the ability to keep sending the supplies that the forward units need to stay alive.
What else do you think should be stressed here besides logistics?
There are the qualitative aspects—which is that before you go past logistics and campaign design, you have to ask, “What kind of general staff do you have that designs a campaign like that?” It has to be a general staff that really does not know what it’s doing, that has never had to do this kind of thing before, and really doesn’t know how to do it. So that raises some red flags. But then you get into the qualitative aspects of the force. They were driving trucks into Ukraine that were breaking down because they were old, because there had been slipshod maintenance or no maintenance done on these vehicles and they were being operated by troops that didn’t know how to operate and maintain them. That’s why so many of these vehicles were breaking down and being left by the side of the road. That tells you all kinds of things. It tells you, for example, that they had units that were not doing maintenance properly, probably for years or ever. And they weren’t training their soldiers on how to be mechanics and repair stuff on the spot. They didn’t have combat-ready maintenance units that are able to get disabled vehicles running again, or recovered and evacuated from the front lines to be taken back someplace where they can be repaired—or just off the road so that their convoys can continue.
We were seeing photos and videos of trucks that are disabled by the side of the road, seemingly nothing wrong with them, but you can see that they’re leaking fluids out of their wheel wells or that their engines have failed. That means those trucks were probably just sitting there for months or years, without anyone turning on the engine, without anyone replacing the gaskets. Think about heavy vehicles and all the suspension systems, hydraulic systems, and so on. In the mid-nineties, I was in an armored unit in Germany in the U.S. Army, where we had a five-day workweek and four of the days we had to be in the motor pool, maintaining our vehicles, because they were just that maintenance-intensive.
Then there’s the kind of equipment that’s showing up on the battlefield. The Russians are exporting T-90 tanks and marketing Armata tanks, supposedly the latest generation with all the bells and whistles. And then they’re showing up on the battlefield in the axis of advance toward Kharkiv and Chernihiv and Kyiv with Cold War-era, non-modernized, armored combat vehicles—both infantry vehicles and tanks. And it’s like they took these things out of mothballs. So it seems that Russia’s military industry was geared toward export instead of equipping its own ground forces with modern equipment.
Could the Russian military say, in its defense, that the military-modernization project was done with a different kind of war in mind than the one in Ukraine? Or do you see the failure being broader than that?
I think it’s broader than that. It seems like one of the priorities for their modernization project was the air-defense systems, and also their precision-guided munitions—both aircraft-borne and surface-to-surface missiles—and ballistic missiles. But those all failed. You have Turkish-made U.A.V.s flying over the Russian air-defense systems and zapping them from the air—that’s not supposed to be happening. So I don’t really buy it. Even the quality of the things that did get modernized seems like smoke and mirrors. I find it hard to swallow that they’ve been spending fifty billion, sixty billion, seventy billion dollars a year on modernizing these forces, and, after almost fifteen years of that, they didn’t get around to modernizing their T-72 tank fleet or retiring it. I think the most logical conclusion is that a large portion of that budget was evaporated in corruption.
(…)
https://www.newyorker.com/news/q-and-a/is-the-russian-military-a-paper-tiger
Bundesregierung erlaubt Panzerlieferung Stand: 26.04.2022 10:30 Uhr
"Doch würden Nato-Staaten mit Waffenlieferungen «Öl ins Feuer gießen.» Diese seien für Russland ein «legitimes Ziel»."
Und werden sie nun angegriffen oder dürfen die immer noch bis zur Front rollen? Dazu sagt er bezeichnenderweise nichts.
@Neoprene
Langsam bezweifle ich die Fähigkeit Rußlands, diese Lieferungen zu unterbinden.
Der Verlust der „Moskva“ war diesbezüglich ein herber Rückschlag.
@neoprene: Ich verstehe das so, dass das die Ankündigung ist, solche Waffentransporte anzugreifen und die Waffen zu zerstören. Etwa: Wundert euch nicht, wenn wir diese Waffen vernichten. Das könnte sogar heißen, dass sie nicht erst in der Ukraine vernichtet werden.
Es könnte auch eine Strategie der russischen Armee sein, sie zu erbeuten, um ihre ausgedünnten Bestände, vor allem bei Panzern, aufzufüllen.
Ich nehme das deswegen an, weil die russischen Zeitungen immer sehr erfreut über erbeutetes Kriegsgerät schreiben.
Die Erbeutungstheorie halte für unwahrscheinlich, denn man kämpft nicht um Waffen zu erbeuten, sondern um den Feind zu vernichten. Nach der Vernichtung kann es dann sein, dass dem Sieger die Waffen des Feindes in die Hände fallen. Wenn der Feind die Waffen erstmal hat, müsste man ihn sowieso besiegen, um an selbige zu kommen.
Die Tickermeldungen der Tagesschau sind heute interessant:
Spannungen in Region MoldauRussische Äußerungen sorgen für Unruhe
Stürmen will Russland das Stahlwerk nicht. Das Bombardieren, wurde jedoch nicht ausgeschlossen.
Wie jetzt? Deutschland hat keine eigene Munition für seine Panzer? Wieso kann die Schweiz die "Weitergabe" von Munition verbieten? Wurde die nicht gekauft? Wieso hat die Schweiz ein Veto weil die Munition in der Schweiz hergestellt wurde? (erinnert mich ein wenig an das Schwert von Griffindor aus Harry Potter, letzter Teil)
LOL. Leck mich am Arsch – ist das jetzt Sarkasmus oder Ironie? Da kann es ja mit der Souveränität nicht so weit her sein, wenn die größte Supermacht der Welt so betont die Souveränität Deutschlands respektiert. Oder will Austin sagen: Mutig, mutig. Aber wenn ihr euch eine Atombombe oder sonst eine russische Reaktion einhandelt, dann beklagt euch nicht bei uns. Dafür seid ihr dann selbst verantwortlich.
@Kehrer
Also diese Brücke ist hier:
Offenbar kam auf der jede Menge Material über Rumänien. Jetzt, wie man sieht, bleibt nur mehr die Route über die Grenzstation Palanca.
Schweizer Veto:
Schweiz verbietet Lieferungen in Konfliktgebiete
Grund ist die Gesetzesgrundlage: Das Schweizer Gesetz verbietet die Ausfuhr von Kriegsmaterial, wenn das Empfängerland in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist. «Aufgrund der Dauer und der Intensität der Kampfhandlungen zwischen Russland und der Ukraine liegt bei beiden Ländern eine solche Verwicklung in einen internationalen bewaffneten Konflikt vor», heisst es beim Seco. Folglich seien Kriegsmaterialausfuhren in beide Länder «von Gesetzes wegen zwingend abzulehnen».
Der Bund verlangt von anderen Staaten eine sogenannte Nichtwiederausfuhr-Erklärung, wenn sie Kriegsmaterial von der Schweiz beziehen. Dabei verpflichten sich diese, das aus der Schweiz importierte Kriegsmaterial nicht ohne das vorherige Einverständnis der Schweiz weiterzugeben.
Sicherheitspolitiker verteidigen Gesetzgebung
«Es ist absolut richtig, dass sich das Seco hier an die geltende und nach wie vor angebrachte Gesetzgebung hält», sagt die Luzerner Mitte-Ständerätin und Sicherheitspolitikerin Andrea Gmür-Schönenberger. Auch Ratskollege und SVP-Politiker Werner Salzmann sieht keinen Anlass, das geltende Recht anzupassen: «Insbesondere aus neutralitätsrechtlicher Sicht ist es wichtig, dass kein Kriegsmaterial aus der Schweiz von Abnehmerstaaten an Kriegsländer weitergegeben wird», so der Berner.
https://www.tagblatt.ch/news-service/inland-schweiz/waffenlieferung-veto-des-bundes-schweiz-verbietet-deutsche-waffenlieferung-in-die-ukraine-ld.2279771
Rund um dieses Azovstahlwerk gibt es inzwischen ein ziemliches Verwirrspiel.
Die russische Seite hört die Funksprüche ab, die die Belagerten nach draußen schicken. Daran merken sie offenbar, daß die dort schon ziemlich satt auf die ukrainische Führung sind. Vielleicht hoffen sie auch auf Spannungen und Kämpfe unter den Belagerten.
Bei den Belagerern scheint es inzwischen mehrere Fraktionen zu geben. Die eine, vor allem die Tschetschenen, sagen: Plattmachen! Aber mindest eine andere meint, man könnte die Eingeschlossenen vielleicht doch noch zum Aufgeben bewegen.
Immerhin könnte man von diesen Leuten, sofern man sie lebend in die Hände kriegt, wichtige Informationen erhalten; man könnte die Ausländer austauschen oder zu Propagandazwecken einsetzen, usw.
Ah, danke. Da wage ich mal den Schluss, dass diese Nichtwiederausfuhr-Erklärung in der Vergangenheit unterschrieben wurde, weil mit einer Wiederausfuhr nicht gerechnet wurde.
Alles nicht so einfach:
Über „Azovstahl“ gibt es jetzt folgende Nachrichten:
Das Werk erwirtschaftete rund 10% der Exporteinnahmen der Ukraine, sein Stahl war für Schiffbau und Bohrplattformen qualifiziert, und von den Versicherungen anerkannt. Nur 4 Stahlwerke der Welt erhielten diese Qualifikation.
Alles eine Leistung der Sowjetmacht, wie der Journalist bitter vermerkt.
Das Bombardement wurde auf Befehl Putins selbst gestoppt, weil das Werk für den Wiederaufbau von Mariupol wichtig ist. Es muß nachher wieder in Betrieb genommen werden.
Die Belagerer meinen, lange dauert es nicht mehr, bis die Belagerten dort aufgeben.
(KP, 27.4.)
Beim Azovstahlwerk in Mariupol herrscht inzwischen eine Art Folklore, die auch medial weiterverbreitet wird. Bei den Belagerern war kürzlich eine russische Sängerin und hat vor Soldaten ein Konzert gegeben.
Die Belagerten haben dank Elon Musks Großzügigkeit Internet via Satellit und können Filmchen aus dem Bunker schicken.
Früher oder später werden sie aufgeben, meint ein russischer Kommandant recht abgeklärt.
Transnistrien: Nächstes Ziel in Putins Krieg oder doch nur Ablenkungsmanöver?
Mit ihrer abtrünnigen Region droht die Republik Moldau als nächster europäischer Staat in den russischen Angriffskrieg hineingezogen zu werden
In den vergangenen Tagen rückte der De-facto-Staat Transnistrien zusehends in den Fokus des Ukraine-Konflikts. Im schmalen Landstrich, der offiziell zur Republik Moldau gehört, kam es zuletzt zu Explosionen, für die die Konfliktparteien unterschiedliche Erklärungsansätze haben. Was ist da los?
Frage: Wo liegt eigentlich Transnistrien, und was ist das für eine Region?
Antwort: Transnistrien hat alle Merkmale eines klassischen Staates: Flagge, Hymne, Regierung, Währung, Verwaltung und sogar ein definiertes Territorium, auf dem es all das ¬zelebriert. Letzteres ist aber sehr umstritten, weil es 1992 in einem kurzen, blutigen Unabhängigkeitskrieg von der damals frisch geborenen Republik Moldau losgerissen wurde. Rechtlich gehört das Staatsgebiet also zur Ex-Sowjetrepublik Moldau im Osten Europas. De facto ist der schmale Streifen Land zwischen dem Fluss Dnister und der ukrainischen Süd-West-Grenze aber bereits seit drei Jahrzehnten losgeeist vom Einfluss der moldauischen Hauptstadt Chișinău. International anerkannt wird Transnistrien dennoch von niemandem.
Frage: Nicht einmal von Russland?
Antwort: Nein, auch die historische Schutzmacht Russland, ohne die Transnistrien wirtschaftlich nicht überlebensfähig wäre, hat es bisher nie offiziell anerkannt. Moskau soll den "eingefrorenen Konflikt" in der Region auch deshalb einer vollwertigen Anerkennung immer vorgezogen haben, weil man sich dadurch einen Hebel behält. So kontrolliert man nicht nur Transnistrien, sondern kann auch Druck auf Moldau ausüben, das formal neutral ist, aber seit geraumer Zeit immer mehr in Richtung EU schielt. Zuletzt intensivierten sich aber Sorgen, dass Transnistrien das Schicksal von Luhansk oder Donezk ereilen könnte.
Frage: Was würde das bedeuten?
Antwort: Die jüngere Geschichte hat der Welt zwei "russische Modelle" in Russlands "nahen Ausland" aufgezeigt. In Ersterem folgen auf die offizielle Anerkennung Russlands als eigenständige Republik Referenden, in denen die Eingliederung in die Russische Föderation formal gefordert wird. Bereits 2006 sprachen sich 97,1 Prozent bei einem international nicht anerkannten Referendum in Transnistrien für solch einen Anschluss aus. Die moldauische Präsidentin Maia Sandu lehnt die Abspaltung aber strikt ab und fordert stattdessen den Abzug russischer Truppen und plädiert für eine OSZE-Mission, was Russland ablehnt. Moskau nimmt aber oft auch den direkteren, militärischen Weg und marschiert unter dem Vorwand einer Unterdrückung oder Gefährdung der prorussischen Bevölkerung ein. Transnistrien wird zu je rund einem Drittel von moldauischen, ukrainischen und russischen Bevölkerungsgruppen bewohnt, Russisch ist aber die dominante, allgegenwärtige Sprache.
Frage: Was haben die Explosionen der letzten Tage damit zu tun?
Antwort: Noch ist unklar, wer für die Anschläge auf Funkmasten russischer Propagandaradiosender verantwortlich ist. Von ukrainischen Saboteuren, russischen Soldaten, die unter falscher Flagge eine Gefährdungslage provozieren wollen, bis Terroristen und russischen Kriegsgegnern wurde bereits vieles ins Spiel gebracht. Alles könnte letzten Endes dazu dienen, Moskau eine Rechtfertigung zu liefern, die Lokalbevölkerung zu "schützen".
Frage: In Transnistrien aber sind doch bereits russische Truppen stationiert.
Antwort: Genau. Seit dem Unabhängigkeitskrieg befinden sich permanent zwischen 1.500 und 2.000 russische Soldaten in Transnistrien. Rund ein Drittel von ihnen kümmert sich gemeinsam mit Moldau und Transnistrien um die Einhaltung des Waffenstillstands. Bei knapp 850.000 russischen Soldaten insgesamt machen sie freilich nur einen kleinen Anteil der russischen Armee aus. Im Konfliktfall würden sich aber wohl die rund 3000, prorussischen, transnistrischen Soldaten auf die Seite Moskaus stellen. Mehrere Tausend Reservisten aus dem 375.000 Menschen zählenden De-facto-Staat könnten außerdem aktiviert werden.
Frage: Aber wenn russische Truppen ohnehin schon in Transnistrien sind und Moskau das "Land" sowieso kontrolliert: Was will Moskau dann im aktuellen Konflikt noch erreichen?
Antwort: Militärexperten zufolge könnte Transnistrien als westliche Flanke in einem russischen Zangenangriff auf die wichtige südukrainische Hafenstadt Odessa fungieren. Der Vize-Kommandeur des zentralen russischen Wehrbezirks, Rustam Minnekajew, hat vergangenen Freitag auch angekündigt, dass "ein Korridor nach Transnistrien" Teil einer "zweite Phase" des Krieges sein könnte. Wichtige Brücken rund um Odessa wurden bereits beschädigt oder gesprengt, sodass der westliche Teil der Region Odessa nur noch über Moldau auf dem Landweg zu erreichen ist. Odessa von zwei Seiten zu verteidigen wäre für die ukrainischen Territorialverteidigungskräfte ungleich schwerer. Der Plan wäre also wohl, die wenigen Dutzend Kilometer von Transnistrien zum Schwarzen Meer zu schließen und dann weiter in Richtung Osten vorzustoßen. Der Osteuropa-Experte Marcel Röthig sieht für solch ein Manöver aktuell aber kaum Erfolgschancen. Eine Eskalation in Transnistrien könnte laut Röthig maximal dazu dienen, ein "Strohfeuer" zu entfachen, das ukrainische Kräfte im Westen bindet. Pikant ist Transnistrien aber auch, weil bei Kolbasna – nur zwei Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt – mit 20.000 Tonnen Kriegsmaterial aus Sowjetzeiten eines der größten Munitionsdepots Europas liegt. Auch die Ukraine könnte ein Interesse daran haben, würde mit einem Einmarsch rein rechtlich aber die territoriale Integrität Moldaus verletzen, was als unwahrscheinlich gilt. Laut transnistrischem Innenministerium soll es zuletzt von der Ukraine beschossen worden sein, und auch Drohnen will man über Kolbasna gesichtet haben.
https://www.derstandard.at/story/2000135287395/transnistrien-das-naechste-ziel-in-putins-krieg-oder-doch-nur
Die Truppen in Transnistrien arbeiten sicherlich mit der russischen Armee zusammen, und sind wichtiger denn je, seit die „Moskva“ abgeschossen wurde. Die sind natürlich im Visier der ukrainischen Streitkräfte und der NATO.
Mehr als 8,5 Tausend Einwohner der DVR und LVR haben am vergangenen Tag die russische Grenze in der Region Rostow überschritten, berichtete der Pressedienst der Grenzdirektion des Föderalen Sicherheitsdienstes der Russischen Föderation für die Region.
(…)
Im Laufe des Tages feuerte die SU mehr als 50 schwere Granaten auf die LPR ab, 2 Zivilisten wurden getötet, 2 verletzt, teilte die Repräsentanz der Republik im Gemeinsamen Zentrum für Kontrolle und Koordinierung des Waffenstillstands mit.
(KP, 3.5.)
Diese flüchtenden Leute scheinen nicht sehr überzeugt von der russischen Kriegsführung zu sein.
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Kiew: Russland soll bald Kriegszustand ausrufen
In der Ukraine gibt es Sorge vor einer deutlichen Ausweitung russischer Angriffe in den kommenden Wochen. Mehrere ukrainische Medien griffen am Dienstag einen Bericht des US-Senders CNN auf. Darin geht es um Spekulationen, dass Kremlchef Wladimir Putin bereits in wenigen Tagen in Russland den Kriegszustand verhängen und eine Generalmobilmachung anordnen könnte. Die Kämpfe im Osten und Süden der Ukraine gehen indes unvermindert weiter.
Auch der Chef der ukrainischen Militäraufklärung, Kyrylo Budanow, sprach von russischen Vorbereitungen auf eine offene Mobilisierung von Soldaten und Reservisten. Belege dafür gibt es nicht. Bisher spricht Russland offiziell nur von einer “Spezial-Operation” in der Ukraine.
Der Kreml reagierte auf die jüngsten Gerüchte zunächst nicht. In den ersten Wochen nach dem Angriff auf das Nachbarland hatte Moskau betont, dass eine Generalmobilmachung nicht geplant sei. Selbst für den Fall einer solchen Anordnung wäre das Ausmaß allerdings völlig unklar.
Nun blicken viele Menschen mit Spannung auf Putins Rede zur traditionellen Militärparade am 9. Mai in Moskau, mit der Russland jedes Jahr an den Sieg über Hitler-Deutschland 1945 erinnert. Viele Experten gingen ursprünglich davon aus, dass der Kremlchef an dem Tag Erfolge in der Ukraine feiern wollte. Deren angebliche “Entnazifizierung” nennt er als Ziel des russischen Militäreinsatzes.
(Standard, 3.5.)
Die Nachrichten zu Mariupol könnten widersprüchlicher nicht sein:
Während das El País behauptet, die Azovstahl-Fabrik würde bombardiert und ein unscharfes Foto präsentiert, das angeblich gestern im Fernsehen der Volksrepubliken gesendet worden ist, schreibt die KP, daß inzwischen die Belagerer Essen gegen Zivilisten austauschen wollen: 15 Geiseln = eine Tonne Lebensmittel.
Die Zivilisten im Werk sind, das hat sich jetzt herausgestellt, erstens die Arbeiter der letzten Schicht, die dort festgehalten wurden, um als Kundige des Werkes den ukrainischen Truppen Informationen zu geben.
Zweitens scheinen auch ganze Familien dort untergekommen zu sein, inwiefern freiwillig oder absichtlich, ist noch nicht klar.
Aus den Nachrichten der letzten Tage entnehme ich, daß die russische Armee und auch zivile Verwaltung vor allem bemüht sind, dasjenige Territorium, das sie eingenommen haben, zu verwalten, um vollendete Tatsachen zu schaffen.
Es wird also die örtliche Verwaltung ausgetauscht, der Rubel eingeführt, die Auszahlung von Pensionen übernommen, man bemüht sich, Schutt wegzuräumen, den Bauern Treibstoff zu verschaffen, usw usf.
Die eigentliche kriegerische Tätigkeit scheint derzeit in den Hintergrund getreten zu sein.
Zu dem Azovstahl-Werk: Ungefähr 1000 Leute haben sich ergeben, noch einmal so viele sollen noch drin sein.
In den westlichen Medien ist eine gewisse Enttäuschung zu bemerken, daß sich so viele ukrainische Soldaten ergeben. Lieber wäre es ihnen offenbar, sie würden heldenhaft zugrunde gehen.
Man fragt sich, was der Grund für die Aufgabe ist. Der Befehl kam angeblich aus Kiew. Irgendetwas muß da mit Rußland ausgehandelt worden sein. Möglicherweise der Abzug aus Charkow und Umgebung.
Das sind gute Nachrichten, weil anscheinend laufen doch irgendwelche Verhandlungen.
Die russische Führung hat inzwischen beschlossen, daß das Werk nicht mehr wiederherzustellen geht. Vorher gab es diesbezüglich anscheinend einige Illusionen. Stattdessen soll das Iljitsch-Werk wieder aufgemöbelt werden.
Es ist aber auch möglich, daß hier Vermögensfragen im Hintergrund stehen. Immerhin gehörte das Azovstahlwerk vorher Achmetov, dem ursprünglich prorussischen Oligarchen, der derzeit mit Kiew verbündet ist.
Russischer Kreis wird gegründet
Wie Putin die Annexion vorbereitet
Russland schickt seine Beamten in die Regierungen der sogenannten Volksrepubliken, gibt Pässe in besetzten Bezirken aus und plant Annexionsreferenden. De facto werden die okkupierten ukrainischen Gebiete schon jetzt annektiert.
Seit Beginn des Donbass-Kriegs im Frühjahr 2014 standen die sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk in klarer Abhängigkeit von Russland. Mindestens zweimal wurden während der heißen Phase des Krieges bis zum Februar 2015 reguläre russische Truppen auf dem Schlachtfeld eingesetzt. Doch Russland kontrollierte nur die grundsätzliche Ausrichtung der international nicht anerkannten Republiken. Vor Ort gab es noch eine Art Innenpolitik. Die Beziehungen von Donezk und Luhansk zueinander waren sogar recht kompliziert, weil die ehemaligen Republikchefs einen Konflikt austrugen.
Zwischen 2017 und 2018 wurden die Führungen der "Volksrepubliken" auf unterschiedlichem Wege ausgewechselt, seitdem übernahm Moskau immer stärker das Ruder. Seit 2019 werden an die Bewohner der besetzten Gebiete russische Pässe ausgegeben, im Herbst 2021 konnten sie an der russischen Duma-Wahl teilnehmen, auch darüber hinaus liefen bereits im letzten Jahr großangelegte politische und wirtschaftliche Integrationsprozesse mit Russland.
Es gibt keine Separatisten in der Ukraine
Dass in Donezk und Luhansk keine echten "Separatisten" am Werke waren, war daher ohnehin längst klar. Doch nun, mehr als drei Monate nach dem Beginn der großangelegten Invasion Russlands, fallen die letzten Masken. In dieser Woche wurden bedeutende Umstellungen in den Regierungen und in anderen Machtstrukturen der angeblichen Volksrepubliken durchgeführt. Regierungschef der Volksrepublik Donezk wurde beispielsweise der russische Beamte Witalij Chozenko, der vorher als Abteilungsleiter im russischen Industrie- und Handelsministerium fungiert hatte. Zum "Stabschef", einer Art Leiter des Büros des "Präsidenten", wurde der kremlnahe Polittechnologe Alexander Kostomarow ernannt, der früher in den Verwaltungen von vier russischen Bezirken gearbeitet hat.
Zu den prominentesten Auswechselungen in der sogenannten Volksrepublik Luhansk wurde die Ernennung des ehemaligen Vize-Gouverneurs des russischen Bezirks Kurgan, Wladislaw Kusnezow, der nun als Stellvertreter des Regierungschefs in Luhansk arbeitet. Nach Angaben des russischen Exilmediums Meduza mit Sitz im lettischen Riga gibt es Pläne, die beiden "Präsidenten" Denis Puschilin und Leonid Passetschnik durch russische Beamte zu ersetzen. "Bei der Verteilung der Haushaltsmittel durch düstere lokale Charaktere darf es kein Durcheinander geben. Das Geld muss in die richtige Richtung fließen", zitiert Meduza eine der russischen Präsidialverwaltung nahestehende Quelle.
Aus der besetzten Ukraine soll ein russischer Kreis werden
Drei weitere Quellen aus der Umgebung der Präsidialverwaltung von Putin berichten darüber hinaus über Pläne, die "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk sowie die besetzten Teile der ukrainischen Bezirke Cherson und Saporischschja in einen neuen russischen Föderalkreis zu vereinen. Einem der acht bereits existierenden russischen Föderalkreise sollen die okkupierten ukrainischen Gebiete nicht beitreten. Trotz kleinerer Gegenoffensiven der Ukrainer befindet sich fast das gesamte Gebiet des südukrainischen Bezirks Cherson unter russischer Besatzung. Im Bezirk Saporischschja kontrollieren die Russen nach ukrainischen Angaben fast 60 Prozent der Oblast, an die Stadt selbst kommen sie jedoch seit längerem nicht näher heran.
Nach Informationen von Meduza soll die Annexion durch die Austragung von Scheinreferenden gefestigt werden. Gesprochen werde dabei im Moment über zwei Termine: Ende Juli, soweit die Lage an der Front sich beruhigt, was wenig wahrscheinlich ist, oder am 11. September, die angeblich realistischere Option. In Russland ist dies der sogenannte einheitliche Wahltag: Wo Kommunalwahlen anstehen, werden diese am zweiten Septembersonntag durchgeführt. Doch auch hier gibt es Fragen, ob die militärische Lage die Durchführung der angeblichen Abstimmungen zulassen wird oder wie sinnvoll es aus russischer Sicht ist, ein Referendum im Bezirk Saporischschja auszutragen, ohne dessen Hauptstadt unter Kontrolle gebracht zu haben. Die Besatzung von Saporischschja erscheint aktuell militärisch als sehr unwahrscheinlich.
Für den Kreml sind die besetzten Gebiete schon Innenpolitik
Bemerkenswert ist ebenfalls, dass Sergej Kirijenko, der als erster Stellvertreter des Leiters der russischen Präsidialverwaltung für die russische Innenpolitik zuständig ist, am 7. Juni die besetzte Stadt Melitopol im Bezirk Saporischschja besuchte – nicht sein erster Besuch im seit dem 24. Februar neu okkupierten Gebiet. Mehrere russische Medien berichteten in den vergangenen Wochen und Monaten, dass Kirijenko die Verantwortung für die Prozesse in den sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk sowie auf dem weiteren besetzten Gebiet der Ukraine übernommen hat. Früher war dafür der in der Ukraine geborene andere Stellvertreter Dmitrij Kosak verantwortlich, der die Verhandlungen im Minsker Prozess steuerte und intern als Befürworter einer diplomatischen Lösung galt.
Kosak ist einer der wenigen in der russischen Führung, der eine realistische Vorstellung vom politischen Leben in der Ukraine hat. Seit Beginn der großangelegten Invasion ist von ihm jedoch nicht mehr zu hören. Dass ausgerechnet der Koordinator der russischen Innenpolitik nun für die besetzten Gebiete verantwortlich gemacht wird, ist ein weiteres klares Signal, dass Russland nicht nur eine formelle Annexion der okkupierten Gebiete plant, sondern diese bereits zu einem bedeutenden Teil durchgeführt hat.
Zumal in den besetzten Gebieten der Bezirke Cherson und Saporischschja seit einigen Wochen auch russische Pässe ausgegeben werden – Putin hat dafür seinen Erlass von 2019, der für die Bewohner der sogenannten Volksrepubliken galt, extra erweitert. Diplomatische Lösungen werden dadurch von Russland quasi unmöglich gemacht. Denn die Ukraine hat mehrmals signalisiert, im Falle der Annexion weiterer ukrainischer Gebiete aus den ohnehin kaum laufenden Friedensverhandlungen auszusteigen. An einer Verhandlungslösung hat Russland allerdings offensichtlich keinerlei Interesse.
https://www.n-tv.de/politik/So-bereitet-Putin-die-Annexion-von-Donezk-und-Luhansk-vor-article23390719.html
„Alles weist darauf hin, daß die russischen Truppen nach der Erlangung der Kontrolle über Sewerodonezk den Angriff auf Lisitschansk auf der anderen Seite des Flusses Donezk anstreben werden. Seit Wochen wird der Ort von der russischen Artillerie bombardiert und sein Zentrum liegt in Trümmern. Die Eroberung der beiden Städte würde (den russischen Truppen) die fast vollständige Kontrolle über den Donbass sichern – eine der meist industrialisierten und dichtest besiedelten Gegenden der Ukraine, obwohl er nur 5% ihres Territoriums ausmacht.
2013 kamen 20% des BIP der Ukraine von hier, ihre Bevölkerung betrug 10%, ungefähr 4,5 Millionen. Die meisten von ihnen sind ethnische Russen, aufgrund der historischen Präsenz Rußlands in dieser Region. Ungefähr eineinhalb Millionen haben sie seit Kriegsausbruch verlassen.“
(El País, 16.6.)
Allerdings hat ungefähr eine weitere Million den Donbass aufgrund des Dauerkrieges nach 2014 verlassen.
Die Durchhalteparolen Selenskijs, der seine Felle im Falle einer Niederlage davonschwimmen sieht, weisen darauf hin, daß im Hintergrund offenbar Waffenlieferungen davon abhängig gemacht werden, daß die ukrainische Armee ihre Fähigkeit zeigen muß, der russischen Offensive weiter standzuhalten.
Russisches Militär: Ziehen Truppen von Schlangeninsel zurück
Russische Truppen ziehen sich laut Eigenangaben angeblich freiwillig von der zuvor eroberten Schlangeninsel zurück. Die Insel liegt im Schwarzen Meer mehrere Kilometer vor der Küste der Ukraine.
Damit wolle Russland zeigen, dass es den Export von Getreide und landwirtschaftlichen Produkten aus der Ukraine nicht behindere, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Donnerstag in Moskau. Zuvor hatte die Ukraine einen Angriff auf die Insel gemeldet. (…)
https://www.vienna.at/russisches-militaer-ziehen-truppen-von-schlangeninsel-zurueck/7511143
Die Ukraine fügt Russland auf der Schlangeninsel eine empfindliche Niederlage zu
Russland muss sich von der kleinen Schwarzmeerinsel zurückziehen. Der ukrainische Erfolg zeugt von der Bedeutung westlicher Waffenlieferungen.
https://www.nzz.ch/international/schlangeninsel-die-ukraine-fuegt-russland-eine-niederlage-zu-ld.1691459?reduced=true
Ist das wirklich so?
Vor einigen Wochen war in russischen Zeitungen die Rede von über 8000 ukrainischen Kriegsgefangenen.
Jetzt werden ganze 6000 gezählt, obwohl rund um Severodonezk und Lisitschansk auch einige angefallen sind.
D.h., nach einiger Überprüfung werden viele von ihnen freigelassen, vielleicht mit der Auflage, sich am Wiederaufbau in denjenigen Gebieten zu beteiligen, die fest in russischer Hand sind.
Lawrow sagte in einem Interview mit RIA Novosti und RT:
„Die geographischen Ziele der Spezialoperation haben sich geändert, jetzt sind es nicht nur die DVR und die LVR, sondern auch eine Reihe anderer Gebiete“ (die Rußland befreien bzw. dem russischen Staatsgebiet einverleiben will). „Wenn der Westen Kiew mit Langstreckenwaffen versorgt, verschieben sich die geografischen Ziele des Spezialeinsatzes in der Ukraine noch weiter“ (nach Westen bzw. Südwesten …)
(KP, 20.7.)
Zur Erinnerung:
Stammt die Karte von Lawrow? Der Link hilft mir nicht weiter, weil ich kein Russisch kann und weil die Karten nicht angezeigt werden.
Alles was über den Dnjepr in das schwarze Meer verschifft wird ginge durch Russland. Die Bevölkerung wäre halbiert.
Natürlich stammt die Karte *nicht* von Lawrow. Das Netz ist voll von Ukrainekarten, die normalen Zeitungen bringen meist noch nicht mal den aktuellen Frontverlauf und dann gibt es im Netzt haufenweise Nachkriegskarten mit allen möglichen Grenzverläufen bis hin zur Auflösung des ukrainischen Staates. Da kan sich jeder nehmen, was er will. Nur die Ukrainer natürlich nicht.
@Kehrer
Nein, das ist eine Karte, die ich aus dem Netz habe und nach dem Beginn des Einmarsches einmal in einem Kommentar hier auf dem Blog gepostet habe.
Ich fand das nur passend, weil nach Lawrows Statement ist ja wirklich alles offen.
An Neoprenes Kommentar anschließend füge ich hinzu, daß der dunkelblaue Teil vielleicht optimistisch ist …
Was auch stimmt, ist, daß der aktuelle Frontverlauf niemandem ein Anliegen zu sein scheint. Deswegen stelle ich hier eine Karte von vorgestern hin.
Angeblich wird auch das AKW in Energodar, südlich von Saporoschje – das größte Europas – von den ukrainischen Streitkräften mit Drohnen angegriffen …
Blaue Halbsterne sind Beschuß durch die Ukraine, rote sind Beschuß durch Rußland.
Blaues Kreuz auf Hellblau heißt Kämpfe, rotes Kreuz auf schwarz heißt schwere Kämpfe.
Wie will eigentlich die russische Armee Cherson und das dort eroberte Gebiet versorgen, jetzt wo die Ukraine die einzige Brücke über den Dnjepr, die Antonovskiy-Brücke, zerstört hat?
Und was würde Rußland wohl machen, wenn die Ukraine mit besseren, vor allem weiter reichenden Raketen die Kertsch-Brücke zur Eisenbahnversorgung der Krim kaputt schießen würde? Kriegen die ukrainischen Truppen vielleicht diese Raketensystem deshalb nicht, weil das den USA dann doch zu heiß ist?
Korrektur:
Die Antonovskiy-Brücke ist die einzige Autobrücke am unteren Dnjepr. Es gibt aber noch, ein paar Kilometer flußauf, die Antonivsʹkyy Zaliznychnyy Mist, eine Eisenbahnbrücke. Für ukrainische Präzisionsgeschosse und Raketen auch ein lohnendes Ziel.
Falls die Krim-Brücke zerstört würde, ist der 3. Weltkrieg da. Ich vermute, das wurde den entsprechenden Stellen auch mitgeteilt.
Peskow hat jedenfalls dergleichen schon einmal angedeutet.
Was die Versorgung Chersons angeht, werden sich die Russen etwas einfallen lassen. Aufgeben werden sie Cherson meiner Ansicht nach nicht.
Die ukrainische Führung hat sich vorgenommen, das Gebiet von Cherson, das bisher wenig unter den Kriegshandlungen gelitten hat, möglichst zu zerstören, im Zuge ihrer „Verbrannte Erde“-Strategie.
Das ganze läuft unter „Offensive“, um ihren westlichen Freunden etwas zu bieten. Dafür werden die HIMARS-Raketen eingesetzt.
Die Region Cherson verstärkt ihre Luftabwehr und bereitet für den Herbst ein Referendum für den Anschluß an Rußland vor.
(KP, 22.7.)
Verwirrspiel um einen russischen Raketenangriff auf Odessa: Erst wird er von der ukrainischen Seite gemeldet, dann von türkischer Seite dementiert und dann von russischer Seite zugegeben.
Weiß hier eine Hand nicht, was die andere macht?
Will Rußland selbst das eben unterzeichnete Abkommen bezüglich Getreideausfuhr torpedieren?
Jetzt ist es offiziell:
"Schlag in Odessa galt US-Waffen"
Russland hat bei dem Raketenangriff auf die ukrainische Hafenstadt Odessa nach eigenen Angaben "militärische Infrastruktur" zerstört. Dabei seien "hochpräzise" Kalibr-Marschflugkörper eingesetzt worden, teilte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, auf Telegram mit. Damit sei ein Kriegsschiff der Ukraine getroffen worden.
Das Verteidigungsministerium in Moskau begründete den international kritisierten Angriff mit der Zerstörung von US-Waffen. Die Raketen seien auf ein Schiffsreparaturwerk abgefeuert worden. In dem Dock seien ein ukrainisches Kriegsschiff und ein Lager mit von den USA gelieferten "Harpoon"-Raketen zerstört worden, hieß es.
Zudem seien durch die Angriffe Anlagen zur Reparatur und zur Modernisierung des Schiffsbestandes der ukrainischen Seestreitkräfte außer Betrieb genommen worden, hieß es in der Mitteilung des russischen Verteidigungsministeriums.
Nach Beschuss des Hafens: Russland räumt Angriff auf Odessa ein | tagesschau.de
Das macht ja militärisch Sinn. Aber warum leugnet die russische Regierung das, was sie einen Tag später doch zugibt?
Warum kam dieser Angriff nach dem Abkommen und nicht davor, daß da ein Kriegsschiff im Hafen lag, wußte Rußland doch seit Anfang des Krieges?
Sollte der Raketenschlag die Niederlage des Abkommens etwas übertünchen (denn bisher war es ja die russische Position, daß es keine Freigabe des Getreideexports der Ukraine geben würde, wenn die NATO ihre Sanktionsmaßnahmen nicht zurücknimmt) Oder war es gar keine Niederlage, weil die NATO insgeheim die Sanktionen tatsächlich zurückgeschraubt hat?
Bisher sind die Getreideexporte an der ukrainischen Seite gescheitert, die ihre Häfen nicht entminen wollte. Rußland hat das meines Wissens nicht an Bedingungen bezüglich Sanktionen geknüpft.
Rußland hat nur immer darauf hingewiesen, daß seine eigenen Getriedeexporte durch die Sanktionen behindert werden, weil sie nicht bezahlt werden können und auch die Versicherungen die Fracht nicht versichern dürfen.
Dergleichen wurde mit dem letzten Sanktionspaket ja aufgehoben.
Das Dementi kam von der Türkei, was mich auch wundert.
Möglicherweise wurde diese Art von Arbeitsteilung schon in Teheran ausgemacht.
Vielleicht war das eine Warnung an die Ukraine, keine Anstalten zu machen, diese erst zu öffnende Route für Waffentransporte zu nutzen. Wir wissen alles!
Selenski kräht ja immer wieder, die Krim angreifen und die russische Flotte zerstören zu wollen, mit den neuen US-Wunderwaffen.
Vielleicht sollte dergleichen Ambitionen ein Dämpfer aufgesetzt werden.
"Die Ausfuhr russischen Getreides und Düngers soll durch das Abkommen ebenfalls erleichtert werden. Getreide-Exporte aus Russland sind nicht direkt mit Sanktionen belegt, werden aber durch Strafmaßnahmen gegen Transportbetriebe, Versicherungen und Banken erschwert. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte bei einem Gipfeltreffen in Teheran im Gegenzug für den Export des ukrainischen Getreides Erleichterungen für den russischen Getreideexport gefordert. Nach Informationen aus Diplomatenkreisen ist Washington bereit, Garantien zu übernehmen, damit Transportunternehmen Russland große Frachtschiffe zur Verfügung stellen können."
Ukraine: Getreide-Einigung mit Russland? UN-Generalsekretär fliegt nach Istanbul – Lösung deutet sich an (merkur.de)
"„Wir sind bereit, die Sicherheit von Schiffen zu gewährleisten, die die ukrainischen Häfen verlassen“, sagte Lawrow weiter. Mit Blick auf die Ukraine fügte er hinzu: „Wenn sie jetzt – wie uns unsere türkischen Freunde sagen – bereit ist, entweder Minen zu räumen oder den Durchgang durch Minenfelder zu gewährleisten, dann hoffen wir, dass dieses Problem gelöst wird.“"
Russland gibt Ukraine Schuld an Getreideblockade (berliner-zeitung.de)
Die zentrale faktische Frage, wer räumt eigentlich die Minen weg, damit Frachtschiffe überhaupt sicher durch das Schwarze Meer fahren können, scheint noch gar nicht geklärt zu sein:
"Was passiert mit den Minen im Schwarzen Meer? Die Unterhändler sehen von einer Minenräumung zunächst ab. Dies hätte laut UNO „zu viel Zeit in Anspruch genommen“. Die Minen wurden in erster Linie von der Ukraine zur Verteidigung ihrer Häfen gelegt. Ukrainische Kriegsschiffe werden die Getreidefrachter zu Beginn der Reise auch deswegen begleiten, um die Minen zu umfahren. Falls eine Minenräumung doch nötig sei, solle dies von Vertretern eines weiteren, noch nicht genannten Landes übernommen werden, heißt es in dem Abkommen."
Ukraine: Getreide-Abkommen – Zeitplan, Schiffe, Minenräumung: Viele Details unklar (merkur.de)
Nur zum Thema Sanktionen und Getreide:
„Russland fordere die westlichen Länder nicht auf, die Sanktionen aufzuheben, aber beim Thema Lebensmittel müsse der Westen die von ihm geschaffenen Probleme beseitigen, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow.
»Wir fordern nicht die Aufhebung von Beschränkungen – das sind Probleme, die besondere Aufmerksamkeit verdienen. Wir werden jetzt einfach unsere eigene Wirtschaft entwickeln, indem wir uns auf zuverlässige Partner verlassen und nicht auf diejenigen, die erneut ihre völlige Verhandlungsunfähigkeit bewiesen haben«, sagte Lawrow während einer Pressekonferenz in Kairo.
»In Bezug auf Lebensmittel, hier müssen unsere westlichen Kollegen … die Hindernisse beseitigen, die sie selbst geschaffen haben.«“
(KP, 24.7.)
Ich nehme an, Lawrow sucht jetzt den 3. unbekannten Partner und war deshalb auch in Ägypten, das ein großer Getreideimporteur ist.
Ein Versuch, möglichst viele Staaten einzubeziehen und damit zu zeigen, daß es der Westen ist, der sich isoliert, und nicht Rußland.
Was die Minen angeht, so sehe ich da noch überhaupt keine Lösung. Erstens sollen die Minen alt sein, die Verlegung war unprofessionell, viele haben sich losgerissen, also da sichere Korridore zu schaffen, halte ich für unmöglich.
Wenn die ukrainische Marine mitspielen würde, dann konnten Konvois schon durch die Minenfelder geleitet werden. Die müßte ihre Minensuch- und Sprengboote vorausschicken, die den Weg freisprengen. Aber genau das hat die Ukraine ja bisher verweigert. Als Getreidehändler würde ich unter diesen Bedingungen wirklich kein einziges Schiff nach Odessa fahren lassen.
Seh ich auch so. Das sind ja riesige sogenannte Massengutfrachter mit je nach Typ 40 000 bis über 100 000 t. In einen Güterzug von 750 m mit 35 Waggons gehen ca. 1000 t. 35x 30 Tonnen pro Waggon. Also 40 bis über 100 Güterzüge. Wenn so ein Teil sinkt ist ne Menge Reichtum kaputt, abstrakter und konkreter. Wer soll sowas versichern?
Angeblich sollen es türkische und griechische Schiffe sein, die das übernehmen würden.
Aber mir erscheint das Ganze auch sehr unausgereift. Ich habe nach der Lektüre meiner Blätter den Eindruck, daß die ukrainische Marine selber gar nicht mehr so genau weiß, wo die Minen im Einzelnen sind. Erstens wurden die Verminungspläne von Anfang an schleißig gehandhabt, zweitens wurden die Minen unprofessionell verlegt und drittens haben sich seither viele davon losgerissen.
Das Schwarze Meer hat viele Strömungen und alle führen zum Bosporus, wo ja die Schiffe auch hinfahren, also relativ unsicher, die Sache.
Nach der russischen Kriegsplanung soll die Eroberung des Donbass vor dem Winter abgeschlossen sein. Dann geht es angeblich weiter Richtung Odessa und Charkow.
Was auch immer die russische Kriegsplanung sein mag, mit Sicherheit kann man die nicht im Fernsehen live mitverfolgen. Es könnte genauso gut sein, daß die russischen Streitkräfte deshalb so massiv in den Süden verlegt werden, damit sie einen von Selenskyj auf Cherson befohlenen Angriff dazu benützen könnten, den erst abzuwehren und dann umso "leichter" selber in Richtung Odessa vorzustoßen. Man wird es eh innerhalb der nächsten Wochen sehen, wer da was macht oder schon nicht mehr machen kann.
Das mag sein, die Russen haben aber inzwischen feststgestellt, daß 1. die Zeit für sie arbeitet, 2. ihre Verluste durch die bisherige Vorgangsweise gering gehalten werden und 3. kleine Vorstöße effektiver sind als Mehrfronten-Angriffe.
Ich bin in meinen Prognosen auch nicht besser als die NATO-Pressesprecher vom MI6 (darf da wirklich niemand sonst was zu sagen außer einigen Ex-Generälen):
Ukraine-Krieg: Britischer Geheimdienst spricht von neuer Frontlinie – DER SPIEGEL
"Die russischen Truppen haben eine Fähre unter der beschädigten Antonowsky-Brücke installiert und befördern gleichzeitig zivile und militärische Fahrzeuge auf den Pontons, um die Fähre vor ukrainischem Artilleriebeschuss zu schützen: ein weiterer Verstoß gegen die Genfer Konvention, da Zivilisten als menschliche Schutzschilde benutzt werden.
Die Fähre hat jedoch nur einen Bruchteil der Transitkapazität der beschädigten Brücke, sodass sich die allgemeine Versorgungslage der russischen Streitkräfte, die im westlichen Teil der Region Cherson kämpfen, kaum verbessern dürfte." (behauptet jemand im ZDF)
Ja, es wird schon stimmen, daß die Pontons nicht so ein hohes Verkehrsaufkommen tragen können, wie eine feste Brücke aus Stahlbeton. Aber da werden ja auch kaum 20.000 Menschen täglich mit dem Auto zur Arbeit fahren wollen. Und alle 30 sec muß da sicher auch kein Munitionslaster rüberdonnern. Und wenn es wirklich knapp wäre mit einer Pontonbrücke, kann die russische Armee ja noch ein paar dazu hinstellen, die haben ja genug davon (die stehen jetzt ja auch nicht unter Feuer, wie beim Untergang der Brückenbaueinheit, einer ganzen Batallionskampfgruppe, am Siwerskyj Donez schon im Mai).
Ein besonderer Lacher ist der Vorwurf, die russischen Truppen würden menschliche Schutzschilder mißbrauchen, weil sie auch Zivilfahrzeuge über die Brücke lassen. Gerade erst hat selbst Amnesty International darauf hingewiesen, daß sowas stehende Praxis der ukrainischen Armee war und ist.
Es ist auch interessant, wie Amnesty hier in die Schußlinie kommt:
Ukrainische Reaktionen nach Amnesty-Bericht: Die Wut der Überfallenen
In sozialen Medien äußern sich viele empört über den Amnesty-International-Bericht, der Kiew die Verletzung humanitären Völkerrechts vorwirft. Wie berechtigt ist die Kritik?
(…)
https://www.derstandard.at/story/2000138089815/ukrainische-reaktionen-nach-amnesty-bericht-die-wut-der-ueberfallenen
Besonders interessant in dem Artikel der Satz:
„Die Tatsache, dass in westlichen Medien bis heute vermeintliche Experten aus Politik und der akademischen Welt Talkshows bevölkern, die in der Regel unwidersprochen die »alternativen Fakten« des Kreml verbreiten, wird besonders bei der jungen, gebildeten Elite des Landes von jeher intensiver wahrgenommen, als deren Produzenten gewahr ist.“
Man fragt sich, um welche Leute es sich hier handelt?
Einiges zur materiellen Seite dieses Krieges:
„Die Washington Post behauptet, Moskau habe die Kontrolle über Mineralvorkommen der Ukraine im Wert von 12,4 Billionen Dollar übernommen. Eine solche Analyse wurde für die amerikanische Ausgabe von der kanadischen geopolitischen Risikofirma SecDev durchgeführt.
Sie haben herausgefunden, welche wertvollen Vorkommen sich auf den von Russland kontrollierten Gebieten im Südosten der Ukraine befinden. Laut den Analysten von SecDev ist die Liste lang: 41 Kohlevorkommen, 27 Erdgas-Lagerstätten, 14 Propanvorkommen, 9 Ölfelder, 6 Eisenerz-Bergwerke sowie Vorkommen von Titan, Zirkonerz, Strontium, Lithium, Uran, Gold. Und sogar ein großer Kalksteinbruch.
Die meisten dieser Reichtümer befinden sich in der Erde des Donbass. Und der Donbass ist, wie bereits Kaiser, Generalsekretäre und Präsidenten wussten, das Herz Russlands.“
(KP, 13.8.)
In der Ukraine gibt es wohl wirklich schier unermessliche Bodenschätze. Ich hatte erst gedacht, daß der Gesamtwert nur ein paar Milliarden sind, weil das in den USA immer gleich Billionen sind und das bei der Übernahme gern übersehen wird. Aber bei der NYT heißt es sogar Trillionen und das sind auf deutsch eben wirklich Billionen an Bodenschätzen.
Die Ukraine ist in sowjetischen Zeiten ziemlich industrialisiert und dann nach der Unabhängigkeit von allen Politikern und Oligarchen systematisch ausgeplündert worden.
Es ist auch so ein Territorium, über das man das sagen könnte, was Galeano über Lateinamerika sagt: Die Armut der Menschen als Ergebnis des Reichtums der Erde.